Читать книгу Seewölfe Paket 14 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 56
3.
Оглавление„Aufhören!“ befahl Muley Salah. „Aufhören! Plündert das Schiff, bohrt es an und versenkt es.“
Das brauchte er seinen Kerlen nicht zweimal zu sagen. Die ersten waren schon unter Deck verschwunden, als die anderen oben noch kämpften. Sie schleppten alles herbei, was sich irgendwie noch verwerten ließ.
„Salih“, sagte Muley Salah zu dem Türken, der grinsend an Deck stand. „Such die Überlebenden und Verwundeten zusammen. Binde die verfluchten Giaurs zusammen und bring sie mir. Und bring mir diesen verdammten blonden Christenhund mit dem Mut eines Löwen. Ich will ihn hier und sofort an Deck enthaupten.“
„Sofort, Muley. Ich fürchte nur, es wird nicht viele Überlebende geben, und der Blonde ist über Bord gefallen. Mechmed hat ihn erschlagen.“
„Sieh trotzdem nach!“
„Ja, Herr.“
Inzwischen hatten einige der Piraten bereits die Segel der Karavelle mit Säbeln und Messern aufgeschlitzt, so hingen jetzt nur noch lange streifige Lappen von den Rahen. Die „Arethusa“ hatte keinen Vortrieb mehr und schob sich nur noch ganz behäbig durch das blaue Wasser, außerdem noch gebremst von den drei Feluken, die wie Ketten an ihr hingen.
Während in den unteren Räumen einige Kerle dabei waren, Löcher in die Planken zu schlagen, damit die Karavelle schneller absoff, erschien der Türke Salih wieder.
„Es gibt keine Überlebenden, Muley Salah“, sagte er. „Keinen einzigen. Die Christenhunde sind alle zum Scheitan gefahren. Die wenigen Verwundeten sind jetzt ebenfalls tot.“
Salah stieß einen ellenlangen Fluch aus.
„Verdammt!“ schrie er zornig. „Ich hätte ein paar von ihnen gar zu gern Uluch Ali gebracht. Hast du auch im Wasser nachgesehen? Etliche sind doch über Bord gegangen.“
„Im Wasser treiben nur noch Tote.“
Es war nicht mehr zu ändern, überlegte Muley Salah. Daran hätten sie eben früher denken müssen. Jetzt war es zu spät, denn seine Leute hatten wie die Teufel unter der Mannschaft gewütet.
„Das Schiff sinkt gleich“, sagte Salih zu seinem Herrn.
„Gut, dann zurück auf die Feluken. Beeilt euch!“
Das Gurgeln und Rauschen in den unteren Räumen war jetzt deutlich zu hören. Ein Wasserschwall nach dem anderen brach herein und ergoß sich mit lautem Brausen in die Räume. Die Karavelle legte sich schon leicht zur Seite, in ihrem Rumpf knackte es bedrohlich.
Ausgeplündert war sie ebenfalls. Die Kerle hatten kaum etwas an Bord gelassen. Noch jetzt rannten einige von ihnen hin und her, warfen das erbeutete Zeug auf die Feluken und kehrten noch ein letztes Mal zurück.
Mehr als vierzig Piraten hatten geplündert, und da es nicht sehr viel zu holen gab, war auch bald alles erledigt.
Die erste Feluke legte ab, dann die zweite.
Muley Salah hatte wieder seinen Platz auf dem Achterdeck eingenommen und blickte zurück, wo die englische Karavelle jetzt langsam achteraus blieb und tiefer ins Wasser sackte.
Um seine Mundwinkel lag ein Grinsen, aber in seinen kohlschwarzen Augen brannte auch gleichzeitig Ärger darüber, daß sie nicht wenigstens zwei oder drei Überlebende hatten, die er Uluch Ali sozusagen als Geschenk präsentieren konnte.
Dann legte auch die letzte Feluke ab, und die beiden anderen suchten noch einmal die See ab.
Aber im Wasser trieben nur Tote, wie es den Anschein hatte.
Die „Arethusa“ ging unter, zögernd erst, dann sackte sie immer schneller über den Achtersteven ab. Ein explosionsartiger Knall ertönte. Ein Teil des Decks riß auf, und Planken schossen in die Höhe.
Die drei Feluken gingen wieder auf Nordwestkurs und segelten weiter. Sie wollten die Sambuke suchen, die Kerle, die ihnen einen Teil des Schatzes geraubt hatten. Nicht des Schatzes wegen, davon hatte Uluch Ali genug. Aber die schmähliche Niederlage mußte ausgebügelt werden, denn Uluch Ali wollte Köpfe rollen sehen.
Der einzige Überlebende und somit der letzte Mann der „Arethusa“ durchlebte das alles wie einen bösen Traum. Er konnte noch jetzt nicht glauben, daß alles ein Ende hatte. Seine Kameraden waren tot, erstochen, erschossen oder erschlagen, und er trieb hier allein im Wasser.
Aber immer wieder tauchte in seinem schmerzenden Schädel das geierähnliche harte und grausame Gesicht des Kerls auf, der das Messer nach Archibald Cribbs geschleudert hatte. Daß der Kapitän ebenfalls tot war, daran gab es nicht den geringsten Zweifel.
Roger schwamm ganz ruhig und in schwachen Zügen, um nicht aufzufallen. Die Schiffe entfernten sich nur ganz langsam, und er sah, daß die Kerle jetzt alles von Bord schleppten und auf die drei Feluken verluden, alles was einigermaßen von Wert war.
Etwas später suchten sie die See ab, und eins der kleinen Beiboote kam auch in seine unmittelbare Nähe. Kein Zweifel, dieser Halunke mit dem Geiergesicht wollte ein paar Überlebende. Weshalb, war Roger nicht klar. Vielleicht wollte er sie auch noch bis in ihren Tod demütigen. Er ließ sich treiben, mit dem Gesicht leicht zur Seite, damit er Luft holen konnte. Er sah, daß sie ihn beobachteten, und gab sich auch weiterhin den Anschein, wie eine Leiche im Wasser zu treiben. Nach einer Weile kehrte das kleine Boot wieder zurück. Sie hatten nichts gemerkt, wie er erleichtert feststellte.
Er ließ sich weitertreiben. Sein Körper war zerschunden und zerschlagen, aber Roger war ein harter Knochen, der eine Menge vertrug und erst dann aufgab, wenn auch der letzte Lebensfunke aus ihm gewichen war.
Voller Erbitterung beobachtete er weiter. Nach einer Weile gingen die Kerle von Bord. Offensichtlich hatten sie die Karavelle angebohrt oder Löcher in die Bordwand geschlagen, denn sie sackte allmählich tiefer.
Damit zerschlug sich auch seine letzte Hoffnung, doch noch an Bord zu gelangen, um zu überleben.
Dann, nach einer Ewigkeit, wie ihm schien, legten die drei Feluken ab. Noch einmal suchten sie das Gebiet rund um die „Arethusa“ ab, und als sie nichts mehr fanden, gingen sie wieder auf ihren alten Kurs.
Seine Chancen standen schlecht. Weit und breit gab es nichts, woran er sich klammern konnte. Bis zum Land schwimmen, war reiner Wahnsinn, er würde es nie erreichen, obwohl er ein guter Schwimmer war. Da half auch seine Zähigkeit nichts. Nein, er würde es nicht schaffen.
Dann vernahm er den Knall, der sich deutlich über das Wasser fortpflanzte, und sah, wie sich die gute alte „Arethusa“ auf den Achtersteven stellte und abkippte wie ein lahmgeschossener Vogel.
Der eine Mast brach, das Deck wölbte sich unter der Anspannung und dem Druck und platzte an einzelnen Stellen auseinander. Dann verschwand sie gurgelnd und zischend in ihrem tiefen Grab.
Roger wartete noch ab, bis die drei Feluken so weit weg waren, daß man ihn auch durch das Spektiv nicht mehr erkennen konnte. Dann erst schwamm er langsam und ruhig auf die Untergangsstelle zu, an der das Meer jetzt die Trümmer, die starken Auftrieb hatten, wieder nach oben spie.
Es waren ganz beachtliche Trümmer, die da in der See trieben, und sein Herz tat vor Freude einen kleinen Sprung, als er das Floß entdeckte.
Dieses Floß, und das war seine Rettung, hatte er jetzt in höchster Not dem notorischen Geiz des frommen Archibald Cribbs zu verdanken. Denn Archie hatte nicht nur am Essen gespart, sondern knappste überall dort etwas ab, wo es ihm wichtig erschien. Sein kleinkrämerischer Geist sollte Roger jetzt das Leben retten.
Das Floß war vor langer Zeit gebaut worden und diente eigentlich nur dazu, die schlecht erreichbaren Stellen der „Arethusa“ zu teeren, flicken, auszubessern oder anzustreichen. Jeder andere Kapitän hätte das Floß nach dem Gebrauch wieder auseinandernehmen lassen, nicht aber Archibald Cribbs, denn wenn es nun schon einmal gebaut war, dann hatte es ja auch Geld gekostet, und was Geld kostete, das warf man nicht einfach weg, denn eine Verwendung für das Floß fand sich immer, das war seine Devise. Daher wurde das Floß an Deck festgezurrt, und da war es unbenutzt bis zum heutigen Tag auch geblieben.
Jetzt hatte das aufplatzende Deck die Zurrings zerfetzt und das Floß zurück in die See geschleudert.
Dem Himmel und Archibald sei Dank, dachte Roger. Aber dann schüttelte es ihn doch, denn ganz in der Nähe der Unglücksstelle sah er einige von seinen ehemaligen Kameraden im Wasser treiben, das Gesicht nach unten, die Arme lose im Wasser hängend.
Er zog sich auf das Floß, verschnaufte dort eine Weile und begann dann mit den Händen zu paddeln. Zuerst suchte er nach Überlebenden, doch er fand keine.
Der Bootsmann war tot, der Moses ebenfalls, James hatte es erwischt, alle anderen auch, und von einigen fand er nicht einmal eine Spur.
Dann entdeckte er Cribbs, und ein kühler Schauer lief ihm über den Rücken. Der Kapitän trieb in der See, halb zur Seite gedreht, und in seinem Rücken steckte immer noch der scharfgeschliffene Krummdolch, den der Geiergesichtige geworfen hatte. Archibald Cribbs hatte die Augen geschlossen. Seine im Tod verkrampften Hände hielten die Bibel immer noch so fest, wie er das an Bord getan hatte.
Roger löste die erstarrten Finger und nahm die nasse Bibel an sich. Vielleicht würde sie ihm in einsamen Stunden Trost spenden. Dann zog er seinem toten Kapitän das Messer aus dem Rücken und rammte es in die Bohlen des Floßes.
Nach einem letzten Blick auf Archibald Cribbs, der sie mit seiner Friedfertigkeit fast alle ins Grab gebracht hatte, suchte Roger weiter. Die Trümmer schwammen weit auseinandergezogen verstreut im Meer. Da eine Rah, dort ein Stück Segel, hier ein Fäßchen und da ein paar Planken und sogar eine leere Flasche. Das alles war durch den Auftrieb nach oben katapultiert worden, und Roger war dankbar für jedes Stück, das er fand. Nach einer Weile des Herumpaddelns entdeckte er einen Riemen des Beibootes, das ebenfalls mit auf Tiefe gegangen war. Wahrscheinlich war es so fest vertäut, daß es sich nicht losreißen konnte.
Den Riemen nahm er wie ein kostbares Geschenk an sich. Dann suchte er weiter. Zwischen den Trümmern fand er ein Faß, halbvoll, und darin gluckerte es noch ganz beträchtlich.
Trinkwasser, dachte er erleichtert, das war jetzt wichtiger als alles andere, denn auf dem Meer ohne Wasser hielt es selbst der härteste Kerl nicht lange durch.
Jetzt glaubte er, überleben zu können. Nach menschlichem Ermessen standen seine Chancen einigermaßen gut, und Roger hätte selbst dann nicht aufgegeben, wenn er nichts gefunden hätte. Seine Sippe bestand aus rauhen Kerlen, die das Überleben von klein auf gelernt hatten und sich immer wieder behaupten und durchsetzten mußten, wollten sie nicht verhungern.
Er fischte eine Spiere aus den Trümmern heraus, dann zog er einen zerfetzten Teil des Großsegels aus dem Wasser und packte alles sorgfältig auf das Floß. Das Segeltuch beschwerte er mit der Spiere, damit es nicht gleich wieder über Bord ging. Er suchte weiter, diesmal konzentrierte er sein Augenmerk auf Tauwerk, damit er eine kleine Behelfsbesegelung für das Floß zusammenkriegte. Er fand auch Tauwerk an weiteren Segelfetzen und an Spieren. Sorgfältig schnitt er es ab und suchte weiter.
Zu seinem Leidwesen fand er jedoch nichts zu essen. Nicht einmal eins der kleinen Fäßchen mit dem harten Schiffszwieback ließ sich entdecken, jenem Zeug, das Archibald immer als so gesund und kraftspendend gepriesen hatte, vornehmlich, weil es nicht viel kostete.
Aber alles kann man nicht haben, dachte Roger. Er hatte sein Leben, er war der letzte Mann des Schiffes, und er hatte ein Floß und für einige Tage Trinkwasser.
Wem Gott soweit half, der konnte sich dann auch selbst weiterhelfen, der Anfang war jedenfalls getan, und es war, den Umständen nach, ein guter und günstiger Anfang.
Seine Suche dauerte mehrere Stunden, aber es fand sich nur noch nutzloses Trümmerholz, mit dem er nichts anfangen konnte. Dann kniete er sich still auf sein Floß, starrte in das Wasser und betete mit zuckenden Lippen für seine toten Kameraden.
Mehr konnte er nicht für sie tun. Die Zeit, in der sie schlitzohrig den frommen Sprüchen ihres Kapitäns gelauscht und sich darüber amüsiert hatten, gehörte schon jetzt der Vergangenheit an.
Aber der Kampf, die Prügel, die Suche, und der Schmerz, das alles zusammen forderte nun seinen Tribut. Roger spürte, wie sein Körper steif und hart wurde und die Lebensgeister ihn zwar nicht verließen, aber doch gedachten, sich pfleglich auszuruhen. Er war erschöpft, ermattet und entkräftet. Ein paar erholsame Stunden Schlaf würden ihn wieder zu dem Kerl werden lassen, der er immer war. Ein harter Brocken, ein zäher und unbeugsamer Kämpfer – und ein Abenteurer, ein Mann, der nicht aufgab, der immer noch irgendwo einen Funken Hoffnung sah, auch wenn er sich das nur einbildete.
Er ordnete das Zeug auf dem Floß, band mit dem aufgefischten Tauwerk alles sorgfältig fest und überprüfte noch einmal, ob auch nichts davon über Bord gehen konnte.
Dann sorgte er für sich selbst. Falls er einschlief, und dessen war er sich ganz sicher, wollte er nicht ebenfalls von dem Floß rutschen. Außerdem konnte es aufbrisen, und das Floß zu schlingern beginnen.
Er band sich selbst am Floß fest. Dann legte er sich einen kleinen nassen Lappen Leinentuch auf das Gesicht, damit die Sonne ihm keine Brandblasen bescherte, und packte sich der Länge nach hin.
Nur ein paar Lidschläge lang dachte er noch über das Schicksal seiner Kameraden und über sein eigenes nach. Dann fiel er in einen tiefen Schlaf der Erschöpfung.
Auf dem Floß lag ein einsamer Mann, reglos, wie tot, der letzte Überlebende eines gesunkenen Schiffes.