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Kapitel XI
Der rote Engel

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„Ich werde diese Nacht durch das Land Ägypten gehen und werde töten alle Erstgeborenen bei Menschen und Tieren und gegen alle Götter Ägyptens werde ich verrichten das Urteil: Ich bin der HERR! Und das Blut wird sein für ein Zeichen über den Häusern wo mein Volk ist.“

So flüsterte Jehovah in die Ohren Moses und Aaron vor langer Zeit in Ägypten und die Osterlämmer wurden getötet und der Engel des HERRN bewegte sich über den Häusern wo das Blut als Zeichen gesetzt wurde und die Auserwählten des HERRN wurden geschont und alle Heerscharen des HERRN gingen aus dem Ägyptenland.

So war es vor langer Zeit in Ägypten und es war sicherlich letztlich für die, die der HERR liebt. So war es nicht in Frankreich zu Beginn dieses Jahrhunderts, Gott war still, weit entfernt und es gab keinen Moses oder Aaron, ihre Lieben aus dem verruchten Land zu führen. Und anstatt Gottes Osterlamm und das Blut des Lamms war über den Häusern der Menschen eine große Finsternis und tatsächlich Blut über den Häusern, aber nicht das der Lämmer. Nahezu auf jeder Schwelle dort zeigt sich ein rotes Zeichen, nicht Gottes Zeichen, sondern Kains, ein Zeichen, nicht der Rettung, sondern des Verderbens.

Wie ein ermatteter Sturm flog er über die Erde, Napoleon eilte von Moskau nach Paris, durch den Verlußt von 5oo ooo Männern erschrocken, wenig achtgebend auf die Schreie und Tränen der unzähligen Witwen und Waisenkinder. Wie wurde er empfangen durch das Volk seines Imperiums? Mit Flüchen und Stöhnen, mit leidenschaftlichen Gebeten und Apellen? Im Gegenteil, mit Segen und jauchzendem Beifall. Die Städte seines Imperiums – Rom, Florenz, Milano, Hamburg, Mainz, Amsterdam – zogen sich die eleganteste Kleidung an und flochten Lilien in ihr Haar. Die öffentlichen Beamten strömten hin ihre Beglückwünschungen zu offerieren.

„Was ist Leben“, schreit der Prefekt von Paris, „im Vergleich mit den großartigen Interessen, welche auf dem Haupt des Thronfolgers beruhen?“

„Der Grund“, schreit M. de Fontagnes, der Großmeister der imperialen Universität, „der Grund dieses Geheimnisses ist die Kraft und der Gehorsam und Preisgabe aller Ideale zu dieser Religion, die Personen als Könige heilig, stellen sich selbst nach dem Ebenbild Gottes dar!“

In dieser Weise tanzen und phantasieren die gottlosen, parfümierten Erzpriester des kaiserlichen Götzen und gedeihen furchtbar.

Und in der Zwischenzeit öffnet sich der Himmel und begräbt die große Armee tiefer und tiefer im stummen Schnee.

Und in jedem Heim ist ein leerer Platz, in jedem Haus ist ein schmerzendes Herz und aus jeder Ruine zu Hause ergeht ein bitterer Schrei: ‚Wir flehen dich an uns zu hören, oh HERR!’

Aber der HERR meint, die, die da schreien sind weder Jehovah, noch all die Ungesehenen und all die Dankbaren, noch irgendein Gott des kalten Himmels, woher dieser Schnee, der den Tod zudeckt, kommt.

Der Herr der gebrochenen Herzen ist Napoleon, der sich den Gottessitz widerrechtlich aneignete und seinen entsetzlichen Machtanspruch quer durch eine verwüstete Welt flüsterte.

„Wir flehen Dich an, oh HERR, uns zu hören!“

Er brütete in der Mitte seiner Stadt und seine Augen begutachten die stille Erde wie eine Spinne im Zentrum ihres Netzes, so liegt er und wartet er, inmitten seiner Stadt.

Die Kreaturen, die Paris in diesen Geburtswehen hervorbrachte, welche die Welt schockten, das Kind der Revolution, das mit einem Schrei begann, mit dem Klirren der in Ketten gelegten Seelen endete, der Soldat geriet ins Feuer, der König-Zerstörer und König-Befreier wusste nun wahrhaftig, was er wollte – die Offenbarung: Herr über Europa, Meister und Diktator der Erde sein zu wollen. Was wunderts, wenn der gemeine Mann in seinem Wahnsinn betend in seiner Gegenwart niederfiel, als wäre er der wahre Gott.

„Wir flehen Dich an, uns zu hören, oh HERR!“

Wenn er es hört, lächelt er. Wenn er es versteht, lächelt er auch! Und wir können wirklich glauben, dass er weder hört noch versteht.

Eine Offenbarung kann man nicht verstehen, er hat keine Weisheit, er kann nicht hören, er hat keine Ohren. Er hat weder Augen noch Verstand, noch Herz, noch Ohren. Er schaut nicht herab, er kann sich Gott nicht vorstellen. Er schaut nicht aufwärts, er kann Menschlichkeit nicht wahrnehmen.

Blind, taub, vernunftswidrig, mitleidslos, schrecklich, sitzt er als Gott – ein ‚Erd-Gott’-, giftig und zum Sterben geboren.

Wir werden hier sehen wie fremde Redner und Dichter ihn nannten: einen großen Mann. Wenn er einer gewesen wäre, so müsste er die höchste menschliche Gnade haben wie wirklich viele seiner Äußerungen und Handlungen es zeigen zu scheinen. Die Erklärung ist einfach. Große Männer verschiedener Bereiche sind groß durch ihr Negieren der gewöhnlichen menschlichen Eigenschaften. Voltaire war groß, weil er nicht Verehren konnte. Rousseau war groß, weil er kein Schamgefühl hatte, Napoleon war groß, weil er als Herrscher perfekt unfähig war, die Konsequenzen seiner eigenen Handlungen zu erkennen, er hatte keinen Abschluß der Fakultät, wie es die gemeinen Menschen wählen, Menschen, die keinen Respekt vor etwas Großem haben. Es ist kurios, als illustriert das die Wahrheit: dass Nopoleon es bedauerte, als er die Leiden sah.

Er war nicht in der Lage physische Schmerzen in jeder Form zu betrachten wie auch Goethe es vermied.

Als ein menschliches Wesen hatte er seine menschlichen Gefühle. Als ein großer Mann, als der Eroberer von Europa war er einfach eine ungebildete und verantwortungslose Kraft, ohne Augen und Ohren oder Herz und Verstand, eine Maschine, die durch einen blinden erbarmungslosen Willen arbeitet, Dunkles zu ersinnen, und immer ein verhängnisvolles Ende zu finden. Er war im Unrecht, obgleich er erklärte die Wahrheit zu vertreten und die durch eine Art ‚Mann in Rot’, sein Vertrauter, begleitet wurde … Dieser Vertraute, wie auch immer, war seine eigene übernatürliche Erfindung.

In Wahrheit war Napoleon der Frankenstein, ein Kriegsungeheuer, welches er selbst kreiert hat und welches von Anfang an nie erduldete, daß er in Frieden schlafen kann. Er mag zwar wie ein Gott zum Volke gewesen sein, aber das Ungeheuer, das er war, war ein Sklave.

„Du hast mich aus einer Verwirrung ausgedacht, ernährst mich, mein Essen sind Menschenleben. Du hast mich aus den mächtigen demokratischen Elementen heraufbeschworen – bekleide mich, meine Kleidung soll aus vaterlosen Kindern gewebt sein. Du hast mich geformt und genährt und mich gekleidet in Gottes Namen – finde mir eine Brücke, dass meine Rasse erstarken möge und der Erde innewohnt.“

Und der Name der Brücke war Tod.

„Wir flehen Dich an, uns zu hören, oh HERR!“

Vielleicht hat er gehört, vielleicht hört er und war unschlüssig. Aber das Ungeheuer fährt fort: „Schnell, mehr Essen, ich bin hungrig, mehr Kleidung, weil ich nackt in Lumpen laufe, und eine andere Brücke, für die, die Du mir gabst und für die es zu kalt war. Verleugne mich und ich werde Dich verschlingen: Dich und Deinen Samen und Dein Imperium und Deine Hoffnung, für immer!“

So schreit der Kaiser in dem dunklen Jahr 1813:

„Frieden, Ungeheuer! Und ich werde Dir befehlen“, und er verließ das Feld und ging in die Dunkelheit seiner geheimen Kammer, er bewegt sich lächelnd fort, inmitten der Anbetung seiner Kreaturen und Blumen wurden zu seinen Füßen gestreut, während Musik sein Ohr erfüllt. Mehr Futter war bereit, mehr Kleidung wurde gewebt. Eine andere grausige Brücke war bald vorbereitet, der Name der Brücke war ‚Blutbad’, der jüngst geborene von drei Schwestern, deren Namen ‚Hungersnot’ und ‚Feuer’ waren.

So kehrt Napoleon zu dem Ungeheuer zurück und schreit zu ihm:

„Sei Du mein ‚Roter Engel’, fahr schnell über das Land in der Dunkelheit der Nacht, und wenn Du an jede Tür gehst, setze Dein rotes Zeichen und welches Haus Du markierst wird seinen besten Geliebten für Dich und Deine Brücke gewähren. Für mich, Napoleon! Und das Blut soll als ein Zeichen über den Häusern sein, wo unsere Opfer sind!“

„Wir flehen Dich an, uns zu hören, oh HERR!“

Der Schrei erschallt, aber was nützt er?

Der gottlose Engel flog über die Erde und unten waren die roten Zeichen an den Türen. Und die Zahl der neuen ausgewählten Kinder Frankreichs waren zweihundertzehntausend und auf seinem Ruf folgten sie, in jeder Wohnung und kein Osterlamm wurde geschlachtet, aber jeder Einzelne der Zweihunderttausend schenkten ihm sich selbst als Lamm zum Opfer, bevor die Heere Napoleons erneut aus Frankreich ausrückten.

Der Schatten des Schwertes

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