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Christianisierung und Kirchenorganisation
ОглавлениеWie die Erwähnung des Afrakultes deutlich macht, gehörte zu den großen kulturprägenden Faktoren in dieser Zeit die Christianisierung. Ihre Anfänge liegen freilich im Dunkeln. So lässt sich nur schwer abschätzen, wie weit die antike Kulttradition, die mit Chur und Säben auch zwei Bischofssitze hatte, hier tatsächlich ins Mittelalter reichte. Die archäologischen Funde von Goldblattkreuzen und anderen christlichen Zeichen auf Gürteln weisen ins 7. Jahrhundert, das Zentrum Augsburg dürfte wohl in die gleiche Zeit zu setzen sein, auch wenn der erste urkundlich genannte Bischof erst mit Wikterp (um 740–772) sicher belegt ist. Man vermutet, dass König Dagobert I. (623–639) zusammen mit der Festlegung des Bistumssprengels Konstanz auch das östlich der Iller benachbarte Bistum Augsburg organisiert haben wird – immerhin verzeichnet ihn der Nekrolog, das Totengedenkbuch, von St. Ulrich und Afra unter seinen Stiftern. Bischofssitze und ihre Sprengel waren strategisch wichtige Machtfaktoren des Frankenreiches. Und so diente Wikterp neben Augsburg auch der alte Lechübergang Epfach als zeitweiliger Aufenthaltsort – an der Grenze zu Bayern.
Die Missionswellen der Irofranken sind für Schwaben eng mit dem heiligen Magnus verbunden, der allerdings erst zur zweiten Welle gehörte. Vorher war Columban mit Gallus um 610 vom fränkischen Königshof nach Bregenz zu den nationes Suevarum gekommen. Während er nach Italien weiter zog, blieb sein Gefährte Gallus in Arbon und gründete die Zelle an der Steinach, das Kloster St. Gallen (um 719) – und stand dabei in enger Verbindung mit dem Alemannenherzog Gunzo von Überlingen; bezeichnenderweise war sein erster Abt Othmar auch ein Alemanne, der seine Ausbildung in Chur erhalten hatte. Von dort aus zogen dann um die Mitte des 8. Jahrhunderts Magnus und Theodor ins Allgäu; Magnus wirkte in dem antiken Ort Epfach, gründete wohl eine Kirche mit Zelle in Füssen (nach 741) und das Kloster in Kempten (um 750), Theodor in Ottobeuren, das nach der Klosterüberlieferung 764 entstanden ist. Die Vita Sancti Magni schildert anschaulich die Weihe der Kirche des hl. Magnus in Kempten durch Bischof Wikterp und erwähnt dabei Audegarius als Gründer und ersten Abt des Klosters; dabei ist auch von einem castrum Campidonensis und von der Anwesenheit einer Menge an ‚Volk‘ (multitudine populis) die Rede. Freilich ist diese Quelle höchst umstritten, vielfach als legendär, als ‚Fälschung‘ auf die Seite geschoben worden, wird aber heute immerhin in ihrem Kern wieder als einigermaßen wahrscheinlich akzeptiert.
Der ‚monastische Aufbruch‘ in größeren und kleineren Niederlassungen war bedeutsam für die entstehende Kirchenorganisation. Die Besetzung der Bistümer aber war eine politische Frage. Das Augsburger Bistum war spätestens im 9. Jahrhundert fest in fränkischer Hand. Besonders wichtig wurde hier bereits Simpert (778–807), der das besondere Vertrauen Karls des Großen genoss; zu seiner Zeit wurde auch der Sprengel jenseits des Lech in Bayern und einschließlich des Ries bis Dinkelsbühl stabilisiert und dem Metropoliten in Mainz unterstellt. Die Ausbildung des Pfarreisystems betonte nicht zufällig mit einer Reihe von Martinspatrozinien, dem fränkischen Reichsheiligen, die politische Verbindung nach Westen.