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ОглавлениеEinige Hoheitstitel Jesu – und was sie (nicht) bedeuten
Menschensohn: „Menschensohn“ – das war die
von Jesus selbst am liebsten verwendete Bezeich-
nung seiner Person und Mission. Sie findet sich
80 Mal im Neuen Testament. Einerseits weist sie
auf seine Selbsterniedrigung hin, die im Tod am
Kreuz gipfelte (Mk 8,31), andererseits handelt es
sich bei diesem Ausdruck um ein einzigartiges
Hoheitsprädikat, das Jesus als himmlischen
Herrscher, Richter und Weltvollender beschreibt
(Dan 7,13; Mt 24,30; 26,64; Mk 8,38;14,62).
Sohn Gottes: Der Ausdruck „Sohn Gottes“ be-
schreibt nicht immer ein himmlisches Wesen
mit göttlichen Eigenschaften, sondern häufig
nur das besondere Verhältnis, das Gott zu einem
von ihm erwählten Menschen oder Volk hat. So
ist Adam ebenso Gottes Sohn (Lk 3,38) wie das
Volk Israel (2 Mo 4,22) und dessen König (Ps 2).
Auch Engel (Hiob 1,6; 2,1) und sogar Richter
werden „Söhne des Höchsten“ genannt (Ps
82,6). Nach der Auferstehung Jesu erkannten
seine Jünger, dass er in besonderer Weise der
Sohn Gottes ist, der göttliche Eigenschaften be-
sitzt, eine einzigartige Mission erfüllte, und des-
halb zu Recht als Gott anzubeten ist (Joh 1,1-18;
5,17-23; 10,30ff.; 20,28; Hbr 1).
Eingeborener Sohn: Neunmal verwendet das
Neue Testament einen Ausdruck, der in der
Lutherbibel an fünf Stellen mit „eingeborener
Sohn“ wiedergegeben und auf Jesus bezogen
wird (Joh 1,14.18; 3,16.18; 1 Joh 4,9). An den
anderen vier Stellen wird der Begriff richtiger-
weise mit „einzig“ (Lk 7,12; 8,42; 9,38; Hbr 11,17)
wiedergegeben. Die Übersetzung „eingeboren“
geht zurück auf den Kirchenvater Hieronymus
(ca. 385 n. Chr.), der in seiner lateinischen Über-
setzung den griechischen Begriff monogenês
(einzig) mit unigenitus (eingeboren) statt mit
unicus (einzig) wiedergab. Damit wollte er der
orthodoxen kirchlichen Lehre Nachdruck verlei-
hen, dass Jesus seit Ewigkeit der Sohn Gottes
und göttlichen Wesens war. Paradoxerweise
wurde und wird diese Übersetzung von man-
chen als Beleg für die Behauptung angeführt,
dass Jesus nur ein gottähnliches, geschaffenes
Wesen sei. Diese These ist textlich nicht haltbar,
denn monogenês bedeutet nie „eingeboren“
(dafür kennt das Griechische ein anderes Wort),
sondern stets „einzig“ im Sinne von „einzigar-
tig“ oder „einziggeliebt“ (vgl. 1 Mo 22,2.12.16; Ri
11,34).
Erstgeborener: Es geht bei diesem Begriff nicht
um Alter, Herkunft und Geburt, sondern um
Vorrangstellung und Würde. So erhielt beispiels-
weise Jakob den Status und die Rechte des Erst-
geborenen, obwohl er jünger als Esau war (1 Mo
25,25ff.; Röm 9,10-13). Als Ehrentitel bezeichnet
der Begriff den absoluten Vorrang, den Jesus als
Gottes Sohn gegenüber seinen „Brüdern“ inne-
hat (Röm 8,29). Er ist der Erste und Rangälteste,
(1) weil er der Schöpfer und kein Geschöpf ist
(Kol 1,15-17), (2) weil wir unsere Auferweckung
seiner Auferstehung verdanken (Kol 1,18; Offb
1,5) – obwohl andere vor ihm auferstanden sind
(Mt 27,52f.; vgl. 1 Kor 15,20; Apg 26,23) – und (3)
weil er die Anbetung aller Geschöpfe verdient
(Hebr 1,6). In Hebr 12,23 werden sogar die Er-
lösten als „Erstgeborene“ – d. h. von Gott mit Vor-
rechten und Würde ausgestattete Geschöpfe – be-
zeichnet (vgl. Offb 1,5f.; 5,9f.).
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