Читать книгу Kleine Geschichte Schwabens - Rolf Kießling - Страница 13
Das alemannische Herzogtum
ОглавлениеDie Herrschaft in Alemannien spiegelt sich im Kampf um das Herzogtum, auch wenn es erst nach und nach klarere Konturen bekommt: 536/37 vom Ostgotenkönig Witigis an den Merowingerkönig Theudebert I. (533–547) abgetreten, hatte es als Provinz des Frankenreiches zunächst eigene Führungsfiguren – die beiden ersten Heerführer, die Brüder Leuthari und Butilinus, waren zwar fränkische Amtsherzöge, handelten aber offenbar mit einer gewissen Selbständigkeit. Mit Gunzo von Überlingen, familiär mit den Merowingern verbunden, der um 680 zu einer Kirchensynode nach Konstanz einlud, wird sein Gebiet genauer greifbar: es war offenbar weitgehend identisch mit dem Bistum Konstanz.
Die Durchdringung des Landes durch die Franken geschah von den romanisierten Rändern aus in das Innere Alemanniens, Herzog Gottfried († 709) residierte dann um 700 bereits in Cannstatt am Neckar. Er war es auch, der versuchte, mit seinem Geschlecht ein eigenes Herzogshaus zu etablieren – wie es den mit ihm verwandten Nachbarn, den Agilolfingern in Bayern, schon seit langem gelungen war –, doch damit geriet er in einen massiven Gegensatz zu den fränkischen Hausmeiern aus dem Geschlecht der Karolinger, die die Herrschaft im Frankenreich nach und nach an sich gezogen hatten und sie nun expandierten. Unter Gottfrieds Söhnen, den Brüdern Lantfrid († 730) und Theudebald (reg. bis 746), kam es zum Machtkampf: Fränkische Adelige wurden als Grafen eingesetzt, um die Macht der Herzöge einzugrenzen; das Kloster Reichenau sollte als karolingische Gründung 724 einen geistlichen Gegenpol zum alemannischen St. Gallen bilden. Dann führten die karolingischen Brüder Karlmann und Pippin d. J. 742/43 erste Feldzüge gegen Herzog Theudebald – und gegen Herzog Odilo von Bayern; beide standen an der Spitze einer ‚Koalition der Unzufriedenen‘. Nach weiteren Niederlagen Theudebalds in den folgenden Jahren schlug Karlmann eine letzte Empörung blutig nieder. Von dem anschließenden Gerichtstag 746 wurde bald als dem ‚Blutgericht von Cannstatt‘ berichtet, bei dem Tausende von Adeligen wegen Hochverrats hingerichtet worden seien – die Quellen dazu sind freilich widersprüchlich. Tatsächlich aber war nach einer schrittweisen Entmachtung des alemannischen Herzogtums dessen Ende gekommen: Nun waren es fränkische Adelige, die den Ton angaben, sich aber mit dem Rest des alemannischen Adels vermischten – ein typischer Vorgang der Integration in das Karolingerreich. Das Ziel der Karolinger, den Zugang zu den Alpen auf breiter Front zu sichern, war erreicht.
Dieses ‚ältere Stammesherzogtum‘ gewinnt durchaus deutliche Konturen: An die Spitze des herrschenden Adels hatte sich ein Herzogshaus gesetzt, es hatte den Aufbau der Kirche vorangetrieben und mit der Lex Alamannorum ein Gesetzbuch erlassen. Wie die anderen germanischen ‚Volksrechte‘ auch – etwa die Lex Baiuwariorum oder die fränkische Lex Salica – zielte es darauf, mit einer schriftlichen Rechtsgrundlage wenigstens die „primitive Friedensordnung“ eines Bußenkatalogs als verbindliche Verfahrensform gegen die „destabilisierenden Rachemechanismen“ zu setzen (Clausdieter Schott). Der ältere Pactus wohl aus dem beginnenden 7. Jahrhundert wurde unter Herzog Lantfrid um 730 zur Lex erweitert – damals noch in engem Zusammenwirken mit dem fränkischen Königtum. Sie handelt vom Schutz der Kirche, von der Rolle des Herzogs als Gerichtsherr und Friedensgarant sowie als Heerführer und schließlich von den ‚Volkssachen‘ mit verschiedenen Rechtsfällen. Sie unterschied die Menschen in Unfreie und Freie, die wiederum in verschiedene Stände gegliedert waren: die ‚minderbemittelten Freien‘ (baro minoflidis), die ‚mittleren Standes‘ (medianus) und die ‚hohen Standes‘ (primus Alemannus). Das ‚Wergeld‘, das als Buße bei den verschiedenen Vergehen zu entrichten war, war entsprechend abgestuft. Auch wenn es sich um rechtliche Kategorien handelte, so spiegelt sich in ihnen doch auch die soziale Gliederung. Sie wurde ihrerseits nach Rang und Vermögen bemessen, nach der Größe der Hausgemeinschaften und der Nähe zum Herrscher, erkennbar nicht zuletzt auch am Wert der Grabbeigaben.