Читать книгу Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer - Страница 47
10.
ОглавлениеDurch das Spektiv konnte Hasard erkennen, daß auf Deck der Karavelle ein heilloses Durcheinander herrschte. Männer in gestreiften Hemden hackten wie die Irren auf Stagen und Wanten los, um endlich den oberen Teil des Fockmastes loszuwerden, der außenbords hing und von den Wellen immer wieder gegen die Bordwand geschleudert wurde.
Der Wind trug die Stimmen herüber. Der Kapitän der Karavelle brüllte seine Befehle vom Achterdeck. Die beiden hinteren Segel standen noch an den Rahen, aber solange sie den Fockmast nicht loswurden, war das Schiff manövrierunfähig.
Hasard gab sich nicht der Illusion hin, daß die Karavelle jetzt wehrlos war. Sicher hatte der bretonische Freibeuterkapitän genügend Männer abgestellt, die an den Kanonen lauerten, um den Engländern den Treffer heimzuzahlen.
Ferris Tucker stand mit den Männern feuerbereit auf dem Mitteldeck. Sein Blick war auf Hasard gerichtet, der sich an der Reling des Quarterdecks festhielt und unverwandt zur Karavelle hinüberstarrte.
Hasard merkte, wie seine Männer unruhig wurden. Auch Ben Brighton wartete auf den Befehl, zu halsen, um dem Feind endgültig den Rest zu geben.
Die „Isabella“ war nur noch zweihundert Yards von der Karavelle entfernt. Jeden Augenblick konnten die Bretonen ihre Kanonen auf die Galeone richten.
Hasard preßte die Lippen zusammen. Er wollte diesmal ganze Arbeit leisten. Und dazu mußten sie noch dichter an den Gegner heran.
Immer deutlicher war das Geschrei von der Karavelle zu hören. Hasard sah, daß die Freibeuter es geschafft hatten, die Fockrahe, die mitten aufs Deck gekracht war, über Bord zu hieven. Gleich würden die Männer auch den abgeschossenen Fockmast von den Wanten und Stagen gelöst haben. Dann war das Schiff wieder manövrierfähig und eine große Gefahr für die „Isabella“. Denn selbst, wenn er nur noch die beiden Lateinersegel am Großmast und am Besan zur Verfügung hatte, war die leichte Karavelle wendiger als die schwerbeladene Galeone.
„Geschütze klar?“ rief Hasard zum Mitteldeck hinunter.
„Aye, aye!“ brüllte Ferris Tucker.
Hasard gab Ben Brighton den Befehl zum Halsen. Sie lagen schräg achteraus der Karavelle, und wenn sie Glück hatten, brachten die Bretonen ihre Geschütze nicht schnell genug herum, um das Feuer der Galeone zu erwidern.
Hasard warf einen Blick nach Nordwesten, wohin die anderen Karavellen gesegelt waren. Er erschrak, als er sie so dicht sah. Er hatte im Eifer des bevorstehenden Gefechtes nicht erkannt, daß sie ihren Kurs um 180 Grad gedreht hatten und nun direkt auf die „Isabella“ zuhielten.
Hasard wußte, daß er Ferris Tucker keine Befehle zu geben brauchte, wie er die einzelnen Geschütze einzusetzen hatte. Tucker war ein Mann mit Überblick.
Hasard mußte alle Kraft aufwenden, um den Keil, mit dem er die Höhe der kleinen Kanone auf dem Quarterdeck einrichtete, zwischen den Stellbock und die Kanone zu schlagen.
Dann hatte Ben Brighton die Galeone in die günstigste Position gebracht. Hasard hörte den Feuerbefehl von Ferris Tukker, und gleich darauf wurde die „Isabella“ von den gewaltigen Detonationen erschüttert.
Im Unterbewußtsein hörte er das Rumpeln der Lafettenräder auf den Decksplanken, und er spürte förmlich den Ruck, der durchs Schiff ging, als die mächtigen Brooktaue sich strafften und an den von Ferris Tucker verstärkten Zurringen zerrten.
In diesem Moment hielt Hasard den brennenden Holzspan an das Zündungsloch seiner Kanone.
Ben Brighton fuhr bereits eine Halse, aber das hatte Hasard einkalkuliert. Pulverdampf hüllte ihn ein, als das leichte Geschütz aufbrüllte.
Hasard mußte die Augen schließen. Er unterdrückte einen Hustenreiz und lief ein paar Schritte zur Seite, um die Wirkung der Breitseite zu erkennen.
Er stimmte in das Geschrei seiner Männer ein, als er sah, welche Verwüstung ihre Kugeln auf dem feindlichen Schiff verursacht hatten.
Das Achterdeck war ein formloser Haufen von zersplitterten Planken. Der Besanmast, der nur noch von einem Want gehalten wurde, senkte sich langsam zur Seite, und noch bevor er niederkrachte, fauchte plötzlich eine Stichflamme in den Himmel.
Eine Detonation folgte der anderen.
Die Pulvervorräte des Freibeuterschiffes flogen in die Luft!
Hasard sah, wie die überlebenden Bretonen über Bord sprangen, um von dem sinkenden Schiff nicht mit in die Tiefe gerissen zu werden. Ein paar Männer versuchten noch, ein Boot an Backbord abzufieren, aber eine weitere Explosion fegte sie vom Deck, als seien sie Daunenfedern.
Die See um die zerschossene Karavelle schien zu kochen. Das Achterschiff versank im brodelnden Wasser. Das Knirschen des auseinanderbrechenden Schiffes übertönte die verzweifelten Schreie der Verwundeten, die sich nicht mehr von Bord des sinkenden Schiffes retten konnten.
Eine letzte, gewaltige Explosion riß die Karavelle endgültig in zwei Hälften. Das Achterschiff verschwand gurgelnd. Das Vorschiff legte sich auf die Seite. Die letzten Männer rutschten über die Planken der Bordwand ins Wasser. Wahrscheinlich waren es die, die nicht schwimmen konnten. Ein paar von ihnen hatten Glück. Sie konnten sich an der vorübertreibenden Fockrahe festkrallen.
Ferris Tucker ließ den Zündlochbohrer, den er in der rechten Hand hielt, auf den Rücken eines der Männer sausen.
„Maul halten!“ brüllte er. „Wollt ihr wohl arbeiten, ihr faulen Säcke! Ihr brüllt noch hurra, wenn die Schneckenfresser euch die Masten über den Köpfen wegschießen!“
Hasard lief zur Nagelbank, an der Ben Brighton stand und den Männern an den Segeln Befehle zurief. Die „Isabella“ halste abermals und lief jetzt mit halbem Wind auf westlichem Kurs. Während Ferris Tucker nach Steuerbord hinüberlief, wo die Geschütze feuerbereit waren, begannen vier Mann der Besatzung, die abgeschossenen Backbordkanonen zu laden.
Dan O’Flynn und der Kutscher waren über das Schanzkleid gesprungen und saßen jetzt rittlings auf den Kanonen. Sie kratzten die Läufe aus, und als sie die mit Meerwasser getränkten Schwämme hineinstießen, um das Rohr abzukühlen, zischte weißer Dampf auf. Die beiden anderen Männer reichten ihnen die Kartuschen zu, und sie stießen sie mit dem Ansetzer in die Kammer.
Alles spielte sich innerhalb von Sekunden ab. Das Bürschchen und der Kutscher hatten nicht einmal Zeit, sich umzudrehen und zu den bretonischen Karavellen hinüberzuschauen, die sich der „Isabella“ bereits bis auf dreihundert Yards genähert hatten.
Hasard wußte, daß es jetzt ums Ganze ging.
Er fragte sich, ob es nicht doch besser gewesen wäre, das Weite zu suchen. Doch als zwei der vier Karavellen abdrehten, um der Besatzung der versenkten Karavelle zu Hilfe zu eilen, wußte er, daß er richtig gehandelt hatte.
Die Freibeuter dachten nicht daran, ihre schon sicher geglaubte Beute einfach davonschwimmen zu lassen. Wahrscheinlich hatten die vier Kapitäne der Freibeuterschiffe Hasard nur von dem manövrierunfähigen Schiff weglocken wollen, um ihn dann nach ein paar Seemeilen aus Luv angreifen zu können.
Jetzt hatte die Galeone immer noch die günstigere Gefechtsposition inne.
Durch das Spektiv sah Hasard die gestikulierende Gestalt des Kapitäns auf dem Achterdeck der Karavelle. Er ahnte förmlich, was der Bretone vorhatte.
„Ruder hart Steuerbord!“ brüllte er. „Werft die Brassen und Schoten los!“
Der Befehl erfolgte zu plötzlich. Die Männer reagierten schnell, aber doch nicht schnell genug. Hasard zuckte zusammen, als er das häßliche Geräusch hörte, mit dem das Fockmarssegel riß. Innerhalb von Sekunden knatterten Fetzen im Wind.
Die Karavelle hatte sich blitzschnell gedreht. Weiße Wölkchen stiegen über dem Schanzkleid auf. Hasard sah die Kugeln heranfauchen, und er wußte, daß die Bretonen diesmal besser gezielt hatten.
Ein heftiger Schlag erschütterte die Galeone, und gleich darauf hörte Hasard ein Splittern und Bersten über sich.
Die Toppstenge des Besanmastes raste wie ein riesiger Speer auf das Quarterdeck zu.
„Ben, Vorsicht!“ schrie Hasard und sprang in Deckung der Steuerbordkanone.
Die Stenge krachte auf die Decksplanken. Ein paar Splitter rasten durch die Öffnung, unter der Pete Ballie am Kolderstock stand.
Hasard sprang auf und lief zur Mitte des Quarterdecks. Aus den Augenwinkeln sah er, daß Ben Brighton unverletzt war. Hasard beugte sich über die Luke.
„Alles in Ordnung, Pete?“
Pete zog sich fluchend einen Holzsplitter aus der Schulter.
„Aye, aye, Hasard“, rief er wütend.
Der Seewolf grinste. Er kannte den Grund für die Wut des Rudergängers nur zu gut. Er haßte es, hier unter dem Achterdeck am Kolderstock zu stehen, während seine Kameraden draußen den Pulverdampf schmeckten und die verdammten Freibeuter in die Hölle jagten.
„Ruder hart Backbord!“
Hasards Befehl wurde von Pete Ballie sofort ausgeführt. Plötzlich zeigte die „Isabella“ den beiden Karavellen die Breitseite. Es war ein gefährlicher Moment. Jetzt kam es darauf an, wie der Kapitän der zweiten Karavelle reagierte. Die erste hatte ihre Kanonen bereits abgefeuert. So schnell konnten die Männer nicht drehen oder nachladen, um eine zweite Breitseite auf die Galeone loszulassen.
„Feuer!“ brüllte Ferris Tucker.
Diesmal hatte Hasard mit der kleinen Steuerbordkanone auf dem Quarterdeck gleichzeitig mit den anderen geschossen. Die Decksplanken vibrierten unter Hasards Füßen.
Während Ben Brighton die „Isabella“ wieder auf halben Wind legte, lief Hasard zur Nagelbank vor. Er sah, wie die Kugeln der Galeone in die Takelage der beiden Karavellen einschlugen. Das Focksegel der einen wurde durchgeschlagen, und der Wind riß es sofort größer.
Die zweite Karavelle feuerte jetzt, aber die Treffer in der eigenen Takelage hatten dem Schiff wahrscheinlich eine andere Neigung gegeben. Die Kugeln lagen um etwa zwanzig Yards zu kurz. Vier Wasserfontänen stiegen kurz vor dem Rumpf der „Isabella“ hoch.
Hasard wartete jeden Augenblick darauf, daß die Karavellen drehten, um die Backbordbreitseite ins Gefecht zu bringen. Aber die Bretonen schienen die Nase voll zu haben. Sie fielen ab und segelten hinter den anderen beiden Schiffen her, die dabei waren, ihre Kameraden aus dem Wasser zu fischen.
„Sie kneifen den Schwanz ein!“ schrie Donegal Daniel O’Flynn. Das Bürschchen stand außenbords auf der letzten Backbordkanone, die er gerade fertig geladen hatte. Sein rauchgeschwärztes Gesicht zeigte den Ausdruck des Triumphes. Sein blondes Haar hing ihm in wirren Strähnen in die Stirn, und seine Augen und seine Zähne blitzten in dem schwarzen Gesicht.
Batuti und Blacky stimmten in das Triumphgeheul ein, und dann brüllten sie alle.
Hasard stand schwer atmend neben Ben Brighton an der Nagelbank. Er ließ seine Männer diesen Augenblick auskosten. Doch nach ein paar Minuten machte er dem wilden Treiben auf dem Mitteldeck ein Ende. Zuerst kam das Schiff. Ihren Erfolg feiern konnten sie immer noch.
„Klarschiff!“ rief er hinunter. „Und holt das verdammte Fockmarssegel endlich ’runter. Ich kann das Knattern nicht mehr hören!“
„Aye, aye, Sir!“ rief Smoky und lief die Wanten des Fockmastes hinauf, als befinde er sich auf einer ebenerdigen Straße.
Ferris Tucker jagte die Männer durcheinander. Viel mußte getan werden, um das Mitteldeck wieder in einen ansehnlichen Zustand zu versetzen.
Zwei Männer gingen an die Arbeit, die Wanten des Fockmastes zu spleißen, Batuti und Dan O’Flynn kümmerten sich um den Besan und räumten die zersplitterten Reste der Toppstenge beiseite. Der Rest kümmerte sich um die Geschütze, nur der Kutscher wurde in die Kombüse geschickt, damit das Essen fertig war, wenn die Männer ihre Arbeit beendet hatten.
Hasard grinste Ben Brighton an. Sie hatten es einmal mehr geschafft. Hasard konnte sich über sein Glück wahrhaftig nicht beklagen.
„Wenn der Wind so bleibt, sind wir in zweieinhalb Tagen zu Hause“, sagte Ben Brighton. „Ich bin froh, wenn ich diese verdammte Prise endlich in Plymouth habe.“
„Was soll uns jetzt noch passieren?“ fragte Hasard grinsend und wollte sich abwenden, um zu seiner Kammer zu gehen.
Der helle Schrei, der durch die Planken des Mitteldecks gedämpft wurde, ließ sie alle zusammenzucken. Es war die Stimme des Kutschers, aus der die Panik herauszuhören war.
Und was er schrie, das ließ Hasard die Haare zu Berge stehen.
Ein Leck unter der Wasserlinie, das war das letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten!
Hasard dachte an den dumpfen Schlag, der die „Isabella“ erschüttert hatte, kurz bevor eine andere Kugel die Besantoppstenge heruntergeholt hatte. Verdammt, sie hatten alle geschlafen. Sie hatten den Sieg schon vor den Augen gesehen, und jetzt mußten sie sich vielleicht freiwillig dem Feind ergeben, wenn sie ihr Leben nicht verlieren wollten