Читать книгу Seewölfe Paket 26 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 19

7.

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Im Gegensatz zu Acosta hatte Prado die Ruhe weg. Er wollte auch nichts überstürzen, sondern sorgfältig planen und vorgehen.

Sie hatten es sich am Strand bequem gemacht und dösten oder lungerten ganz einfach herum.

„Acosta segelt los“, meldete Senona aufgeregt. „Der Kerl will uns unbedingt zuvorkommen.“

„Laß ihn nur segeln“, sagte Prado abfällig. „Wir haben es nicht so eilig wie dieser Narr. Er wird sowieso nicht viel erreichen.“

Sie sahen zu, wie das Floß als undeutlicher und nur schwach erkennbarer Schatten durch das Wasser glitt. Da der Wind aus Osten mitschob, lief es einigermaßen gute Fahrt.

„Der Idiot“, sagte Prado, „der lacht sich jetzt eins ins Fäustchen, weil er sich mal wieder für sehr klug hält. In Wirklichkeit ist er ein dämlicher Hornochse, der alles vermasselt.“

„Wann ziehen wir denn los?“ fragte Santos.

„Wir warten mindestens noch ein oder zwei Stunden. Acosta soll auch nicht bemerken, wann wir lossegeln. Der Affe soll sich ruhig den Kopf zerbrechen. Haut euch noch hin, wir brauchen auch keine Posten mehr. Wir wissen ja, was los ist.“

Als das Floß längst außer Sicht war, stand Prado auf und wanderte ein Stück am Meer entlang. Dann kehrte er in aller Ruhe zurück und nickte den anderen zu.

„Zwei Stunden sind ungefähr herum. Wir werden jetzt lostörnen, und zwar laufen wir die Ostseite der Insel an. Dort werden wir das Floß verstecken und tarnen, damit es niemand sieht.“

Die Kerle waren wieder eifrig bei der Sache und Feuer und Flamme, als sie das Floß ins Wasser schoben. Dann wurde das Segel gesetzt, und Prado übernahm das Ruder in Form eines achtern ausgebrachten Riemens.

Eine Stunde lang segelten sie etwa. Dann zuckten alle wie unter einem gewaltigen Hieb zusammen. Normando bewegte sich so heftig, daß er fast vom Floß gefallen wäre.

Der Himmel wurde weißlichgelb, dann orangefarben und schließlich blieb nur ein dumpfes Nachleuchten zurück. Dem Blitz folgte viermal hintereinander, unwahrscheinlich schnell, ein Donnern und Krachen.

„Mann!“ brüllte Santos. „Jetzt hat es die aber …“

„Maul halten“, rief Prado. „Kein Wort mehr!“

Die Kerle schwiegen überrascht, während er mit vorgerecktem Schädel in die Dunkelheit lauschte. Er glaubte, einen ganz schwachen Schrei gehört zu haben.

Das Donnern war längst verhallt, und über allem lag die Dunkelheit. Bis auf den leisen und sanften Wellenschlag war es unheimlich still.

Die Kerle stierten immer noch zum Himmel, wo als Spiegelung das Feuer aufgezuckt war.

Jetzt begann Prado breit zu grinsen. Er schlug Senona auf die Schulter und lachte laut.

„Haha, ich könnte mich totlachen! Jetzt kannst du sagen, was du wolltest, Santos. Die Idioten hat es in die Luft geblasen, weggepustet. Die sind erledigt, diese Klugscheißer und Anfänger. Fein ist das, da kann ich die anderen Kerle nur beglückwünschen.“

„Woher willst du das so genau wissen, daß sie erledigt sind?“

„Weil ich denken kann, und es ganz einfach ist. Das war Drehbassenfeuer, und zwar viermal ganz kurz hintereinander. Acosta hat aber keine Drehbassen auf dem Floß, oder? Folglich sind die Halunken gesichtet und in die Luft geblasen worden.“

„Aber sie haben doch Musketen.“

„Sie haben nur nicht damit zurückgeschossen, weil sie dazu nicht mehr in der Lage waren. Es muß sie blitzartig erwischt haben, oder hat einer von euch einen Schuß gehört?“

Niemand hatte auch nur einen Musketenschuß gehört.

„Und die Drehbassen haben auch nicht weitergefeuert“, belehrte Prado die anderen. „Weil die Kerle nach dem Beschuß nämlich gleich erledigt waren.“

„Stimmt genau“, sagte Morro, und dann begann er schrecklich laut zu lachen, bis auch die anderen in das Gelächter einstimmten.

Prado schlug sich immer wieder auf die Schenkel. Die unliebsame Konkurrenz war aus dem Wege geräumt. Jetzt konnten sie endlich allein absahnen, ohne groß teilen zu müssen.

Es war für sie auch bezeichnend, daß sie über den Tod ihrer Kumpane in rauhes und rohes Gelächter ausbrachen und die Schadenfreude sehr groß war.

„Jetzt wird nur noch durch sechs geteilt, und dann kann jeder mit seinem Gold anfangen, was er will.“

Wieder folgte Prados Worten befreiendes Gelächter.

Gegen drei Uhr morgens erreichten sie die Ostseite der Insel und zogen das Floß auf den Strand.

Prado und Morro sahen sich um. Sie entdeckten gleich darauf eine Stelle mit dichtem Buschwerk und nickten sich zu.

„Dort verstecken wir das Floß. Da kann es niemand sehen.“

Das Floß wurde hochgehoben und zu dem Dickicht geschleppt. Dahinter befand sich eine kleine Lichtung, die nur von oben einsehbar war. Selbst vom Strand aus konnte man nichts erkennen.

„Nehmt jetzt die Waffen und den Proviant mit“, befahl Prado. „Und dann zischen wir ab zur Westseite der Insel, wo der Kahn liegt. Dort werden wir vorerst die Beobachter spielen und abwarten, bis ein paar der Kerle an Land gehen.“

Nachdem sie alles zusammen hatten, überquerten sie die Insel und stießen zur Westseite vor. Oberhalb des Strandes fanden sie einen hervorragend gegen Sicht geschützten Platz, hinter dem sie in Deckung gingen.

Es war jetzt kurz vor Sonnenaufgang. Die Sicht war schon besser geworden, so daß sie Einzelheiten erkennen konnten.

„Hier werden die uns nie vermuten“, sagte Prado. „Die warten doch sicher darauf, daß wir von See her angreifen wie der selige Acosta und seine dämlichen Genossen. Gott hab’ sie selig.“

Wieder lachten sie leise und hielten nach dem Floß Ausschau. Doch es gab keine Spuren und auch keine Trümmer davon, weder auf dem Wasser noch am Ufer.

Als die Sonne aufging, hatten sie einen glänzenden Überblick.

Da lag die Karavelle vor ihnen – fast zum Greifen nah, und doch noch so unendlich fern. Ein paar Kerle erschienen an Deck.

Prado stierte das Schiff immer wieder an.

„Ich möchte nur wissen, was es mit der Karavelle auf sich hat“, sagte er kopfschüttelnd. „Das ist eine verdammt merkwürdige Angelegenheit. Der kleine Dreimaster gibt mir immer wieder Rätsel auf. Die Kerle bewegen sich auf dem Schiff, als seien sie dort zu Hause. Ich verstehe das einfach nicht.“

An dem kleinen Dreimaster hatten auch die anderen schon vergeblich herumgerätselt. Selbst Morro zuckte immer wieder mit den Schultern.

„Kapiere ich auch nicht. Der Kahn tauchte gestern früh unbemannt vor der Insel auf, die Kerle pullten hinüber und besetzten ihn mit der größten Selbstverständlichkeit, als hätten sie auf ihn gewartet. Jetzt ist die Situation umgekehrt: Die Bastarde haben ein Schiff, und wir sind schiffbrüchig.“

Merkwürdig war das Ganze für sie schon, denn sie fanden keine vernünftige Erklärung.

Aus dem kleinen Abzugsrohr über der Pantry kräuselte sich blauer Rauch, den der Wind langsam zerblies.

„Die frühstücken jetzt gleich“, maulte Santos, „und wir können uns die Zähne am Zwieback ausbeißen. Vielleicht gibt es bei denen Eier mit Speck oder so was.“

Neidvoll sahen sie zu, wie ein hagerer Mann ein paar Kummen an Deck brachte. Die Kerle da drüben hatten ihre Morgenwäsche gerade beendet, die darin bestand, daß sie sich ein paar Pützen Wasser über die Köpfe gossen.

Prado mampfte in Gedanken ebenfalls mit, als die Männer von dem Dreimaster sich gemütlich an Deck setzten und zu essen begannen.

Bei dem einen Kerl hockte ein Papagei auf der linken Schulter, der mit seinem großen Schnabel gierig nach einem Brocken faßte, dem ihm ein Riese von Kerl zusteckte.

„Der Köter sieht verdammt gefährlich aus und scheint auch sehr scharf zu sein“, kommentierte Prado. „Hoffentlich nehmen sie den nicht mit, wenn sie an Land gehen.“

„Dann knallen wir ihn eben ab“, sagte Morro. „Wir haben ja einen guten Überblick und sehen alles rechtzeitig.“

Nachdem der Papagei den Brocken geschluckt hatte, erhob er sich von der Schulter des Riesen und flog eine Runde über das Schiff.

Die Prado-Meute beobachtete den bunten Vogel. Sie kannten ihn und wußten, daß er unflätige Beschimpfungen ausstoßen konnte. Die Kerle hatten ihm einen reichhaltigen Wortschatz beigebracht. Zudem konnte der Papagei krächzen, kreischen und krakeelen, daß es ihnen jedes Mal durch Mark und Bein ging.

Der bunte Schreihals drehte eine zweite Runde. Dann fand er das wohl zu langweilig und flog zum Ufer. Der Riese sprang auf und rief ihm etwas nach, offenbar um ihn vom Landflug abzuhalten, doch der Papagei flog unbeirrt weiter. Er stieß nur wieder dieses entsetzliche Gekreische aus.

Scheinbar ziellos flog der bunte Vogel am Strand entlang. Dann war er über ihnen und zog neugierig ein paar Kreise.

Anfangs hielt er noch den Schnabel, doch dann wurde er ausfallend und begann hoch über ihren Köpfen zu krakeelen, zu zetern und zu schimpfen. Es waren auch ein paar hundsgemeine spanische Brocken dabei, die Prado sehr aufregten.

„Dieser mistige Schreihals“, fluchte er. Doch gleich darauf atmete er erleichtert auf, denn offenbar hatte der Papagei das Interesse an ihnen verloren. Auf fast schnurgeradem Kurs flog er zu der dreimastigen Karavelle hinüber. Dort setzte er die Krakeelerei weiter fort, schimpfte erbost und kreischte entsetzlich.

Nachdem er ein paar Runden über dem Schiff gedreht hatte, kehrte er zum Entsetzen der Kerle wieder zurück und zog neue Kreise. Er flog etwas tiefer und kreischte so laut, daß ihnen die Ohren wehtaten.

Santos griff voller Wut nach seiner Pistole.

„Den knall’ ich ab, den Kreischer!“ zischte er.

Prado drehte sich blitzschnell um und schlug ihm mit der Faust auf den Handrücken.

„Du Idiot! Willst du es unbedingt darauf anlegen, daß die Kerle uns entdecken. Ein Schuß – und wir sind verraten und verkauft. Laß das Vieh doch kreischen.“

„Aber der verrät unseren Standort.“

„Blödsinn, dazu ist er viel zu dämlich. Der benimmt sich immer so, das haben wir ja schon erlebt.“

„Aber die Kerle werden schon aufmerksam.“

Prado stierte zur Karavelle hinüber. Der Breitschultrige unterbrach gerade sein Frühstück und schaute dem Papagei nach, der immer noch krakeelend und schimpfend seine Runden drehte.

„Wir ziehen uns ein Stück zurück“, sagte er. „Nur so weit, daß wir die Mastspitzen der beiden Schiffe noch sehen. Da ist auch die Deckung besser.“

Der schimpfende Schreihals über ihnen gab jedoch keine Ruhe. Er lamentierte weiter und flog wieder hin und zurück.

Er beruhigte sich erst, als Prado mit seiner Meute weiter achteraus im Dickicht verschwand.

Sie saßen an Deck und futterten ihr Frühstück, als die Sache mit Sir John losging.

Carberry steckte ihm ein Stück Schiffszwieback zu, das der Vogel krachend zerbiß. Dann hatte er anscheinend genug und setzte zu seinen „Erkundungsflügen“ an.

„Hiergeblieben!“ donnerte der Profos. Sir John kümmerte das nicht. Er zog einen weiten Kreis um das Schiff, ließ die üblichen rotzfrechen Sprüche ab und flog zur Insel hinüber.

„Der gehorcht dir auch nicht mehr aufs Wort“, meinte der Kutscher anzüglich. „Früher hat er ja noch einigermaßen pariert, aber jetzt ist er stur und kümmert sich nicht darum.“

„Wenn ich wollte, könnte ich ihn zurückpfeifen“, prahlte Carberry, „aber er soll sich nur austoben. Ihm gefällt das, so herumzufliegen und alles zu beobachten.“

Sie sahen dem farbenfrohen Punkt nach, der jetzt über der kleinen Insel weite Kreise zog.

Dann begann er zu zetern und zu lamentieren. Er kehrte wieder zurück und krakeelte ihnen die Ohren voll. Die Kreischtöne waren entsetzlich.

„Er ist und bleibt ein elender Schreihals“, wetterte Old O’Flynn. „Man ist noch nicht richtig aufgestanden, da geht schon das nervtötende Krakeelen los. Wenn du noch einmal mit dabei ist, Mister Carberry, dann aber ohne den Kreischgockel.“

„Er meint es doch nur gut“, verteidigte der Profos sein „Sir Jöhnchen“. „Er ist noch jung und muß sich austoben.“

Sie sahen den Profos sehr zweifelnd an, der immer wieder neue Ausreden für die unflätige Schimpferei hatte.

„Feine Ausreden sind das“, sagte Stenmark grinsend.

Sir John hatte aus seiner luftigen Höhe jedoch offenbar etwas entdeckt, denn jetzt begann er über einer ganz bestimmten Stelle zu kreisen und noch lauter zu lamentieren.

Wieder flog er hin und zurück und schimpfte. War er über der Karavelle, dann war sein aufdringliches Krakeelen kaum noch zum Aushalten.

Nach einer Weile wurden sie jedoch alle aufmerksam und sahen dem Vogel nachdenklich hinterher.

„Das ist kein bloßes Gekreische“, behauptete Carberry. „Da steckt was dahinter, da halte ich jede Wette.“

„Sieht wirklich so aus“, murmelte der Kutscher ebenfalls sehr nachdenklich.

Auch die Bordhündin Plymmie wurde plötzlich aufmerksam. Sie setzte sich auf die Hinterpfoten, reckte den Kopf vor und schnupperte in den Wind. In dieser Haltung blieb sie eine ganze Weile.

Dann begann sie leise zu knurren, wobei sich ihr Fell langsam aufrichtete.

„Jetzt laust mich doch der Affe“, sagte Carberry, als die Wolfshündin immer noch leise knurrte. „Sir John hat mit Sicherheit etwas auf der Insel entdeckt, und das gleiche erschnuppert Plymmie jetzt. Was mag der alte Sumpfgockel wohl entdeckt haben?“

„Na, was wohl?“ fragte der Kutscher süffisant grinsend. „Was gibt es denn groß zu entdecken? Ich bin der Ansicht, daß wir den Kerlen nicht den Gefallen tun sollen, jetzt an Land zu gehen. Lassen wir sie ruhig zappeln, zumindest tagsüber.“

„Welche Kerle?“ fragte der Profos verblüfft. Er begriff allerdings gleich, bevor der Kutscher zu reden anfing.

„Die letzten sechs Kerle meine ich. Heute nacht haben sie uns in Ruhe gelassen, weil sie durch das Drehbassenfeuer gewarnt und abgeschreckt waren. Jetzt haben sie sich überlegt, daß sie auf diese Art und Weise nicht zum Ziel gelangen. Also?“

„Sie haben sich auf der Insel eingenistet, um uns zu beobachten“, sagte der Profos prompt.

Der Kutscher nickte und suchte mit den Blicken die Insel ab. Mit bloßem Auge war jedoch nichts zu sehen. Es gab zuviel Gestrüpp und Buschwerk auf der Insel.

„Sehr richtig. Irgendwo dort drüben hocken sie und warten auf eine günstige Gelegenheit. Scheinen nicht gerade die Dümmsten zu sein. Vermutlich warten sie darauf, daß ein paar von uns an Land pullen. Über die fallen sie dann her. Daher mein Vorschlag, sie wenigstens tagsüber zappeln zu lassen. Für die Dunkelheit können wir ja noch eine andere Taktik entwickeln.“

Philip und Hasard junior hatten sich nach den Worten schon unauffällig postiert und suchten mit den Kiekern das Land ab.

„Zu sehen ist nichts“, sagte Philip, „zumindest zeigt sich keiner an der Stelle, die Sir John angeflogen hat.“

„Sie werden in guter Deckung liegen.“

Auch die weitere Beobachtung mit den Spektiven brachte nichts ein.

Sir John aber war inzwischen zu einer anderen Stelle der Insel geflogen und krakeelte dort weiter. Offenbar hatte er doch noch etwas anderes entdeckt.

„Vielleicht haben sich die Kerle zurückgezogen und sind jetzt von Sir John wieder entdeckt worden“, meinte Martin.

Der Kutscher ließ sich den Kieker geben und suchte sorgfältig das Buschwerk ab. Dann sah er zu Plymmie, die immer noch heiser knurrte und das Fell gesträubt hatte.

„Ich sehe zwar keinen, aber ich bin sicher, daß die sechs Schnapphähne auf der Insel sind. Sie werden heute nacht die Ostseite angesteuert haben und sind dann quer über die Insel gegangen. Infolgedessen und um Gewißheit zu erhalten, sollten wir uns die Ostseite einmal ansehen. Vermutlich werden wir dort ein Floß entdecken. Sollte ich mich in der Annahme allerdings irren, werde ich mich später in gebührender Form entschuldigen.“

„Das heißt beim Kutscher, anders ausgedrückt, er will wetten, und zwar um eine Buddel Rum“, sagte Carberry. „Mittlerweile kenne ich seine Redewendungen.“

Der Kutscher nickte lächelnd.

„Ich will aber diesmal nicht wetten“, sagte der Profos. „Sich mit dir anzulegen, bringt meistens nicht viel ein.“

„Klar setzen wir die Jolle aus“, sagte Old O’Flynn eifrig. „Dann sehen wir uns auf der Ostseite einmal gründlich um. Linst mal wieder durch die Kieker, ob ihr einen der Spitzbuben sehen könnt. Sie brauchen nicht unbedingt mitzukriegen, daß wir einen kleinen Rundtörn vorhaben.“

Es zeigte sich immer noch niemand. Keine Haarspitze war zu sehen. Die Kerle hatten sich entweder sehr gründlich getarnt oder ein Stück in den Verhau zurückgezogen.

Sir John kehrte wieder krakeelend und schimpfend zurück, doch diesmal hagelte es keine Vorwürfe. Selbst Old O’Flynn sagte nichts, weil es ihm vor Staunen die Sprache verschlagen hatte.

Dann wurde die Jolle segelklar gemacht.

„Nehmt die beiden Spektive mit“, sagte Carberry zu den Zwillingen. „Ihr geht mit, Stenmark ebenfalls. Ihr könnt die Ostseite der Insel absuchen.“

„Wir dürfen mit?“

„Sagte ich doch“, brummte der Profos. „Ich könnt ja nicht ewig hier an Bord hocken bleiben.“

„Was sollen wir tun, wenn wir das Floß entdecken?“ fragte Old O’Flynn.

Die Frage war an den Kutscher gerichtet, weil der immer die besten Ideen hatte.

„Gar nichts, wir wollen uns ja nur Gewißheit verschaffen. Wir haben den Verdacht, daß die Kerle hier sind, aber noch nicht die Gewißheit. Finden wir das Floß, dann ist alles klar. Ich würde auch empfehlen, nicht zu dicht an das Ufer zu segeln. Falls die Kerle noch auf der Ostseite im Busch stecken, können sie euch leicht mit Musketen unter Feuer nehmen.“

Der Profos schluckte. Himmel, der Kutscher dachte aber auch immer wirklich an alles und ließ nichts aus.

Sie nahmen vorsichtshalber drei Musketen mit und steckten auch ein paar Pistolen ein. Die Zwillinge bewaffneten sich mit den Kiekern. Dann enterten sie ab, wobei Martin, die beiden Dänen und der Kutscher unentwegt das Land im Auge behielten.

Immer noch war nicht die geringste Spur von den Kerlen zu sehen. Sie schienen wie vom Erdboden verschluckt zu sein.

Stenmark setzte das Segel, und dann zogen sie los.

Da die Insel nicht groß war, dauerte es nicht lange, bis sie die Ostseite erreichten.

„Haltet jetzt gut Ausschau“, sagte Carberry zu den Zwillingen, aber die Worte hätte er sich sparen können, denn alle beide waren mit einem wahren Feuereifer bei der Sache.

Sir John erhob sich von Carberrys Schulter und setzte erneut zur Exkursion an. Er strich zeternd und kreischend ab.

Die Ostseite der Insel lag im strahlenden Schein einer funkelnden Sonne da, die ihre Strahlen über das Meer warf und den ohnehin hellen Strand fast weiß erscheinen ließ. Manchmal wurde der Strand von einer Palmengruppe unterbrochen, die fast im Wasser stand.

Dann wieder gab es dichtes Buschwerk und Pflanzen mit Stelzwurzeln, die Mangroven ähnelten.

Die Ostseite sah aus, als hätte sie noch nie ein Mensch betreten.

„Ich glaube fast, daß sich unser Kutscherlein in gebührender Form entschuldigen muß“, sagte Carberry. „Es sieht wahrhaftig nicht so aus, als seien die Kerle hier.“

Er blickte fragend auf die Zwillinge, doch die schüttelten nur die Köpfe und inspizierten den Strand aufmerksam weiter.

„Langsam glaube ich auch nicht mehr daran“, sagte Stenmark. Er hatte eine Muskete vor sich auf der Ducht liegen.

„Wir gehen noch ein paar Yards näher an das Ufer heran“, sagte der Profos. „Sonst entgeht uns was.“

Damit waren sie gerade auf Musketenschußweite heran.

Der Profos und Stenmark sahen Sir John nach. Der Papagei begann wieder über einer ganz bestimmten Stelle seine Kreise zu ziehen.

„War er da nicht vorher schon?“ fragte Sten.

Der Profos nickte zustimmend.

„Es ist jene Stelle, über der er von der ‚Empress‘ aus schon seine Kreise zog. Da muß etwas sein.“

Sir John krakeelte einmal laut und kreischend, dann kehrte er wieder zur Jolle zurück, hielt es aber dort nur einen Augenblick aus und verschwand gleich wieder, um abermals die Stelle anzufliegen.

Der Profos wandte sich an die Zwillinge.

„Sucht mal den Strand unterhalb jener Stelle genau ab, über der Sir John immer kreist. Da muß etwas sein, das sein Interesse geweckt hat. Wenn das nicht stimmt, freß ich die Jolle mitsamt der Takelung.“

Die Stelle wurde näher in Augenschein genommen, wobei der Profos es riskierte, noch etwas näher unter Land zu gehen.

Da standen jetzt nur vereinzelte Palmen und junge Schößlinge, aber da gab es auch – wie es den Anschein hatte – undurchdringliches Buschwerk. Darauf konzentrierten sich jetzt die Zwillinge.

„Bald haben wir die Ostseite abgetörnt“, sagte Carberry mißmutig. „Dann können wir runden, ohne etwas entdeckt zu haben.“

Hasard junior stieß den Profos leicht mit der Hand an.

„Da ist tatsächlich etwas“, raunte er.

„Ja, das Floß“, sagte auch Philip im selben Augenblick. „Es liegt zwischen dem Buschwerk, das von zwei Palmen begrenzt wird.“

Der Profos wurde ganz fuchtig und warf selbst einen Blick durch das Spektiv. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis auch er es deutlich erkannte. Das Floß war zwischen die Büsche geschoben worden und lag gut versteckt da. Einem zufällig Vorbeisegelnden wäre es niemals aufgefallen.

„Also doch“, murmelte er. „Gut, daß ich mit dem Kutscher nicht gewettet habe. Der Kerl behält immer recht.“

Er lief weiter vom Strand ab, warf aber gleichzeitig noch einen prüfenden Blick durch den Kieker, den er dann Sten reichte.

Der Schwede nickte bestätigend.

„Einwandfrei das Floß, daran gibt es keinen Zweifel. Irgendwo auf der Insel haben sich die Kerle festgesetzt, um auf eine günstige Gelegenheit zu warten.“

„Möglicherweise beobachten sie uns“, sagte Philip. „Nur, in der Nähe des Floßes sind sie nicht. Sie haben sich woanders verborgen. Sonst hätten wir etwas gesehen.“

„Wenigstens haben wir jetzt die Gewißheit und können uns darauf einrichten. Wir segeln wieder zurück.“

Sir John sauste im Tiefflug heran, schlug heftig mit den Flügeln und landete mit heiserem Gekrächze auf Carberrys Schulter.

„Braver Junge“, lobte er, „das hast du wirklich fein hingekriegt, Sir Jöhnchen.“

„Arsch am Besan, vor den Wind, ihr Säcke“, palaverte Sir John mit seiner schrillen Stimme.

„Schon gut, schon gut“, murmelte Carberry. „Wir sind ja schon vorm Wind, mein Kleiner. Ist er nicht vortrefflich?“

„Das ist er“, gab Stenmark zu. „Was das Fluchen betrifft, ist er sogar unübertrefflich.“

„Immerhin hätten wir ohne ihn nicht gewußt, daß sich die Kakerlakenbrut hier heimlich eingenistet hat.“

Das konnte Stenmark allerdings nicht abstreiten. Sir John hatte sie auf die Kerle durch seine Neugier aufmerksam gemacht.

Seewölfe Paket 26

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