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8.

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Uluch Ali liebte öffentliche Auftritte über alles. So saß er auf dem freien Platz vor seiner Residenz unter einem Baldachin, der die Sonnenstrahlen von ihm fernhielt, eine Messingkanne mit Tamarindensaft in Reichweite, und schaute böse auf Old O’Flynn, der vor ihm stand.

Man hatte dem alten O’Flynn einen Strick um den Hals gebunden, und einer von Uluch Alis Schergen, ein bulliger negroider Typ mit Ohrringen, hielt das andere Ende des Seiles fest, damit der Gefangene ja nicht weglaufen konnte. Hinter Ali standen zwei weitere Muselmanen mit finsteren Mienen, und im Hintergrund konnte man die Segler beobachten, die im Hafen von Benghasi vor Anker lagen oder an den Piers vertäut hatten.

Nur einer der hinter Uluch Ali stehenden Männer war ein Leibwächter wie der Schwarze, der andere war gerufen worden, um bei dem nun beginnenden Verhör als Dolmetscher zu fungieren. Viele Menschen hatten sich inzwischen auf dem gepflasterten Vorplatz der Residenz versammelt, und alles wartete gespannt auf das, was sich abspielen würde.

Sam Roskill und Al Conroy gelang es, sich unter die Neugierigen zu mischen. Sie drängelten sich so weit nach vorn vor, wie es ihnen möglich war, und konnten nun von der zweiten Reihe der Schaulustigen aus alles genau verfolgen.

Old Donegal Daniel O’Flynn ahnte bereits, was ihm bevorstand, und gab sich über sein Schicksal keinen Illusionen hin. Der Kerl da mit dem Bart und der großen Nase war Uluch Ali, daran bestand nicht der geringste Zweifel. Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte, aus dieser üblen Lage gab es vorerst keinen Ausweg. Ali würde Rache üben für die Schmach, die sie, die Seewölfe, ihm seinerzeit zugefügt hatten. Gewiß, das alles lag lange zurück, aber ein Mann wie Ali vergaß nichts, er konnte über Jahrzehnte hinaus seine Rache nähren.

Dennoch waren Old O’Flynns Mut und Widerstandsgeist ungebrochen. Er nahm sich in diesem Augenblick fest vor, nichts zu verraten, nicht einmal etwas darüber, ob er nun allein nach Benghasi gekommen war oder ob er Begleiter hatte, die auf ihn warteten.

Er hatte außerdem noch eine Trumpfkarte im Ärmel, von der er selbst seinen Kameraden gegenüber nie etwas hatte verlauten lassen. Nicht mal Hasard hatte er eingeweiht. Das Geheimnis hatte er stets für sich behalten. Das war so eine Marotte von ihm, gewiß nicht seine einzige, aber doch wohl seine wertvollste, wie er jetzt selbst erkannte. Diese Trumpfkarte also, die er wie seinen Augapfel hütete, konnte über Leben und Tod entscheiden, und er beschloß, sie erst im Moment höchster Gefahr auszuspielen.

Uluch Ali betrachtete seinen Gefangenen mit einem Ausdruck triefenden Hohns. Er hob die Hand, winkte seinem Dolmetscher zu und sagte: „Befiehl ihm, vor mir niederzuknien.“

Der Dolmetscher verneigte sich vor seinem Herrn, trat dann einen Schritt näher an Old O’Flynn heran und wiederholte auf englisch, was Ali angeordnet hatte.

„Dein Englisch ist miserabel“, sagte Old O’Flynn. „Laß dir dein Lehrgeld zurückgeben, Kerl.“

„Was sagt er?“ fragte Uluch Ali.

„Daß mein Englisch schlecht ist“, erwiderte der Übersetzer.

„Dein Kopf wird rollen und noch heute abend ins Hafenwasser fallen, wenn du dich nicht verständigen kannst!“ schrie Ali, und seine Schläfenadern schwollen bedrohlich an. Er hatte ohnehin schon Schwierigkeiten gehabt, einen Mann zu finden, der der englischen Sprache einigermaßen mächtig war. Was nun, wenn eine Verständigung unmöglich war?

„Knie nieder!“ fuhr der Dolmetscher Old O’Flynn an.

„Dir huste ich was!“ gab der Alte nicht weniger laut zurück.

„Mein Herr und Fürst“, wandte der Dolmetscher sich nun wieder an Ali. „Ich bin überzeugt, daß er den Sinn meiner Worte voll erfaßt. Doch er weigert sich, den Befehl zu befolgen.“

Uluch Ali sah seinen Gefangenen aus zornblitzenden Augen an. „Auf die Knie mit dir, du Bastard von einem Giaur!“ brüllte er.

„Knie nieder!“ schrie auch der Dolmetscher.

Old O’Flynn verzog ein wenig den Mund, dann ruckte sein Kopf nach vorn, und er spuckte genau auf den Rand des Teppichs, der unter dem erhabenen Beylerbey ausgebreitet worden war – zum Entsetzen Alis und seiner Gefolgschaft und zur Erheiterung der Menschenmenge. Jemand lachte laut, verstummte aber sofort, als Alis Leibwächter mit ihren Speeren zu fuchteln begannen.

Uluch Ali war auf seiner Sitzbank zurückgezuckt, jetzt aber schoß sein Kopf wieder vor, als wolle er mit seiner Nase nach dem Alten hacken.

„Auf die Knie!“ rief er noch einmal, obgleich ihm das Blut zu Kopfe stieg und er Old O’Flynn am liebsten hätte niederstechen lassen. „Zwingt ihn dazu!“

Er wollte durchsetzen, daß sich der Alte vor ihm auf das Pflaster warf, und das war eine doppelt gemeine Demütigung, weil Old O’Flynn mit seinem Holzbein ohnehin Schwierigkeiten hatte, sich hinzuknien.

Noch einmal forderte auch der Dolmetscher den Gefangenen dazu auf, die Anweisung des großen Ali endlich zu befolgen, doch Old O’Flynn dachte nach wie vor nicht daran, ihr Folge zu leisten. Also blieb er stur stehen und setzte obendrein auch noch ein herausforderndes Grinsen auf.

Das war zuviel. Uluch Ali gab dem Schwarzen einen Wink, und dieser fing sofort an, wie verrückt an dem Strick zu zerren. Da konnte der alte O’Flynn um sein Gleichgewicht kämpfen, soviel er wollte, alles Sträuben und Fluchen nutzte ihm nichts mehr, denn der Strick schnürte sich um seine Kehle und raubte ihm die Atemluft. Stöhnend krümmte er sich.

Dann benutzte der Leibwächter das andere Ende des Seiles auch noch dazu, um ihn zu züchtigen. Heftig knallte es auf den Rücken des Gefangenen. Schlimmer hätte auch eine Bestrafung durch die neunschwänzige Katze an Bord eines Segelschiffes nicht ausfallen können. Old O’Flynn knickte mit seinem gesunden Knie ein und ging zu Boden. Uluch Ali und seine Untergebenen begannen amüsiert zu lachen.

Sam Roskill hatte seine rechte Hand bereits unter den Kaftan geschoben und fing an, an seiner Pistole herumzunesteln. Er erstickte fast vor Wut und wollte die Waffe zükken, um Uluch Ali ein Stück Blei zu verpassen.

Zum Glück hatte das Al Conroy rechtzeitig genug bemerkt. Er schob sich dicht neben den Kameraden und legte ihm die Hand auf den Unterarm.

„Mann, Sam“, flüsterte er. „Dreh jetzt nicht durch. Wenn du schießt, ist hier im Nu der Teufel los, und wir kriegen ihn überhaupt nicht mehr frei. Glaubst du etwa, wir beide könnten gegen diese Übermacht ernstlich was ausrichten?“

„Ich glaube gar nichts“, zischte Sam. „Ich weiß nur, daß ich nicht zulasse, daß diese Schweine unseren Donegal so dreckig behandeln.“

„Er zieht sich schon selbst aus der Affäre.“

„Wie denn?“

„Warte doch mal ab“, raunte Al. „Donegal ist doch sonst nicht auf den Kopf gefallen.“

Sam konnte sich nur mit Mühe bezwingen, nicht doch die Pistole zu ziehen und Uluch Ali was auf den Pelz zu brennen. Hölle, dachte er, vielleicht kriegen wir die Gelegenheit dazu nie wieder. Er sah aber auch ein, daß er durch sein unüberlegtes Handeln Old O’Flynns Lage nur noch verschlechterte, auf keinen Fall aber verbesserte.

„Den Strick lockern!“ schrie Uluch Ali jetzt. „Sonst stirbt der Hund uns noch unter den Händen weg!“

Der Schwarze beeilte sich, die Schlinge um Donegals Hals zu lösen, und so konnte der Alte keuchend wieder frischen Atem schöpfen. Es war ihm schon fast schwarz vor Augen geworden, und die Sinne drohten ihm zu schwinden. Jetzt aber nahmen Uluch Alis Gesicht und Gestalt vor seinen Augen wieder klare Formen an.

„Wir schreiten zum Verhör“, sagte Ali. „Wo sind die anderen, Giaur, wo halten sich deine Kumpane versteckt? Heraus mit der Sprache!“

Der Dolmetscher übertrug dies sofort ins Englische.

Old O’Flynn versuchte, sich aufzurappeln, doch es wollte ihm nicht gelingen. Ziemlich verkrümmt lag er am Boden, fixierte Uluch Ali und sann angestrengt nach, was er wohl am besten erwidern konnte.

Schließlich antwortete er: „Kreuzdonnerwetterundschockschwerenot, fahr doch zur Hölle, du triefäugige Seegurke.“

Der Dolmetscher geriet ins Schwitzen, denn er kam erstens nicht so recht mit, und zweitens wußte er auch beim besten Willen nicht, wie er die „triefäugige Seegurke“ ins Arabische übersetzen sollte.

Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, dann sagte er zu Uluch Ali gewandt: „Er will nicht mit der Sprache heraus, o Herr. Er beschimpft dich nur und vergleicht dich mit einem Meerestier.“

„Mit einem was?“

„Mit einem Fisch, nehme ich an.“

„Beim Scheitan, das wird ja immer schöner!“ schrie Uluch Ali. „Das Fluchen und Lästern wird ihm schon noch vergehen! Drohe ihm! Sage ihm, was ich mit ihm tun werde, wenn er sich nicht gefügig zeigt, dann kriegt er es mit der Angst zu tun!“

Eigentlich hätte Old O’Flynn ja längst Angst haben müssen, aber er dachte nicht daran, sich diesen Kerlen gegenüber auch nur die geringste Blöße zu geben. Aufs Kreuz gelegt hast du mich zwar, Ali, du verlauster Hurensohn, dachte er, aber ein O’Flynn gibt nie auf, da kann geschehen, was will.

Der Dolmetscher sprach jetzt eindringlich auf ihn ein, hütete sich aber, ihm zu nahe zu treten, denn irgendwie hatte er das Gefühl, dieses alte Rauhbein mit dem zerknitterten Gesicht sei zu allem fähig, auch dazu, ihm plötzlich in die Wade zu beißen.

Old O’Flynn hörte aufmerksam zu und gelangte zu der Überzeugung, daß sich die Foltermethoden des Orients von denen des Abendlandes nicht wesentlich unterschieden. Da gab es das Streckbrett und die Daumenschrauben, da war von glühenden Zangen, von Fässern voller giftiger Schlangen und von allerlei anderen Gerätschaften die Rede. Der Dolmetscher ging sämtliche Abstufungen des peinlichen Verhörs durch, dann verstummte er und beobachtete den Giaur interessiert.

Der hatte für kurze Zeit die Augen geschlossen, um in aller Ruhe nachdenken zu können. Der Dolmetscher hingegen wertete dies als Furcht und sagte: „Jetzt scheint er wirklich eingeschüchtert zu sein, ehrenwerter Uluch Ali.“

„So?“ Auch Ali sah Old O’Flynn an, doch so recht überzeugt war er noch nicht. „Dann wiederhole die Fragen, die ich eben gestellt habe. Wird’s bald?“

„Wo halten sich deine Freunde versteckt?“ fuhr der Dolmetscher den Gefangenen an.

Old O’Flynn schlug die Augen auf, dann verdrehte er sie ein bißchen. Er hatte sich jetzt eine Taktik zurechtgelegt und nahm sich vor, sie hartnäckig und kompromißlos anzuwenden.

„Freunde?“ murmelte er. „Na, die liegen wohl alle auf dem Grund der See. Die haben längst die Haie gefressen.“

Alis Übersetzer teilte dies seinem Herrn mit, doch der wurde sofort wieder wütend und schrie: „Lüge, alles Lüge! Gleich lasse ich aus diesem Hund herauspeitschen, wie die Wahrheit lautet!“

Old O’Flynn quittierte das Geschrei mit einem grunzenden Laut.

„Ich bin ein Fahrensmann. Auf der ‚Empreß of Sea‘ hab’ ich meine Zeit abgerissen, aber dann hatte ich die Nase voll, denn der Kahn ist ein verdammter Seelenverkäufer.“

Das war eine gleichsam heroische Lüge, denn die „Empreß of Sea“ war ja alles andere gewesen als ein Jammerkahn – doch für diese Schwindelei mußte sie jetzt herhalten, denn etwas Besseres fiel dem Alten im Moment nicht ein. Und falls ihn die ganze Story vor einem grausamen Ende bewahrte, dann hatte ihm die „Empreß“ sogar noch einen guten Dienst erwiesen.

Der Dolmetscher und Uluch Ali sahen sich verblüfft an, und auch die Leibwächter des großen Beylerbeys tauschten verdutzte Blicke miteinander. Was war denn das für eine Geschichte, und überhaupt, was hatte sie mit der Sache als solcher zu tun?

„Außenbords gejumpt bin ich“, fuhr Old O’Flynn fort. „Und wollt ihr wissen, warum? Na, ich will es euch verraten, Leute. Der Kapitän der ‚Empreß‘ ist ein Schweinehund, ein Leuteschinder, eine verfluchte Kanalratte, ein Himmelhund und Rübenschwein. Natürlich bin ich an Land geschwommen, ist doch klar. Mich haben die Haie nicht gepackt, an mir haben sie kein Interesse, Hölle, ich bin viel zu alt und viel zu zäh und völlig ungenießbar.“

Er wollte weitersprechen, aber der Dolmetscher mußte seinen Redefluß erst einmal stoppen, um das Gehörte ins Arabische übertragen zu können. Uluch Ali und seine Gefolgschaft gelangten aus dem Staunen nicht mehr heraus. Was war denn jetzt in den Alten gefahren? Erst hatte er nichts sagen wollen, und nun plapperte er derart bereitwillig, ja, fast vergnügt darauf los, daß man ihn bremsen mußte.

„Ja“, sagte Old O’Flynn, als er in seinem seltsamen Bericht fortfahren durfte. „So war das auf der ‚Empreß‘. Na, ich nehme fest an, daß sie inzwischen abgesoffen ist. Wie ich sie kenne, hat sie keine zehn Meilen mehr geschafft, nachdem ich abgemustert hatte. War ja schon ganz morsch. Und von Würmern und Ratten verseucht. Ein Teufelskahn, sage ich euch. Wo meine Kameraden sind? Habe ich das nicht schon mal gesagt? Entweder liegen sie auf dem Meeresgrund, oder aber sie befinden sich stückchenweise in den Bäuchen der Haie. O Lord, letzteres ist wohl wahrscheinlicher. Was meint ihr?“

Uluch Ali lauschte aufmerksam den Worten seines Dolmetschers, dann entgegnete er unwillkürlich: „Ja, das ist wahrscheinlicher. Ich glaube es auch. Vor der Küste wimmelt es von Haien.“ Plötzlich verzog sich sein Gesicht wieder zu einer Fratze des Zorns, denn jemand aus der vor dem Palast versammelten Menge hatte gelacht.

„Natürlich bin ich an Land geschwommen, was denn sonst?“ sagte Old O’Flynn noch einmal, und wieder verdrehte er die Augen. Im Spinnen war er ja schon immer gut gewesen – und jetzt spann er, daß dem Dolmetscher bald die Haare zu Berge standen.

Sam und Al, die jedes seiner Worte deutlich verstehen konnten, standen auch mit offenen Mündern da. Was Donegal da auspackte, war ja kaum zu fassen!

„Das geht auf keine Walhaut“, murmelte Sam Roskill.

„Das haut dem Faß den Boden aus“, flüsterte Al Conroy.

Uluch Ali gewann mehr und mehr den Eindruck, es mit einem Verrückten zu tun zu haben.

Seewölfe Paket 14

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