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Adel und Klöster
ОглавлениеIm 11./12. Jahrhundert war Schwaben ein Land der Klöster und Burgen, Adel und Bauern prägten als Herrscher und Beherrschte die Gesellschaft; auch die Kirche wurde zu dieser Zeit von adeligen Bischöfen und Äbten angeführt, selbst wenn die monastischen Ideale prinzipiell standesübergreifend wirkten.
Die Klosterlandschaft wurde zunächst von den Benediktinern bestimmt, und die alten Reichsabteien entfalteten ihre Rolle als Zentren. Kempten hatte zu seinen frühen Schenkungen und Privilegien 853 von Ludwig dem Deutschen mit der Marca Campidonensis einen eigenen Rechtsbezirk ausgegliedert bekommen, was unter Kaiser Friedrich II. 1213 mit seiner Verleihung der Grafschaftsrechte weitergeführt wurde. Die Abtei Kempten war damit „Modell … für die politische Erschließung eines von den Verkehrszentren abgelegenen Randgebietes“ (Hansmartin Schwarzmaier). Nun war es dem Kloster möglich, den Landesausbau mit einer planmäßigen Rodungstätigkeit in den vorgegebenen Grenzen der Kemptener Mark voranzutreiben, getragen von den adeligen Amtleuten des Klosters.
In Ottobeuren zeichnet sich demgegenüber ein anderes Modell ab: Auch hier betonte man den Bezug zum König, doch die Einbettung in die fränkisch-ottonische Königsherrschaft beinhaltete noch keine ausgeprägten Herrschaftsrechte. Besitz von einzelnen Gütern und Dörfern kam durch Schenkungen des umliegenden Adels zusammen – zum Teil traten sie auch in das Kloster ein und brachten ihn mit. Er konnte nach und nach zur Fläche verdichtet und mit Herrschaftsrechten angereichert werden; der Herrschaftsaufbau erfolgte also ‚von unten nach oben‘.
Diese beiden Beispiele stehen zusammen mit St. Mang in Füssen und St. Ulrich und Afra in Augsburg, Irsee bei Kaufbeuren und Elchingen bei Ulm für die traditionsreichen alten Klöster und Stifte, denen Fultenbach und Holzen als kleinere an die Seite gestellt werden können. Mit dem 11. Jahrhundert kamen aber auch neue spirituelle Impulse von außen in die Region. Angeregt durch die Reformbewegung aus Cluny in Burgund und Gorze in Lothringen über Hirsau im Schwarzwald verschob sich die Zielsetzung wieder mehr auf die geistliche Orientierung unter Zurückdrängung der bestimmenden Rolle der Laien – die libertas ecclesiae, die Freiheit der Kirche, war das Schlagwort. Einer ihrer wichtigsten Orden waren die Augustinerchorherren, die mit dem Stift Rottenbuch (um 1073) eine Stärkung der Seelsorgeaufgaben anstrebten, erhebliche Breitenwirkung in Süddeutschland entfalteten und sich mit Wettenhausen, St. Georg und Hl. Kreuz in Augsburg auch in Ostschwaben niederließen.
Im 12. Jahrhundert drangen zudem die Reformzweige der Prämonstratenser und Zisterzienser vor, bei denen eine Rückbesinnung auf die ursprüngliche Regel im Mittelpunkt stand und die ihren Zusammenschluss zu förmlichen Orden betrieben. Schon früh wurden in der Tradition der Augustinerregel Ursberg (1125) und Roggenburg (1126) von lokalen Adeligen gegründet, über das Mutterstift Rot an der Rot entstand 1147 durch eine Stiftung Welfs VI. Steingaden. Der benediktinische Reformzweig der Zisterzienser fand über Salem am Bodensee eine dichte Verbreitung im süddeutschen Raum; zu einem der bedeutenden Klöster wurde in direkter Filiation von Lützel im Elsass Kaisheim bei Donauwörth, das nach der Klostertradition um 1135 von Graf Heinrich VI. von Graisbach-Lechsgemünd ins Leben gerufen wurde. Seine Äbte übernahmen ihrerseits die geistliche Aufsicht über einige Frauenklöster, z. B. über die Zisterzen Oberschönenfeld westlich Augsburgs (um 1245) und Zimmern im Ries (1245). Sie alle entschieden sich bewusst für ein Leben in Abgeschiedenheit, erschlossen damit das Land und verbreiteten die landwirtschaftliche Intensivkultur.
Fast alle diese neuen Klöster und Stifte waren Gründungen des regionalen Adels, denn sie sollten nicht zuletzt als Hausklöster die Memoria und die Fürbitte für das eigene Geschlecht pflegen – der Adel besann sich immer stärker auf seine Abstammung, sah sich also als agnatischer Verband, der sich an seiner Stammburg verortete. In herausragenden Fällen wurde diese Herkunft von den Hausklöstern in schriftliche Form gebracht – die ‚Historia Welforum‘ ist dafür ein eindringliches Beispiel: Sie entstand um 1170 im Umkreis der Welfen, ihre älteste Handschrift stammt aus Altomünster, auch wenn bis heute umstritten bleibt, ob sie dort oder im Raum Ravensburg geschrieben wurde.
Und so verschränkte sich die Klosterlandschaft eng mit der Adelslandschaft Schwaben. Dabei war Adel ein differenziertes Phänomen, im Laufe der Zeit entstand daraus eine Hierarchie, die dann im Spätmittelalter deutliche ständische Abgrenzungen nach sich zog.
Zum gräflichen Hochadel zählten in Ostschwaben seit dem 9. Jahrhundert die schon genannten Udalrichinger und Hupaldinger, die sich in den Grafen von Dillingen fortsetzten, dann die Welfen und die Diepoldinger, aus denen die Grafen von Berg und Markgrafen von Burgau in Mittelschwaben hervorgingen. Im Allgäu wiederum gewannen die Herren von Ursin und nachmaligen Markgrafen von Ronsberg Bedeutung und an Lech und Donau die Grafen von Lechsgemünd. An den Grafen von Oettingen wiederum lässt sich sehr schön erkennen, wie sie ihre ursprünglich weit gefächerte Besitzlandschaft nach und nach auf einen Kernbereich im Rieskessel und auf seinen Randhöhen konzentrierten.
Eine zweite Gruppe, die Edelfreien, stammte entweder von Nebenlinien alter dynastischer Häuser ab und konnte über eigene Herrschaftsrechte verfügen; sie erlebten aber auch als Vasallen der Großen, als Krieger (milites) im Königs- oder Herzogsdienst ihren sozialen Aufstieg. Zu ihnen gehörten etwa die Herren von Schwabegg im Augsburger Umland. Am Beispiel der Edlen von Eberstall, die auch auf der Reisensburg bei Günzburg saßen, wird sichtbar, wie ein solcher Aufstieg funktionierte: Sie erhielten Ämter und Vogteien über Kirchen- und Reichsgut übertragen, scharten dabei auch eigene Ministerialen um sich, standen aber gleichzeitig als Vasallen – der Welfen oder der Markgrafen von Burgau – in Abhängigkeit der Großen. Ganz ähnlich verhält es sich mit den Edlen von Rettenberg im Allgäu und den Herren von Neuffen-Weißenhorn im Ulmer Winkel. Im Ries spielten die Herren von Hürnheim und Lierheim noch längere Zeit eine eigenständige Rolle, ehe sie in den Oettinger Territorialverband integriert wurden.
Adel war also ein dynamischer Faktor in der Welt des hohen Mittelalters. Die Grenzen waren fließend und wurden durch Auf- und Abstieg vielfach überschritten. Viele Familien starben freilich aus und gerieten deshalb in Vergessenheit. Immerhin, die zahlreichen Burgen und Burgställe zeugen noch bis heute von der adeligen Vielgliedrigkeit Ostschwabens, dessen landwirtschaftliche Erschließung nicht zuletzt ihr Verdienst war.