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6.

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Julio Acosta hatte im ersten Moment geglaubt, durchdrehen zu müssen. Was sich diese verfluchten neun Kerle aus der Bucht leisteten, war die unglaublichste Dreistigkeit, die er jemals erlebt hatte.

Nicht genug, daß dieses merkwürdige Gespensterschiff wie aus dem Nichts auftauchte. Nein, die Hurensöhne brachten auch noch ihre Jollen zu Wasser und hielten wie die Verrückten auf diesen kleinen Eimer zu, der ohne eine Menschenseele an Bord dahintrieb!

Acosta nahm sich nicht die Zeit, über die Zusammenhänge nachzudenken, die hinter diesem ganzen rätselhaften Geschehen standen. Er mußte aufpassen, daß ihm die Fäden nicht aus der Hand glitten.

Haargenau das konnte der Fall sein, wenn es den Goldräubern gelang, das Weite zu suchen. Möglich immerhin, daß sie das Gold auf einer anderen Insel versteckt hatten. Oder aber, es befand sich in den Laderäumen dieser kleinen Karavelle. Nein, dazu war der Kahn nicht groß genug. Aber ein Teil des Goldes?

Die Gedanken überschlugen sich in Acostas Kopf.

Er riß sich zusammen und versuchte, in sich selbst und in das Geschehen an Deck Ordnung zu bringen.

Etliche der Kerle waren noch schlaftrunken, wie sie auf der Kuhl durcheinanderpolterten, um Musketen und Munition herbeizuschaffen.

Acosta trat an die achtere Querbalustrade der Back.

„Alle Mann zu mir!“ brüllte er. „Los, los, bewegt euch! Oder wollt ihr, daß die Bastarde uns entwischen?“

Das wirkte ein wenig.

Immerhin schafften sie es, ein Dutzend Musketen auf die Back zu bringen und zu laden. Die Waffen waren nach dem nächtlichen Alarm noch nicht einmal gereinigt worden. Aber zur Not mußte eine Kugel eben auch in einen von Pulverschleim verkrusteten Lauf getrieben werden.

Prado und Morro griffen sich selbst Langwaffen, nachdem sie drei weitere Musketenschützen eingeteilt hatten. Auch Acosta versorgte sich mit einer Waffe.

„Alle anderen laden nach!“ befahl er.

Sie ließen es sich nicht zweimal sagen, gingen zwischen den Niedergängen zur Back in Deckung und hantierten eifrig mit Pulver, Bleikugeln und den langen Läufen.

Der Schwarzbärtige nahm unterdessen die mittlere der drei Jollen aufs Korn, die bei dem Westwind über Steuerbordbug segelten. Prado und Morro feuerten bereits. Auch die Musketen der drei anderen krachten. Fetter, schwarzgrauer Pulverrauch wölkte auf, legte sich beißend in die Atemwege der Männer und wurde gleich darauf vom Wind auseinandergetrieben.

Alle Schüsse lagen zu kurz.

Acosta sah es an den kleinen Fontänen, die hinter den Spiegeln der Jollen aus dem rauhen Wasser gerissen wurden.

Er hatte den Kerl mit dem Holzbein im Visier, der auf der Achterducht der mittleren Jolle hockte. Dieser alte Schrat, der so höhnisch meckernd lachen konnte, sollte die erste wirklich gutgezielte Kugel von der „San Jacinto“ einfangen!

Acosta erhöhte die Visierlinie und versuchte es mit einem Steilschuß, wie er dem Hurensohn am Strand geglückt war, als die Floßbesatzung die Lotungen vorgenommen hatte.

Die Muskete des Schwarzbärtigen spie Feuer, Rauch und Blei. Er hielt den Atem an, ließ die Waffe im Anschlag und wartete darauf, daß der Alte außenbords kippte.

Nichts.

Stur und unerschütterlich hockte der Kerl auf seiner Ducht und ließ sich nicht einmal vom Krachen der Schüsse beeindrucken. Ebensowenig die anderen. Ein verdammter Haufen von Haderlumpen war das, die die Frechheit für sich gepachtet hatten. Acosta glaubte, ein Loch im Segel der mittleren Jolle zu erkennen. Aber auf die Entfernung konnte er es ohne Spektiv nicht genau feststellen.

Er ließ sich eine neue Muskete reichen, während Prado, Morro und die anderen bereits weiterfeuerten.

Wieder ohne Ergebnis. Die Kugeln lagen samt und sonders zu kurz, und mit Steilschüssen hatten weder der Schwarzbärtige noch einer der anderen auch nur ein Quentchen Glück.

„Feuer einstellen“, sagte Acosta resignierend. „Was wir hier treiben, ist nur Munitionsverschwendung.“

Prado und Morro sahen ihn an.

„Und?“ entgegnete der Bootsmann. „Hast du einen besseren Vorschlag?“

„Allerdings“, sagte Acosta grinsend. „Wir setzen Segel und schnappen uns die Bastarde mitsamt ihrem Gespensterkahn.“

„Wozu soll denn das gut sein?“ sagte Morro knurrend und mit gerunzelter Stirn. „Ich denke, das Gold liegt auf der Insel? Mehr wollen wir ja gar nicht. Lassen wir die Kerle doch abhauen.“

„Meine ich auch“, sagte Prado. „Wozu die unnötige Mühe?“

Acosta kniff die Augen zusammen und gab seinem Gesicht einen listigen Ausdruck.

„Das sieht man mal wieder, daß es anscheinend nicht ausreicht, wenn nur zwei Mann denken.“

„Beleidigen können wir uns selber!“ schnappte Morro.

Acosta wedelte mit der Hand.

„Mann, reg dich nicht künstlich auf. Habt ihr schon mal dran gedacht, daß das Gold vielleicht gar nicht auf dieser, sondern auf einer anderen Insel ist?“

Prado und Morro wechselten einen erstaunten Blick.

„Aber das ergibt doch keinen Sinn“, erwiderte der ehemalige Bootsmann der „Viento Este“. „Weshalb sollten sie sich dann hier versteckt haben?“

Der Schwarzbärtige zog die Schultern hoch.

„Kann ja auch sein, daß sie Angst vor uns hatten, oder? Aber ernsthaft: Muß denn immer alles einen Sinn haben? Vielleicht gibt es da Sachen, die wir uns nur nicht zusammenreimen können. Was würdet ihr davon halten, wenn sie das Gold auf eine der anderen Inseln geschafft haben und dann in einem neuen Sturm abgetrieben wurden und hier in der Bucht Schutz fanden? Ihr Kahn taucht durch einen verrückten Zufall wieder auf, und jetzt sind sie total aus dem Häuschen. Kann auch sein, daß sie einen Teil unseres Goldes in diese kleine Karavelle geladen haben.“

Prado rieb sich nachdenklich das Kinn.

Morro zog die Brauen zusammen. In seinen Augen war abzulesen, daß ihm das alles viel zu kompliziert war.

„Was du sagst“, entgegnete Prado nach einer Weile, „kann man nicht ganz vom Tisch wischen.“

„Seht ihr“, sagte Acosta und nickte triumphierend. „Es gibt aber noch zwei andere Gesichtspunkte, die für mich genauso wichtig sind. Erstens: Diese Bastarde haben uns jetzt lange genug zum Narren gehalten. Diesmal müssen wir sie packen. Das Maß ist voll. Die sollen sich nicht einfach ungestraft verdrücken.“

„Wäre für mich nicht so wichtig“, erwiderte Prado. „Deine anderen Punkte klangen vernünftiger.“

„Gut“, erwiderte Acosta. „Dann lege ich noch einen besonders vernünftigen Punkt drauf: Wenn wir die Goldkisten finden – hier oder auf einer anderen Insel –, dann werden wir sie wohl in die Laderäume der ‚San Jacinto‘ schaffen müssen. Schließlich haben wir die Gewürzladung an die Fische verfüttert, damit wir Platz für unsere feinen Goldkisten haben. Solche Kisten sind aber eine ganze Ecke schwerer als handliche Gewürzballen. Habe ich recht?“ Er sah die beiden anderen lauernd an.

Prado fing als erster an zu begreifen. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.

„Richtig, Acosta, das scheint mir der vernünftigste Grund von allen zu sein!“

Morro sperrte den Mund auf und blickte fragend von einem zum anderen.

„He, was für ein Grund? Von was redet ihr?“

Acosta klopfte ihm auf die Schulter.

„Amigo, du bist doch sonst nicht auf den Kopf gefallen. Was ich sagen will, ist doch ganz einfach: Wir schlagen mehrere Fliegen mit einer Klappe. Und wir schnappen uns die Bastarde, damit sie für uns die Goldkisten von der Insel an Bord unserer Galeone mannen. Jetzt klar?“

Morros Gesicht glättete sich, und er begann zu strahlen.

„Ja, verdammt, das ist es! Wir brauchen sie nur ein bißchen zu bewachen und können im übrigen Däumchen drehen.“ Er hieb sich vor Begeisterung auf die Oberschenkel. „Verdammt noch mal, das ist die Idee des Tages! Nach all den Strapazen können wir uns dann endlich erholen und zusehen, wie andere den Reichtum für uns schleppen.“

Acosta nickte wie zu einem gelehrigen Schüler.

„Daran wirst du dich gewöhnen müssen, Amigo. In Zukunft werden es immer andere sein, die das Schleppen schwerer Lasten für dich besorgen. Ich sage dir, du wirst dich in der ersten Zeit mächtig beherrschen müssen, nicht mehr die Sachen zu tun, die deine Diener für dich erledigen. Reich sein will auch gelernt sein, glaub mir.“

Prado und Morro grinsten begeistert. So plastisch war ihnen die leuchtende Zukunft überhaupt noch nicht vor Augen geführt worden. Aber die Aussichten, die der Schwarzbärtige da schilderte, waren natürlich faszinierend.

„Sag mal“, fragte Prado gedehnt und mit listig-verschlagenem Blick. „Wenn wir die Kerle geschnappt haben und sie die Kisten für uns verladen haben – sollten wir sie dann nicht gleich ganz übernehmen? Als Sklaven meine ich.“

Acosta wiegte den Kopf.

„Würde mir nicht so gefallen. Bei solchen Burschen mußt du dauernd damit rechnen, daß sie dir Schwierigkeiten bereiten. Da wäre es schon besser, sie hier auf der Insel auszusetzen.“

„Wozu über ungefangene Fische reden?“ sagte Morro. „Erst müssen wir unsere lieben Freunde aus der Bucht und die Goldkisten mal haben.“

„Dann nichts wie los“, sagte Acosta siegessicher und wandte sich zu den Kerlen um, die das Gespräch mit großen Augen und offenen Mündern verfolgt hatten. „Steht nicht so faul herum, Kerls! Hievt Anker, setzt Segel, und dann klar bei Bordgeschützen! Los, los, bewegt euch, ihr lahmen Säcke! Morro!“

„Señor Capitán?“ schnarrte der Dürre militärisch.

„Du übernimmst das Ruder. Prado, du treibst die Kerle an, damit sie nicht im Gehen und Stehen einschlafen.“

Die beiden Männer salutierten, und Acosta empfand unbändigen Stolz über seine wiedergewonnene Autorität.

Während alle anderen an Bord in hektische Bewegung gerieten, begab er sich gemessenen Schrittes an seinen Platz auf dem Achterdeck, wo er als Kapitän ja auch hingehörte.

Am Ankerspill asteten sich die Kerle ab, daß die Schweißtropfen auf die Planken fielen. Prado brüllte Kommandos im Takt und sorgte auf diese Weise dafür, daß keiner der Burschen in seinem Eifer nachließ.

Der Rest der Mannschaft war bereits in den Luvwanten des Großmasts aufgeentert. Die gesamte Segelfläche konnten sie nur nach und nach setzen, da die Ankerspillcrew als nächstes an Brassen und Schoten gebraucht wurde. Acosta war sich darüber klar, daß sie sich erst einmal aus der Riffzone freikreuzen mußten, ehe sie die Verfolgung der Bastarde aus der Bucht aufnehmen konnten.

Noch hatten die Kerle das Gespensterschiff nicht erreicht. Acosta beobachtete sie mit dem Spektiv und ärgerte sich von neuem gewaltig, daß er den alten Holzbeinhalunken nicht von der Ducht geholt hatte. Nun, wenn sie erst einmal zur Gefangennahme geschritten waren, würde er an dem Alten ein Exempel statuieren. Dann war mal wieder eine Hinrichtung fällig. Urteilsbegründung: Verspotten des Feindes durch meckerndes und unflätiges Lachen.

Die Exekution würde den anderen Gefangenen erst einmal Respekt beibringen, und schließlich war der Alte mit seiner Beinprothese als Arbeitskraft sowieso nicht viel wert.

Bei diesen Gedanken rieb sich Acosta voller Vorfreude die Hände.

Beide Anker wären mittlerweile hoch, und die Segel füllten sich mit Wind.

„Jetzt zeig, was du kannst!“ rief Acosta dem Dürren zu, der breitbeinig am Ruder stand.

„Darauf kannst du Gift nehmen“, erwiderte Morro selbstsicher, ohne sich umzuwenden.

Acosta nickte grimmig und voller Zuversicht, nahm sein Spektiv und fuhr fort, die drei Jollen zu beobachten.

Sekunden später sträubten sich seine Nackenhaare.

Die „San Jacinto“ krängte nach Steuerbord, statt auf Nordkurs zu gehen und Fahrt aufzunehmen. In Sekundenschnelle nahm die Schrägneigung immer mehr zu. Und gleich darauf geschah das Unfaßbare.

Die Galeone trieb auf das Land zu.

„Was, zum Teufel, ist los?“ brüllte Acosta.

Morro stemmte sich verzweifelt gegen das Ruder.

„Versager!“ schrie er. „Ein Ruderversager!“

Acosta ließ das Spektiv einfach fallen und war mit wenigen Schritten bei ihm.

„Laß mich mal ran, du Schwachlappen“, fauchte er, stieß den Dürren beiseite und packte mit harten Fäusten zu.

Nicht einmal um Fingerbreite ließ sich das Ruder bewegen, sosehr er sich auch abmühte.

„Hölle und Verdammnis!“ brüllte er mit überkippender Stimme. „Das kann doch nicht sein!“ Erst nach Sekunden wurde ihm bewußt, daß alles Abmühen nichts half. Er erwachte wie aus einem Alptraum, wich vom Ruder und stürzte zur Querbalustrade.

Die Kerle standen schreckensstarr auf der Kuhl und beobachteten das Geschehen wie ein wehrloses Kaninchen die Schlange.

„Werft Anker!“ brüllte er. „Beeilt euch, um Himmels willen, werft Anker!“

Sie lösten sich aus ihrer Erstarrung, Prado inbegriffen, und hasteten zur Back.

Zu spät.

Ein jäher Ruck lief durch das Schiff.

Den Schwarzbärtigen riß es von den Beinen wie die meisten anderen auch. Hart schlug er mit dem Hinterkopf auf die Achterdecksplanken, und sekundenlang drehten sich feurige Kreise vor seinen Augen. Voller Entsetzen hörte er dabei das Knirschen, das durch den Schiffsrumpf ging, bis es schließlich endete. Nur noch das Klatschen der Segel und das Singen des Windes in laufendem und stehendem Gut waren jetzt zu hören.

Benommen rappelte Acosta sich auf.

Die nächste Schreckensmeldung vernahm er, bevor er richtig zur Besinnung gelangt war.

„Wassereinbruch im Achterschiff!“ schrie Morro von der Heckbalustrade her. „Und damit du weißt, was los ist, Acosta: Da hat uns jemand das Ruderblatt blockiert.“

Der Schwarzbärtige stürzte nach achtern, und er hatte das Gefühl den Verstand zu verlieren. Mit wenigen Blicken überzeugte er sich von der verheerenden Lage.

An die zweihundert Yards vom Uferstrand entfernt waren sie aufgebrummt. Ein verdammtes Riff hatte ihnen das Achterschiff aufgeritzt, und es suppte herein wie verrückt. Und tatsächlich, deutlich sichtbar zwischen Achtersteven und Vorderkante des Ruderblatts steckten zwei Keile!

Acosta wirbelte herum und schüttelte die Fäuste zu den weit entfernten Jollen.

„Ihr entwischt uns nicht!“ schrie er schrill. „Ich kriege euch, und dann gnade euch Gott! Jeden einzelnen von euch lasse ich vierteilen, das schwöre ich euch!“

Von der Kuhl war heiseres Gebrüll zu hören, das aus Wut und Verzweiflung herrührte.

Morro war der erste, der wieder einen klaren Kopf hatte. Er versetzte Acosta einen Hieb in die Seite. Der Schwarzbärtige zuckte zusammen, wirbelte herum und wollte auf den Dürren losprügeln.

„Reiß dich zusammen!“ schrie Morro. „Verdammt noch mal, dein Geschrei nutzt jetzt überhaupt nichts! Wir müssen lenzen, lenzen, lenzen!“

Einen Atemzug lang starrte der Schwarzbärtige ihn an wie eine fremdartige Erscheinung. Dann rannte er los, zur Querbalustrade. Er überbrüllte das Geschrei auf der Kuhl.

„An die Lenzpumpen, ihr Narren! Wollt ihr euch wohl bewegen, ihr Blödmänner! An die Lenzpumpen, habe ich gesagt!“

Da endlich wurden sie still und befolgten den Befehl.

Seewölfe Paket 26

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