Читать книгу Seewölfe Paket 21 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 29
6.
ОглавлениеKarl von Hutten hatte in der Dunkelheit einige Aktivitäten entwickelt, von denen der Feind nichts ahnte. Er hatte fast alle Kämpfer zur Südküste zusammengezogen, dann waren die Ketten vor den Einfahrten zu den beiden Buchten straff durchgehievt worden, um den Landungsbooten eine Falle zu stellen.
Diese Vorrichtung, die auch vor den Eingängen anderer Buchten der Insel angebracht war, war von Hesekiel Ramsgate zusammen mit Ferris Tucker entworfen und gebaut worden. Die Ketten wurden mittels Strecktauen und einer Seilwinde straff durchgesetzt, so daß sie sich jetzt etwa anderthalb Handbreit unter Wasser von einer Seite zur anderen spannten. Sie waren unsichtbar – nicht nur für den Gegner, sondern auch für die Männer der Insel, die in ihren Deckungen kauerten und mit wildem Ausdruck auf das Nahen der Spanier warteten.
Immer wieder huschten die verheerenden Brand- und Pulverpfeile von den Bogensehnen der Schlangen-Krieger und schwirrten durch die Nacht. Der Hagel riß nicht ab – und er richtete Fürchterliches bei dem Gegner an.
Der Erfolg dieses Beschusses lag in der Vielzahl der Pfeile, die pausenlos angezündet, angelegt und abgesandt wurden. Die Indianer bewiesen Schnelligkeit und Geschick, und nur wenige Pfeile waren schlecht gezielt und verpufften wirkungslos im Wasser.
An Bord der Schiffe waren die Spanier gezwungen, Männer zur Feuerbekämpfung abzustellen. Sie fluchten und tobten, aber es nutzte ihnen alles nichts, die Pfeile bohrten sich wie glühende Nägel in die Planken und in die Takelagen.
Für kurze Zeit schien der Angriff ins Stocken zu geraten, und fast wirkte es, als zögen die Schaluppen- und Jollenführer ernstlich in Erwägung, umzukehren und den Rückzug anzutreten. Dann aber hallten ihnen von Bord des Flaggschiffes neue Befehle und Anfeuerungen nach, und sie pullten weiter und trachteten danach, die Barriere des Widerstandes zu durchbrechen.
Drehbassen und Kanonen hatten auf der Schlangen-Insel massiv in die Abwehr eingegriffen, aber das war noch nicht alles. Von Hutten, Ramsgate und die Männer der Werft hatten in den Tagen vor der Schlacht für eine weitere „Wunderwaffe“ gesorgt, die jetzt zum Einsatz gebracht wurde: Wurfbomben.
Ferris Tucker war der eigentliche Erfinder dieser Flaschenbomben, die auch Höllenflaschen genannt wurden. Er erhob aber keineswegs den Anspruch auf ein Monopol, sondern zeigte bereitwillig jedem, der es lernen wollte, wie man eine solche Bombe herstellte: Pulver, Blei, Eisen und gehacktes Glas wurden in eine Flasche gefüllt, die fest mit einem Korken verschlossen wurde. Durch den Korken lief eine Zündschnur, die nach dem Entfachen bis ins Innere weiterglomm und auf diese Weise die Ladung auch dann zum Detonieren brachte, wenn die Flasche im Wasser landete und unterging.
Karl von Hutten, Ramsgate und Pater David kauerten zwischen den Felsen und reichten die Höllenflaschen an die Schlangen-Krieger weiter. Die Lunten wurden entfacht und begannen knisternd abzubrennen, ihre Funken waren wie ein flimmernder Sprühregen.
Arkanas Krieger jonglierten mit den Flaschen wie Zauberkünstler, sie warfen sie sich untereinander zu. Der jeweils am weitesten vorn stehende Mann vollführte einen tollkühnen Satz und schleuderte das Wurfgeschoß im Hochspringen auf die heranpullenden Jollen und Schaluppen. Sie riskierten dabei, selbst getroffen zu werden, aber wie durch Hexerei gelang es ihnen immer wieder, sich vor den Schüssen des Gegners gerade noch rechtzeitig in Deckung zu werfen.
Von den Jollen und Schaluppen aus, die am weitesten vorn lagen, also das Ufer der Insel nahezu erreicht hatten, wurden inzwischen Musketenschüsse auf den Gegner abgefeuert. Die Seesoldaten richteten sich von ihren Duchten auf und zielten auf die hochspringenden Gestalten, so gut ihnen das in der Dunkelheit möglich war. Die Mündungsfeuer der Kanonen und Drehbassen, die immer wieder zwischen den Felsen aufzuckten, erleichterten es ihnen ein wenig – und so erkannten sie auch, daß es sich bei den Verteidigern um halbnackte, braunhäutige Männer handelte.
„Indianer!“ brüllte ein Sargento und betätigte den Abzug seiner Muskete. Es krachte, aber die Kugel verirrte sich wirkungslos zwischen den Felsen.
Der Krieger, auf den der Sargento gezielt hatte, war wie ein Spuk wieder verschwunden, aber die von ihm geschleuderte Flaschenbombe taumelte mit zischender Lunte durch die Luft, auf die Jolle zu, in der der Sargento mit seinem Trupp saß.
Dieser Sargento glaubte bereits, es geschafft zu haben und als erster auf der Insel des Feindes zu landen. Gedanken nahmen in seinem Geist Gestalt an, die ihn als todesmutigen Kämpfer mitten zwischen den Reihen der Gegner zeigten. Er siegte – und die Beförderung zum Teniente war ihm gewiß.
Aber die Vorstellung blieb ein Traum.
Die Flaschenbombe senkte sich auf das Boot und landete zwischen den Duchten. Die Spanier brüllten auf und versuchten, dem rollenden Ding auszuweichen, gerieten sich dabei jedoch gegenseitig ins Gehege. Sie rempelten sich an, fluchten, schrien und stolperten. Zwei Soldaten verloren das Gleichgewicht und stürzten ins Wasser.
Der Sargento bückte sich gedankenschnell nach der Flasche und hob sie auf. Er wollte sie weit von sich schleudern, zurück zum Gegner, aber er gelangte nicht mehr dazu. Sie explodierte in seiner Hand.
Cubera verfolgte mit versteinerter Miene vom Achterdeck der „San José“, wie es die Jolle auseinanderriß. Nur wenige Augenblicke darauf sank auch eine Schaluppe unter dem Beschuß von Kanonenkugeln, Pfeilen und Wurfbomben. Das Höllenfeuer brandete von Boot zu Boot, und auch die neuerlichen Breitseiten, die die Schiffe auf das Ufer abfeuerten, vermochten die Landungsfahrzeuge nicht ausreichend zu decken.
„Indianer!“ gellte es wieder.
Einer der Schaluppenführer hatte es gerufen. In das Wort hinein fiel der Donner einer detonierenden Flasche, und wieder wirbelten Holztrümmer durch die Nacht.
Indianer, dachte Cubera bestürzt und verwirrt. Er war jetzt völlig fassungslos. Was hatten die Eingeborenen auf der Insel zu suchen? Englische Piraten hatte er anzutreffen gemeint, statt dessen entpuppten sich die Verteidiger der Insel als Wilde. Wer hatte sie hergeholt? Die Engländer? Cubera konnte es sich nicht vorstellen.
Ein Pakt zwischen Weißen und Rothäuten war gleichsam absurd, Welten trennten die beiden Rassen. Gleichwohl mochten die Indianer die Ureinwohner der Insel sein oder aber Kariben oder Aruaks, die durch einen Zufall hierher verschlagen worden waren.
Egal – allein die Tatsache zählte. Sie waren da und schienen obendrein hervorragend mit Schußwaffen umgehen zu können. Auch das war ungewöhnlich, ja fast als unwahrscheinlich zu bezeichnen. Doch immer wieder lieferten sie Beweise ihrer Geschicklichkeit, auch in diesem Moment. Mindestens ein Dutzend Pfeile rasten durch die Luft, und zwei Wurfbomben bewegten sich torkelnd auf die Landungsboote zu. Eine klatschte ins Wasser, ging dann aber doch noch hoch und erzeugte starke Wellen, die eine Jolle beinah zum Kentern brachten. Die andere landete im Bug einer Schaluppe und flog mit einem Donnerhall auseinander.
Cubera hatte die Hände zu Fäusten geballt und fluchte im Schreien der Sterbenden und Verletzten. Das Unheil war nicht mehr aufzuhalten, er selbst hatte keinen Einfluß mehr auf die Geschehnisse. Die eigenen Batterien vermochten den geforderten Feuerschutz für die angreifenden Boote nicht mehr zu geben, alles brach zusammen. Die Brandbekämpfung auf dem eigenen Deck war zum entscheidenden Problem geworden.
Flammen schossen von den Decks der Schiffe hoch und griffen gierig nach Tauwerk und Segeln. Befehle schallten durch die Dunkelheit, die Besatzungen rannten mit Pützen und Kübeln auf und ab, die mit Wasser und Sand gefüllt waren. Mutige Männer enterten in den Wanten auf und entleerten die Pützen in das Feuer, aber es zeigte sich trotzig und widerspenstig und wollte nur schwer wieder verlöschen.
So war es auch an Bord der „San José“: Die Männer liefen durcheinander, holten das Wasser, das in Kübeln bei den Geschützen bereitstand, kippten es aus und fierten die Kübel und die Pützen an Tauen außenbords ab, um neues Seewasser zu schöpfen.
Schwallweise klatschte das Wasser auf die Planken, und die Kuhl verwandelte sich in ein einziges Schlammfeld wegen des Sandes, der wie üblich bei Gefechtsbereitschaft ausgestreut worden war, um den Männern einen sicheren Stand zu gewährleisten.
Aber das Feuer flackerte in der Takelage weiter und verlangte den Männern den größten Einsatz ab. Sie mußten schnell sein, sonst war es um die Segel der Galeone geschehen. Schon fraßen die Flammen hier und da Löcher ins Rigg, und Fallen und Brassen bewegten sich züngelnd wie Feuerschlangen.
Jeder Mann kämpfte gegen das Feuer, alle waren beschäftigt – und es war niemand mehr da, der die Kanonen zünden konnte. Die Geschütze der Schiffe schwiegen, nur am Ufer krachte und donnerte es noch, und die Landetrupps waren dem verheerenden Beschuß des Feindes ausgeliefert.
In ohnmächtiger Wut schloß Don Garcia Cubera die Augen. Dann griff auch er nach einem wassergefüllten Kübel, denn ein Brandpfeil hatte die Luvbesanwanten in Brand gesetzt. Fluchend leerte er den Kübel. Es zischte, und die Flammen erstarben. Aber es war noch nicht vorbei. Brand- und Pulverpfeile rasten auf die „San José“ zu und deckten sie erneut ein.
Wahnsinn, dachte Cubera, eine Handvoll Wilder ist unser Verhängnis. Es war verrückt – und doch war es die Wahrheit. Auch der Plan, die Bewohner der Insel bei Dunkelheit vernichtend zu schlagen, erwies sich als reine Illusion. Cubera wußte, daß er am Ende war, wenn den letzten Schaluppen und Jollen, die noch blieben, nicht der Durchbruch zum Südufer gelang.
Don Antonio de Quintanilla hatte das Bewußtsein wiedererlangt, als der Trompeter das Signal zum Angriff geblasen hatte. Sofort richtete er sich von seiner Koje auf, stöhnte aber und krümmte sich, als er den stechenden Schmerz in seinem verlängerten Rückgrat verspürte.
Das Donnern der Kanonen ließ die „San José“ erzittern. Wieder ein Angriff, dachte Don Antonio, Santa Madre de Dios! Er unternahm einen zweiten Versuch, erhob sich unter Qualen und stolperte zum Schott.
Als das Dröhnen und Krachen zunahm und die Schüsse vom Ufer der Insel erwidert wurden, hieb er mit den Fäusten gegen die Bohlen und schrie: „Aufmachen! Laßt mich hier raus!“
Wohin er wollte, wußte er eigentlich selbst nicht so recht. Auf das Achterdeck auf keinen Fall – dort war alles noch viel schlimmer, wie er am eigenen Leib erfahren hatte. Wohin also? Er wollte sich verkriechen, irgendwo. Eine böse Ahnung sagte ihm, daß eine Kugel ausgerechnet seine Kammer treffen würde. Bei dem Pech, das er in der letzten Zeit gehabt hatte, war es durchaus möglich.
Wieder trommelten seine Fäuste gegen das Schott. „Aufmachen!“
Aber niemand antwortete ihm. Jetzt begriff er endlich – der Wachtposten war für die Dauer des Gefechts abgezogen worden. Kein Bewacher war zur Stelle, niemand, der ihn erhörte, aber auch niemand, der ihn kontrollierte.
In seiner Verzweiflung und Panik faßte er einen tollkühnen, wilden Entschluß. Er wollte versuchen, das Schott zu sprengen. Er wich ein Stück zurück und nahm Anlauf. In diesem Moment dröhnten wieder die Schiffskanonen, und die Decks erzitterten wie unter heftigen Hammerschlägen. Don Antonio verlor die Balance, ruderte noch mit den Armen, vermochte sich aber nicht zu halten. Mit einem hörbaren Krach landete er auf den Planken. Sein spitzer Schrei schien noch das Orgeln der Geschütze zu übertönen. Er hatte sich genau auf sein Hinterteil gesetzt.
Schwerfällig erhob er sich wieder, fluchte und nahm Anlauf auf das Schott. Er warf sich mit der Schulter dagegen. Das Schott bebte nur ein bißchen, rührte sich aber um keinen Zoll vom Fleck. Don Antonio hingegen schrie wieder, denn seine Schulter schmerzte, als sei ein Knochen gebrochen.
Er war eben zartbesaitet und hatte sich sein Leben lang nur geschont. Keine körperliche Ertüchtigung – das hatte jetzt seine Folgen. Er war weder an Schmerzen noch an das harte Leben auf einem Kriegsschiff gewöhnt. Es war der größte Fehler seines Lebens gewesen, sich an Bord der „San José“ zu begeben, und er mußte teuer dafür bezahlen.
Er ließ sich auf seine Koje sinken und barg das Gesicht in den Händen. Draußen krachte es immer noch, aber die Schiffskanonen waren jetzt verstummt. Dafür trappelten über ihm die Schritte der Männer auf und ab, und heisere Rufe wurden ausgestoßen.
„Feuer im Schiff!“ Soviel vermochte er herauszuhören. Wieder war er entsetzt und von panischem Schrecken ergriffen. Feuer? War dies das Ende? In seiner Kammer saß er in der Falle, in einem tödlichen Gefängnis. Was war, wenn die Flammen von dem Schiff Besitz ergriffen und das Achterkastell umzingelten? War es dann endgültig um ihn geschehen?
Er brüllte und tobte, jammerte und weinte, aber es nutzte alles nichts: Keiner hörte ihn. Oder es wollte ihn keiner hören. Er, Don Antonio, sollte von ihnen aus ruhig bei lebendigem Leibe verbrennen, sie gönnten es ihm sogar, denn sie haßten ihn.
Sein grenzenloses Selbstmitleid und die Angst drohten ihn zu ersticken. Er war nicht mehr in der Lage, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Wurde es nicht schon heiß um ihn herum? War da nicht das Knistern und Knacken des Feuers – im Gang, vor dem Schott?
Er stand wieder auf und torkelte zum Schott. Er schien sich getäuscht zu haben, doch Brandgeruch stieg ihm tatsächlich in die Nase. Also war das Feuer nicht fern – und die Aufregung der Männer an Oberdeck schien zu beweisen, daß sie es immer noch nicht in der Gewalt hatten.
„Feuer!“ schrie Don Antonio. „Gerechter Himmel, steh mir bei!“
Er hatte sonst nie gebetet, zumal er sich in Havanna in seiner maßlosen Selbstüberschätzung und Arroganz als gottähnlich eingestuft hatte. Jetzt aber war sein Selbstbewußtsein zerstört, und er klammerte sich in seiner Angst und Not an den letzten Halt, den es für ihn gab. Er rang die Hände und stieß jammernde, flehende Laute aus.
Etwas bohrte sich mit pochendem Laut in die Außenhaut des Flaggschiffes. Ein Pfeil, dachte Don Antonio noch in jähem Entsetzen – dann zerriß eine Explosion die Planken, denn es hatte sich um einen Pulverpfeil gehandelt.
Don Antonio stieß einen schrillen, kreischenden Laut aus und warf sich zu Boden. Er kroch zitternd unter den Tisch und war sicher, jetzt sterben zu müssen.
Aber die Explosion hatte die Planken der „San José“ nicht aufreißen können, dafür war die Ladung denn doch zu gering. Kein Loch klaffte in der Außenhaut, nur Don Antonio bildete es sich ein. Er glaubte, das Wasser rauschen zu hören, das hereinströmte, dann sah er die „San José“ als brennendes Wrack sinken und sich selbst wie eine hilflose Ratte ertrinken und verbrennen.
Die Vorstellung genügte – er wurde wieder einmal ohnmächtig. Wie ein dickes Bündel Lumpen lag er unter dem Tisch, während draußen der Kampf weitertobte.
Feuer im Schiff – das war ein Feind, vor dem jedem Seemann die Haare zu Berge standen. Die Furcht griff um sich und breitete sich unter den Männern der Besatzungen aus, und jeder hatte noch die Karavelle vor Augen, deren Brand an Bord die Pulverkammer entzündet und in die Luft gejagt hatte. Ein Schicksal, vor dem es jedem graute.
Sie verdoppelten ihre Anstrengungen und irrten wie die Besessenen hin und her, vom Schanzkleid, wo die frisch gefüllten Pützen und Kübel hochgehievt wurden, zu den Brandherden, die immer wieder neu aufflackerten.
Cubera war es gelungen, die Disziplin auf seinem Schiff wiederherzustellen. Eine lange Kette von Männern wurde auf dem Hauptdeck gebildet, sie reichten die Pützen und Kübel von einem zum anderen weiter und erhöhten auf diese Weise die Geschwindigkeit, mit der die Behälter entleert und wieder gefüllt wurden.
Die Maßnahme zeigte einen ersten Erfolg, das Feuer war jetzt unter Kontrolle.
„Weiter so!“ rief Cubera seinen Männern zu, und die Offiziere trieben die Decksleute zu Höchstleistungen an. Cubera hatte unterdessen wieder so viel Luft, daß er seinen Blick auf das Ufer der Insel richten konnte.
Er wurde Zeuge, wie zwei Schaluppen mit Höchstfahrt auf die westliche, größere der beiden Buchten zuliefen. Ihnen schien der Durchbruch offenbar zu gelingen, obgleich der Gegner nach wie vor alle Register zog und mit Kanonen, Drehbassen, Pfeil und Bogen und Wurfgranaten die drohend bevorstehende Landung zu verhindern trachtete.
Plötzlich aber wurden die beiden Schaluppen wie durch eine unsichtbare Riesenfaust gestoppt. Ja – sie prallten regelrecht zurück. Ihre Insassen, die Soldaten und die Rudergasten, taumelten und stürzten durcheinander, einige kippten ins Wasser.
Und wieder waren da die Indianer am Ufer, die hochschnellten und ihre Flaschenbomben schleuderten. Mit zischenden Lunten wirbelten sie durch die Luft, und die Schaluppen brachen wie lächerliche Spielzeugboote auseinander.
Ketten, dachte Cubera entsetzt, Herrgott, sie haben Ketten gespannt. Oder Taue. Sie stehen wirklich mit dem Teufel im Bunde.
Eine Jolle erreichte aber doch die westliche Landzunge. Ihr Führer war ein Teniente mit großer Kampferfahrung. Er hatte die Situation richtig eingeschätzt und sich entsprechend darauf eingestellt. Statt direkt in eine der Buchten zu pullen, ließ er die Landzunge ansteuern, weil der Widerstand dort offenbar nicht ganz so groß war. Daß sein Handeln richtig war, erwies sich, als die schnelle Fahrt der beiden Schaluppen überraschend gestoppt wurde.
Er, der Teniente, witterte jetzt seine große Chance. Ungehindert erreichte er das Land, ließ anlegen und sofort das Ufer erstürmen. Noch schien der Gegner ihn und seinen Trupp nicht bemerkt zu haben, noch regte sich an dieser Stelle des Ufers nichts.
Die Seesoldaten sprangen auf das überhöhte Ufer und rannten geduckt landeinwärts. Sie hielten ihre Musketen schußbereit an den Hüften. Die Säbel und die Wehrgehänge klirrten leise, aber der Teniente war sicher, daß diese Geräusche von dem Dröhnen der Kanonen und dem Wummern der detonierenden Flaschenbomben überdeckt wurden. Entschlossen führte er seinen kleinen, aber wehrhaften und voll einsatzbereiten Trupp an und rechnete sich bereits aus, daß er eins der Kanonennester im Sturm nehmen würde.
Die Jolle hatte viel Glück gehabt. Sie war nur von wenigen Pfeilen getroffen worden, die alle keinen nennenswerten Schaden angerichtet hatten. Es hatte keine Toten und Verletzten gegeben. Der Teniente hatte allen Grund zu berechtigten Hoffnungen.
Aber weit gelangte er nicht. Nur wenige Schritte hatte er mit seinen Männern zurückgelegt, da standen sie ihnen plötzlich wie aus dem Boden gewachsen gegenüber – Indianer!
„Feuer!“ brüllte der Teniente. Jetzt, da sie entdeckt waren, brauchte er sich wegen des Krachens der Schüsse nicht mehr vorzusehen. Sie würden zwar noch mehr Gegner herbeilocken, aber die ließen sich ohnehin nicht mehr zurückhalten oder täuschen.
Die ersten Musketen krachten. Zwei der halbnackten Gestalten sanken zusammen und wälzten sich auf dem Untergrund. Aber dann gingen die Schlangen-Krieger zum Gegenangriff über. Sie fielen wie die Wildkatzen über den Trupp her – mit Keulen, Pistolen, Hieb- und Stichwaffen. Im Nu war ein erbittertes Handgemenge entbrannt.
Der Teniente glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Und doch täuschte er sich nicht: Einige der Indianer, die besonders knabenhaft wirkten, hatten Brüste! Frauen! Sie kämpften wie die Teufel, verstanden, mit jeder Art von Handwaffe umzugehen und schienen keine Angst zu kennen.
„Nieder!“ schrie der Teniente. „Tötet sie! Durchbrechen!“
Er feuerte seine Muskete ab, riß die Pistole aus dem Gurt, spannte den Hahn und druckte auf einen keulenschwingenden Krieger ab, der sich auf ihn stürzte. Er traf, der Mann sank zu Boden. Der Teniente riß den Säbel aus der Scheide und drang mit einem Schrei weiter vor, hatte aber plötzlich zwei Männer und eine Frau gegen sich.
Einem der Indianer brachte er einen Streich bei, unter dem dieser mit einem entsetzten Keuchen zusammensank. Aber die beiden anderen vermochte er nicht abzuwehren. Die Frau klammerte sich an ihm fest und zerrte ihn zu Boden. Sie war wie eine Raubkatze, die nicht mehr von ihrer Beute abläßt. Der Teniente versuchte zwar, sie von sich zu stoßen, aber er schaffte es nicht mehr. Auch der Krieger war über ihm, und ein Messer blitzte wie weißes Licht auf.
Der Stich traf die Brust des Teniente, und er hatte das Gefühl, von glühendem Stahl durchbohrt zu werden. Erlösende Finsternis nahm ihn gefangen, und er hatte, ehe seine Sicht erlosch, keine Gedanken mehr. Er sah im Aufblitzen eines Mündungsfeuers nur noch die Gesichter der Indianer über sich. Dann war jede Wahrnehmung vorbei, und er sank leblos in sich zusammen.
Die Soldaten kämpften verzweifelt und versuchten, ihre Stellung auf dem eben erst eroberten Stück Ufer zu halten. Doch es gelang ihnen nicht. Die Musketen und Pistolen waren leer gefeuert, und jetzt waren sie auf ihre Blankwaffen angewiesen.
Aber sie sahen den Teniente neben sich zusammenbrechen und sterben und wußten, daß sie keine Chance mehr hatten. Wütend hieben sie auf die Gegner ein, deren Zahl immer größer zu werden schien. Sie kämpften auf verlorenem Posten – und sie wußten es.
Binnen weniger Augenblicke waren auch die letzten Soldaten niedergestreckt. Drei Schlangen-Krieger liefen auf die Jolle zu und schleuderten ihre Wurfbomben. Das Boot flog mit einem Donnerhall in die Luft. Es war aus, keiner anderen Jolle oder Schaluppe gelang die Landung.
Don Garcia Cubera fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und stöhnte auf. Vom Achterdeck der „San José“ hatte er auch den erfolglosen Kampf der Seesoldaten und die Explosion der Jolle verfolgen können. Es ist alles umsonst gewesen, dachte er erschüttert.
Dann zerknüllte er die Skizze der Schlangen-Insel zwischen seinen Fingern und gab dem Trompeter ein Zeichen. Dieser blies das Signal zum Rückzug, und die Aktion war beendet.
Ruhe trat ein, die Kanonen auf beiden Seiten schwiegen jetzt. Verhalten plätscherte das Seewasser an den Bordwänden der Schiffe, und immer noch knisterten die Flammen. Nach einiger Zeit waren aber auch die letzten Schwelbrände erstickt, der herbe Geruch kalter Asche und angesengten Holzes wurde vom Wind davongetragen.