Читать книгу Seewölfe Paket 14 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 55

2.

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Was dem ahnungslosen und gutgläubigem Archibald Cribbs dort entgegensegelte, war kein geringerer als der alte Schnapphahn Muley Salah, der immer noch auf der Suche nach der Sambuke und damit der Seewölfe-Gruppe um Ben Brighton war.

Bisher hatte er sie noch nicht gefunden. Falls ihm das auch weiterhin nicht gelang, würde es ihn den Kopf kosten. So hatte Uluch Ali beschlossen, und was Uluch Ali, der schlimmste und auch älteste Pirat des Mittelmeeres, beschloß, das wurde ausgeführt.

Uluch Ali – der Name war schon zu seinen Lebzeiten zur Legende geworden, zu einer üblen Legende, die von Algier bis nach Alexandria bekannt war.

Der türkische Sultan Murad III. hatte ihn als Beylerbey eingesetzt, und so konnte Uluch Ali uneingeschränkt sein Reich aufbauen und so grausam herrschen, wie es ihm beliebte.

Der letzte üble Piratenknochen war Chaireddin gewesen, aber Ali stand ihm längst in nichts mehr nach. Er hatte erfahren, daß ein paar Christenhunde, englische Christenhunde, die er ganz besonders haßte, ein Wrack ausgeplündert hatten, das von seinen Leuten versenkt worden war. Ein Teil der Beute, ein paar mit Gold, Perlen und Edelsteinen gefüllte Truhen, befand sich an Bord der Sambuke, die er seit Tagen verfolgen ließ.

Sein Haß auf die Engländer hatte ebenfalls einen einfachen Grund: Ein Engländer war es gewesen, Philip Hasard Killigrew nämlich, der Uluch Ali vor Jahren in einem Säbelduell fast zerfetzt hatte. Niemand an Bord der „Isabella“ hatte geglaubt, daß Uluch Ali das überlebt hätte, aber er hatte, wenn auch zerhackstückt und fast tot.

Diese seine schmählichste Niederlage saß ihm auch heute noch in den Knochen, und er würde sie nie vergessen.

Jetzt also waren die drei Feluken dabei, die See nach der geflüchteten Sambuke abzusuchen – bisher vergeblich. Und nun entdeckten sie die englische Karavelle.

Muley Salah wußte, daß sein Kopf in den Sand rollen würde, wenn er die verhaßten Engländer nicht aufbrachte. Ali würde ihn erst auspeitschen, dann foltern und schließlich köpfen lassen. Er hatte nur noch diese eine Chance, die Sambuke zu finden, mochte es auch noch Tage dauern.

Dann sah er die englische Flagge und grinste zufrieden. Über sein narbiges grausames Geiergesicht legte sich ein Zug teuflischer Freude.

Nun, dachte er, Ali war auf Engländer scharf, ganz besonders natürlich auf die, die seit Tagen suchten und lebend nach Bengasi bringen sollten. Aber dieser Engländer dort war auch nicht zu verachten. Er war sozusagen eine Art Trostpflästerchen, ein Happen, den Uluch Ali als zweites Frühstück verschlang.

So ein Trostpflästerchen stimmte froh und gnädig und bedeutete für Muley Salah ein klein wenig Aufschub. Sein Ansehen bei Uluch Ali würde das auch wieder etwas aufpolieren, und so rieb er sich die Hände.

„Kurs auf den Christenhund!“, befahl er dem Rudergänger. Dann winkte er herrisch einen anderen Mann zu sich heran.

„Gib den anderen ein Zeichen, daß wir den Kurs ändern. Wir halten auf den Giaur zu und nehmen ihn ein bißchen auseinander. Signale sind ja für solche Fälle vereinbart worden.“

Der Mann nickte heftig. Sprechen konnte er nicht, nur unverständlich lallen und eine Art Grunzen von sich geben. Er hatte einmal einen Befehl nicht richtig ausgeführt und Verluste erlitten. Dafür, daß er so kläglich versagt hatte, hatte Muley Salah ihn noch großmütigerweise mit einem Goldstück belohnt. Dieses Goldstück hatte er ihm in den Mund geschoben. Mit einer Zange allerdings, denn Muley Salah konnte glühende Goldstükke nicht anfassen. Seither sprach der Kerl nicht mehr, war ihm aber mehr als treu ergeben.

So ein glühendes Goldstück würde er sich selbst auch bald einhandeln, dachte er, wenn er die verdammte Sambuke nicht endlich fand. Und Uluch Ali würde es ihm ebenfalls mit einer Zange servieren, denn auch er mochte glühende Goldstücke nicht anfassen.

Er blickte zu den beiden anderen Feluken hinüber, die jetzt aufschlossen und dichter heransegelten. Auf jeder befanden sich fünfzehn Schnapphähne der allerübelsten Sorte. Das waren fünfundvierzig sturm- und kampferprobte Halunken, die den Scheitan am Schwanz zogen. Mit denen würde er die englische Karavelle knacken, kein Zweifel. Die Kerle auf seinem eigenen Schiff brannten schon darauf und wetzten die Messer, obwohl sie noch gar nicht genau wußten, was anlag. Sie rochen es wie Hunde, sie witterten es förmlich, und sie lauerten wie die Aasgeier auf Beute.

Salah griff nach dem in Elfenbein und Messing eingelegten Spektiv und setzte es ans rechte Auge. Es war ein gutes Spektiv, ein spanisches Beutestück, und es ließ die Karavelle fast sprunghaft näher heranrücken.

Der schmale grausame Mund lächelte bösartig. Der schwarze Bartschatten verstärkte das grausame Grinsen noch mehr, die sehnigen Hände verkrampften sich um den Kieker.

Er sah den Bug, der sanft in die See tauchte, und musterte dann die Männer an Deck.

„Zwölf bis fünfzehn höchstens“, murmelte er erstaunt. Dann suchte er nach den Stückpforten und fand auf der einen Seite zwei kleine, die fest verschlossen waren.

Der Blick durch das Spektiv wanderte weiter und verharrte ungläubig auf der Kuhl. Da standen wahrhaftig zwei Stücke kleinen Kalibers, aber sorfältig abgedeckt, damit kein Salzwasser sie bespritzte. Sie waren festgezurrt und umwickelt wie zwei große Würste, und die verfluchten Giaurs würden allein eine halbe Stunde damit beschäftigt sein, sie abzudecken und feuerbereit zu kriegen.

„Das scheint ja ein ganz ahnungsloser Idiot zu sein“, sagte Salah zu einem kleinen schwarzhaarigen Mann, der neben ihm stand und ebenfalls angestrengt mit den bloßen Augen zu der englischen Karavelle spähte.

Der Schwarzhaarige war Türke und sah auch die Einzelheiten ohne Spektiv sehr gut. Jedenfalls erkannte er auf den ersten Blick, daß die Giaurs gar nicht in der Lage waren, sich kräftig zu wehren.

„Domuzun evläflari“, sagte er verächtlich, was soviel bedeutete wie: Kinder von Schweinen, ein überaus verächtlicher Ausdruck.

„Allah sizi kahretsin!“ fügte er hinzu, Allah möge die Kerle zur Hölle schikken.

„Allah?“ fragte Muley Salah höhnisch. „Das tun wir selbst, Salih. Dazu brauchen wir nicht Allahs Hilfe. Wir lassen diesen Christenhund noch ein Weilchen auf Kurs laufen, dann gehen wir hoch an den Wind und über Stag. Er hat den besseren Wind, wir haben die schlechtere Position. Deshalb wenden wir kurz vorher.“

Der Türke nickte erfreut. Viel Beute versprach der Engländer ja nicht, aber sie konnten ihre Wut an ihm auslassen und hatten einen kleinen Erfolg, der Uluch Ali gnädig stimmen würde, das war sicher.

Er konnte ein paar der Gefangenen ebenfalls nach Bengasi zu Uluch Alis Residenz bringen lassen, und der alte Piratenhund konnte sich dann zwischen Frühstück und Mittagessen an den rollenden Köpfen erfreuen.

Noch einmal blickte er durch das Spektiv. Dann sah er in die andere Richtung und nickte zufrieden. Die eine Feluke segelte jetzt zur Backbordseite des Engländers, um ihn von dort in die Zange zu nehmen. Er selbst und die Kerle des anderen Schiffes würden den Giaur von Steuerbord packen. Dann hatte er nicht die geringste Chance, zu entwischen.

Eine knappe Viertelstunde noch segelten sie aufeinander zu, dann ging die erste Feluke über Stag. Die zweite folgte, und als alle beide auf dem richtigen Kurs lagen, gab Muley Salah ebenfalls das Zeichen zum Wenden.

Damit waren die Engländer eingekreist.

Und diese verdammten Christenhunde haben immer noch ihre Stückpforten verschlossen, dachte Muley.

So viel Dummheit auf einem Haufen gab es im ganzen Mittelmeer nicht.

Zumindest, so nahm Roger jedenfalls an, hätte sich Archibald Cribbs Gesicht jetzt erheblich verdüstern müssen, denn nun ging auch dem Dümmsten an Bord auf, daß die drei Feluken ihnen nicht den freundlichen arabischen Gruß entbieten würden.

Aber Cribbs in seiner frommen Einfalt hielt immer noch die Bibel fest umklammert und blickte den heransegelnden Feluken wohlwollend entgegen.

Vielleicht dachte er insgeheim an ein orientalisches Schwätzchen von Bord zu Bord, etwas Neugier und völkerverbindende Verständigung. Für Archibald war die Welt heil und immer in Ordnung, und jene, die sich bekriegten, die hatten sich das selbst zuzuschreiben, denn alle Probleme hätten sich durch eine nette Geste von selbst gelöst.

„Verdammt, der eine Kerl geht über Stag“, sagte Roger zum Bootsmann. „Die beiden anderen werden auch gleich wenden. Kannst du die Kerle an Deck sehen?“

Das Gesicht des Bootsmanns hatte sich schon seit einer Weile verfinstert. Es war mißtrauisch und drohend geworden, sein Blick fiel immer wieder auf die Belegnägel an der Nagelbank – Hartholzknüppel, mit denen man kräftig zuschlagen konnte.

Er war schon drauf und dran, einfach die Kanonen zu laden und die Stückpforten hochreißen zu lassen, aber das wäre Meuterei gewesen. Es war außerdem fraglich ob die anderen dem Befehl gefolgt wären. Und wehe, die Kerle hätten dann tatsächlich nicht angegriffen! Das hätte auch den friedliebenden Archie nicht von einem strafenden Bordgericht abgehalten.

Eine vertrackte Situation. Jetzt war es natürlich auch zu spät, um noch etwas zu unternehmen.

„Piraten sind das“, sagte der Bootsmann auf Rogers Frage. „Saukerle von der übelsten und blutrünstigsten Sorte. Die nehmen uns auseinander, daß es nur so raucht. Wenn es soweit ist, Roger, dann sieh zu, daß du über Bord springen kannst, denn gleich wird es hier von mindestens vierzig üblen Kerlen nur so wimmeln. Schnapp dir einen Belegnagel oder nimm eine Spake.“

Roger nickte. Er hatte sich schon lange so gestellt, daß er irgendeinen Prügel blitzschnell hervorreißen konnte, wenn es soweit war. Aber er wußte auch, daß es ein völlig aussichtsloser Kampf werden würde. Sein Leben wollte er jedoch so teuer wie nur möglich verkaufen.

Er tastete nach seinem Entermesser im Gürtel und nickte grimmig.

Mittlerweile hatten sich auch die meisten anderen auf der Kuhl versammelt und harrten besorgt der Dinge, die da aufkreuzten.

Archibald Cribbs stand immer noch in liebenswerter Einfalt auf dem Achterdeck, die Bibel umkrampft, leicht lächelnd und ebenfalls der Dinge harrend, allerdings auf seine fromme Weise und nicht im mindesten besorgt über den Aufmarsch und die Manöver der drei Feluken.

„Wie sollen wir uns verhalten?“ fragte auch der Moses, ein dürres, kleines Bürschchen aus England, aber immer mit Feuereifer bei der Sache, auch wenn es ums heimliche Saufen ging.

„Es gibt nur eine Möglichkeit“, sagte der Bootsmann. „Draufhauen und wehren mit allen Kräften, oder sie stechen uns ab. Wehrt euch mit allem, was ihr in die Hände kriegt.“

„Aber Archie sagte doch …“

„Archie kann mich mal“, sagte der Bootsmann. „Aber ich werde mich bei ihm später auf allen vieren an Deck liegend entschuldigen, wenn die Kerle friedlich wieder abziehen.“

„Verteilt euch unauffällig!“ riet Roger. „Dann müssen sie sich selbst ebenfalls verteilen. Wir müssen es jeder mit mindestens drei Kerlen aufnehmen, sonst sind wir erledigt.“

Cribbs war diese heimliche Verschwörung auf der Kuhl nicht entgangen. Er sah die Männer zusammenstehen und palavern und bemerkte auch, daß einige sich unauffällig bewaffneten und verdächtig nahe bei den Nagelbänken oder am Spill standen.

Der Bootsmann hatte sein Entermesser in der Faust und stocherte damit an seinen Fingernägeln herum.

„Fürchtet euch nicht!“ rief Archibald. „Wir kommen als Freunde und nicht als Gegner.

„Wir schon“, brummte Rogers, „nur die anderen wissen das noch nicht.“

Die zweite Feluke ging über Stag, gleich darauf auch die dritte, und nun segelten sie in fast spitzem Winkel auf die „Arethusa“ zu. Es ließ sich leicht errechnen, daß sie schon bald auf gleicher Höhe sein würden.

Auch die Gesichter der Kerle waren jetzt deutlicher zu erkennen. Es waren dreckige; grinsende Visagen, sich ganz ihrer Überlegenheit bewußt. Verschlagene blutrünstige Halunken taten so, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Zerschlagene Visagen, manche fusselbärtig, andere zernarbt und häßlich, voller Heimtücke und Hinterlist.

Und noch etwas sahen die Männer der „Arethusa“: Lange Taue hingen bereit zum Hinüberschwingen, und einige der blutrünstigen Schnapphähne standen klar, Entermesser und Pistolen im Gürtel oder Bandelier. Sie warteten nur noch auf den günstigsten Augenblick.

Die andere Feluke segelte jetzt von Backbord auf. Man würde sie also von zwei Seiten gleichzeitig angreifen. Das wußte jeder, das stand absolut fest, nur Archibald wollte es nicht wahrhaben.

Die erste Feluke war heran und hielt auf die Bordwand der „Arethusa“ von Backbord zu. Gleichzeitig segelte auch die andere heran, während die dritte noch ein wenig Vorhalt hatte.

Cribbs blickte nach Steuerbord, dann nach Backbord, und hob beschwörend die Arme mit der Bibel zum Himmel hoch. Dann rief er etwas, aber niemand verstand ihn, denn jetzt brandete von den Feluken unbeschreiblich lautes Gebrüll herüber. Entersäbel wurden geschwungen und blitzten im Licht der Sonne. Zwei Draggen flogen herüber und verkrallten sich im Schanzkleid der Karavelle. Von der anderen Seite flogen ebenfalls Draggen. Zwei wüst aussehende Kerle schwangen sich an langen Tauen an Deck der „Arethusa“.

Einen erwischte der Bootsmann noch in der Luft. Er hatte sich mit einer Handspake bewaffnet, und die schlug er dem enternden Piraten mit aller Kraft über den Schädel. Ein gurgelnder Schrei, und der Kerl streckte sich der Länge nach auf den Planken aus.

Dann waren es vier, acht, zwölf Kerle, die sich mit wildem Gebrüll an Bord schwangen. Gleich darauf tauchten zwei Dutzend auf. Geschickt und schnell, erfahren aus zahlreichen Gefechten, stürmten sie das Deck und schlugen hart und gnadenlos zu.

Archibald sah das voller Entsetzen. Er stand immer noch auf dem Achterdeck und starrte auf die wimmelnde Meute. Und er blickte ungläubig auf das erste Blut, das da an Deck floß.

Dann verließ er das Achterdeck mit schnellen Schritten und schrie mit heller, sich überschlagender Stimme in das Gewimmel: „Hört auf, hört auf! Tötet euch nicht gegenseitig. Liebet einander, hört auf, zu kämpfen!“

Roger und der Bootsmann wehrten sich verzweifelt, denn mehrere Kerle drangen mit Äxten und langen Schiffshauern gleichzeitig auf sie ein. Dem Bootsmann gelang es, einen weiteren Kerl auf die Planken zu schicken. Dabei wurde er von einem Messer an der Schulter getroffen.

Roger zog sich weiter zurück. Dabei sah er aus den Augenwinkeln, daß jetzt auch von der dritten Feluke Kerle herübersprangen und in das Gemetzel eingriffen. Ein Pistolenschuß krachte. Der Schiffsjunge warf die Arme hoch und kippte lautlos auf die Kuhlgräting. In seiner Brust war ein dunkler Fleck, der sich rasch vergrößerte.

Roger unterlief einen der Kerle, hieb ihm den Belegnagel über den Schädel, drehte sich um und wandte sich dem nächsten Angreifer zu. Er zog sein Entermesser, aber ein fürchterlicher Hieb schmetterte es ihm aus den Fingern, und so packte er wieder seinen Belegnagel. Brüllend und laut schreiend stürmte er vor. Es gab für ihn keinen Rückzug mehr, denn hinter ihm lauerten ebenfalls Kerle, und so trat er die Flucht nach vorn an.

Der Bootsmann wurde erschlagen. Fünf Kerle hatten sich auf den wie einen Teufel kämpfenden Mann gestürzt. Als er umfiel steckte in seiner Brust ein langes Messer.

Dem blonden Takelmeister traten Tränen der Wut und Verzweiflung in die Augen, als er sah, wie einer seiner Kameraden nach dem anderen von der Übermacht der Piraten erdrückt wurde.

Sie ließen keinen am Leben, sie streckten einen Mann nach dem anderen erbarmungslos auf die Planken.

Roger sprang wieder nach vorn, den Belegnagel schwingend, brüllend, gereizt wie ein Satan und so voller Wut, daß er mit dem Belegnagel um sich hieb wie mit einer Keule.

Einen Piraten erwischte es voll. Der harte Belegnagel traf dessen Visage, und er ging aufbrüllend in die Knie. Roger hieb nach, entriß dem Kerl den Schiffshauer, packte ihn mit einer Hand und ließ ihn kreisen. Einem weiteren Piraten kostete dieser Schwinger den Kopf.

Roger schlug um sich wie noch nie in seinem Leben. Er wollte so viele Kerle mit hinübernehmen wie nur möglich, denn die letzten Minuten seines Lebens waren angebrochen, damit rechnete er fest. Es gab kein Entkommen mehr, denn die Leute der „Arethusa“ waren nur noch eine armselige Handvoll gegen eine riesige Übermacht.

Ein blatternarbiger riesenhafter Kerl tauchte grinsend vor ihm auf. Auf dem Schädel trug er einen wollenen grünen Unterrock, so jedenfalls sah es aus, und in seiner rechten Faust blitzte ein schwerer Säbel, den er wie ein Messer handhabte. In der anderen Faust lag eine Pistole, und diese Faust mit der Pistole zuckte jetzt vor. Ein donnernder Schuß löste sich, eine Pulverwolke stob nach einem wilden Blitz auf, und Roger hörte, wie es dicht an seinem Schädel vorbeipfiff. Dann ließ der Riese die leergeschossene Pistole fallen und hieb mit dem Säbel zu, als wollte er das Deck spalten.

Blitzschnell sprang Roger zur Seite. Er hörte den Todesschrei eines anderen Mannes und wußte, daß es James gewesen war, der sein Leben unter den entsetzlichen Hieben der Piraten aushauchte.

Das verlieh ihm noch einmal Riesenkräfte. Der schwere Säbel donnerte dicht vor ihm in die Planken. Holzsplitter flogen zur Seite. Der Pirat zerrte an seinem mörderischen Instrument, und diesen Moment nutzte Roger, um ihm mit aller Kraft den Schiffshauer ins Genick zu schlagen.

Ein Holzprügel traf ihn ins Kreuz, und er fuhr ächzend herum. Sekundenlang war er wie gelähmt, dann ließ die Starre nach. Er rammte seinem Gegner den Schädel in den Bauch, hob den Kerl hoch und beförderte ihn mit einem wilden kraftvollen Schlag außenbords, zwischen „Arethusa“ und die Feluke, die jetzt auf der Backbordseite vertäut war. Ein entsetzlich lauter Schrei drang aus dem Wasser, als der Kerl zwischen die Schiffswände geriet.

Roger zog sich weiter zurück, kämpfend wie ein wildes Tier, schreiend vor Wut wie ein gereizter Löwe. Er schlug mit allem um sich, was er zu fassen kriegte.

Er stolperte über einen toten Kameraden, fiel der Länge nach an Deck und blieb sekundenlang reglos liegen.

Da sah er das Entsetzliche: Ein grausam aussehender Kerl stand ein paar Yards hinter Archibald Cribbs, der immer noch unversehrt zwischen der brüllenden Piratenhorde herumkrebste. Archie rief lauthals Beschwörungen, hob immer wieder die Bibel hoch und forderte die Leute auf, nicht mehr zu kämpfen, sondern Freundschaft zu schließen.

Ein paar Lidschläge lang empfand Roger einen unbändigen Zorn auf den einfältigen Trottel. Ja, er haßte ihn sogar, weil er mit seiner dämlichen These von seinem „Liebet einander“ kläglich versagt und damit das Leben der gesamten Mannschaft aufs Spiel gesetzt hatte.

Dann aber erlosch dieser Haß so schnell, wie er aufgetaucht war. Gegen soviel Dummheit war kein Kraut gewachsen.

Er bemerkte nur den geiergesichtigen brutalen Kerl mit dem grausamen Zug um die Lippen und sah, wie dieser Kerl jetzt grinsend einen scharfgeschliffenen arabischen Krummdolch aus dem Gürtel zog. Er packte ihn an der Spitze und hob die rechte Hand zum heimtückischen Wurf.

„Cribbs!“ schrie Roger. „Hinter dir, paß auf!“

Mit einem Satz war er auf den Beinen, doch Archibald Cribbs war nicht mehr zu helfen. Der arabische Krummdolch bohrte sich Cribbs in den Rücken. Der Master stand ein paar Lidschläge lang ungläubig und wie erstarrt da, die Bibel umklammernd und mit schreckgeweiteten Augen.

Dann knickte er in den Knien ein, riß den Mund auf und wollte etwas sagen, doch kein Ton drang über seine Lippen. Sein Gesicht wurde fahl, dann kalkweiß, und er schnappte nach Luft. Dann fiel er ganz langsam in sich zusammen, seine Knie stießen auf die Planken, der Oberkörper kippte nach vorn. Auf dem Gesicht blieb Archibald Cribbs reglos liegen.

Roger sprang auf den Kerl zu, der das Messer geworfen hatte. Es mußte der Anführer dieser blutrünstigen Halunken sein, doch noch bevor er ihn erreichte, wandte der Geiergesichtige sich um und sah ihn höhnisch an. Dann hob er blitzschnell eine Pistole, steckte sie aber gleich darauf wieder mit einem boshaften Grinsen in das Bandelier zurück.

Roger fuhr herum. Ein Schlag traf seine Schulter und schleuderte ihn zur Seite, ein zweiter Hieb landete in seinem Magen, und als er sich zusammenkrümmte, konnte er gerade noch einem tödlichen Hieb mit einer Axt entgehen, die über seinen Schädel sauste.

Mit wilden Sprüngen erreichte er im Zickzack das Achterdeck. Er war der einzige Überlebende, wenn er sich nicht täuschte, doch auf dem Achterdeck erwischten sie ihn ebenfalls gleich darauf.

Sieben oder acht waren es, die auf ihn eindrangen und ihm den Weg abschnitten.

Einen schlug er noch aus den Stiefeln, dann explodierte etwas in seinem Schädel. Rote Sterne zogen feurige Kreise vor seinen Augen. Sein nächster Schlag ging hoffnungslos ins Leere, und er spürte, daß ihm wieder jemand etwas über den Schädel schlug.

Seine Knie gaben nach, er klammerte sich am Handlauf des Schanzkleides fest, aber da war wieder die Meute, die ihn hetzte und auf ihn einprügelte, bis er fast das Bewußtsein verlor.

In einer letzten gewaltigen Anstrengung gelang es ihm noch, auf den Handlauf des Schanzkleides zu gelangen. Von dort hieb er taumelnd noch einmal um sich.

Dann war auch seine Zeit abgelaufen. Zwei harte Schläge trafen ihn, er verlor den Halt, versuchte noch einmal, in eine dieser üblen Visagen zu treten, und spürte, daß er kippte. Laut aufklatschend fiel er ins Meer und ging sofort unter.

Das war sein Glück, denn so wurde er nicht zwischen den Bordwänden zerrieben, sondern tauchte unter ihnen hindurch.

Seewölfe Paket 14

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