Читать книгу Kleine Geschichte Schwabens - Rolf Kießling - Страница 14
Schwaben als Teil des Frankenreichs
ОглавлениеMit den Karolingern setzte um 760 eine administrative Neuordnung an Oberrhein, Bodensee und Donau ein; sie ist mit den beiden fränkischen Grafen Warin und Rudhart eng verbunden. Ein wichtiges Instrument war die Einrichtung von Grafschaften, in denen das Reichsgut verwaltet wurde und sich die Reichspräsenz personalisierte; bei ihrer Besetzung rang die fränkische ‚Reichsaristokratie‘ mit den einheimischen Geschlechtern um Einfluss. Erst in der Zeit Kaiser Ludwigs des Frommen (817–843) konnte aber die königliche Herrschaft so verdichtet werden, dass die Grafschaften „zur Verwaltung eines ausgedehnten Siedelgebietes“ wurden. Dennoch hat es eine „restlose Einteilung Alemanniens in königsherrschaftliche Grafschaften“ nicht gegeben (Michael Borgolte).
Beobachtungen, wie das in Ostschwaben aussah, lassen sich freilich nur andeutungsweise machen. Zwar wissen wir, dass nördlich des Bodensees der Linz- und der Argengau lagen, östlich anschließend um Leutkirch der Nibelgau und nördlich davon der Rammagau um Laupheim sowie der schwer lokalisierbare Haistergau als Herrschaftsbereiche fungierten, zu denen etwas später auch der Alpgau, das Allgäu, kam. Diesseits der Iller lagen der Duriagau (vermutlich im Ulmer Winkel) und der Illergau im Raum Kempten-Memmingen. Im äußersten Osten, beiderseits des Lech, findet sich der Augstgau, der von Augsburg bis zum Ammersee und den Kaufbeurer Raum reichte. Im nördlichen Teil lag der Riesgau.
In diesem ausgedehnten Gebiet um den Bodensee und seinen östlich anschließenden Bereichen schoben sich einige große Adelsgeschlechter in den Vordergrund. Die ‚Udalrichinger‘, wie sie nach ihrem Leitnamen Udalrich/Ulrich genannt wurden, waren bis ins 9. Jahrhundert hinein dominierend; sie ließen sich einerseits auf das alemannische Herzogshaus zurückführen, waren aber andererseits über Hildegard, die zweite Ehefrau Karls d. G., mit den Karolingern verschwägert und gewannen schon deshalb an Einfluss, bewiesen aber auch Loyalität gegenüber dem fränkischen Königtum. Als Ludwig der Fromme 819 Judith heiratete, stiegen die Welfen als konkurrierende Hochadelsfamilie auf; ihre Besitzschwerpunkte lagen einerseits im Linzgau in Oberschwaben und andererseits am Lechrain südlich von Augsburg.
Der königliche Grundbesitz lässt sich dagegen nur schwer fassen; man muss ihn aus der ‚Negativfolie‘ rekonstruieren, nämlich aus den Schenkungen, die weitergereicht wurden. Das Netz der Königshöfe findet sich vielfach in späteren Städten, so etwa in Kaufbeuren oder Mindelheim; eine gewichtige Königspfalz lag in Ulm. Besser erkennbar wegen der guten klösterlichen Überlieferung ist die zweite prägende Kraft, die Reichskirche. Für das Bistum Augsburg, dessen Bischöfe zunehmend zu wichtigen Stützen der Reichspolitik wurden, ist um 810 ein Verzeichnis des Grundbesitzes überliefert, das einen quantitativen Eindruck vermittelt: Es umfasste nicht weniger als 1006 von Freien und 421 von Leibeigenen bebaute, dazu 80 unbebaute Hofgüter. Die großen Klöster – abgesehen vom Besitz außerhalb Ostschwabens gelegener Abteien wie Reichenau oder St. Gallen, aber auch des weit entfernten Fulda, das im Ries begütert war – entfalteten sich zu weiteren wichtigen Stützpunkten des Reiches. Allen voran stand Kempten, das von der Kaisergemahlin Hildegard und ihrem Sohn Ludwig dem Frommen große Güterkomplexe geschenkt erhielt und damit aufstieg; ähnlich wurde auch Ottobeuren durch die Karolinger gefördert.
So ist es wohl nicht übertrieben, Ostschwaben in dieser fränkischen Zeit als ausgeprägtes Reichsland zu charakterisieren – auch wenn es nur zeitweise wie unter Ludwig dem Deutschen (826–876), der sich sehr häufig in seiner Regensburger Residenz aufhielt, auch räumlich in die Nähe des Herrscherhauses rückte.