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Römische Zivilisation

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Als Augsburg am Anfang des 2. Jahrhunderts die führende Rolle Kemptens als Residenzstadt übernahm, war es noch primär Truppenstützpunkt des römischen Statthalters, wohl 120/21 erhielt es das Stadtrecht und firmierte damit als municipium Aelium Augusta Vindelicum mit einer selbständigen Verwaltung: eine Stadt von 10–15 000 Einwohnern mit repräsentativen öffentlichen Steinbauten, einer künstlichen Wasserversorgung aus dem 35 km entfernten Hurlach und seit dem Ende des 2. Jahrhunderts auch einer Steinmauer.

Das pulsierende Leben prägten nun nicht nur die Militärs, sondern die Kaufleute mit einer breit gestreuten Warenpalette von wertvollen Stoffen bis zu Orientwaren, zusammengehalten von Korporationen unter einem Dachverband der negotiatores municipii. Und diese reiche Oberschicht baute sich auch ihre gediegen ausgestatteten Landsitze, die villae rusticae, im unmittelbaren Umland und dann weiter ausgreifend an den Flussterrassen, bevorzugt der Friedberger Lechleite. Von den großen Gutshöfen kamen die Lebensmittel in die Stadt, aber das Land verfügte auch über umfangreiche Produktionsstätten für Industriewaren. Besonders herausragend war das Töpferdorf Rapis (Schwabmünchen) an der Straße nach Kempten.

Das Töpferdorf Rapis

„Die günstige Verkehrslage, geeignete Tone und ausgedehnte Wälder in der Umgebung sowie zugewanderte Töpfer aus Gallien haben spätestens seit flavischer Zeit dem Keramikhandel zu einer Blüte verholfen, die weit über die Grenzen Rätiens hinaus gewirkt hat. Das über 200 m lange Straßendorf auf der Hochterrassenkante und am Straßenanstieg wurde spätestens um die Mitte des 1. nachchristlichen Jahrhunderts gegründet … Das Töpferdorf zählte im 2. Jahrhundert mindestens ein Dutzend Familien, die in ebenso vielen Landhäusern aus Holz lebten und arbeiteten … Über 70 Töpferöfen mit einem Füllvolumen von jeweils einem Kubikmeter sind bisher freigelegt und untersucht worden … Aus der Blütezeit des späten 2. Jahrhunderts sind durch Fabrikantenstempel auf den produktionstypischen Reibschüsseln einige Namen Schwabmünchner Töpfer und Töpferfamilien bekannt …, die zum Teil aus dem keltischen Milieu, zum Teil aus dem Sklavenmilieu stammen. Hergestellt wurde neben allen gängigen Formen des rauwandigen Haushaltsgeschirrs für Vorratskeller und Küche vor allem feines Tischgeschirr.“ (Wolfgang Czysz)

In Westheim bei Augsburg fand sich eine kaiserliche Ziegelei, ein Staatsbetrieb, der neben den üblichen verschiedenen Formen von Ziegeln für Bau, Dach oder Fußbodenheizung – mit Stempelmarken versehen – auch Tonmedaillons, Backformen und Öllampen herstellte; eine Spezialität war Tontafelgeschirr als Kopien von aufwendigen Metallgefäßen.

Viel über das alltägliche Leben erfahren wir auch aus den Grabdenkmälern der bürgerlichen Oberschicht, die am Ende des 2. Jahrhunderts ihre Handelsgewohnheiten abbildeten. Die Gräber in den Landfriedhöfen bei den Villen und Dörfern fielen mitunter sehr aufwendig aus, etwa das einer Frau unter einem runden Erdhügel von 15 m Durchmesser an der Straßenstation bei Wehringen mit einer Urne der Toten, Resten von Holzmöbeln, Geschirr aus Bronze, Keramik und Glas und einer Kosmetikausstattung. Auf dem gleichen Friedhof war auch ein Arzt bestattet worden, dem man sein chirurgisches Besteck, Medikamente und eine Tageskasse beigegeben hatte.


Tempel des Apollo Grannus in Phoebiana (Faimingen), erste Hälfte des 2. Jhs. (Teilrekonstruktion).

Die Verehrung der Götter galt in Rätien neben Jupiter als ‚Vater der Götter und Menschen‘ vor allem dem Merkur, dem Patron der Kaufleute. Einen guten Eindruck vom römischen Götterhimmel in der Provinz eröffnet der berühmte Weißenburger Schatzfund des 2./3. Jahrhunderts, der 1979 in einem Spargelbeet entdeckt wurde und heute Teil des Museums ist. Eine besonders ausgeprägte Bedeutung hatte der Heil- und Quellgott Apollo Grannus, dem man in Phoebiana (Faimingen), einem Ort bei Lauingen, einen eigenen Tempel weihte. Hier suchte sogar Kaiser Caracalla während seines Feldzugs gegen die Alemannen 212/13 Heilung.

Diese recht ruhige Phase ging mit der Krise des 3. Jahrhunderts zu Ende, die sich im gesamten Römischen Reich von den Rändern her immer deutlicher bemerkbar machte. In Rätien waren es seit 233 die Alemannen und die Juthungen – sie siedelten nördlich der Donau im Anschluss an die Alemannen –, die für permanente Unruhe sorgten. Auch ein spektakulärer Sieg im April 260 vor den Toren Augsburgs „über die Barbaren des Stammes der Semnonen oder/und Juthungen“ – an dem übrigens auch Germaniciani beteiligt waren – offenbart die „wirren und desolaten Zustände in Rätien“ zu dieser Zeit (Lothar Bakker). Er kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Rücknahme der Grenze die einzige Chance zur Stabilisierung bot: Es entstand der ‚nasse Limes‘ vom Rhein über den Bodensee und die Iller entlang der Donau; das nördlicher gelegene Gebiet wurde verlassen – aber nie offiziell aufgegeben, was sich in der Fortdauer des Namens Rätien in ‚Ries‘ zeigen mag. Der verbliebene Teil wurde systematisch befestigt: Binnenplätze wie der Lorenzberg bei Epfach (Abodiacum) oder der Goldberg bei Türkheim stehen dafür ebenso wie die Aufgabe der Stadt Kempten zugunsten eines kleineren Areals unterhalb der Burghalde. Zivile Plätze wie Günzburg (Guntia) oder die neuen Kastelle Kellmünz (Caelius Mons), Bürgle bei Gundremmingen (Pinianis) oder Burghöfe bei Mertingen (Sumuntorio), dazu die zahlreichen Wachttürme markierten die Grenze.

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