Читать книгу Seewölfe Paket 26 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 14
2.
ОглавлениеSeit Old O’Flynn seine über alles geliebte „Empress“ wieder gefunden hatte, war er wie ausgewechselt. Zudem beflügelte ihn immer noch das Bad im „Jungbrunnen“, der so jäh versiegt war.
Aber die „Empress“ war wieder da, und das allein zählte für den kauzigen Alten.
Heute morgen war die vom Sturm entführte Karavelle wiederaufgetaucht und der Alte vor Rührung fast zerflossen.
Gewiß, ein bißchen hatte sie der Sturm gebeutelt und gerupft, aber das Wasser, das über der Bilge stand, war mit einem wahren Feuereifer gelenzt worden, nachdem sie ihr Schiffchen wieder besetzt hatten.
Gleich danach hatte es sich der Alte nicht verkneifen können, die inzwischen aufgebrummte „San Jacinto“ von See her anzugreifen und sie sturmreif zu schießen. Jetzt, da er seine Karavelle wieder hatte, wollte er es den Halunken und Bastarden schon zeigen.
Es war noch früher Vormittag an diesem neunten Juli, aber die Galeone sah aus, als stünde sie schon tagelang unter Dauerbeschuß.
Old O’Flynn war mal wieder zu ganz großer Form aufgelaufen.
„Und noch ein Ding!“ brüllte er. „Immer feste druff. Den Kerlen werden wir zum Piratentänzchen aufspielen.“
Carberry grinste nur, wenn er Donegal ansah. Der steigerte sich in einen wahren Freudenrausch. Seine Augen blitzten, und aus seinem verwitterten Granitgesicht waren erstaunlicherweise wieder mal die Falten und Runzeln verschwunden. Daraufhin angesprochen, behauptete er stur, das läge allein am Wasser des Jungbrunnens, in dem er sein Bad genommen hatte. Die anderen ließen ihn mit seinem Glauben selig werden, denn es war witzlos, ihm den Unsinn auszureden.
„Jawoll!“ brüllte er begeistert, wobei er die linke Faust kraftvoll in die rechte Handfläche schlug. „Das hat gesessen!“
Mit blitzenden Augen sah er, wie sich eine angeschossene Rah vom Rack löste und mit fürchterlichem Getöse auf den Planken landete. Ihr Gewicht fetzte etliche Holzsplitter heraus und knackte die Planken an.
Sie lagen mit der „Empress“ etwa fünfzig Yards achteraus der Galeone und hatten sie bereits in einen Trümmerhaufen verwandelt. Von drüben erfolgte keine Gegenwehr. Die Kerle waren heulend und zähneklappernd in Deckung gegangen, als die ersten Bleibrocken über die Decks rasten und solides Holz in Splitter und Trümmer verwandelten. Die Segel waren zerschossen. Ein paar Rahen lagen an Deck, ein Mast war geknickt und das Achterschiff teilweise voll Wasser gelaufen. Von den Bleiglasfenstern waren nicht einmal mehr die Rahmen übriggeblieben. Das Heck war verwüstet, zerschossen und übel zugerichtet.
Die Galeone stand gewissermaßen schief. Vorn war sie auf den Grund gelaufen, achtern weggesackt und damit offen für die Drehbassen, die alles beharkten.
Die Kerle befanden sich alle in Deckung. Von seiten der „San Jacinto“ fiel kein einziger Schuß. Nachteilig wirkte sich aus, daß sie achtern weder über Kanonen noch Drehbassen verfügten, und so konnten die Männer der „Empress“ voll draufhalten, was das Zeug hielt.
„Die Halunken haben wir bald ausgeräuchert“, sagte Old O’Flynn. „Die sind mit ihren Nerven jetzt schon am Ende. Und feige ist diese Brut auch noch. Die sind immer nur stark, wenn ihr Gegner ihnen stark unterlegen ist.“
„Den Schneid haben wir ihnen abgekauft“, meinte der Kutscher. „Ich bin gespannt, wann sie endgültig aufgeben. Aber was tun wir dann mit den Kerlen?“
„Weiß ich noch nicht“, erwiderte der Alte. „Mir wird schon was einfallen. Inseln gibt es hier ja genug, wo sie ihr erbärmliches Leben weiterfristen können.“
Nils Larsen gab den nächsten Schuß aus der Drehbasse ab. Dann feuerte der Schwede Stenmark.
Die Bleikugeln – grobes Schrot – zerhackten das Holz. Ein paar größere Splitter flogen fast zwanzig Yards hoch in die Luft.
Von der Galeone her war Gebrüll zu hören. Dann wurde aus einer Luke plötzlich ein grauweißer Fetzen heftig hin und her geschwenkt.
„Was soll das denn bedeuten?“ fragte Martin Correa. „Wollen die etwa doch aufstecken und sich ergeben?“
„Jedenfalls soll das ein Hemd sein“, sagte Old O’Flynn. „Zwar kein weißes Hemd – aber immerhin. Nicht weiterschießen, Nils. Wir stellen das Feuer vorerst ein.“
Nils, der gerade wieder die Drehbasse abfeuern wollte, trat zur Seite und nickte.
Das Hemd wurde jetzt noch wilder geschwenkt.
„Nicht schießen!“ brüllte eine Stimme. „Wir wollen mit euch verhandeln!“
„Aha, jetzt haben sie die Hosen doch voll“, triumphierte Old Donegal. „Oder es steckt eine List dahinter. Den Kerlen traue ich absolut nicht über den Weg.“
Er richtete sich aus seiner etwas gebückten Haltung auf und ging ein paar Schritte nach vorn.
„Wenn ihr verhandeln wollt, dann zeigt euch an Deck!“ brüllte er zurück. „Wenn ich auch nur eine Waffe in euren Pfoten sehe, dann kracht es wieder! Verstanden?“
„Verstanden!“ wurde zurückgerufen.
Einer der Kerle – es war Acosta – erschien gleich darauf an Deck. Er schwenkte immer noch das Hemd durch die Luft. Drei weitere Kerle tauchten neben ihm auf. Dann erschienen noch mehr.
„Ungefähr ein Dutzend“, schätzte der Profos. Er stellte sich hinter eine der Drehbassen und paßte scharf auf. Doch die Schnapphähne trugen keine Waffen bei sich.
„Was wollt ihr?“ fragte Old O’Flynn kampfeslustig.
„Wir ergeben uns!“ rief Acosta, wobei die anderen Kerle aufgeregt nickten. „Wir bitten um freien Abzug.“
Old Donegal sah die Männer fragend an.
„Sollen wir die Bastarde ziehen lassen?“
„Das wird wohl die beste Lösung sein“, erwiderte der Kutscher. „Was sollen wir sonst mit ihnen tun?“
„Soll der Teufel sie holen“, sagte Carberry. „Ich habe auch nichts dagegen. Dann sind wir sie endlich los.“
Die anderen stimmten ebenfalls zu. Sie hatten von den Kerlen genug.
„Ihr könnt abziehen!“ rief Old O’Flynn. „Verschwindet und fahrt zur Hölle!“
Dann folgte eine Unverfrorenheit, die dem Alten und den anderen fast die Stiefel auszog.
Acosta legte seine Hände trichterförmig an den Mund.
„Gut, wir verschwinden. Aber ihr müßt uns dann die beiden Jollen wieder zurückgeben, sonst können wir nicht fort!“
„So ein Rübenschwein“, empörte sich der Profos. „Verlangt mit der größten Unverschämtheit die Jollen zurück, was, wie? Dem Kerl sollte man die Jollen um die Ohren schlagen.“
„Wollt ihr nicht auch noch die Karavelle, ihr Bastarde?“ rief Old O’Flynn mit Donnerstimme. „Hier gibt’s keine Jollen zurück. Ihr könnt abziehen, das haben wir versprochen.“
„Wie gelangen wir dann von Bord?“ fragte Acosta.
„Baut euch Flöße, ihr triefäugigen Kakerlaken! Das könnt ihr doch so gut. Wenn ihr die gebaut habt, dann empfehle ich euch, so weit wie nur möglich abzuhauen. Und laßt euch hier nie wieder blicken, sonst gibt’s was an die Ohren.“
Von Dankbarkeit war nichts zu spüren. Die Kerle nahmen den freien Abzug als selbstverständlich hin. Sie waren nur nicht sonderlich von der Aussicht begeistert, Flöße bauen zu müssen.
Dabei hatten sie gerade ein Floß gebaut, um die Wassertiefe auszuloten, damit sie die Galeone näher zum Strand legen konnten.
„Mistkerle!“ brüllte Acosta zum Dank.
Der Profos lief vor Wut rot an.
„Am liebsten würde ich ihm die Haut in Streifen von seinem verdammten Affenarsch abziehen“, grollte er. „Diese Kanalratten stellen auch noch Forderungen, und zum Dank murmeln sie Flüche und beschimpfen uns. Schnapphähne, dreckige!“
„Wenn die bis heute mittag nicht verschwunden sind, helfe ich den Kerlen nach. Dann gibt es Zunder“, sagte Old O’Flynn verärgert.
Sie standen immer noch bei den feuerbereiten Drehbassen und beobachteten die Kerle auf ihrem Trümmerhaufen.
„Ich werde das Gefühl nicht los, daß die Kerle doch noch einen Trick versuchen“, sagte der Kutscher. „Die erwecken gar nicht den Eindruck, als wollten sie sang- und klanglos verschwinden.“
„Das Gefühl habe ich auch“, sagte Carberry. „Aber wir werden sie keinen Moment aus den Augen lassen. Wenn sie wirklich noch einen miesen Trick anwenden, dann war es ihr letzter.“
„Wie viele Kerle seid ihr noch?“ rief Old O’Flynn.
„Zwölf Mann“, lautete die mürrische Antwort.
Dann sahen sie zu, wie drüben gearbeitet wurde. Ein paar Schnapphähne bewaffneten sich mit Äxten, Beilen und Schiffshauern. Dann wurden Planken aus dem Deck geschlagen.
„Der Oberschnapphahn rührt natürlich keinen Finger“, sagte Carberry. „Der steht wieder mal herum und tönt die Gegend voll. Aber offenbar ist sein Status angeknackst. Die Kerle scheren sich kaum noch um sein Gebrüll.“
Acosta stand breitbeinig und überheblich an Deck und gab Befehle, was alles zu tun sei und wie die Flöße gebaut werden müßten.
Drüben wurde gehämmert, gesägt, geschlagen und geklopft. Zwei Kerle schnitten aus den zerfetzten Segeln große Stücke heraus.
„Aha, ein Floß mit Besegelung“, sagte Stenmark. „Nun, dann haben wir sie wenigstens schneller vom Hals.“
Der Eifer der Kerle wurde direkt beängstigend. Aber das lag wohl daran, daß Old O’Flynn ihnen alles mögliche androhte, wenn sie sich bei der Arbeit zuviel Zeit ließen.
Wie etwas später zu erkennen war, bauten sie zwei Flöße. Zwei Spieren, die abgeschossen an Deck lagen, dienten als provisorische Masten.
„Dann werde ich mich mal um das Essen kümmern“, sagte der Kutscher.
„Ein guter Gedanke“, lobte Carberry, der bereits einen gewaltigen Appetit hatte. „Falls noch genügend Eier da sind, kannst du mir ja so ungefähr zehn in die Pfanne hauen. Und vergiß den Speck nicht, daran brauchst du nicht zu sparen.“
„Und vergiß dies nicht, und vergiß das nicht“, tönte der Kutscher aus der Pantry zurück. „Und stell auch die Pfanne auf den Herd und vergiß nicht, das Feuer zu entzünden.“
„Na ja, du bringst das schon alles richtig hin“, meinte Carberry. „Ich bin nur eben ein bißchen besorgt.“
Aus der Pantry drang gleich darauf ein lieblicher Geruch, den der Profos gierig erschnüffelte. Eier mit Speck aß er für sein Leben gern, es mußte nur die richtige Portion sein, die sich bei ihm so um ein Dutzend herum bewegte.
Drüben wurde emsig weitergearbeitet. Acosta linste immer wieder mal kurz herüber.
„Die werden sich noch wundern, die Bastarde“, sagte er leise. „Wenn die glauben, ich gebe die Sache mit dem Gold auf, dann haben sie sich aber geschnitten.“
Auch Prado dachte nicht daran, das viele Gold aufzugeben. Er beschäftigte sich in Gedanken pausenlos damit.
„Jetzt bauen wir erst einmal die Flöße“, sagte Prado, „damit wir verschwinden können. Hoffentlich fällt es den Kerlen nicht ein, vorher noch an Bord zu kommen. Du hast vorhin gesagt, wir seien zwölf Mann. Wir sind aber dreizehn mit dem Verletzten.“
Acosta grinste dreckig.
„Na und? Wir verteilen uns zu je sechs Mann auf die Flöße. Ich habe nicht die Absicht, den Schreihals mitzunehmen. Den überlassen wir den anderen Kerlen. Sollen die sich doch um ihn kümmern. Aber vielleicht willst du ihn mitnehmen?“
„Ich? Darauf bin ich überhaupt nicht scharf. Der behindert uns nur. Ich nehme ihn auf keinen Fall mit.“
„Dann ist ja alles klar.“
„Die Halunken geben uns nicht mal die eigenen Jollen zurück“, sagte Prado erbost. „Wir könnten längst verschwunden sein, statt dessen müssen wir uns mit primitiven Flößen behelfen.“
Er und Acosta blickten gleichgültig auf einen Toten, der am zerschossenen Schanzkleid lag. Zwei weitere Tote, die dem Drehbassenbeschuß zum Opfer gefallen waren, lagen ebenfalls noch an Deck. Doch um die Toten kümmerte sich niemand. Sie ließen sie einfach liegen wie den Verletzten, der an seinem Knebel fast erstickte.
„Wir schuften, und die fressen sich die Bäuche voll“, sagte Acosta mißmutig, als er einen Blick zur „Empress“ warf. „Wenn diese Kerle nicht wären, hätten wir längst ausgesorgt.“
Wieder wurde fast im Flüsterton über das Gold geredet, das die Kerle fast noch um den Verstand brachte.
Fünfzig Yards weiter hockte Carberry auf der Gräting und mampfte mit verzückten Blicken seine reichlich bemessene Portion. Die anderen aßen ebenfalls und sahen grinsend zu den Kerlen der „San Jacinto“, die sich die Seelen aus dem Leib schufteten.
Das erste, aus Planken, Spieren und Trümmern hergestellte Floß wurde knapp zwei Stunden später über Bord gegeben. Drei Mann arbeiteten weiter im Wasser an dem Floß herum.
„Gegen Mittag werden sie ungefähr fertig sein“, schätzte Martin. „Sie haben sich wirklich höllisch beeilt.“
„Habe ich den Halunken auch empfohlen“, meinte Old Donegal. „Wenn sie weg sind, werden wir den Schlorren mal inspizieren. Vielleicht haben sie noch Rum, Wein und Proviant zurückgelassen.“
Der Kutscher dachte nach, dann schüttelte er den Kopf.
„Den Proviant würde ich nicht anrühren, Donegal. Den Kerlen traue ich in ihrer Wut glatt zu, daß sie den Rest vergiftet haben. Davon sollten wir lieber die Finger lassen.“
„Meinst du wirklich?“
„Auszuschließen ist diese Möglichkeit jedenfalls nicht. Sie sind zwar nicht übermäßig klug, aber gerissen und voller Heimtücke. Angenommen, sie rechnen mit der Möglichkeit, daß wir den Proviant übernehmen, dann hätten sie doch später leichtes Spiel. Einer nach dem anderen von uns würde umkippen.“
„Verdammt, daran habe ich überhaupt nicht gedacht“, murmelte Old Donegal betroffen.
„Es muß ja nicht der Fall sein“, beruhigte ihn der Kutscher. „Es ist nur eine Annahme.“
„Dann verzichten wir natürlich darauf, etwas mitzunehmen.“
Die Vermutung, die der Kutscher hatte, erwies sich tatsächlich als gerechtfertigt. Weder Acosta noch Prado scheuten vor einer hinterhältigen Gemeinheit zurück.
Die beiden Flöße befanden sich jetzt im Wasser und waren an der Jakobsleiter vertäut.
Acosta und Prado unternahmen einen letzten Rundgang auf dem Wrack, um nachzusehen, ob sie noch etwas mitnehmen konnten.
Das Achterschiff war zerschossen und voll Wasser gelaufen. Prado steckte bei der letzten Inspektion noch eine Buddel Rum ein. Dann gingen sie zur Kombüse und sahen sich um.
Einen Teil des Proviants hatten sie mitgenommen, ebenso war für jedes Floß ein Fäßchen Rotwein an Bord genommen worden.
Acosta sah sinnend auf die anderen Weinfässer und den Proviant in der Vorratslast.
„Mehr können wir nicht mitnehmen, sonst sind die Flöße überladen. Also werden sich die Bastarde an unserem Zeug laben. Am liebsten würde ich es über Bord werfen.“
Plötzlich begann es in seinen Augen zu funkeln. Dann grinste er breit und dreckig.
„Wenn du einer von den Kerlen wärst“, sagte er, „würdest du die Weinfässer mitnehmen? Oder den Proviant?“
„Ich würde alles abräumen“, versicherte Prado. „Ganz besonders den Wein und die paar Rumfässer. Was soll die Frage?“
Acostas Grinsen wurde noch gemeiner und boshafter.
„Angenommen, wir vergiften das Zeug ein bißchen“, sagte er lauernd, „was passiert dann mit unseren guten Freunden?“
Erst starrte Prado den selbsternannten Kapitän sprachlos an. Dann wurde sein Grinsen genauso dreckig.
„Na klar“, sagte er begeistert, „was passiert dann wohl mit ihnen? Sie werden nicht mehr viel Freude am Leben haben. Sie werden ganz sicher das Schiff untersuchen, wenn wir abgezogen sind. Das ist eine wirklich großartige Idee.“
„Einer nach dem anderen wird aus den Latschen kippen, sobald sie von dem Zeug getrunken haben. Später können wir dann abräumen, sind die Halunken los und haben noch dazu ein feines Schiffchen.“
„Und wenn es nicht klappt?“
„Dann werden wir sie bei Nacht und Nebel überfallen, so wie sie es mit uns getan haben. Irgendwie kriegen wir das Gold schon.“
Alle beide waren von der Idee begeistert.
„Ich gehe nach achtern, um das Zeug zu holen“, sagte Acosta. „Ich habe da noch ein feines, hochwirksames Pülverchen.“
Kurz danach war er wieder zurück und grinste hinterhältig.
Dann wurden die Weinfässer vorsichtig präpariert. Ebenso verfuhren sie mit dem Proviant, bis das Pulver verbraucht war.
Acosta rieb selbst die Speckseiten in der Vorratslast ausgiebig mit dem Zeug ein.
„Alles klar, dann guten Appetit, Freunde“, sagte er und kicherte.
Kurz darauf gingen sie an dem gefesselten und geknebelten Mann vorbei, der im Vorschiff halb hinter einem angelehnten Schott lag.
„Ich sehe von diesen Kerlen schon einen nach dem anderen tot umfallen“, sagte Acosta. „Die brauchen an dem Rum oder Wein nur zu nippen, und schon ist der Ofen aus. Bei dem Proviant geht es ihnen genauso. Das wird vielleicht ein Spaß!“
Der Verletzte gab ein kaum hörbares Stöhnen von sich und wälzte sich ein Stück zur Seite. Mehr Bewegungsfreiheit hatte er nicht. Sein Hemd war jetzt blutdurchtränkt, und er rollte voller Angst mit den Augen. Dann versuchte er Acostas oder Prados Blick festzuhalten, doch die beiden taten so, als sei er nicht vorhanden.
Er wußte, daß sie ihn hier hilflos zurücklassen würden. Niemand kümmerte sich um ihn. Sie hatten nur ihren eigenen Vorteil im Sinn und das Gold, auf das sie so gierig waren.
Seine Schmerzen in der Brust wurden unerträglich und waren kaum noch auszuhalten, doch das kümmerte die Kerle nicht. Er haßte sie plötzlich alle, er verachtete sie und wünschte sie in die tiefste Hölle, während sie sich grinsend unterhielten und ihn nicht zur Kenntnis nahmen.
„Dann verziehen wir uns jetzt“, hörte er sie murmeln.
Er schickte ihnen einen unhörbaren Fluch nach. Selbst wenn es ihm gelang, sich von seinen Fesseln und dem Knebel zu befreien, würde er elend zugrunde gehen, denn er hatte ja eben gehört, daß sie alles Eßbare vergiftet hatten, auch den Wein. Vielleicht hatten sie auch das Trinkwasser vergiftet.
Möglicherweise kamen die anderen Kerle aber überhaupt nicht an Bord, und dann war es aus mit ihm.
„Ab auf die Flöße“, sagte Acosta. „Such dir fünf Kerle aus, Prado.“
„Santos, Felipe, Normando, Morro und Senona. Ihr segelt mit mir.“
Die fünf anderen Kerle übernahm Acosta. Prado hatte damit jetzt die Kerle an Bord, die etwas gegen Acosta hatten und ihn nicht ausstehen konnten.
Die ersten enterten schon ab. Sie hatten auch Musketen dabei, doch die waren heimlich nach unten gebracht worden.
Acosta ging als letzter von Bord. An der Jakobsleiter warf er noch einen letzten Blick über das zerschossene und zerstörte Deck. Jetzt, nachdem sie das Holz für die Flöße herausgesägt und gehackt hatten, sah das Schiff noch wüster und schlimmer aus.
Da lagen die drei Toten und etwas weiter der gefesselte Mann, der ihn aus großen und weitgeöffneten Augen anstarrte. Acosta las unbeschreiblichen Haß in diesem Blick. Der Kerl hätte ihn auf der Stelle umgebracht, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre.
Er grinste mitleidlos zurück und enterte dann ab.
Kurz darauf segelten die beiden Flöße in südlicher Richtung davon.
Auf der „Empress“ hatte man alles genau verfolgt. Nur daß Musketen auf die Flöße gebracht worden waren, entging den Männern.
Auf dem ersten Floß hockte der stiernackige Anführer, der den weißen Fetzen geschwenkt hatte. Er drehte sich um und hob wie grüßend die Hand, aber es war eine höhnische Geste.
Carberry hatte schmale Augen, als er den Flößen nachsah.
„Wir pullen nachher mal rüber“, sagte er, „und sehen uns den Kasten an, ob auch wirklich alle Mann von Bord verschwunden sind. Ich werde das Gefühl nicht los, daß die Halunken noch etwas auf der Pfanne haben. Dieses ungewaschene Rübenschwein gab sich ein bißchen überheblich. Vielleicht haben sie doch noch etwas ausgebraten.“
„Zum Beispiel?“ fragte Nils Larsen.
„Na, zum Beispiel könnten sie eine Lunte an die Pulverkammer gelegt haben. Sie rechnen damit, daß wir uns auf der Galeone umsehen, und dann bläst es uns in die Luft.“
Der Kutscher sah den Profos nachdenklich an.
„Die Zeit können sie nicht berechnen, weil sie nicht wissen, ob und wann wir an Bord gehen. Aber wir liegen nur knapp fünfzig Yards von dem Kasten entfernt. Sollte der wirklich mit einer Pulverladung hochgehen, dann kann Old Donegal seine Karavelle vergessen. Ich empfehle dir also …“
Der Kutscher brauchte nichts mehr zu empfehlen. Old O’Flynn geriet fast wieder aus dem Häuschen, als er das hörte. Gerade jetzt hatten sie ihr feines Schiffchen wieder – und dann … No, Sir!
„Hievt den Anker, und dann nichts wie ab!“ rief er schrill. „Und beeilt euch damit, zur Hölle!“
Sie beeilten sich wahrhaftig, denn jetzt war auch der Profos von seiner Vermutung überzeugt. Noch während sie in aller Eile die Segel setzten, warfen sie immer wieder einen mißtrauischen Blick zu der zerschossenen Galeone. Einmal glaubte Martin Correa auch eine winzige Rauchwolke aufsteigen zu sehen, doch das erwies sich als reiner Irrtum.
Inzwischen war eine halbe Stunde vergangen, bis sie in sicherer Entfernung von der Galeone wieder vor Anker lagen. Weit im Süden segelten die beiden Flöße mit den Schnapphähnen.
Sie gaben noch einmal eine Viertelstunde zu.
„Fehlanzeige“, murmelte Carberry. „Da war wohl nichts mit einer Lunte und Pulverladung. Vielleicht haben sie kaum noch Pulver an Bord. Ich denke, wir sollten jetzt einmal nachsehen.“
Der Kutscher glaubte ebenfalls nicht daran, daß jetzt noch etwas passieren würde.
„Nun, man kann sich ja auch mal irren“, sagte Carberry. „Vorsicht war in diesem Fall jedenfalls angebracht.“
Old O’Flynn nickte bekräftigend. Er hatte sich wieder beruhigt, als er sah, daß nichts passierte.
„War ganz gut, daß wir verholt haben. Später hätte ich mir die größten Vorwürfe gemacht, wenn es wirklich geknallt hätte.“
Die Jolle war abgefiert und lag längsseits.
„Stenmark, Nils und Lars gehen mit mir“, sagte Carberry. „Jetzt werden wir dem Schiffchen mal auf den Zahn fühlen.“
„Nehmt Waffen mit“, riet Old O’Flynn. „Ich habe immer noch das verdammte Gefühl, als würde da drüben etwas passieren.“
Sie bewaffneten sich mit Blunderbussen und Pistolen. Dann enterten die vier Männer in die Jolle ab.
Hasard und Philip junior hatten die aufgebrummte „San Jacinto“ unterdessen fast pausenlos mit dem Kieker beobachtet.
„Da drüben rührt sich nichts“, meldete Philip. „Aber das heißt deshalb noch lange nicht, daß auch alles in Ordnung ist.“
Carberry nickte den Zwillingen freundlich zu. Den beiden hatten sie eine Menge zu verdanken, denn schließlich waren sie es gewesen, die die Höhle entdeckt hatten, in der sie Schutz fanden und in der jetzt das viele Gold lagerte.
Dann griffen sie zu den Riemen und pullten zur „San Jacinto“ hinüber.
Als sie näher heran waren, beäugten sie das Schiff mißtrauisch. Es war nur noch ein Wrack, und es gab seltsame Töne von sich wie ein großes krankes Tier, das sich vor seinem Tod verkrochen hat.
„Was sind das für unheimliche Geräusche?“ fragte Stenmark.
Da war ein Raunen und Flüstern zu hören. Hin und wieder knackte es, und dann folgte ein dumpf klingendes Gemurmel. Einmal hörten sie klar und deutlich ein Ächzen.
Der Profos runzelte die Stirn. In der rechten Hand hielt er feuerbereit einen Blunderbuss. Sie trieben jetzt genau auf die immer noch ausgebrachte Jakobsleiter zu.
Die Geräusche wiederholten sich. Knacken, Ächzen und wieder dieses merkwürdige Wimmern.
„Das Schiff stirbt“, sagte Carberry, „und dabei verursacht es diese unheimlichen Geräusche. Ferris sagt immer, daß es dann seine Seele aushaucht. Das ist eine ganz natürliche Erklärung, weil das Holz pausenlos arbeitet.“
Er zuckte aber doch zusammen, als wieder das wimmernde Geräusch erklang. Dumpf und halb erstickt war es zu hören. Dann kamen wieder andere Geräusche hinzu.
Die Jolle wurde an der Jakobsleiter vertäut. Von der „Empress“ aus wurden sie scharf beobachtet.
Carberry enterte als erster auf und blieb neben dem Schanzkleid stehen, um sich einen allgemeinen Überblick zu verschaffen. Die anderen folgten und sahen sich ebenfalls aufmerksam um.
„Himmel, sieht der Kahn aus“, sagte Sven. „Da müssen wir aber genau aufpassen, wo wir hintreten, sonst sausen wir nach unten.“
Scharfkantige gezackte Löcher befanden sich im Deck der Kuhl. Auf der Back und den anderen Decks sah es nicht besser aus.
„Da hat’s mächtig eingeschlagen“, meinte Stenmark. „Wir sollten uns jetzt aber mal um die Pulverkammer kümmern.“
Der Profos marschierte schon los und umging die tückischen Löcher und angeknacksten Planken. Er hatte immer noch so ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend und traute dem Frieden nicht.
Als sie jedoch die Pulverkammer erreichten und das Schott öffneten, sahen sie sich erleichtert an.
„Zwei armselige Fäßchen“, sagte Carberry. „Damit konnten sie keinen großen Feuerzauber mehr veranstalten. Aber es hätte trotzdem gereicht, um den Eimer in die Luft zu blasen.“
Damit war die Sorge ausgeräumt, daß sie in die Luft flogen. Jetzt erst sahen sie sich genauer und sehr aufmerksam um.
Das Knacken und leise Krachen begleitete sie auf Schritt und Tritt. Sie gingen nach achtern, doch da stand mittlerweile alles unter Wasser.
„Zwecklos, da hineinzuwaten“, sagte Sven. „Da hält sich auch niemand mehr auf.“
Der Profos winkte ab. Da war wirklich nichts mehr zu holen. Deshalb gingen sie wieder zurück.
Auf dem Quarterdeck lagen Bruchstücke von Holz herum. Zerfetzte Segel waren in Streifen über die Planken verteilt. Der leichte Wind hob sie immer wieder an und ließ sie wie Leichentücher flattern.
Plötzlich blieb Stenmark wie angenagelt stehen. Sein Blick war auf die halbzerstörte Nagelbank gerichtet.
„Da liegt einer“, sagte er leise.
Der Mann war tot und lag auf dem Rücken. Zwei zerfetzte Planken bedeckten teilweise seinen Körper. Sein Hemd war blutig. Das Schrot aus einer Drehbasse hatte ihn getroffen.
Der Profos sah schweigend auf den Toten. Dann drehte er sich ebenso wortlos um und ging weiter, denn er hatte aus den Augenwinkeln etwas gesehen.
Sie fanden gleich darauf einen weiteren Toten, der übel zugerichtet war. Auch ihn hatte Drehbassenschrot getroffen.
„Diese dreckigen Strolche“, sagte Carberry aufgebracht. „Nicht einmal um die Toten kümmern sie sich. Sie lassen sie einfach an Deck liegen, diese verlausten Bastarde. Zumindest hätten sie sie über Bord geben können, wie sich das für einen Christenmenschen gehört.“
Der Profos konnte sich über solche Dinge immer sehr aufregen, und das tat er noch gründlicher, als sie den dritten Toten fanden.
Der befand sich weiter vorn zum Vordeck und lag unter einem teilweise zerschossenen Niedergang der Länge nach ausgestreckt. Es war ein bärtiger Kerl mit einem harten Gesicht, das selbst im Tod noch grimmig verzogen war.
„Drei Tote“, sagte Carberry empört. „Und alle drei lassen diese Halunken einfach so liegen. Wir werden sie nachher mitnehmen und irgendwo an Land begraben.“
Die Galeone arbeitete und ächzte inzwischen zum Gotterbarmen weiter.
„Was war das eben?“ fragte Nils Larsen. Er drehte sich um und lauschte mit vorgerecktem Kopf.
„Das war der Wind, der irgend etwas bewegt hat. Die Geräusche lassen sich kaum unterscheiden. Es kann auch eindringendes Wasser im Achterschiff gewesen sein.“
„Das hat sich aber verdammt anders angehört.“
„Das muß weiter vorn gewesen sein“, meinte Stenmark. „Wie ein Stöhnen klang es, nur sehr unterdrückt.“
Das Stöhnen, oder was immer es auch gewesen sein mochte, wiederholte sich nicht. Dafür traten die anderen Geräusche verstärkt auf, als sie zum Vordeck gingen.
Ein angelehntes Schott, das der Profos schon seit einer Weile mißtrauisch beobachtete, schwang hin und her. Manchmal knarrte es auch in den Angeln. Das Schott führte ins Vorschiff, aber dahinter war alles dunkel.
Mit den Pistolen und Blunderbussen in den Fäusten näherten sie sich dem Schott und nahmen seitlich davon Aufstellung.
Dann trat der Profos einen schnellen Schritt vor und riß es auf.
Zuerst hatten sie erwartet, daß sich ein paar Kerle in dem Raum verborgen hatten, um sie blitzartig zu überfallen und vielleicht als Geiseln zu nehmen. Deshalb hatte Carberry das Schott auch keine Sekunde aus den Augen gelassen.
Jetzt aber traf sie fast der Schlag, als das Schott geöffnet war.
Ein Mann in einem durchbluteten Hemd lag hinter dem Schott und blinzelte aus großen ängstlichen Augen in das hereinfallende Sonnenlicht.
Der Mann war gefesselt und geknebelt, obwohl er schwer verletzt sein mußte. Er wollte etwas sagen, doch der Knebel hinderte ihn daran, und so folgte nur ein ersticktes Geräusch.
„Das darf doch nicht wahr sein“, sagte Carberry erschüttert.
Der Mann in seinen Fesseln bewegte sich so, als ob er sich davonrollen wollte. Seine Angst schien unbeschreiblich zu sein.
Fassungslos standen Nils, Sven und Stenmark um den Mann herum. Sie konnten auch nicht glauben, was sie mit eigenen Augen sahen.
„Diese Drecksbande von Strolchen“, sagte Carberry voller Zorn. „Die lassen einen Verwundeten zurück, weil sie sich mit ihm nicht belasten wollten, weil er ihnen lästig war. Sie gehen einfach davon aus, daß wir uns um ihn zu kümmern haben.“
„Aber warum haben sie ihn geknebelt?“ fragte Stenmark entsetzt.
Carberry und Sven Nyberg beugten sich schon hinunter, um dem Mann den Knebel abzunehmen. Die Kerle hatten ihn so fest zugezogen, daß der Mann fast erstickt war.
„Wahrscheinlich wollten sie sein Geschrei nicht hören, weil es ihnen auf die Nerven ging“, meinte Carberry. Der Profos war von Wut bis zum Bersten erfüllt.
Sten schnitt ihm mit dem Entermesser die Fesseln durch.
„Keine Angst“, sagte der Profos, als er die wild rollenden Augen des Mannes sah. „Wir tun dir nichts. Du hast von uns nichts zu befürchten. Kannst du uns verstehen?“
Die Antwort bestand aus einem kläglichen Nicken. Das Gesicht des Mannes verzog sich wie unter fürchterlichen Schmerzen.
Auch wenn er ein Schnapphahn war, so tat er ihnen doch leid, denn was seine Kumpane mit ihm angestellt hatten, war an Gefühlsroheit und Menschenverachtung nicht mehr zu überbieten.
Der Profos regte sich noch mehr auf als über die drei Toten.
„Eins steht für mich fest. Wenn ich das gewußt hätte, dann wäre dieser Oberschnapphahn nicht mit einem blauen Auge davongekommen. Diese ganze Schwefelbande hätte das teuer bezahlt. So ein Scheiß! Aber hinterher ist man ja immer klüger.“
Er rannte voller Zorn zum Schanzkleid und blickte nach Süden, wohin die Schnapphähne gesegelt waren. In weiter Ferne waren jedoch nur noch zwei winzige Punkte zu erkennen, die sich zwischen dem Gewirr der zahlreichen Inseln bewegten.
Carberry schlug mit der Hand auf den zersplitterten Handlauf des Schanzkleides. Sein Blick war zornig auf die Punkte gerichtet.
„Jetzt ist es natürlich müßig, noch hinter den Kerlen herzusegeln“, sagte er. „Bis wir klar sind, haben die die Kimm längst hinter sich gebracht.“
Der Mann auf den Planken stöhnte laut. Wasser trat vor Schmerz in seine Augen.
Carberry wollte ihn aufheben und zur Gräting bringen, aber jede noch so leichte Berührung vertrug der Mann nicht.
„Dann lassen wir ihn am besten so liegen“, entschied er. Sie sprachen ein paar Worte Englisch, damit der Mann sie nicht verstand.
„Glaubst du, daß er das überleben wird?“ fragte Stenmark.
„Nein, ganz sicher nicht. Vielleicht noch ein paar Stunden, mehr bestimmt nicht. Er muß sehr schwer verletzt sein.“
Der Mann verstand sie nicht. Sein Gesicht entspannte sich ein wenig, seit ihm der Knebel nicht mehr die Luft abdrückte, aber der Schmerz stand nach wie vor in seinen Augen.
„Sven und Nils, ihr pullt hinüber und holt den Kutscher“, sagte der Profos. „Er soll sich beeilen. Wenn er dem Mann nicht mehr helfen kann, kann er vielleicht seine wahnsinnigen Schmerzen lindern. Schildert ihm kurz die Lage.“
Sven und Nils enterten ohne ein weiteres Wort ab und pullten zur „Empress“ hinüber. Von dort aus wurden sie immer noch mit den Spektiven beobachtet.
Carberry und Stenmark waren mit dem Sterbenden und den drei Toten allein.
Das Gesicht des Mannes veränderte sich auf erschreckende Weise. Es sah jetzt leichenblaß aus. Der Mund war etwas geöffnet, während er die Augen bis auf einen schmalen Spalt geschlossen hatte.
„Sind noch mehr von euch an Bord?“ fragte Carberry. „Kannst du mich überhaupt verstehen?“
Dem Mann bereitete es sichtliche Anstrengungen, zu sprechen. Aber er brachte ein paar Worte heraus, wenn auch sehr mühsam.
„Alle weg“, hauchte er. „Alle fort. Allein hier.“
Stenmark linste hinter das Schott, nahm die Pistole in die Faust und ging die paar Stufen hinunter. Er wollte sich nicht unbedingt darauf verlassen, daß alle weg waren. Vielleicht hatte der Mann auch nicht genau gewußt, was er sagte.
Er fand jedoch niemanden mehr vor. Das Logis war ein Haufen Dreck und Unrat, verlassen wie ein Saustall, in dem alles drunter und drüber ging.
Angewidert nahm er zwei löchrige Decken und einen seegrasgefüllten Beutel mit, der einem der Kerle mal als Kopfkissen gedient haben mußte. Damit kehrte er an Deck zurück.
Dann bewegten sie den Mann ganz vorsichtig auf eine der Decken, legten ihm das Kopfkissen unter und eine weitere Decke auf seinen so entsetzlich zugerichteten Körper.
Ein dankbarer Blick traf die beiden Männer.
„Schon gut“, sagte der Profos rauh. „Wir haben einen Feldscher an Bord, der wird gleich hier sein und dir helfen. Du brauchst wirklich keine Angst zu haben.“
„Vorsicht an Bord“, stammelte der Mann heiser. Er hustete und bäumte sich auf.
„Ja, ich weiß“, sagte Carberry. „Hier ist alles kaputt. Wir werden uns schon nicht die Knochen brechen.“
Er ahnte nicht, daß der Mann etwas ganz anderes meinte, aber er war für den Augenblick zu erschöpft, um weiterzusprechen.