Читать книгу Seewölfe Paket 17 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 13
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ОглавлениеKaum hatten die Männer die Decksplanken der „Isabella“ betreten, konnten sie das Lachen, das sie sich bis jetzt mühsam verbissen hatten, nicht mehr zurückhalten.
„Ich muß schon sagen, Sir“, erklärte der Profos prustend, „es war wirklich großartig, wie du die Kerle aufs Kreuz gelegt hast. Du hättest ein Gaukler oder Schauspieler werden können, jawohl!“
„Da hätte nicht mehr viel gefehlt, und der Offizier hätte dir zur Belohnung noch ein Trinkgeld in die Hand gedrückt“, sagte Ferris Tucker lachend.
Hasard winkte ab.
„Hört schon auf“, sagte er lächelnd. „Mir hat das gar nicht einen so großen Spaß bereitet, wie ihr vielleicht glaubt. Den Leuten solche Geschichten aufzutischen, das liegt mir nicht. Aber in diesem Falle blieb mir gar nichts anderes übrig. Es durfte niemand erfahren, was mit Fritz Strakuweit geschehen ist, sonst wäre er seines Lebens nicht mehr sicher. Also mußte ich dieses blödsinnige Theater spielen. Und – Hand aufs Herz –, die Senge, die die drei Strolche empfangen haben, hatten sie auch verdient! Schließlich haben wir nicht die Falschen in die Pfanne gehauen.“
„Die Sache war völlig in Ordnung“, pflichtete ihm Arne bei. „Wenn man bedenkt, daß es die ursprüngliche Absicht dieser Kerle war, Strakuweit zu ermorden, dann ist an diesem Mörderpack auch nichts verloren, wenn man ihnen die Hälse langzieht.“
In der Tat hatte der Seewolf ein sehr riskantes Unternehmen erfolgreich zu Ende gebracht. Ohne sich mit der polnischen Übermacht anlegen zu müssen, hatte er erreicht, daß die drei gefährlichen Spitzbuben zur Rechenschaft gezogen wurden. Dabei hatte niemand – am allerwenigsten der Offizier – eine Ahnung gehabt, mit wem er es in Wirklichkeit zu tun hatte.
Daß Sir Philip Hasard Killigrew, der von der englischen Königin zum Ritter geschlagen worden war, in deren Geheimauftrag fuhr, war den Polen voll und ganz verborgen geblieben. Ebenso wie die Tatsache, daß es sich bei diesem imponierenden Mann nicht um einen gewöhnlichen Handelsfahrer, sondern um einen der bekanntesten Korsaren der Weltmeere handelte, der sogar einen Kaperbrief Ihrer Majestät, Elisabeth I., besaß. Und das war auch gut so, denn der Seewolf wollte auf seinem ereignisreichen Ostseetörn nicht mehr Schwierigkeiten heraufbeschwören, als unbedingt notwendig Waren.
Einige Zeit später war die Schar der Bernsteinsammler und Soldaten ein ganzes Stück weiter nordwärts gezogen. Die drei Gefangenen hatte man über drei Pferde gebunden. Wie Edwin Carberry erklärte, würden sie unterwegs mindestens die Hälfte aller ihrer Sünden abbüßen.
Als sie außer Sicht waren, sagte der Seewolf zu Ben Brighton gewandt: „Wenn der Kutscher meint, daß es vertretbar sei, könnten wir Strakuweit jetzt an Land bringen. Von den Polen droht ihm keine Gefahr mehr, von den drei Gaunern schon gar nicht.“
Ben Brighton nickte.
„Das ist ein guter Vorschlag, zumal wir ja nicht ewig hier vor Anker bleiben können. Ich glaube bestimmt, daß der Samländer zäh genug ist, in seinen nahegelegenen Heimatort zurückzukehren.“ Lächelnd fügte er hinzu: „Kaum wart ihr an Land gegangen, hat er sich abermals vom Kutscher und Mac auf die Kuhl bringen lassen, um die Vorgänge durch ein Spektiv zu beobachten. Er ist gewiß kein rachelüsterner Mensch, aber dennoch hat er mit Genuß zugesehen, wie die drei Kerle ihre Senge bezogen haben.“
Hasard lachte.
„Na, dann wird er ja wohl zufrieden sein. Aber davon abgesehen – der Mann hat unverschämtes Glück gehabt. Wie sich drüben am Strand herausgestellt hat, hatten die Gauner die Absicht, ihn totzuschlagen. Hätten sie ihn nicht für tot gehalten, dann wäre er es jetzt bestimmt.“
Der Kutscher hatte keine großen Bedenken, als Hasard mit seinem Vorschlag aufwartete.
„Der Bursche hat einen enorm harten Schädel“, sagte er. „Wir haben seine Wunden noch einmal gut versorgt und ihm ordentlich was zwischen die Zähne gegeben. Er wird es schaffen, davon ist er selber überzeugt.“
Kurz bevor man Fritz Strakuweit in die Jolle verfrachtete, kehrte Arne von Manteuffel, der zwischenzeitlich zu seinem Schiff zurückgepullt worden war, auf die „Isabella“ zurück. Er schleppte einen prall gefüllten Sack mit sich.
„Der ist für Sie“, sagte er zu Strakuweit. „Es handelt sich zwar nicht um jene Bernsteinstücke, die Sie selber dort drüben aufgesammelt haben, aber sie sind bestimmt nicht weniger wertvoll.“
Fritz Strakuweit starrte ihn verblüfft an.
„Sie meinen – Sie schenken mir diese Steine?“
„So ist es“, erwiderte Arne. „Ich kenne die Küstenorte dieser Gegend und weiß, daß ihre Bewohner kaum überleben könnten, wenn sie nicht ab und zu einige dieser Steinchen aufsammeln und verkaufen würden.“
Arne hatte den Sack aus den Beständen des Tyndallschen Bernsteins gefüllt. Weder ihm noch Hasard würde der Verlust dieses einen Sackes wehtun, für Strakuweit aber würde er sehr viel bedeuten.
In den Augen des Samländers schimmerte es feucht. Verstohlen wischte er sich mit dem Handrücken über das Gesicht.
„Ich – ich weiß wirklich nicht, wie ich Ihnen allen danken soll“, stammelte er mit gepreßter Stimme.
„Schon gut“, sagte der Seewolf. „Sehen Sie lieber zu, daß Sie ungefährdet mit dem Zeug nach Hause gelangen. Und sollten wir jemals mit blutigem Schädel dort drüben im Sand liegen, dann dürfen Sie sich gerne revanchieren.“
„Worauf Sie sich verlassen können“, sagte Strakuweit, dann schüttelte er eine ganze Reihe von Händen.
Glücklich und dankbar verließ er die „Isabella“. Ferris, Nils, Jan, Roger und Jack pullten ihn zum Strand und halfen ihm an Land. Er kannte hier Weg und Steg, deshalb war es kein besonders großes Problem für ihn, ungesehen nach Palmnicken zurückzukehren.
Die Sonne eilte ihrem höchsten Stand entgegen, die Mittagszeit war nicht mehr fern. So manch einer der Seewölfe wurde durch seinen knurrenden Magen daran erinnert, daß er heute noch nichts Vernünftiges zwischen die Zähne gekriegt hatte.
Der Seewolf beschloß deshalb in Abstimmung mit seinem Vetter Arne, noch bis nach dem Backen und Banken vor der samländischen Küste zu bleiben. Dann würde man auf den ursprünglichen Kurs gehen.
An Bord der „Isabella“ ging jeder seiner gewohnten Arbeit nach, während der Kutscher, Mac und die Zwillinge auf Hochtouren in der Kombüse werkten, um die zahlreichen Kummen und Mucks zu füllen.
Old Donegal Daniel O’Flynn lehnte an der Nagelbank des Steuerbord-Schanzkleides und kraulte Plymmie, der jungen Wolfshündin, die ihre Vorderpfoten gegen seinen Bauch gestemmt hatte, den Kopf. Dabei sah er Ferris Tucker zu, wie er an einem armlangen Holzstück herumschnitzte, das er für eine Verbesserung seiner Abschußvorrichtung für Flaschenbomben benötigte.
Von Zeit zu Zeit hob Old O’Flynn schnuppernd die Nase und leckte sich genießerisch über die Lippen.
„Bin mal gespannt, was es heute gibt“, sagte er. „Nach Räucherheringen riecht es jedenfalls nicht. Vielleicht haben unsere Töpferschwenker mal wieder eine ordentliche Erbsensuppe mit Speck auf dem Feuer. Ha, die könnte mich echt reizen!“
„Tu nicht so verfressen, Donegal“, sagte Ferris grinsend. „Zu viele Erbsen sind auch nicht gut, du weißt schon warum.“
„Bah“, erwiderte der Alte, „wenn wir mal in eine Kalme geraten, haben wir wenigstens etwas Wind in Reserve.“ Er drehte ab. um zur Kombüse zu marschieren. Man mußte ja, wenn es was gab, nicht immer der Letzte sein, nicht wahr?
Kaum war er einige Schritte von Ferris entfernt, ließ ihn ein lauter Fluch herumfahren.
Der Schiffszimmermann steckte sich gerade den blutenden Daumen in den Mund und zog dabei ein wütendes Gesicht.
„Was ist?“ fragte Old Donegal. „Hast du ihn mit dem Schnitzmesser ein Stück verkürzt?“
Ferris zog den Daumen heraus.
„Blödsinn!“ knurrte er. „Ich habe mir einen langen Holzsplitter eingefangen.“
„Selber schuld“, sagte der alte O’Flynn, der bei dem Schiffszimmermann noch einige Rechnungen zu begleichen hatte. „Ich hab dir ja schon immer gesagt, du sollst dir nicht ständig an deinem Holzkopf herumkratzen.“ Er setzte seinen Weg zur Kombüse ungerührt fort. Die geharnischten Bemerkungen Ferris Tuckers prallten dabei völlig an ihm ab.
Doch das Backen und Banken sollte sich für einige von den Seewölfen noch etwas verzögern, denn Bill, der zusammen mit Bob Grey unten vor der Vorpiek Wache geschoben hatte, begab sich zum Kapitän.
„Vielleicht sollte der Kutscher mal nach Woyda sehen“, erklärte er. „Der Kerl jammert schon eine Weile ganz fürchterlich. Wir konnten ihn zwar nicht verstehen, aber seinem Gestöhne nach hat er zumindest ein ordentliches Bauchzwicken.“
Hasards Gesicht wirkte skeptisch.
„Bis jetzt hat Woyda ganz gesund ausgesehen. Na gut, wir sind ja keine Unmenschen.“
Edwin Carberry, der das hörte, grinste spöttisch.
„Jawohl, Sir, laß den Kutscher nur nach unten gehen. Ich gönne dem Rübenschwein von einem Generalkapitän seinen Besuch. Und sag unserem Quacksalber, er soll die stinkende schwarze Salbe mitnehmen, mit der er mich immer eingeschmiert hat. Damit soll er den Kerl von Kopf bis Fuß einkleistern. Wenn er davon nicht gesund wird, Sir, bin ich gern bereit, mich voller Hingabe um sein Wohlergehen zu kümmern.“ Der Profos rieb beinahe liebkosend seine mächtigen Pranken.
Der Seewolf lächelte.
„Vielleicht haben Bill und Bob das Stöhnen Woydas auch nur mißverstanden. Es könnte ja sein, daß er nur mal dringend zur Galion muß.“
„Auch gut“, sagte Ed. „Bei dieser Gelegenheit könnte ich ihm gleich die Haut von seinem vornehmen Affenarsch abziehen. Das ist sowieso längst überfällig.“
„Wie dem auch sei“, meinte Hasard. „Der Kutscher soll mal nachsehen.“
Augenblicke später begleiteten der Feldscher und Stenmark Bill zur Vorpiek. Stenmark sollte als Dolmetscher fungieren, da der Pole Witold Woyda die schwedische Sprache beherrschte.
Schon von weitem hörten sie den Generalkapitän jammern.
Bob Grey, der noch auf der Holzbank vor dem vordersten und dunkelsten Raum des Schiffes hockte und gelangweilt in das blakende Licht seiner Tranlampe starrte, hielt sich beide Ohren zu.
„Gib ihm was zur Beruhigung!“ rief er dem Kutscher entgegen. „Ich kann’s schon nicht mehr hören. Man meint, der Kerl hätte Wehen und wollte ein Kind zur Welt bringen!“
„Es wäre schlimm, wenn sich solche Halunken auch noch vermehren würden“, sagte der Kutscher. „Ist er noch gefesselt?“
„Seit dem letzten Gang zur Galion nicht mehr“, erwiderte Bob Grey. „Wir sind ja keine Menschenschinder, und da er aus unserer Vorpiek niemals von selber heraus kann, haben wir ihm auf Befehl des Kapitäns die Fesseln abgenommen. Er kann bestenfalls versuchen, mit dem Schädel das Schott einzurennen – sofern er daran Spaß hat.“
„Na, dann paßt gut auf, wenn ich da reingehe“, sagte der Kutscher. „Weiß der Teufel, was für eine Krankheit sich dieser Halunke ausgesucht hat.“ Zu Stenmark gewandt, fuhr er fort: „Frag ihn doch mal, wo es zwickt und zwackt!“
Stenmark preite den Gefangenen auf Schwedisch an.
„Was ist los? Was soll das Theater?“ rief er.
Die Antwort bestand zunächst aus einem langgezogenen Stöhnen. „Der Madonna sei Dank“, erwiderte der Generalkapitän dann ebenfalls auf Schwedisch. „Endlich ein barmherziger Mensch, mit dem man reden kann, und der einen nicht wie ein Tier krepieren läßt!“
„So schnell gibt man nicht den Löffel ab, wenn man noch vor wenigen Stunden einen gesunden Appetit hatte“, sagte Stenmark spöttisch. „Unser Feldscher ist hier. Er will wissen, was los ist. Hast du plötzlich Pestbeulen gekriegt?“
Der Pole stöhnte erneut.
„Viel Schlimmeres!“ jammerte er. „Vielleicht hat mir jemand Gift ins Essen getan. Ich habe fürchterliche, krampfartige Schmerzen im ganzen Leib, so daß ich mich nicht mehr vom Boden erheben kann. Außerdem bin ich schweißgebadet und habe Fieber. Wenn mir nicht sofort jemand hilft, dann sterbe ich!“
Jetzt legte sich eine steile Falte über die Stirn des Kutschers.
„Stenmark, sag dem Miststück, daß bei uns an Bord noch niemand vergiftet worden ist. Ich selbst habe sein Frühstück hergerichtet, und wenn er noch ein einziges Mal behauptet, es habe ihm jemand Gift reingetan, dann kriegt er die nächsten acht Tage keinen Bissen mehr und kann meinetwegen die Planken annagen.“
Der Kutscher war fuchtig geworden. Schließlich ließ er sich nicht einfach unterstellen, ein Giftmischer zu sein. Das klang ja gerade so, als würde die „Isabella“ von einer heimtückischen Mörderbande bevölkert.
Stenmark übersetzte seine Worte, doch Witold Woyda jammerte lauthals weiter.
„So war das doch nicht gemeint!“ rief er schließlich. „Es war nur eine Vermutung. Es kann ja auch eine andere schlimme Krankheit sein. So helft mir doch!“ Ein lautes Ächzen und Gurgeln rundete seine Worte ab.
„Nun ja“, meinte der Kutscher, „ich will nicht dran schuld sein, wenn der Bursche tatsächlich das Zeitliche segnet, obwohl das für die Welt auch nicht gerade ein schwerer Verlust wäre. Macht auf, ich schaue mal rein. Du, Bob, begleitest mich mit deiner Funzel, damit ich mir den Kerl bei Licht ansehen kann.“
Bill schloß das Schott zur Vorpiek auf und schob den schweren Eisenriegel zurück.
Bob Grey, der in einer Hand eine schußbereite Pistole hielt, hob mit der anderen die Tranlampe hoch. Die Gestalt, die sich auf den Planken krümmte, wurde in trübes Licht getaucht.
Stenmark und Bill postierten sich am Eingang.
„Hilfe, Hilfe!“ wimmerte Witold Woyda, der immer noch seine schmucke Uniform und seine Perükke trug, wie sie meist nur von hochstehenden Offizieren aufgesetzt wurde. Er hatte die Beine angewinkelt und preßte beide Hände gegen den Leib.
Die beiden Männer traten näher. Während sich der Feldscher neben dem Gefangenen niederkniete, um ihn zu untersuchen, hielt Bob die Tranlampe hoch, um die Szene zu beleuchten.
Witold Woyda verzog schmerzlich das Gesicht und rollte mit den Augen, als stehe sein letztes Stündlein bevor.
„Diese Krämpfe bringen mich noch um“, stieß er mit gequälter Stimme hervor. Wie es auf den ersten Blick aussah, hatte es ihn tatsächlich übel erwischt.
Der Kutscher beugte sich über ihn, um zunächst einmal durch Abdrücke festzustellen, wo das Schmerzzentrum lag. Beim ersten Druck seiner Fingerspitzen zuckte der polnische Generalkapitän heftig zusammen und stieß einen kurzen Schrei aus.
Der zweite Druck hingegen schien ihm keineswegs mehr Schmerzen zu bereiten. Im Gegenteil. Sein Oberkörper ruckte schlagartig hoch, und seine rechte Hand fuhr blitzschnell zum Gürtel des Kutschers, in dem ein Messer steckte. Während er den Feldscher mit der anderen Hand am Hemdkragen packte, riß er das Messer heraus und setzte es ihm an die Kehle.
„Laßt eure Waffen fallen!“ brüllte er gleichzeitig. „Wenn ihr nicht gehorcht, ist euer Quacksalber ein toter Mann!“
Stenmark vergaß zunächst vor lauter Verblüffung, die Aufforderung des Polen zu übersetzen. Dennoch wußte jeder auf Anhieb, was mit dem Befehl gemeint war.
Auch Bob Grey war völlig überrascht worden. Woyda hatte unglaublich schnell gehandelt und zudem noch den richtigen Augenblick abgepaßt, so daß es ihm unmöglich geworden war, seine Pistole abzufeuern. Er hätte damit unweigerlich den Kutscher erwischt, da dieser sich über den Polen gebeugt hatte.
„Du Hundesohn!“ rief Stenmark nun wutentbrannt. „Damit wirst du keinen Erfolg haben. Das einzige, was du mit diesem heimtückischen Trick erreichst, ist, daß dir unser Kapitän den Hals an der Rah langziehen läßt!“
Witold Woyda stieß ein heiseres Lachen aus.
„Niemand hängt mich an die Rah, solange dieser Mann hier in meiner Gewalt ist. Gleich, was ihr unternehmt, ich zögere nicht, sofort zuzustoßen! Los, laßt eure Waffen fallen, sonst ist es soweit!“
Zähneknirschend gehorchten die Seewölfe.
Zuerst polterte Bobs Pistole auf die Planken der Piek, sein Messer, mit dem er so meisterhaft umzugehen verstand, folgte. Auch Stenmark und Bill, die mit verkniffenen Gesichtern am Schott standen, warfen ihre Waffen auf den Boden.
„Aufstehen!“ befahl Woyda, und dem Kutscher blieb nichts anderes übrig, als der Aufforderung Folge zu leisten. Langsam erhob er sich von den Planken, und der Pole folgte ihm.
Der Kutscher kochte innerlich vor Wut. Verdammt, warum war er nur auf diesen Kerl hereingefallen? Was würde Hasard dazu sagen? Es war noch gar nicht lange her, seit der räuberische Finne Matti Hakulinen Mac und den Profos durch einen üblen Trick als Geiseln genommen hatte. Sollte sich das jetzt in ähnlicher Form wiederholen? Dem Kutscher wurde abwechselnd heiß und kalt. Er empfand seine Situation als schreckliche Blamage, jawohl! Schließlich waren sie in der Überzahl gewesen, trotzdem waren sie auf diesen Gauner hereingefallen.
„Eins schwöre ich dir, Woyda“, sagte er mit gepreßter Stimme und ohne den Kopf zu bewegen. „Wenn ich dir jemals wieder eine Muck oder Kumme zu füllen habe, dann kannst du dessen sicher sein, daß ich mir ein hochwirksames Gift besorgen werde, aber eins, das dich langsam zu einer Kakerlake zusammenschrumpfen läßt. Und dann zertrete ich dich mit meinem Stiefelabsatz!“
Stenmark übersetzte diese Worte, doch Woyda stieß abermals ein trokkenes Lachen aus.
„Dazu wirst du keine Gelegenheit mehr haben, du Bastard! Im übrigen folgt ihr mir jetzt an Deck, und dann wollen wir mal sehen, wer hier am längeren Hebel sitzt. Wenn euer Kapitän kein Feigling ist, läßt er sich sogar gegen diesen Hund hier austauschen.“
Die Seewölfe hatten längst begriffen, was dieses Schlitzohr von Generalkapitän beabsichtigte. Wie er den Seewolf einschätzte, würde der keinen von seinen Männern über die Klinge springen lassen, sondern sich notfalls selber als Geisel zur Verfügung stellen. Damit hätte sich das Blatt für ihn entscheidend gewendet. Ohne Zweifel wollte Woyda sein ehemaliges Flaggschiff, die jetzige „Wappen von Kolberg“ zurückhaben und ebenso seine geraubten Schätze, die sich noch immer an Bord befanden.
„Ihr geht jetzt schön brav vor mir und eurem Quacksalber her!“ befahl der Pole. „Und vergeßt nicht: eine falsche Bewegung, und er stirbt!“
Bob, Bill und Stenmark blieb nichts anderes übrig, als dem Generalkapitän zu gehorchen. Keiner von ihnen wollte den Kutscher unnötig gefährden, also setzten sie sich in Bewegung.
Witold Woyda schob den Kutscher vor sich her, das Messer direkt an dessen Hals.
„Du hältst dich mit der Lampe direkt vor uns“, forderte er Bob Grey auf, der die Tranfunzel noch immer in Händen hielt.
Bob gehorchte.
Der kleine Trupp gelangte jedoch nicht weit. Bereits nach wenigen Schritten trat ein Umstand ein, mit dem niemand gerechnet hatte.
Der Kutscher, der durch die Umklammerung Woydas den Blick geradeaus gerichtet hielt, stolperte über die schwere Pistole Bob Greys, die dieser auf die Planken geworfen hatte.
„Verdammt!“ stieß er hervor und geriet im selben Moment samt Woyda, der ihm den linken Arm unters Kinn gelegt hatte, ins Straucheln.
Der Pole, der von diesem Umstand genauso überrascht wurde wie der Kutscher, ließ seine Geisel für den Bruchteil einer Sekunde los. Und damit beging er einen schwerwiegenden Fehler.
Der Kutscher, der ein sehr flinker Mann war, reagierte geistesgegenwärtig. Er ging blitzschnell in die Hocke, so daß die Faust mit dem Messer über seinen Kopf hinwegzuckte. Dann sprang er hoch, packte Woyda mit einer Kraft, die man ihm gar nicht zugetraut hätte, am Unterarm und wuchtete ihn mit Schwung über seine Schultern.
Mit einem Ächzen, das diesmal sehr echt klang, krachte der Generalkapitän auf die Planken vor dem Schott.
Damit war sein Schicksal besiegelt, denn jetzt warfen sich auch die anderen Seewölfe mit Hurra auf ihn. Ein Hagel von eisenharten Fäusten prasselte auf ihn nieder. Wuchtige Hiebe trieben ihn hoch und schmetterten ihn erneut auf die Planken.
Witold Woyda bezog die härteste Tracht Prügel seines Lebens, und als ihn die Seewölfe schließlich wieder gefesselt in der Vorpiek zurückließen, sah er tatsächlich aus, als sei er von schweren Krankheiten, beispielsweise der Beulenpest, befallen worden.
Der Kutscher drehte sich noch einmal um.
„Denk daran, Freundchen!“ zischte er wütend. „Ich pflege meine Versprechen zu halten. Bereits beim nächsten Backen und Banken füttere ich dich mit Rattengift, bis es dir zu den Ohren herauskommt!“
Woydas zerschundenes Gesicht verfärbte sich grün, als ihm Stenmark diese wüste Drohung des Kutschers übersetzte. Als der schwere Riegel des Schotts vorgeschoben wurde, schickte er den Seewölfen einen langen polnischen Fluch hinterher.
„Da haben wir echt Glück gehabt“, meinte Bob Grey. „Das hätte genausogut anders ausgehen können.“
Der Kutscher zuckte mit den Schultern.
„Was kann ich dafür, wenn du deine Pistole im Dunkeln herumliegen läßt?“
Bill und Bob nahmen ihre Posten wieder ein, als sei überhaupt nichts vorgefallen. Stenmark und der Kutscher kehrten an Deck zurück.
„Na, lebt unser Gast noch?“ fragte Hasard lächelnd, als er die beiden Männer sah.
„Wir haben ihn am Leben gelassen, Sir“, sagte der Kutscher. „Und gesund ist er auch wieder, wir haben dazu lediglich die Fäuste gebraucht.“
„Soll das heißen …?“ Hasard war erstaunt.
„Genau das soll es, Sir“, erwiderte der Kutscher und grinste. „Der Kerl hat uns was vorgespielt, und wir Idioten wären auch beinahe noch darauf reingefallen. Das heißt – äh – genaugenommen sind wir das sogar. Nur als er mich dann mit meinem eigenen Messer kitzeln wollte, da mußten wir ihn etwas beruhigen!“
Der Seewolf ließ sich die Einzelheiten berichten. Als der Kutscher in Richtung Kombüse verschwand, um nach der Erbsensuppe zu sehen, atmete Hasard fast hörbar auf.