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Josef Hoffmann also. Anfangs wusste Kersting von ihm kaum mehr als das, was in Nachschlagewerken über die Kunst der Jahrhundertwende zu lesen war: Josef Hoffmann, Wiener Baumeister und Designkünstler, hatte den Jugendstil seines bedeutenden Lehrers Otto Wagner gleichermaßen fortgesetzt wie modernisiert, wobei er eine Vorliebe für das regelmäßige Viereck entwickelte, was ihm den Spitznamen Quadratl-Hoffmann eintrug.

Bei näherer Beschäftigung erschien er immer eindrucksvoller. Seine Produktivität war überwältigend. Die von ihm ausgehenden Einflüsse erreichten noch den auffolgenden Konstruktivismus, Charles Édouard Jeanneret-Gris, bekannter als Le Corbusier, erklärte nachdrücklich, wie sehr er sich in der direkten Nachfolge Josef Hoffmans sah. Hoffmanns Arbeiten waren entschieden eigenwilliger als die van de Veldes. Kersting meinte, es sei vielleicht ein Glücksfall, dass er sich statt mit dem belgischen mit dem Wiener Stilkünstler zu beschäftigen habe. Die erste Anregung dazu war durch seinen Leipziger Verleger erfolgt.

Josef Hoffmann wurde 1870 im südwestmährischen Pirnitz oder Brtnice geboren, einer Kleinstadt nahe Iglau oder Jihlava, achtzig Kilometer von Brünn entfernt und zweihundert Kilometer entfernt von Wien. Aus der gleichen Landschaft kamen noch andere Vertreter der damaligen Architekturmoderne, so Hoffmanns späterer Intimfeind Adolf Loos. Hoffmann besuchte eine Privatschule und danach, übrigens zusammen mit Loos, das Gymnasium. Er litt an auffälliger Gedächtnisschwäche. Die fünfte Gymnasialklasse musste er wiederholen und wurde selbst danach nicht versetzt, was er lebenslang als eine gesellschaftliche Schande empfand. Gemeinsam mit einem Freund, dem Sohn des Ortsbaumeisters, suchte er Baustellen auf und half dort aus. Auf diesem Wege fand er zu seinem Beruf. Er durchlief eine höhere Gewerbeschule und lernte ab 1882 bei Otto Wagner in Wien, wo auch Adolf Loos studierte.

Die stille Zähigkeit, mit der Hoffmann seinen Aufstieg betrieb, aller sozialen und intellektuellen Behinderung zum Trotz, begann Kersting zu beeindrucken. Vielleicht war hier nicht bloß eine ästhetische Leistung zu beschreiben. Vielleicht gab es hier eine Übereinstimmung zwischen Geist und Charakter. Natürlich wusste Kersting, dass, wer ein gutes Kunstwerk erschaffe, nicht auch ein guter Mensch sein müsse. Creyenveldt, sein Lehrer und Vater seiner Frau Sonja, spottete darüber in seinen Vorlesungen, er nannte es einen ebenso populären wie fundamentalen Irrtum, der für die bildenden Künste noch weniger zutreffe als für Musik oder Dichtung. Möglicherweise gab es Ausnahmen. Möglicherweise war Josef Hoffman diese Ausnahme.

Schon in Berlin, also noch vor seinem Aufbruch nach Wien, hatte Kersting sich vorgenommen, eine wichtige und grundlegende, eine vielleicht Aufsehen machende Arbeit zu verfassen. Jetzt sah er dazu die Chance. Er wusste zugleich, dass es seine letzte war.

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