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4.

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Auf dem Achterdeck der „San José“ fand unterdessen eine Kommandantenbesprechung statt. Don Garcia Cubera hatte alle Schiffsführer zu sich gerufen, auch die Schaluppenführer und die Hauptleute der Seesoldaten. Die Männer umringten ihren Capitán und blickten mit großem Interesse auf die Skizze, die Cubera in der Zwischenzeit hatte anfertigen lassen.

Es war der Zweite Offizier der „San José“ gewesen, der sie gezeichnet hatte. Er bewies stets ein großes Geschick in diesen Dingen, und er war es auch, der die für das Logbuch erforderlichen Skizzen entwarf, auf die Cubera den größten Wert legte.

Die Karte stellte eine perspektivische Draufsicht der Insel dar, mit Buchten und Erhebungen – ein kleines Meisterwerk, auf das der Zweite mit Recht stolz sein durfte, zumal er sie in der Hektik der auf den kurzen Kampf folgenden Phase des Rückzugs in größter Eile gezeichnet hatte.

Im Norden erhob sich, einem verschrumpelten Kegel gleich, der Felsendom mit der Einfahrt zur großen, geräumigen Bucht. Die Erinnerung an das furchtbare Ende der „San Gabriel“ wurde in den Männern sofort wieder wach, als sie drauf blickten.

Einer von ihnen räusperte sich, es war der Erste Offizier. Sein Zeigefinger richtete sich auf die Berge im Westen.

„Die höchste Erhebung, nicht wahr?“ sagte er. „Dort scheinen sich die meisten von ihnen eingenistet zu haben.“

„Um wie viele Engländer handelt es sich Ihrer Ansicht nach?“ fragte Cubera.

„Das ist schwer zu sagen.“

„Zweihundert bis dreihundert Mann“, sagte einer der Schaluppenführer.

„Weniger“, sagte Cubera. „Ich bin ziemlich sicher, daß es unter hundert Mann sind, die uns da in Atem halten und uns schwer zusetzen.“

„Ungeheuerlich“, sagte einer der Karavellenkapitäne. „Ich kann es kaum fassen, daß wir mit ihnen nicht fertig werden. Sie haben nicht einmal Schiffe – und doch haben sie bereits zwei unserer Schiffe versenkt.“

Cubera schürzte leicht die Unterlippe. „Es hat wenig Sinn, das jetzt noch groß zu erörtern. Ich bitte Sie vielmehr darum, jetzt all das auf der Skizze einzuzeichnen oder durch Punkte und Kreuze zu markieren, was sie bei dem Feuerüberfall der englischen Freibeuter entdeckt haben – also mit anderen Worten die Geschützstellungen.“

„Ja, Señor“, murmelten die Männer. Dann griffen sie nach der Karte und reichten sie von einem zum anderen weiter.

Auch der Kapitän der explodierten Karavelle, jetzt ein Capitán ohne Schiff, war mit zur Stelle. Er betrachtete die Karte besonders genau und tippte schließlich ebenfalls mit grimmiger Miene auf die Bergregion im Westen der Insel, wie es der Erste der „San José“ getan hatte.

„Es stimmt“, sagte er. „Hier ist die Abwehr besonders massiv. Wir, meine Männer und ich, haben es ja am eigenen Leib zu spüren bekommen, denn wir befanden uns an dieser Uferseite, als sie unser Schiff in Brand setzten. Aber das werden sie noch bereuen, ich schwöre es.“

„Da scheinen mehr Kanonen zu sein als an anderen Stellen der Insel“, bestätigte nun auch einer der Schaluppenführer, und die anderen pflichteten ihm durch Kopfnicken bei. „Da ist der Widerstand so stark, daß man sich unweigerlich versengt, wenn man auf kurze Entfernung herangeht.“

„Also“, sagte Cubera. „Darüber sind wir alle uns einig. Ich ziehe aus Ihrer Aussage, Señores, den Schluß, daß wir dort, vor allem am Nordwestpunkt, keinesfalls landen dürfen.“

„Sie wollen landen?“ fragte der Erste Offizier halb erstaunt, halb betroffen.

„Ja, das ist mein nächstes Vorhaben“, entgegnete Cubera. „Ein Landeunternehmen im Feuerschutz unserer vier verbliebenen Schiffe. Darüber, Señores, will ich mit Ihnen sprechen. Deswegen habe ich Sie an Bord der ‚San José‘ gerufen.“

„Sie denken also nicht daran, aufzugeben?“ fragte der Kapitän der explodierten Karavelle.

„Ich denke nicht daran. Sie vielleicht?“

„Nein, Señor, das habe ich ja bereits hervorgehoben.“

Cubera blickte in die Gesichter der anderen Kommandanten und der Offiziere. „Ich will nichts beschönigen und habe auch nicht die Absicht, unsere eigenen Verluste herunterzuspielen. Diejenigen unter Ihnen, die mich schon länger kennen und unter meinem Kommando gefahren sind, werden es bestätigen: Es liegt nicht in meiner Art und paßt nicht zu meinem Charakter. Von ursprünglich zehn Kriegsschiffen, Señores, sind nur noch vier übriggeblieben. Man muß sich das einmal vorstellen! Ich betone ausdrücklich: Der Gegner darf von nun an keinesfalls unterschätzt werden. Ich selbst habe mir die Eroberung der Insel wohl leichter vorgestellt, als sie in Wirklichkeit ist.“

„Das glaube ich nicht, Señor Comandante“, sagte der Kapitän der zweiten Galeone. „Keiner von uns hat sich denken können, daß noch Menschen auf der Insel sind, die uns derart die Zähne zeigen.“

„Was folgern Sie daraus?“

„Daß die Engländer verdammte Hundesöhne sind!“ stieß der Mann erbost hervor. „Und daß es unsere verfluchte Pflicht ist, sie zu erledigen!“

„Sie haben mir mit Ihren Worten aus dem Herzen gesprochen“, sagte Cubera. „Unsere Verluste sind ein Beweis für die Härte des Gegners, für seine Kampfstärke und Gefährlichkeit, die es jedoch auszuschalten gilt, um weiteren Schaden für Spanien und seine Besitzungen in der Neuen Welt abzuwehren – schweren Schaden, der sich ins Unermeßliche steigern könnte, wenn die Engländer beispielsweise in der Karibik weitere Expansionsversuche unternehmen. Das Ganze könnte die Ausmaße eines Krieges annehmen.“

„Und wir dürfen die Armada nicht vergessen“, sagte ein Schaluppenführer. Er verstummte aber sogleich wieder, denn die anderen sahen ihn ärgerlich und zurechtweisend an. Keiner wollte an die Niederlage von 1588 erinnert werden.

„Wir müssen vor allem daran denken, daß die Nation auf uns blickt“, fuhr Cubera fort. „Von dem Erfolg unseres Unternehmens hängt einiges ab. Scheitern wir, so legen die Engländer es wiederum als Schwäche aus, und bald werden neue Überfälle auf unsere Geleitzüge die Folge sein. Die Karibik wird zu einem unsicheren Gewässer, wir können uns dann bald nicht mehr halten.“

„Nein!“ stieß der Kapitän der explodierten Karavelle wütend hervor. „So weit darf es nicht kommen!“

„Wir sind uns also alle darüber einig, Señores, daß es kein Zurück gibt?“ fragte Cubera.

„Einig, Señor“, erwiderte der Kapitän der zweiten Galeone. „Aber es würde ohnehin keiner von uns wagen, etwas gegen Ihre Befehle einzuwenden oder gar dagegen aufzubegehren. Das wäre Meuterei.“

„Ja, natürlich“, sagte Cubera. „Aber mir war es in diesem besonders heiklen Moment wichtig, Ihnen noch einmal den Sachverhalt darzulegen.“ Er war kein sturer Militarist, sondern er legte Wert auf den menschlichen Kontakt zu seinen Männern, was sich immer als Vorteil erwiesen hatte. Sie mochten und achteten ihn, und der überwiegende Teil von ihnen wäre bereit gewesen, für ihn über glühende Kohlen zu gehen, falls die Lage es erfordert hätte.

„Kurzum, die Insel muß erobert und zerstört werden“, sagte Don Garcia Cubera. „Nie wieder darf sie Piraten als Schlupfwinkel dienen. Ich bitte Sie, noch einmal die Karte anzuschauen.“ Er hielt sie inzwischen wieder in den Händen und warf einen Blick auf die Eintragungen. „Wie ich sehe, scheint es insgesamt elf oder zwölf Geschützstellungen zu geben.“

Sie beugten sich wieder über die Karte, und der Kapitän der zweiten Galeone sagte: „Sollten wir nicht besser von zwei Seiten landen? Beispielsweise von Norden und Süden gleichzeitig – um die Abwehr der Kerle zu zersplittern.“ Er wies dabei auf die große Bucht im Norden, die sich zwischen dem Felsendom und der höchsten Erhebung der Insel befand, und auf die beiden südlichen Buchten, von denen die östliche wiederum eigentlich aus zwei kleinen Buchten bestand.

Cubera zeigte sich skeptisch. „Ich verspreche mir mehr von einem massiven Landeangriff an nur einer Stelle“, sagte er, „weil wir dabei die volle Feuerkraft unserer vier Schiffe einsetzen können, um den Gegner niederzuhalten und die Landungsboote durchbrechen zu lassen. Eine Aufsplitterung der Abwehr, bedeutet gleichzeitig auch eine Aufsplitterung der eigenen Kräfte, zumal wir keinerlei Information über die tatsächliche Stärke des Gegners haben. Nach wie vor stützen wir uns lediglich auf Vermutungen, und ich bitte Sie, daran zu denken, daß diese Einschätzung des Feindes sehr vage ist und erhebliche Risiken mit sich bringt.“

Er wandte plötzlich den Kopf und blickte zum Vordeck. Von dort ertönte eine seltsame, absonderliche Mischung von Lauten. Jemand schien zu kreischen und zu quieken, aber gleichzeitig waren auch keuchende, schnaufende und grunzende Laute zu vernehmen. Alles in allem klang es so, als würde jemand einem peinlichen Verhör unterzogen.

„Was ist da los?“ fragte er verblüfft.

„Das ist Don Antonio“, erwiderte der Erste Offizier. „Er wird gerade im Lazarettraum behandelt, scheint mir.“

„Sorgen Sie dafür, daß das abgestellt wird“, sagte Cubera schroff. „Das ist ja eine Schande. Für uns alle. Selbst der Gegner kann das hören, und ich will nicht, daß er sich auch noch über uns lustig macht.“

Der Erste Offizier ging zur Querbalustrade des Achterdecks, winkte den Profos zu sich heran und sagte: „Veranlassen Sie, daß das Gebrüll aufhört, Profos.“

„Jawohl, Señor“, sagte der Mann. „Mit Vergnügen.“ Er drehte sich um und schritt entschlossen auf das Steuerbordschott des Vordecks zu.

Almenara, der Schiffsarzt, versah sein Werk sehr gewissenhaft. Don Antonio war gründlich gesäubert worden und bildete alles in allem einen rosigen, jedoch keineswegs appetitlichen Anblick. Es stimmte – er hatte einen Splitter empfangen, und dieses „Ding“ galt es jetzt zu „fischen“. Almenara hatte sich mit seinen Gerätschaften bewaffnet und führte die „Operation“ durch, die er dem Dicken bereits angekündigt hatte.

Don Antonio lag auf dem Bauch. Nur mit Widerwillen und Ekel hatte er sich darauf eingelassen, sich auf dem Behandlungstisch auszustrecken, auf dem vor ihm bereits das „gemeine Decksvolk“ verarztet worden war. Er jammerte und zitterte, und sein Klagen steigerte sich zu einem ohrenbetäubenden Kreischen und Brüllen, als Almenara ihn zu berühren begann.

Die beiden Sanitätsgasten hielten ihn an den Armen und Beinen fest und grinsten begeistert. Nie hatten sie sich besser amüsiert. Der Dicke hatte eine Abreibung verdient – und die erhielt er jetzt, ohne daß man Almenara vorwerfen konnte, er quäle den Mann absichtlich.

„Ruhig bleiben und nicht wackeln, Señor“, sagte Almenara. „Je mehr Sie sich bewegen, desto schlimmer wird es für Sie.“

„Aufhören!“

„Wir haben gerade erst angefangen“, sagte Almenara, ohne eine Miene zu verziehen. „Sie haben aber gar keine Geduld.“

„Du Satan!“

„Señor, es ist sehr ungerecht von Ihnen, mich so zu beschimpfen. Ich helfe Ihnen, und Sie revanchieren sich mit derartigen Kraftausdrücken.“ Mit einer langen Pinzette versuchte er, die Spitze des Splitters in der zuckenden Masse zu fassen.

„Ich lasse dich hängen!“ brüllte Don Antonio, und sein Gesicht war unter den letzten Puderresten wieder so rot, als sei er einem Schlaganfall bedenklich nahe.

„Leider haben Sie dazu weder das Recht noch die Befugnis“, sagte Almenara und trachtete wieder mit Konzentration danach, das „Ding“ zu packen.

„Mörder!“

„Eigentlich können Sie noch zufrieden sein, Señor“, sagte Almenara. „Die Untersuchung hat ergeben, daß weitere hochempfindliche Körperteile unversehrt geblieben sind. Darüber sollten Sie dankbar sein. Es geht nicht immer so glimpflich ab, wie Sie denken. Ich habe da beispielsweise mal einen unter dem Messer gehabt, der seiner Mannesehre beraubt worden war. Soll ich Ihnen mal genau schildern, wie …“

„Aufhören!“ kreischte der Dicke.

„Womit? Mit dem Erzählen oder mit der Behandlung?“ fragte Almenara so freundlich wie möglich. Die Sanitätsgasten mußten dabei an sich halten, um nicht laut herauszuplatzen.

„Mit beidem!“ stieß Don Antonio entnervt und gequält hervor. „Du willst mich foltern, du Drecksack!“

„Ach, es ist wirklich traurig, daß Sie so etwas sagen“, brummte Almenara und setzte sein Werk ungerührt fort. „Aber so ist die Welt. Undankbar und grausam. Wer was Gutes tut, kriegt auch noch einen Tritt.“

„Gnade!“ jammerte Don Antonio. „Erbarmen!“ Er versuchte, zu zappeln und mit den Beinen zu strampeln, aber die Sanitätsgasten waren kräftige, große Kerle, die es verstanden, zuzupacken. Sie hielten ihn fest und blickten grinsend zu dem Profos, der soeben das Schiffslazarett betrat.

Almenara wandte nicht den Kopf, er war zu beschäftigt. Wieder schnappte er mit der Pinzette zu – und im selben Augenblick entfuhr Don Antonio de Quintanillas Kehle ein gurgelnder Schrei, der mit einem pfeifenden Keuchen endete. Dann trat Ruhe ein, und der Fettberg schien wie zusammenfallende Hefe zu erschlaffen.

„Was ist los?“ fragte Almenara, ohne aufzusehen.

„Er ist ohnmächtig“, erwiderte ein Sanitätsgast.

„Schade“, brummte der Profos. „Ich wollte ihm gerade das Maul stopfen.“

„Der Ärmste ist keine Schmerzen gewohnt“, sagte Almenara mit einem Seufzer. Er kniff erneut zu, konnte den Splitter fassen und zog ihn mit einem energischen Ruck heraus. „Hier, da haben wir ihn. Na, wie haben wir das gemacht?“

„Großartig“, sagte der Profos. „Aber es ging viel zu schnell.“

„Er ist ja sowieso bewußtlos.“

„Ich habe noch nie eine größere Memme gesehen“, sagte der Profos und blickte in einer Mischung aus Ekel und Verachtung auf den reglos daliegenden Gouverneur. „Und so was hat in Havanna den Befehl? Männer, ich kann das einfach nicht begreifen.“

„Es gibt viele Dinge im Himmel und auf Erden, die für uns unergründlich sind“, sagte Almenara und richtete sich lächelnd auf. „Aber es ist auch nicht unsere Aufgabe, darüber nachzusinnen. Es bringt uns wenig ein, glaube es mir.“

„Ja, du mit deinen klugen Sprüchen“, sagte der Profos. „Ich weiß, du hast uns einiges voraus. Aber das eine versichere ich dir: Keiner würde dem Schwein eine Träne nachweinen, wenn es verschwinden würde.“

„Verschwinden?“ Almenara blickte sich nach allen Seiten um, als schmiedeten sie gerade ein Komplott und er habe Angst, belauscht zu werden. „Oh, sag so was nicht. Wir sind nicht seine Richter.“

„Leider. Aber ich hätte ihn gern neben diesem Gomez Guevara baumeln sehen.“

„Wir auch“, sagten die Sanitätsgasten wie aus einem Mund.

„Der Kerl muß als Gouverneur abgesetzt werden“, sagte der Profos. „Sonst bringt er uns alle noch in Teufels Küche.“

„Falls wir jemals nach Havanna zurückkehren“, sagte Almenara. Er war jetzt sehr ernst. „Aber darauf würde ich nicht unbedingt bauen.“ Er gab seinen Helfern einen Wink. „Bringt den Señor jetzt weg. Wir haben schon viel zuviel Zeit für ihn verwendet. Ich will jetzt wieder die Verletzten untersuchen. Wie geht es dem Compadre, der das Auge verloren hat?“

„Ich habe ihn weinen sehen“, entgegnete der Profos mit gedämpfter Stimme. „Aber es hat nur kurze Zeit gedauert. Jetzt ist er schon wieder auf seinem Posten und klart mit den anderen die Back auf. Solche Männer sind für mich tausendmal mehr wert als dieses feige Schwein Don Antonio.“

„Für mich auch“, sagte Almenara. „Und je mehr von ihnen ich vor dem Tod bewahren kann, desto stolzer bin ich auf meine Arbeit.“ Er griff nach der Flasche Grappa. Eine Stärkung konnten sie jetzt gebrauchen.

Die Unterredung auf dem Achterdeck der „San José“ fand unterdessen ihren Abschluß. Don Garcia Cubera hatte sich wieder seinen Kapitänen, den Schaluppenführern und den Offizieren zugewandt, und letzte Details des geplanten Landemanövers auf der Schlangen-Insel wurden durchgesprochen.

Seewölfe Paket 21

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