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3. Kapitel Berlin/Nicolaiviertel (zwei Wochen vorher)

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Rache ist keine Zierde für eine große Seele. (Lessing)

Das Nicolai-Viertel im Ostteil gilt als der historische Kern der Stadt, eine romantische Altstadt, schon zu DDR-Zeiten liebevoll restauriert, eine überraschende Oase der Ruhe in der Hektik der Großstadt. Hier findet man sorgsam restaurierte Häuser aus der Barockzeit, die älteste Kirche, die kürzeste Gasse, um die dreißig Gaststätten jeglicher Couleur, fünf Museen und vierzig Läden. In den verkehrsberuhigten Gassen kann man entspannt bummeln oder einkaufen oder am Ufer der Spree die Seele baumeln lassen. Und das alles nur wenige Minuten vom Alex entfernt, dem pulsierenden Alexanderplatz, der früheren Mitte Ostberlins, der Hauptstadt der DDR. Dieses Viertel ist nicht nur das älteste, sondern nach Ansicht vieler auch das schönste der deutschen Hauptstadt. Kein Schmutz auf den Straßen, keine Junkies, die herumhängen und Passanten belästigen. Ein Bild des Friedens – in der Hauptstadt eher ungewöhnlich.

Für all das hatte der Mann, der an diesem Abend seelenruhig auf seinem Bett in einem Hotel unweit vom Nikolaikirchplatz lag, keine Augen. Weder für das Wohnhaus des berühmten Dichters Lessing, der um die Ecke gewohnt hatte, noch für das Ephraim-Palais, einen beeindruckenden Bürgerpalast aus dem 18. Jahrhundert, der gegenüber lag oder den Gasthof Zum Nussbaum, der 1507 erbaut, später zerstört und originalgetreu wieder aufgebaut worden war. Immerhin hatte er dort schon gegessen und war von der Qualität angenehm überrascht. Das war nicht der übliche Touristenfraß, das war exzellente Küche.

Eisbein mit Sauerkraut und Klößen!

Die Hälfte musste er zurücklassen, köstlich aber zuviel! Das hätte seiner Figur geschadet, und die war für seinen Job wichtig, lebenswichtig. Er maß 180 Zentimeter, war schlank und durchtrainiert, sein markantes Gesicht zierte ein Oberlippenbart, sein blondes Haar war voll und dicht. Ein gut aussehender Mann.

Zum Schluss hatte er sich einen Calvados gegönnt und das Lokal hochzufrieden verlassen.

Aber der Mann war kein Tourist.

Er war Feldagent Second Grade der CIA und er war hier, um einen Job zu erledigen.

Und er hatte ihn erledigt.

Er hatte eine Liste besorgt, die man in Langley hocherfreut zur Kenntnis nehmen würde. Eine Liste von Agenten des russischen FSB, dem früheren KGB, die hier in Deutschland aktiv waren, und zwar so aktiv, dass sie auch seiner Regierung schaden könnten. Man würde sich um sich kümmern müssen. Der Kalte Krieg war zwar vorbei, nicht aber die Tätigkeit der Agenten auf beiden Seiten. Vieles hatte sich geändert und die Dienste waren heute oftmals mehr an wirtschaftlichen als an militärischen Informationen interessiert, trotzdem konnte es nicht schaden, wenn man wusste, wer da unterwegs war und mit welchem Ziel. Und es hatte ihn nicht einmal eine Kugel gekostet! Nein, für läppische zehntausend Dollar hatte er die Liste bekommen.

Ihr Wert? Sehr viel größer!

Und für diese Summe gab ein geldgieriger russischer ExAgent gerne mal Informationen, die er keinesfalls hätte geben dürfen. Wenn man das in Moskau wüsste, wäre das sein Todesurteil.

Oder zwanzig Jahre in einem Gulag, einem der berüchtigten Arbeitslager.

Wie auch immer!

In vier Stunden ging sein Flug nach Washington und er freute sich auf seine Familie, seine Frau Judith und den kleinen Dean. Er hatte ihm einen kleinen deutschen Polizeiwagen gekauft und Dean würde das kleine Mitbringsel lieben. Er liebte alles, was mit der Polizei zusammenhing, und ein Wagen aus Deutschland war etwas Besonderes.

Der Mann schloss die Augen. Noch ein Stündchen Ausruhen. Er hatte den Wecker in seinem Smartphone gestellt, er würde nicht verschlafen. Er dämmerte langsam ein. Seine Pistole lag griffbereit auf dem Nachttisch. Man konnte nie wissen, obwohl er sich hier sehr sicher fühlte.

Deutschland kam ihm sehr sicher vor, sauber, ordentlich und sicher.

Zu sicher?

Er ahnte nicht, dass zum gleichen Augenblick ein Mann langsam die Treppe heraufkam und vor seiner Tür stehen blieb. Unten in der Empfangshalle war der Teufel los. Die einen reisten ab, die anderen kamen an. In diesem Durcheinander war es kein Problem, sich unauffällig an der Rezeption vorbei zur Treppe zu schleichen.

Und unauffällig war der Mann auch. Unauffälligkeit war sozusagen sein Markenzeichen, sein zweiter Vorname. Der Mann war von untersetzter Figur, aber sehnig und schlank. Er trug einen schwarzen Regenmantel und Sportschuhe. Was an ihm vielleicht am meisten auffiel, waren seine grauen stechenden Augen. Augen, die Furcht einflößen konnten.

Der Mann holte aus seiner Tasche einen Dietrich und öffnete leise und problemlos die Tür, das gehörte zu den vielen Fertigkeiten, die sein Beruf mit sich brachte.

Behutsam betrat er den Raum, leise und geräuschlos wie ein Leopard beim Anschleichen an seine Beute. Er blickte sich um, alles war aufgeräumt, bereit zum Aufbruch. Aber dieser Gast würde nie mehr aufbrechen, dafür würde er sorgen.

Er sah sein Zielobjekt auf dem Bett liegen. Er schlief wie erhofft. Er hatte ihn den ganzen Tag beobachtet, hatte die Übergabe beobachtet und ahnte, dass sein Opfer jetzt müde sein würde.

Er schlief – zum letzten Mal und für immer! Seine Pistole lag neben ihm, aber die würde ihm nichts nützen.

Er holte aus seinem Mantel eine CZ 2075 Rami Pistole 9mm Luger, seine Lieblingswaffe. Leicht und handlich, eine subkompakte Pistole mit Leichtmetallgriffstück, fester Visierung und 10 Schuss Magazin, der Schalldämpfer war bereits aufgeschraubt.

Er nahm Maß.

Unerbittliche Augen richteten sich auf das Opfer.

Plopp! Plopp!

Zwei Schüsse in Stirn und Herz!

Das Opfer gab einen leisen Laut von sich, während sich Blut und Gehirnfetzen auf dem Kopfkissen verteilten. Der Schütze gab einen grunzenden Laut der Zufriedenheit ab. Dann zog er Handschuhe an und holte eine Brieftasche aus der Jacke des Toten.

Er schlug sie auf.

Phil Peterson, Central Intelligence Agency C34 Fieldagent, darüber das Siegel des amerikanischen Geheimdienstes mit dem grimmig guckenden Adler und dem roten Stern.

Außerdem achtzig Euro und zweihundertfünfzig Dollar in Scheinen und ein Flugticket der Deutschen Lufthansa, Flug LH 9233, Platz 34 C. Der Platz würde wohl leer bleiben!

Voller Befriedigung steckte er die Brieftasche zurück, an Geld hatte er kein Interesse.

Die brisante Liste, die daneben steckte, übersah er allerdings. Auftrag erledigt!

Yaakov Goodman hatte seinen Job getan. Diesmal war es kein Job seines Arbeitgebers, des Mossad, gewesen. Diesmal hatte er auf eigene Rechnung gehandelt, aber die Befriedigung war umso größer.

Still und unauffällig verließ er das Hotel, während in Amerika bald eine Witwe in Tränen ausbrechen würde.

Die Köln-Affäre

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