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4.

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Hatte Muley Salah damit gerechnet, die Sambuke wiederzufinden, so wurde er jetzt schwer enttäuscht. Sie war verschwunden und nicht wieder aufzustöbern – und dieses Mal war er, Muley, wahrhaftig in Druck. Mit anderen Worten: Er steckte bis zum Hals im Schlamassel und vermochte aus eigener Kraft nichts dagegen zu tun.

Nichts, aber auch gar nichts hatte bislang geklappt. Die Sambuke war ihm entwischt, und ob er sie je wiedersehen würde, war jetzt mehr als fraglich, denn die Christenhunde waren ja gewarnt. Zornig kaute er auf der Unterlippe herum, bis sie blutig wurde, und immer wieder hieb er auf sein Mehari ein, um es zu einer schnelleren Gangart anzutreiben, was im Endeffekt aber auch nichts einbrachte.

Wieder zwang er sich zur Ruhe und Beherrschung und strengte sich an, so gelassen wie möglich noch einmal alles zu überdenken.

Er wußte nur eins mit annähernder Sicherheit: Da die Giaurs bisher an der Küste entlang westwärts gesegelt waren, würden sie wohl auch auf diesem Kurs bleiben. Das bedeutete, daß sie vermutlich die Absicht hatten, das Mittelmeer zu verlassen.

Man konnte also noch versuchen, sie auf See abzufangen. Dazu aber brauchte er, Muley, einen schnellen Segler und eine entsprechend große Mannschaft. Beides stand ihm im Hafen von Benghasi zur Verfügung, wo sich derzeit auch gerade Uluch Ali aufhielt.

Um Uluch Ali führte wirklich kein Weg mehr herum, ein Schiff und dessen Besatzung konnte er nur durch ihn erhalten. So nahm in Muley Salahs lädiertem Kopf ein Gedanke Gestalt an. Er mußte es wagen, Uluch Ali aufzusuchen und ihm alles zu gestehen. Sehr viel Mut brauchte man dazu, aber in seiner derzeitigen Verfassung hatte Muley diesen Schneid, der von seiner Wut und Verzweiflung genährt wurde.

Entweder gab ihm Uluch Ali die Chance, die Scharte wieder auszuwetzen, oder aber sein Kopf rollte. Das hing von der Laune des allmächtigen, allwissenden Beylerbey ab, der mal so sanft wie ein Lamm und mal so wild wie ein Berglöwe war.

Muley Salah führte sich all dies vor Augen und sagte sich, daß er bei aller Tapferkeit auch nicht lebensmüde sein durfte. Daher klapperte er mit Jussuf und Hamed vorerst sämtliche winzigen Orte der Küste ab, die ganze Nacht über und auch den darauffolgenden Tag lang von Barka ab nach Bomba, über Derna, Cyrene, Tomeita und noch viele andere Nester systematisch auf Benghasi zu. An allen Kaps, die sie erreichten, hielt er Ausschau, aber alles Spähen hinaus auf die See nutzte ihm wieder nichts. Die Sambuke wollte nicht wieder auftauchen und schien sich in Luft aufgelöst zu haben.

So vergingen der sechste und dann auch der siebente Juni, und am Nachmittag des siebenten Juni fegte ein Sturm von Osten her über die See und die angrenzenden Küstengebiete, der den drei Männern erbarmungslos den Sand um die Ohren blies. Sie mußten absitzen und sich und ihre Meharis schützen, so gut es ging. Das Wetter zehrte an ihren Energiereserven und an ihren Nerven, und schließlich waren die Kamele derart erschöpft, daß sie wieder gewechselt werden mußten.

Jussuf und Hamed hatten zwischendurch Gelegenheit gehabt, sich untereinander heimlich zu verständigen. Sie hatten die Nase gestrichen voll von dem ganzen Unternehmen, und wenn ihr Weg zu Uluch Ali führte, gab es ihrer Ansicht nach keine Hoffnung mehr. Dann würden ihre ohnehin schon ramponierten Köpfe rollen, und sie würden Einzug in Allahs Himmelreich oder aber in die Feuer des Scheitans halten – doch wofür das Ganze? Aus Treue zu Muley Salah wollten sie ganz gewiß nicht sterben, und Uluch Ali konnte ihnen gestohlen bleiben.

So nutzten sie in der Nacht zum achten Juni die Gelegenheit und stahlen sich davon, als kurz gerastet wurde und Muley seine Augen nicht mehr offenhalten konnte. Hamed und der dicke Jussuf verschwanden mit ihren Meharis auf Nimmerwiedersehen, und als Muley Salah wieder aufwachte und sich umsah, befand er sich allein auf weiter Flur in der Wüste.

Er verfluchte die beiden Abtrünnigen bis in die tiefsten Schlünde der Hölle, als er sich jedoch ausgetobt hatte, beschloß er, nunmehr nach Benghasi zu reiten und den schweren Gang zu Uluch Ali anzutreten, wie er ohnehin schon vorgehabt hatte.

Am liebsten wäre natürlich auch er geflohen, doch das konnte er nicht, denn er war an der nordafrikanischen Küste viel zu bekannt. Die Häscher Uluch Alis würden ihn irgendwann erwischen – und wie der Erhabene, Allwissende mit Renegaten umsprang, wußte Muley Salah nur zu gut. Hundert und mehr Tode würden ihm gewiß sein, so aber blieb ihm zumindest noch die Aussicht, daß Uluch Ali Gnade vor Recht ergehen ließ und ihm die Chance bot, die erlittene Schlappe auszuwetzen.

Er stieg in den Sattel seines Dromedars und ritt leicht gesenkten Hauptes nach Benghasi, das jetzt nicht mehr weit entfernt war.

Ben Brighton hatte hin und her überlegt, ob er sich vielleicht doch getäuscht hatte und der Überfall in der Bucht bei Tobruk nur ein Zufall gewesen war. Sahen die Araber nicht alle ziemlich gleich aus? Man konnte sich sehr leicht vertun und einbilden, so einem Kaftan- oder Burnusträger schon einmal begegnet zu sein, obwohl man ihn das erste Mal sah. Und: Waren diese Strandräuber, mit denen sie es immer wieder zu tun hatten, nicht alle Ali Abdel Rasuls und ähnelten jenem fast aufs Haar?

Zufall wäre es gewesen, wenn irgendwelche Küstenbewohner in der Nähe von Tobruk darauf aus gewesen wären, die Seewölfe zu überfallen und niederzustechen, weil sie sich ausmalten, daß sie an Bord der Sambuke zumindest wertvolle Waffen finden würden, die sie wiederum auf den Märkten ihrer Städte verkaufen konnten.

Unsinn, dachte Ben, nur nicht ins Schlingern geraten, Mann, es war doch Absicht, und natürlich handelte es sich bei den Kerlen um jene, die uns auch in der Bucht von Kanais angegriffen hatten.

Dies teilte er auch Old O’Flynn mit, und der gab ihm sofort recht.

„Klar doch, da hab’ ich keinen Zweifel“, sagte er. „Es waren dieselben Kerle. Der eine da, dem ich was auf die Rübe gegeben habe, schien mir sogar einer der Kapitäne von den Küstenseglern zu sein, die wir versenkt haben.“

„Hör mal, Donegal, da besteht doch ein Zusammenhang.“

„Sicher. Sie sind uns von Kanais aus gefolgt, wie du schon ganz richtig sagtest.“

„Das meine ich nicht. Irgendwie habe ich den Verdacht, daß sich alles um die Galeone ‚San Marco‘ dreht.“

Der Alte nickte. „Um was denn wohl sonst? Sie wollen uns unsere vier Schatzkisten abjagen, die verdammten Muselmänner.“

„Aber woher wissen sie überhaupt, daß wir sie haben?“

„Das ist nicht so leicht zu beantworten. Hellsehen können sie wohl nicht. Aber vielleicht haben sie uns beobachtet, als wir nach dem Schatz tauchten.“

„Und wer hat ihnen verraten, daß auf dem Grund der Bucht von Kanais ein Wrack mit einem Schatz liegt?“ bohrte Ben hartnäckig weiter.

„Mann, du stellst aber Fragen“, sagte der Alte. „Laß mich mal raten. Na, sie haben eben die Truhen gesehen, als wir sie in die Sambuke hievten, und da haben sie sich den Rest einfach zusammengereimt.“

„Ja, so wird es wohl gewesen sein“, brummte Ben Brighton, aber ganz überzeugt war er doch nicht. Vielmehr nahm er an, daß die Strand- und Küstenräuber, die ihnen bis nach Tobruk gefolgt waren, schon vor ihrem Auftauchen bei Ras el Kanais von dem Wrack der „San Marco“ gewußt hatten. Ja, vielleicht hatten sie, die Araber, jenes Schiff sogar versenkt und wollten sich von den „Giaurs“ die sichere Beute nicht abjagen lassen.

Gleichviel, jetzt war es vorerst besser, außerhalb der Sichtweite der Küste zu segeln. Ein mäßiger Nordostwind wehte und brachte die Sambuke gut voran.

Am 7. Juni gegen die Mittagsstunde jedoch – die Seewölfe waren auch die Nacht durch gesegelt – standen sie mit ihrem Zweimaster gerade nördlich von Benghasi, als von Osten her eine pechschwarze Wand heraufzog, die Sturm verkündete. Die Männer versammelten sich am Heck ihres Fahrzeugs und beobachteten mit gefurchter Stirn, wie die Wand immer näherrückte.

„So“, sagte Pete Ballie. „Jetzt haben wir den Salat. Wir kriegen was auf die Jacke, und zwar nicht zu knapp. Seht euch das an, das ist kein Stürmchen, sondern ein halber Orkan.“

„Vielleicht auch ein ganzer“, sagte Smoky. „Aber wir werden schon damit fertig, was, Ben? Wäre ja nicht das erstemal, daß wir uns mit so einem Sturm herumschlagen.“

„Das schon“, entgegnete Ben. „Aber du darfst auch nicht vergessen, daß wir nicht mehr die ‚Isabella‘ unter uns haben. Bei der Old Lady wußten wir, woran wir waren, aber die Sambuke haben wir in der Hinsicht noch nicht erprobt.“

„Du meinst, wir saufen mit ihr ab?“ fragte Old O’Flynn. „Ja, das könnte natürlich sein. Oder aber sie bricht einfach auseinander. Ist ja ein schnelles Schiffchen, aber das Tempo geht auf Kosten der Stabilität.“

„Keine guten Hartwetter-Eigenschaften also“, sagte Sam Roskill. „Ein schöner Mist ist das. Soll das heißen, daß wir eine Bucht anlaufen müssen? Das wollten wir doch nicht mehr.“

„Es bleibt uns nichts anderes übrig“, erklärte Ben. „Lieber lasse ich mich noch mal auf eine Auseinandersetzung mit den Arabern ein, als daß ich leichtsinnig unser aller Leben aufs Spiel setze. Wir laufen nach Süden ab und suchen die von Norden nach Süden verlaufende Westküste von Barka auf.“

Dagegen wurden keine Einwände erhoben, denn die Männer sahen natürlich ein, daß Ben recht hatte. Das Risiko, dem Sturm zu trotzen, war größer als die Gefahr, sich erneut in die Nähe der nordafrikanischen Küste zu begeben, denn tatsächlich war die leichte Sambuke im Verhältnis zu einer Galeone ausgesprochen „sturmempfindlich“. Aber dafür war sie ja auch schneller, wie sich seit ihrem Aufbruch aus Alexandria erwiesen hatte.

Ein Platz, der ihnen die erforderliche Sicherheit bot, wurde jetzt dringend notwendig, denn der Wind nahm zu, und die schwarze Wand aus Osten rückte drohend näher. So zerschnitt der Bug der Sambuke mit rauschender Welle die See, und die Männer holten aus ihr heraus, was sie zu leisten imstande war. Wie zum Bersten prall spannten sich die Lateinersegel, der Wind fauchte hinein und stieß das kleine Schiff vor sich her, als wolle er sich seiner so schnell wie möglich entledigen.

Mit geradezu unglaublichem Tempo lief die Sambuke südwärts in die riesige Bucht der Großen Syrte. Pete Ballie, als Rudergänger bewährt wie immer, hatte die Pinne übernommen und steuerte den Zweimaster immer dichter auf die Küste zu.

Die ersten Böen fielen ein und legten die Sambuke nach Lee, in diesem Fall zur Steuerbordseite. Eine Gigantenfaust schien plötzlich auf das Fahrzeug einzuschlagen, es erbebte bis in seine letzten Verbände.

„Verdammt!“ schrie Ben Brighton im Heulen des Windes. „Geh so dicht unter Land wie möglich, Pete!“

„Aye, Sir! Ich tue, was ich kann!“

Pete drückte die lange Pinne noch weiter herum, und seine Kameraden braßten die Segel noch ein Stück mehr an. Mit einem jähen Schub segelte die Sambuke auf das nun sichtbare Land zu, das jetzt bei den heranfauchenden Drückern aus Osten zur Leeküste wurde.

Ben ließ weiter anluven und kreuzte auf die Küste zu, während der Sturm wie im Galopp auf sie zuraste und sie zu überrollen trachtete. Bob Grey, der sich ganz vorn am Bug befand, riß jedoch plötzlich einen Arm hoch und schrie: „Segler Backbord voraus! Er kreuzt ganz dicht unter Land!“

Ben arbeitete sich in dem Gischt, der von den Kronen der heranrollenden Wogen über Deck sprühte, bis zu Bob vor, dann hielt er Ausschau nach dem fremden Schiff.

„Das ist eine Dhau!“ rief er dann.

„Hölle, will die uns etwa angreifen?“ schrie Bob erbost.

„Nicht bei diesem Wetter! Siehst du nicht, daß sie in den nächsten Hafen verholen will?“

„Ich sehe keinen Hafen, zum Teufel!“

„Dann warte mal ab!“ schrie Ben ihm zu. „Wir müssen nämlich gleich Benghasi sichten!“

Tatsächlich brauchten sie jetzt nur noch zwei Kreuzschläge zu fahren, dann breitete sich die Ansicht der Hafenstadt Benghasi vor ihnen aus, undeutlich zwar in der zunehmenden Dunkelheit und dem Dunst der Wogen, aber doch gut genug erkennbar als das ersehnte Ziel, das ihnen die Rettung vor dem herantobenden Wetter verhieß.

Schutzsuchend segelte vor ihnen nicht nur die Dhau auf den Hafen zu, es gab noch drei, vier andere kleine Schiffe, die den Wettlauf mit dem Verhängnis aufgenommen hatten.

Ben Brighton und seine Männer schlossen sich diesen Fahrzeugen an. Wenig später – buchstäblich im letzten Moment – erreichten sie den geschützten Hafen, bevor der Sturm mit voller Stärke losbrach.

Es war Spätnachmittag, doch es schien bereits Nacht zu sein. Tintenschwarz spannte sich der Himmel über Benghasi, das Jaulen und Heulen des Windes schwoll immer mehr an.

An einer kaum belegten Pier vertäuten die Seewölfe ihre Sambuke. Hier leisteten ihnen lediglich ein paar Frachtsegler Gesellschaft, zwei davon gehörten zu den Schiffen, die kurz vor ihnen Schutz vor dem Sturm gesucht hatten.

An anderen Piers sahen Ben, Old O’Flynn, Pete, Al, Smoky, Sam, Bob und Will nun auch Feluken, ein paar kleinere Karavellen, Galeassen und sogar eine Galeone mit drei Masten. Nirgends aber waren menschliche Gestalten zu erblicken, alles hatte sich bereits vor dem Sturm verkrochen.

„Gut so“, sagte Old O’Flynn, als Ben ihn darauf hinwies. „Dann kümmert sich wenigstens keiner um uns. Unsere Ankunft scheint überhaupt nicht bemerkt worden zu sein.“

„Sollen wir an Land gehen?“ fragte Will Thorne.

Ben schüttelte den Kopf. „Nein. Wir verziehen uns unter das Achterdeck, da kann uns keiner behelligen, nicht der Sturm und auch nicht die Muselmanen, die sich unseren Kahn vielleicht mal ein wenig genauer anschauen wollen.“

Sie grinsten sich verwegen an. Dann, als die ersten Regenböen über den Hafen und die Stadt peitschten, suchten sie eilends ihren Unterschlupf auf und richteten es sich hier so gemütlich wie möglich ein. Ben entkorkte eine kleine Flasche Rum, die noch aus den alten Beständen der „Isabella VIII.“ stammte, ließ sie kreisen und lächelte seinen Männern aufmunternd zu.

„Ich glaube, so läßt es sich aushalten“, sagte er.

Seine Worte gingen aber schon in dem Getöse unter, mit dem sich der Sturm über Benghasi entlud. Die Sambuke begann so heftig auf dem Wasser zu tanzen, daß die Männer sich festhalten mußten. Aber was bedeutete das schon im Gegensatz zu dem, was sie bei diesem Wetter draußen auf See erwartet hätte!

Seewölfe Paket 14

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