Читать книгу Seewölfe Paket 14 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 51
9.
ОглавлениеOld O’Flynn setzte jetzt ein dünnes Grinsen auf.
„Ja, ja, die gute alte ‚Empreß‘, diese Satanslady“, sagte er. „Das war vielleicht ein Scheißkahn. Na, was soll ich noch erzählen? Ich schwamm da im Teich herum, und plötzlich, ganz urplötzlich, hörte ich so eine Stimme, die mich rief. ‚Donegal‘, sagte sie, ‚he, alter Junge, paddel mal schnell hierher.“
„Wer – wer war denn das?“ stammelte der Dolmetscher entsetzt.
„Das hab ich mich auch gefragt“, entgegnete Donegal, und sein Grinsen verstärkte sich. „Hölle, mit einemmal bumste mein Kopf gegen so ein Ding, das da rumtrieb, und was glaubst du wohl, Makker, was das für ein Ding war?“
„Ja, was denn?“ fragte der Dolmetscher und stand wie gebannt da.
„Eine längliche Kiste war’s.“
„Und die Stimme?“
„Die kam aus der Kiste.“
„Nein …“
„Doch“, sagte Old O’Flynn mit Grabesstimme, daß es einigen Zuschauern eiskalt über den Rücken lief. „Da lag nämlich wer drin und schipperte quer durchs Mittelmeer.“
„Wer?“ fragte der Dolmetscher mit leicht würgender Stimme.
„Das wollte ich auch wissen, aber der Kerl war eingewickelt. Ich fragte mich auch, woher er wohl meinen Namen kannte, aber das wollte er mir nicht verraten.“
„Ein – ein Gespenst?“
„Wohl so was Ähnliches. Ich strampelte da noch im Wasser rum und mühte mich mit ihm ab, um ihn auszupacken, aber ich hatte das Zeug noch nicht richtig von seinem Kopf runter, da brach ihm der verdammte Schädel ab.“
„Nein!“ stieß der Dolmetscher hervor und hob die rechte Hand an den Mund.
„Doch, so war’s“, bekräftigte Donegal. „Ich fluchte ein paarmal kräftig, dann schmiß ich den Kopf ins Meer. Dann ging das mit dem Sturm los, und ich zog nun auch den Rest von dem verdammten Kistenramses heraus und enterte selbst in die verdammte Kiste.“
„Das ist ja grauenvoll.“
„Nein, es war sogar ganz gemütlich. Ich spuckte dreimal kräftig gegen den Wind, dann rollte ich mich zusammen und überstand das Scheißwetter, ohne zu frieren. Später bin ich dann auf meiner Kiste gen Benghasi geritten und wohlbehalten gelandet. Ach ja, die Kiste – die war vergoldet, wenn ich mich recht entsinne …“
Uluch Ali war aufgesprungen, vernahm die letzten Worte seines Dolmetschers und brüllte außer sich vor Wut: „Wo ist diese Kiste, du Hundesohn?“
„Ja, wo ist die Kiste?“ fragte auch der Dolmetscher auf englisch.
Old O’Flynn grinste und rollte mit den Augen.
„Großes Geheimnis“, wisperte er. „Das darf ich euch nicht verraten.“
„Schlage ihn!“ schrie Uluch Ali dem Schwarzen zu.
Der hieb auch gleich wieder mit dem Ende des Strickes zu, aber Ali hatte sich getäuscht, wenn er glaubte, daß sein Gefangener jetzt weich werden würde. Grinsend ertrug Old O’Flynn die Hiebe. Als der Leibwächter es endlich aufgab, ihn zu traktieren, begann der Alte wieder von dem „Kistenramses“ zu erzählen und sich zu fragen, was aus der kopflosen Leiche wohl geworden wäre. Na, die Haie hätten an ihr bestimmt keinen Spaß gehabt.
„Das ist zuviel“, stöhnte Al Conroy. „Das halte ich nicht mehr aus.“
Ähnlich dachte auch Uluch Ali, der seinem Dolmetscher jetzt durch eine herrische Gebärde zu verstehen gab, er sollte mit dem Übersetzen aufhören. Besonders die Sache mit der Mumie konnte auch er, der Beylerbey, allmählich nicht mehr verkraften. Zum einen, weil sie ausgesprochen unappetitlich war, zum anderen, weil sich unter dieser gräßlichen Lügengeschichte nun schon bald die Mauern der Residenz bogen.
„Schafft ihn weg“, sagte Ali nur noch, dann erhob er sich und ging, gefolgt von seinen Leibwächtern, fort.
Der Schwarze und ein anderer Kerl schleppten Old O’Flynn ins Haus. In der Menschenmenge wurde Gemurmel laut. Die Menschen von Benghasi waren schwer beeindruckt von dem alten Mann mit dem verwitterten, braungebrannten Gesicht und dem Holzbein. So wie der hatte noch keiner zu Uluch Ali zu sprechen gewagt.
Sam Roskill sagte: „Hast du verstanden, was die Leute sagen, Al?“
„Ja. Viele Sympathien scheint Uluch Ali hier nicht zu genießen.“
„Ob wir das für uns ausnutzen können?“
„Ich weiß nicht“, brummte Al Conroy. „Ben wäre bestimmt nicht sehr glücklich darüber, zu erfahren, daß wir eine Revolte angeheizt und zum Ausbruch gebracht haben. Es wäre ja auch nicht richtig, die Bewohner der Stadt in so etwas zu verwickeln.“
„Und es wäre ja auch noch die große Frage, ob sie überhaupt mitspielen würden.“
„Allerdings“, sagte Al. „Mein Vorschlag wäre: Laß uns erst mal abwarten. Wir beide kriegen die Sache schon in den Griff. Bis zum Dunkelwerden ist es nicht mehr lange. Vielleicht können wir dann was unternehmen und in Uluch Alis Bau eindringen, um Donegal zu befreien.“
„Einverstanden“, sagte Sam.
Sie zogen sich in eine Hausnische zurück. Von hier aus konnten sie die Residenz des Uluch Ali gut beobachten, ohne selbst entdeckt zu werden.
Aufgebracht wanderte Uluch Ali in seinen Gemächern auf und ab. Verdammter Christenhund, dachte er, dich koche ich schon noch weich. Verrückt magst du sein, aber auch Wahnsinnige sagen früher oder später aus. Dem Folterknecht gegenüber wird jeder Mann zu einem kleinen Kind, das schluchzend und greinend sein Geständnis ablegt.
Er blieb stehen und blickte nachdenklich seinen Diener an, der wieder erschienen war, um ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen.
Die „Empreß of Sea“, dachte Ali, vielleicht gibt es sie wirklich. Vielleicht war das gar nicht gelogen. Doch wer will die Wahrheit von der Lüge unterscheiden?
Die „Empreß of Sea“ – der Name ging ihm nicht mehr aus dem Kopf – mußte also ein englisches Schiff sein, das im Mittelmeer unterwegs war. Natürlich war sie nicht gesunken, das schob der Alte nur als Schutzbehauptung vor, um seine Kameraden nicht zu gefährden.
Wer waren diese Kameraden?
Plötzlich sagte Uluch Ali zu seinem Diener: „Einige Männer sollen sich sofort in den Hafen begeben und nach einem englischen Schiff Ausschau halten.“ Fast hätte er noch hinzugefügt: Auch nach einem goldenen Sarkophag, doch das konnte er sich gerade noch rechtzeitig genug verkneifen.
Der Diener verneigte sich und war im nächsten Augenblick verschwunden. Uluch Ali blieb mit seinen Gedanken allein.
Meine Späher und Spione werden dieses Schiff schon finden, sagte er sich, nichts kann ihrer Aufmerksamkeit entgehen.
Er wäre jetzt froh darüber gewesen, Muley Salah in seiner Nähe zu wissen, der ja mit seiner Behauptung, den alten O’Flynn in der Sambuke gesehen zu haben, recht gehabt hatte. Muley Salahs Schilderungen von dem Kampf in der Bucht bei Kanais und der Auseinandersetzung in der Bucht bei Tobruk gewannen an Glaubwürdigkeit, und gewiß hätte er selbst sich auch gern mit dem Alten befaßt.
Uluch Ali grübelte und grübelte. Aber die „Empreß of Sea“ und die Sambuke, dachte er, wie paßt das zusammen? Wie konnte der Alte erst an Bord der „Empreß“ und dann auf der Sambuke sein – oder umgekehrt? Auch dafür mochte es eine Erklärung geben. Beispielsweise konnte die Sambuke das Beiboot des englischen Schiffes sein – warum denn nicht? Oder aber die Engländer hatten sie irgendwo als Prise genommen und führten sie seither im Schlepp mit.
Vielleicht, so überlegte Uluch Ali in diesem Augenblick, vielleicht ist sogar Killigrew der Kapitän des englischen Schiffes. Das werde ich aus dem Alten noch herauspressen, an Mitteln mangelt es nicht.
Uluch Alis Schergen verließen den Palast und liefen zum Hafen hinunter. Sie schwärmten aus und betraten die Piers, um jedes dort liegende Schiff genau in Augenschein zu nehmen. Der vom Sturm ziemlich hart angeschlagenen Karavelle, die Benghasi aufgesucht hatte, als Muley Salah gerade mit den drei Feluken ausgelaufen war, galt ihr besonderes Augenmerk, doch dann stellte sich heraus, daß es sich bei diesem Schiff um einen Spanier handelte.
Nirgends war ein englisches Schiff zu entdecken, und da Alis Männer überall immer wieder nur nach einem „verfluchten Engländer“ fragten, erhielten sie auch keine Auskunft über die zweimastige Sambuke, die bis vor kurzem noch hier gelegen hatte.
Es sollte noch einige Zeit vergehen, bis sich die Späher und Spione in die Sättel ihrer Kamele schwangen, um auch die Umgebung von Benghasi abzuforschen, denn jetzt brach die Nacht über die Stadt herein, und auch mit Fackeln und Öllampen war draußen, in der Wüste und am Ufer des Mittelmeeres, bei Dunkelheit nicht mehr genug zu erkennen.
Beispielsweise war es unmöglich, die Sambuke zu entdecken, die in der Bucht zwei Meilen nördlich von Benghasi ankerte. Ihre Umrisse wurden von der Nacht verschluckt, und selbstverständlich vermied es Ben Brighton, auch nur das kleinste Talglicht zu entfachen.
Bangen Herzens warteten die Seewölfe auf die Rückkehr ihrer Kameraden. Würden Sam Roskill und Al Conroy es schaffen, Old O’Flynn aus der Gefangenschaft zu befreien?
Old Donegal Daniel O’Flynn lag gefesselt in einem Kellerraum des Palastes und wartete darauf, daß man ihn abholte, um ihn dem Folterknecht vorzuführen. Doch vorläufig blieb ihm dies – aus welchem Grund auch immer – erspart. Er hatte seine Ruhe und konnte überlegen, wie er es am besten anstellte, sich aus dieser unbequemen Lage in eine andere, etwas günstigere, zu bringen.
Der Folterknecht muß wohl erst das Feuer anheizen und die Zangen wärmen, dachte er grimmig. Mal sehen, ob sich das ausnutzen läßt.
So konzentrierte er sich auf sein Holzbein. Denn da steckte der Trumpf, den er jetzt zum Vorschein holen mußte, nicht etwa in seinem Ärmel: Er hatte noch eine Waffe, die keiner der Leibwächter Uluch Alis bei ihm entdeckt hatte, obgleich sie ihn sehr genau durchsucht hatten. Jawohl, er wir im Besitz eines Stiletts, eines haarscharf geschliffenen Dinges, und damit gedachte er sich jetzt selbst zu helfen, da er mit Unterstützung von außen wohl kaum rechnen durfte. Vielleicht wußten Ben und die anderen noch nicht einmal, wo sie ihn suchen sollten.
In mühseliger, geheimer Kleinarbeit hatte er seinerzeit, als sie noch mit der „Isabella VIII.“ über die Weltmeere gesegelt waren, sein Holzbein von oben ausgehöhlt und so eine Art Röhre geschaffen, in der er das Stilett verborgen hatte.
Findig muß der Seemann sein, hatte er damals gedacht, vielleicht rettet dir dieses Stilett eines Tages das Leben, denn das müssen schon wirklich ganz üble Hunde sein, die dein Holzbein abschnallen und auf Waffen untersuchen.
Gewiß, Uluch Ali war ein solch übler Hund, aber er hatte Old O’Flynn das Holzbein gelassen. Daß das Ding zu einem Teil hohl sein könnte – wer verfiel schon auf eine derart absonderliche Idee! Nicht einmal Uluch Alis Phantasie ging so weit, obwohl er sich für einen außerordentlich gescheiten Menschen hielt.
Nach einigem Herumwälzen und Rucken an den Fesseln gelang es Donegal, seine Hände wenigstens soweit freizukriegen, daß er mit den Fingern an das Holzbein heranreichte und es abschnallen konnte. Rasch hatte er auch die Aushöhlung ertastet und zog das Stilett daraus hervor.
Dann begann er damit, seine Fesseln säuberlich durchzutrennen. Zuerst legte er seine Arme frei, dann machte er bei den Beinen weiter und schnitt zuletzt die Stricke durch, die seine Füße zusammenschnürten. Er massierte seine Gelenke, bis der Blutkreislauf wieder einwandfrei funktionierte. Danach wartete er ab, was weiter geschehen würde. Aus dem Raum konnte er so nicht heraus, die Tür war von außen fest verriegelt, ein Fenster gab es nicht.
Am Abend endlich – seine Geduld wurde auf eine recht harte Probe gestellt – näherten sich Schritte der Tür. Lautlos erhob er sich und nahm neben der Tür Aufstellung. Draußen wurde mit Schlüsseln hantiert, die leise klirrten, dann schob sich ein Schlüssel in das Schloß, und quietschend öffnete sich die Verriegelung.
Die Tür bestand aus massivem Holz und hatte nicht einmal ein Guckloch. Folglich konnte der Besucher – wer immer es war – von außen nicht sehen, was sich in dem engen Raum abspielte. Ohne etwas zu ahnen, öffnete er die Tür.
Gut so, dachte Old O’Flynn, das vereinfacht die Sache.
Der Besucher sollte sich wenig später als der Schwarze entpuppen, der ihn auf dem Platz vor dem Palast an dem Strick festgehalten und munter auf ihn eingedroschen hatte. Er war erschienen, um nach dem Gefangenen zu sehen und ihm schon mal auf die Beine zu helfen, damit er für den Gang in die Folterkammer bereit war – nicht etwa, um ihm etwas zu essen und zu trinken zu bringen.
Old O’Flynn wartete ab, bis die Tür ihn völlig verdeckte und er die scharrenden Schritte des Kerls dicht neben sich vernahm, dann handelte er. Er versetzte der Tür einen heftigen Stoß, und diese schlug dem Schwarzen genau vor die Stirn, so daß dieser einen ächzenden Laut des Schmerzes und des Entsetzens von sich gab und auf der Stelle zusammenbrach.
Der Alte schob sich hinter der Tür hervor, warf einen Blick auf den Kerl und erkannte erst jetzt, mit wem er es zu tun hatte. Er grinste, schlug noch einmal hart mit der rechten Faust zu, um ganz sicher zu gehen, und packte den Bewußtlosen dann unter den Armen. Er schleifte ihn in sein Gefängnis und fesselte ihn mit den längsten Stücken, die von seinen Stricken noch übriggeblieben waren. Anschließend knebelte er ihn.
Den Kaftan und die Waffen hatte er ihm vorher abgenommen. Jetzt schlüpfte er in das Kleidungsstück und steckte sich den erbeuteten Dolch und den Cutlass des Kerls ein, trat auf den Flur vor dem Raum hinaus und blickte sich aufmerksam um.
Niemand schien in der Nähe zu sein, niemand konnte ihn behelligen. Er zog die Tür hinter sich zu, riegelte ab, steckte den Schlüssel weg und begab sich auf den Weg dorthin, wo er den Treppenaufgang vermutete.
Er hatte den Flur zur Hälfte hinter sich gebracht, als er plötzlich Stimmen vernahm, die sich ihm im Dunkeln näherten. Es war zu spät zum Umkehren, niemals hätte er es geschafft, wieder in seine Zelle zurückzulaufen und sich dort vor den Kerlen zu verbergen, die ohne Zweifel genau auf ihn zusteuerten. Eine andere Versteckmöglichkeit schien es nicht zu geben. So war Old O’Flynn gezwungen, sich mit dem Rücken gegen die Wand zu lehnen und verhaltenen Atems die weitere Entwicklung abzuwarten.