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11. Kapitel Köln-Sülz
ОглавлениеMan jagt den Fuchs nicht in seinem Bau. Dieses alte Sprichwort aus dem Talmud hat sich auch die CIA zu Eigen gemacht.
Jedenfalls verfügt die Agency in vielen Städten der Welt über ein Sicheres Haus, Häuser, die entsprechend ausgerüstet und überwacht werden und den Agenten im Bedarfsfall eine geschützte Rückzugsmöglichkeit bieten. Die Feldagenten sprechen auch gerne von ihrem Fuchsbau. Der Unterhalt für diese Häuser bedeutet einen gewissen logistischen Aufwand und ist mit erheblichen Kosten verbunden, besonders wenn man bedenkt, dass es ein solches Netz von Häusern auf der ganzen Welt geben muss.
Seit der Senat die Mittel für die Agency ohne Erbarmen gekürzt hatte, waren viele dieser Häuser aufgegeben worden. Und deshalb gab es in Köln ein solches Haus nicht.
Stattdessen hatte die Agency im Kölner Stadtteil Sülz ein kleines Apartment angemietet, das dieser Funktion immerhin nahe kam, aber nicht über die logistischen Faktoren wie zum Beispiel eine ständige Besetzung verfügte, die eigentlich nötig wären um absoluten Schutz zu garantieren.
Immerhin stand es allen Agenten, die im Rheinland tätig waren, in Notfällen wie diesem als Rückzugsort zur Verfügung. Und der Stadtteil Sülz hat immerhin den Vorteil, dass er in der Nähe der Universität liegt und viele Studenten dort leben. Das bringt eine große Fluktuation mit sich, was dazu führt, dass der eine den anderen kaum kennt, weil der ja nach einigen Semestern wieder ausgezogen ist.
Das Apartment lag in einem Haus, das über zwanzig Wohneinheiten verfügte, alle mit zwei, höchstens drei Zimmern. Die Mieter waren früher vielfach Damen des horizontalen Gewerbes, inzwischen hatte sich das Klientel zunehmend in eine akademische Richtung verändert, es waren überwiegend Studenten, die hier in der Nähe der Universität eine durchaus nicht preiswerte Bleibe gefunden hatten.
Die Wohnung selbst war mit schlichten Möbeln aus schwedischer Produktion eingerichtet, verfügte über zwei kleine Schlafräume, eine winzige Küche und einen Wohnraum, der in einem gesicherten Schrank ein ausreichendes Waffenarsenal beinhaltete.
Das Namenschild lautete auf Schmitz, ein Name, den in Köln nahezu jeder Dritte zu tragen scheint und insofern an Unverfänglichkeit kaum zu überbieten ist.
Vor diesem Haus in der Paul-Schallück-Straße hielt am späten Abend ein Taxi.
Eine junge Dame stieg aus, bezahlte den Fahrer und belohnte ihn für seine radikale Fahrweise mit einem strahlenden Lächeln. Sie klingelte bei Schmitz und wartete, bis eine vertraute Stimme sich meldete.
„Ja?“
„Ich komme von den Zeugen Jehovas!“
„Haben Sie den Wachturm dabei?“
„Neueste Ausgabe!“
„Okay!“
Der vereinbarte Erkennungscode, der besagte, dass beide Parteien ohne Druck handelten und kein gewaltsames Eindringen Dritter zu befürchten war.
Wills erkannte die Stimme sofort. Ein Schmunzeln machte sich auf seinen Lippen breit.
Thyburn ignorierte den Aufzug und stieg die wenigen Treppen in den ersten Stock hinauf. Dieses Stockwerk ist wichtig, weil es neben den üblichen Wegen einen weiteren Fluchtweg durch den Garten ermöglicht, falls, na ja, falls das Haus doch nicht so sicher ist. Der Garten selbst verdiente diesen Namen eigentlich nicht.
Ungepflegt und ohne Blumenschmuck, zwei in die Jahre gekommene Liegestühle standen auf dem mit Unkraut durchsetzten Boden, der sonst kaum Grün aufwies. In der einen Ecke verdorrte eine Hortensie, in der anderen befand sich ein verrosteter Container, der mit Gartenabfällen gefüllt war und den Eindruck erweckte, dort schon seit Baubeginn zu stehen.
Ein lachender Peter Wills empfing den Ankömmling.
„Mirinda! Ich freue mich ehrlich, dich zu sehen.“
Der Agent strahlte und nahm seine Kollegin herzlich in die Arme. Die beiden Agenten hatten vor einem halben Jahr in München erfolgreich zusammengearbeitet und im Auftrag der Firma einem Altnazi ein wichtiges Dokument abgenommen. Mirinda Thyburn war auch damals ihrem Kollegen zur Hilfe geschickt worden, weil die ursprüngliche Kollegin, Cathy Meywether von einem Mossad-Agenten getötet worden war. Nach erfolgreicher Mission hatten sie eine kurze, aber stürmische Liebesaffäre und sich danach aus den Augen verloren. Die Agency hatte sie in ganz verschiedene Teile der Welt geschickt und nun sahen sich seit einem halben Jahr zum ersten Mal wieder.
Wills führte sie in das behagliche kleine Wohnzimmer und sie setzten sich auf die beiden Sessel gegenüber dem Fenster.
„Gut siehst du aus, Kollegin!“
Er hielt ihre Hand und betrachtete sie von oben bis unten.
„Du hast deinen Charme auch nicht verloren, Peter“, entgegnete Thyburn.
„Denkst du manchmal noch an München?“
„Woran? An den alten Hackler, den wir hochgenommen haben?“
„Ja, an das und das, was nachher passiert ist? Ich fürchte, wir haben uns da äh …wenig professionell verhalten. Gut, dass Langley davon nichts mitbekommen hat.“
„Ich bereue das nicht Peter. Es war … schön.“
„Ja, Mirinda, war es. Wir standen nach der gefährlichen Sache in München unter Adrenalin und haben ein Ventil gesucht. Sex ist eines der Ventile in solchen Situationen.“
Thyburn sah ihn überrascht an.
„So hast du das damals gesehen. Ich war dein … Ventil?“
Wills lachte laut auf und schüttelte den Kopf.
„Sei nicht albern. Ich wollte es genau wie du und ich habe es nie bereut. An diesem Abend hatte ich plötzlich Gefühle für dich entwickelt, die mir vorher fremd waren. Ernste Gefühle, nicht oberflächlich. Es ging mir nicht um … Sex!“
„Nicht?“
„Nein, und wer weiß …?“
Er vollendete den Satz nicht und schlug sich gegen die Stirn. „Sorry, was bin ich für ein lausiger Gastgeber. Du hast bestimmt Durst? Wasser oder was Stärkeres? Und was zu essen?“
„Gegessen habe ich was im Flieger, aber Wasser wäre prima.“ Er stand auf, holte eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und zwei Gläser aus dem Schrank. Er goss die Gläser ein und holte seine Zigaretten raus.
„Du rauchst? Seit wann rauchst du denn?“
Thyburns Miene drückte mittleres Entsetzen aus.
„Seit unserem Einsatz in München. Nur ein paar am Tag. Stört es dich?“
Mirinda Thyburn schüttelte den Kopf, obwohl sie Rauchen hasste.
„Geht schon!“
„Prima! Aber jetzt sollten wir uns unserer neuen Aufgabe widmen.“
„Okay, was liegt an?“
Wills blies den Rauch in kleinen Wolken zur Decke und brachte sie in kurzen Worten auf den neuesten Stand.
Thyburn brachte ein verlegenes Hüsteln zustande und wedelte den Rauch mit grimmiger Miene von ihrem Gesicht weg.
„Und auf dich wurde geschossen? Hast du eine Ahnung von wem?“
Aus Thyburns Stimme klang echte Sorge.
Wills fasste sich an den Kopf. „Donnerwetter, das weißt du auch schon.“
„Klar, glaubst du, ich komme unvorbereitet?“
Er schüttelte den Kopf. „Beiger Anzug, Sommerhut. Das ist alles.“
Er drückte seinen Glimmstängel aus.
Es war dunkel geworden. Wills stand auf und knipste eine kleine Stehlampe an.
Thyburn bemühte sich, ein Gähnen zu unterdrücken.
„Du bist müde! Gott, was bin ich für ein Gastgeber. Du wirst müde sein und bestimmt hast du Hunger.“
„Nein!“
Thyburns Stimme klang entschieden.
„Ich habe im Flugzeug genug geschlafen und gegessen. Alles gut! Wie geht es weiter?
Ich denke, die Agency erwartet von uns, dass wir diesen Typ mit dem Sommerhut finden, oder? Kann es sein, dass er auch für die beiden anderen getöteten Agenten in Warschau und Köln verantwortlich ist?“
Wills nickte. „Ja, in Langley wird das vermutet.“
„Aber wer könnte das sein? Offenbar hat es ja nichts mit eurem Auftrag hier zu tun.“
„Nein, wohl kaum. Dazu kommt: Wer immer das ist, er muss Informationen haben, die eigentlich nur ein Insider hat, und zwar Insider ganz oben.“
„Du meinst einen Maulwurf in der Agency? In der … Chefetage?“
„Überleg mal! Wer kann wissen, dass Peterson in Berlin aktiv war, Rush und ich hier eingesetzt sind und die Agentin Dudek in Warschau Urlaub machte? Wer hat solche Informationen? Ich nicht und du auch nicht.“
Sie machte eine kurze Pause
„Kanntest du Peterson oder Dudek übrigens?“
„Nein, nur dem Namen nach. Aber du hast Recht. Das kann nur jemand wissen, der über unsere Einsatzlisten verfügt.“
„Und den werden wir finden, Ich hab auch schon eine Idee.“ Er griff nach seinem Handy und gab eine bestimmte Tastenfolge ein.