Читать книгу Seewölfe Paket 26 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 16
4.
ОглавлениеDer Kutscher, Nils und Sven enterten ab und pullten zur „Empress“ hinüber. Nachdem sie drüben angelegt hatten, kehrte Nils allein wieder zurück und brachte drei Schaufeln mit.
„Bevor wir die Toten zum Strand bringen“, sagte Carberry, „durchsuchen wir noch einmal schnell alle Räume, auch die Laderäume. Ich will mir später keine Vorwürfe machen, daß wir doch noch jemanden übersehen haben.“
Sie begannen, noch einmal das Schiff auf den Kopf zu stellen. Aber es wurde niemand mehr gefunden. In die Laderäume war ebenfalls Wasser eingedrungen. Ins Achterschiff konnte man ebenfalls nicht mehr hinein, weil dort alles unter Wasser stand.
Jetzt begann für sie die unangenehme Arbeit, die vier Toten ins Beiboot zu bringen.
„Geh du in die Jolle, Nils und nimm sie uns ab. Wir lassen sie an einem Tau hinunter.“
Carberry und Stenmark holten den ersten Toten, banden ihm ein Tau um den Leib und fierten ihn nach unten ab, wo Nils ihn zwischen die Duchten legte.
Dann wurde der zweite, dritte und schließlich der vierte Tote nach unten gebracht.
Die vier Leichen, die kreuz und quer zwischen den Duchten hingen, boten einen schaurigen Anblick. Bei jeder noch so kleinen Welle schien das Leben wieder in sie zurückzukehren. Einer von ihnen erweckte den Eindruck, als winke er zum Abschied mit der Hand zur „Empress“ hin.
Dann aber hatten sie die grausige Fracht endlich an Land.
Schweigend gingen sie daran, eine größere Grube zwischen den Felsen auszuheben. Die Sonne stach heiß vom Himmel. Es war jetzt Nachmittag, und die Hitze schien immer größer zu werden. Schon bald rann ihnen der Schweiß in Bächen über die Stirn.
„Christenpflicht kann manchmal ganz schön anstrengend sein“, sagte Stenmark. „Aber wir haben es gleich geschafft.“
Verbissen schaufelten sie weiter. Als der Profos einmal kurz verschnaufte, sah er dicht neben der „San Jacinto“ heftige Bewegungen im Wasser. Neben dem Schiffsrumpf schien das Wasser zu kochen und zu brodeln.
„Haie“, sagte Nils. „Die fallen jetzt über den Speck her.“
Die Grube war endlich fertig. Die vier Toten wurden hineingelegt. Dann schaufelten sie die Grube wieder zu und legten einen größeren Stein darauf.
In der Nähe des Wracks pfeilten die Haie weiter durchs Wasser und gebärdeten sich wie toll.
Der Profos empfahl die sündigen Seelen dem Herrn und kehrte zur Jolle zurück.
„Vergeßt nicht, was der Kutscher gesagt hat“, mahnte er. „Wir sollen uns ordentlich die Hände waschen, damit wir nichts von dem lausigen Gift abkriegen.“
Sie wuschen sich ausgiebig die Hände, wie der Kutscher empfohlen hatte, stiegen in die Jolle und kehrten zur „Empress“ zurück.
Old O’Flynn stand an Deck – mit roten Ohren und dickem Hals. Er war voll in Braß.
„Ich überlege gerade“, sagte er grimmig, „ob wir diesen Bastarden nicht doch hinterhersegeln sollen. Nach allem, was sie getan haben, sollte man ihnen einen Denkzettel verpassen. Wir schießen ihnen die Flöße zusammen und lassen sie an Land schwimmen. Dann sollen sie meinetwegen auf der nächstbesten Insel vergammeln. Die Halunken haben es nicht besser verdient.“
„Die Rachegefühle sind ja durchaus verständlich“, meinte der Kutscher, „doch inzwischen sind die Kerle längst über alle Berge. Sie stecken irgendwo südlich hinter den Inseln. Wenn wir denen folgen, können wir den ganzen Tag bis zur Nacht mit der Suche verbringen, wobei es immer noch fraglich bleibt, ob wir sie überhaupt finden.“
Old O’Flynn wollte wieder mal mit dem Schädel durch die Wand und bedauerte lebhaft, daß sie die Strolche überhaupt hatten abziehen lassen.
Aber schließlich siegte die Vernunft.
„Keine Sorge“, sagte der Kutscher. „Wir werden sie schon noch wiedersehen. Ich bin nach wie vor fest davon überzeugt, daß sie noch nicht aufgegeben haben. Warum sollen wir hinterhertörnen, wenn sie uns ohnehin einen Besuch abstatten werden? Wir werden auf der Hut sein und sie gebührend empfangen. Möglicherweise können wir schon für die heutige Nacht mit einem Überfall rechnen.“
Die Argumente des Kutschers überzeugten auch Old O’Flynn schließlich.
„Gut“, sagte er, immer noch zornerfüllt. „Dann verholen wir jetzt auf gleicher Höhe zu der Galeone und legen uns vor der Westküste auf die Lauer. Danach können wir uns aufs Ohr hauen, um später gerüstet zu sein. Eine Wache genügt.“
Da von der „San Jacinto“ absolut keine Gefahr mehr drohte, hievten sie den Anker, setzten die Segel und verholten.
Auf gleicher Höhe vor der aufgebrummten Galeone wurde dann erneut der Anker gesetzt.
„Ich werd’ glatt verrückt“, sagte Carberry, als die Karavelle ruhig vor Anker lag und sie Zeit hatten, sich umzusehen. „Schaut mal dort hinüber.“ Dabei wies er mit dem ausgestreckten Finger zu der Galeone hin.
Was sie sahen, schockierte sie doch.
Ganz in der Nähe, etwa zwanzig Yards von der „Empress“ entfernt, trieben zwei Haie. Sie hatten die Bäuche nach oben gedreht. Ihre aufgesperrten Mäuler schnappten haltlos ins Leere. Die großen Fische zuckten, als litten sie unter heftigen Krämpfen. Einer bewegte sich nur noch ruckartig durch das Wasser. Dann lag er wieder still da, zuckte erneut und raste im Zickzack hin und her. Das Spiel wiederholte sich ein paarmal hintereinander. Der große Fisch schoß danach bis auf den Grund, wühlte den Sand auf und kam schlingernd wie betrunken an die Oberfläche.
Nach einer Weile rührte er sich nicht mehr. Der zweite Hai schien ebenfalls tot zu sein. Die Wellen trieben ihn langsam dem Ufer zu.
„Die haben den durchwachsenen Speck gefressen“, sagte der Kutscher unbehaglich. „Das haben wir schon vorhin beobachtet.“
„Und der Speck war vergiftet“, fügte der Profos hinzu. „Dabei dachte ich, daß ihnen das nichts ausmacht. Jetzt stellt euch nur mal vor, daß wir von dem Zeug gemampft hätten! Dann würden wir uns jetzt ebenfalls in Zuckungen winden.“
Die Fische rührten sich nicht mehr. Mit ihren nach oben gerichteten hellen Bäuchen trieben sie immer näher ans Ufer.
Zwei weiteren kleinen Haien schien es ähnlich zu ergehen. Einer donnerte wie benommen an den Rumpf der Galeone, daß das Geräusch deutlich bis zur „Empress“ hinüber zu hören war. Der andere raste wild durchs Wasser und schoß auf die Riffe zu. Dort verschwand er etwas später, ohne daß sie ihn noch einmal sahen.
Nach einer weiteren halben Stunde hauchte auch der dritte Hai sein Leben aus. Auch er wand sich in wilden Zuckungen, bis er dicht vor die Bordwand der Karavelle trieb.
„Das will ich genau wissen“, sagte der Profos. „Wir hieven ihn an Bord und sehen mal nach, was er im Magen hat.“
„Speck“, sagte der Kutscher lakonisch. „Was sonst! Genau daran ist er eingegangen.“
Dem Profos aber ließ das keine Ruhe.
„Das muß ja ein fürchterliches Gift sein“, sagte er, „wenn schon Haie daran krepieren. Das hätte ich nie geglaubt.“
„Hievt den lieber nicht an Deck“, sagte Old O’Flynn schaudernd. „Nachher vergiftet er uns noch alle.“
„Da kann nichts passieren, Donegal. Wir sehen mal nach.“
Die Zwillinge waren wieder einmal voller Begeisterung bei der Sache. Sie brachten auch sogleich Taue herbei.
Carberry streifte das Auge eines Taues dem vor der Bordwand treibenden Hai über den Schädel. Sven und Nils verfuhren mit dem Schwanzende des Haies ebenso.
Dann packten alle mit an und hievten den Hai an Deck. Er war so lang wie ein ausgewachsener Mann und rührte sich nicht mehr.
Der Profos erlebte jedoch eine üble Überraschung, als er sich mit dem Entermesser in der Faust über den Hai beugte. Er setzte gerade zum Schnitt an, als der Hai ganz überraschend lebendig wurde.
Der große Fisch riß das Maul mit den gewaltigen Zähnen auf und schnappte zu. Gleichzeitig krümmte sich der Körper, und die Schwanzflosse holte zu einem gewaltigen Schlag aus.
Gedankenschnell sprang der Profos vor dem zuschnappenden Kiefer noch rechtzeitig zur Seite. Doch dem Schlag mit der Schwanzflosse vermochte er nicht mehr auszuweichen.
Ein gewaltiger Schlag säbelte ihm die Beine unter dem Leib weg.
Edwin Carberry sauste quer über die Planken, verlor das Entermesser und donnerte mit dem Schädel an die Unterkante des Schanzkleides.
Dort blieb er für ein paar Augenblicke liegen, als hätte ihn ein gewaltiger Schwinger von den Beinen gerissen.
Der Hai aber begann an Deck zu toben. Er wand sich wie ein Riesenaal. Sein fürchterliches Maul öffnete und schloß sich. Der Leib zuckte wie wild, der Schwanz teilte Schläge nach allen Richtungen aus.
Die Männer sprangen fluchend zur Seite. Old O’Flynn begann lautstark zu zetern.
„Das habe ich gleich gewußt. Das Biest zertrümmert uns noch das ganze Schiff.“
Carberry berappelte sich und kam wieder auf die Beine. Dabei schüttelte er ärgerlich den Kopf. Ein ganzer Bienenschwarm hatte sich dort eingenistet und summte in den höchsten Tönen.
Die Bordhündin Plymmie stürzte sich auf das zappelnde und um sich schlagende Monstrum. Sie knurrte heiser, hatte die Lefzen hochgezogen und versuchte, nach dem Hai zu schnappen. Wie wild stürzte sie sich darauf. Aber sie konnte keinen Biß anbringen, ihre Fänge schnappten jedesmal an der rauhen Haut vorbei und glitten ab.
Old O’Flynn raufte sich inzwischen fast die Haare. Übergangslos hatte sich die Karavelle in ein Tollhaus verwandelt.
Sir John schrie Zeter und Mordio, Plymmie schnappte nach dem Hai, und die anderen beeilten sich, den wilden Schwanzschlägen auszuweichen, die immer heftiger wurden.
Old O’Flynn schnappte sich eine Pistole, visierte kurz an und feuerte auf den Hai. Aber der Schuß ging in der Aufregung in die Planken und jaulte als plattgedrückter Querschläger schräg in den nachmittäglichen Himmel.
Fast hätte es dabei noch Sir John erwischt. Der Papagei flatterte fürchterlich schimpfend und zeternd hoch in die Luft.
Das wiederum brachte den Profos in Braß.
„Bist du verrückt, auf Sir John zu schießen!“ brüllte er.
Aber da war er bei Old Donegal an der richtigen Adresse. Der war jetzt auch geladen, weil das wilde Biest nicht zu bändigen war.
„Dein Scheißhai!“ schrie er zurück. „Du bist verrückt, so ein Mistvieh an Bord zu hieven. Außerdem habe ich nicht auf deinen dreimal verdammten Aasgeier geschossen!“
Den Profos überfiel wilde und jähe Wut. Er hatte sich von dem Hieb immer noch nicht so richtig erholt, und jetzt wurde er äußerst aggressiv und angriffslustig.
Er hob sein Entermesser auf, stürzte sich auf den zückenden Fisch, rammte ihm das Messer in die Seite und zog es wild durch.
Nils Larsen feuerte zugleich einen Schuß aus nächster Nähe in den Schädel des Haies ab.
Ein letztes wildes Zucken, ein Aufbäumen erfolgte. Dann schlug der Schwanz nur noch einmal matt über Deck.
Eine zweite Kugel, diesmal von Stenmark abgefeuert, gab dem Riesenfisch endgültig den Rest.
„Aus und vorbei“, sagte der Kutscher erleichtert, als der Hai ruhig und blutend auf den Planken lag.
Aber noch war gar nichts aus und vorbei, denn jetzt gerieten sich Old O’Flynn und der Profos wieder in die Haare.
Der Profos war dabei allerdings etwas ungerecht.
„Gar nichts ist vorbei!“ brüllte O’Flynn. „Jetzt haben wir die Sauerei an Deck, nur weil dieser Hornochse mal nachsehen wollte, was der Hai im Magen hat.“
„Und du Oberhornochse schießt auf unschuldige Vögel!“ röhrte Carberry. „Immer drauf, ohne Rücksicht auf Verluste!“
„Ich hab’ nicht auf deine Krachente geschossen“, verteidigte sich der Alte stocksauer. „Ich hab’ auf das Mistvieh gefeuert, aber das geht in deinen dösigen Schädel wieder mal nicht hinein. Der Hai hätte uns beinahe umgebracht.“
„Quatsch! Gar nichts hätte er! Ich hätte das Vieh schon erledigt!“
„Das hat man gesehen“, höhnte Old Donegal. „Der hat dir eins übergebraten, daß du fast über Stag gegangen wärst. Der Mist wird jetzt über Bord gefeuert. Noch bin ich der Kapitän.“
„Jetzt, nachdem er tot ist, hast du noch Angst vor ihm, was, wie? Du brauchst gar nicht dauernd zu betonen, daß du der Kapitän von diesem Geisterschlorren bist, das wissen wir längst.“
„Was heißt hier Geisterschlorren?“ empörte sich der Alte.
„Na, ist das etwa kein Geisterschlorren? Haut klammheimlich ab und kehrt klammheimlich zurück.“
„Wärmt nur den alten Kram wieder und streitet weiter“, sagte der Kutscher ruhig. „Etwas anderes könnt ihr ja nicht. Wir werfen das Vieh über Bord, reinigen das Deck, und damit ist der Vorfall erledigt. Und ihr beiden Streithähne gebt euch die Hand und vertragt euch wieder.“
„Ha, dem werde ich meine Hand geben“, wetterte Old O’Flynn. „Der kriegt es glatt fertig und gibt sie nicht mehr zurück. Der hat doch zuviel Wind auf der Mühle, hat der.“
Der Kutscher nahm einen neuen Anlauf, weil es nicht so aussah, als würden die beiden Kampfhähne ihren unsinnigen Streit beenden.
„Vielleicht tut’s ein kleiner Schluck Rum zur Versöhnung.“
„Sagtest du Rum?“ fragte Old Donegal. „Das wäre direkt zu überlegen.“
„Aber erst, wenn ich dem Vieh den Bauch aufgeschnitten habe“, sagte Carberry. Seine Stimme klang jetzt ein wenig gedämpfter, seit er etwas von einem Versöhnungsschluck gehört hatte.
Schließlich einigte man sich darauf, daß man „einmal nachsehen“ würde. Immerhin war der Hai jetzt ungefährlich. Er würde auch nicht mehr ganz überraschend zum Leben erwachen, denn sein Blut färbte bereits die Planken rot.
„Also gut“, sagte Old O’Flynn schließlich. „Dann fang endlich an, damit die Schweinerei ein Ende hat.“
Es gab keine sonderliche Überraschung, als der Mageninhalt des Hais auf den Planken lag. Er hatte große Teile der Speckseite aus dem Stück gesagt. Ansonsten fanden sie nur noch die vermatschten Überreste zweier kleinerer Tintenfische. Mehr enthielt der Haimagen nicht.
Der Profos war’s zufrieden, denn jetzt hatte er die Gewißheit, daß der große Fisch an dem vergifteten Speck eingegangen war.
„Und wo ist die Buddel mit Rum?“ fragte er.
„Die gibt es erst, wenn die Planken wieder sauber sind.“ In der Beziehung gab Old O’Flynn um keine Handbreite nach.
Speck und restlicher Mageninhalt wurden durch die Speigatten über Bord befördert. Dann hievten sie den Fisch hoch und warfen ihn ebenfalls ins Wasser.
Old O’Flynn paßte auf wie ein Luchs. Er selbst rührte keinen Finger, sondern sah nur zu.
Kurz danach war auch das Deck wieder sauber geschrubbt.
Old O’Flynn betrachtete kritisch die Planken und schaute peinlich genau nach, ob nicht noch irgendwelche Reste von dem „Schweinkram“ zu finden waren, bis das dem Profos wieder auf die Nerven ging:
„Was gibt’s denn da ständig zu glotzen – hast du noch keine Schiffsplanken gesehen?“
„Ich will mich nur vergewissern, ob alles sauber ist und der Kahn später nicht nach toten Fischen stinkt.“
„So sauber waren deine Planken noch nie“, behauptete Carberry, was ihm einen zornigen Blick des Alten eintrug.
Dann aber bequemte er sich doch, die Rumbuddel zu holen, und jeder setzte zu der üblichen Daumenbreite an. Hasard und Philip junior bedauerten dabei lebhaft, nicht so breite Daumen wie der Profos zu haben.
„Jetzt kontrollieren wir noch die Drehbassen und legen Musketen bereit“, sagte Old O’Flynn. „Und dann können diese Fleischvergifter antanzen. Sie werden ihre helle Freude haben. Daß man mich vergiften wollte, das vergißt ein O’Flynn nie im Leben. Da bin ich verdammt nachtragend.“
Da es immer noch sehr warm war, legten sich ein paar der Männer einfach auf die Planken, um auf Vorrat zu schlafen. Niemand zweifelte daran, daß sie in dieser Nacht noch recht unliebsamen Besuch erhalten würden.
Sie waren jedoch gewappnet und erwarteten ihre Gegner.