Читать книгу Seewölfe Paket 17 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 20

5.

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Die „Isabella“ und die „Wappen von Kolberg“ lagen um diese Zeit zwischen Rixhöft und Karwen vor Anker.

Hasard hatte die Suche nach Gary Andrews noch lange nicht aufgegeben. Er konnte und wollte sich nicht vorstellen, daß Gary ertrunken war. Er klammerte sich immer noch an ein kleines Zipfelchen Hoffnung, ihn doch noch zu finden.

Die Stimmung war so gedrückt, daß nur wenig gesprochen wurde. Nur hin und wieder fiel mal ein Wort. Selbst der Profos Edwin Carberry schwieg beharrlich.

Smoky, Matt Davies und Blacky schlichen mit hängenden Ohren an Deck umher und fühlten sich schuldig. Insgeheim hoffte zwar jeder von ihnen auch noch, Gary zu finden, doch es sah nicht mehr danach aus. Viel zuviel Zeit war inzwischen vergangen.

Drei Boote waren jetzt auf dem Wasser, eins von der „Wappen“, die beiden anderen von der „Isabella“.

Hasard hatte gerechnet und gerechnet, Dan und Ben hatten ihn dabei unterstützt. Es mußte hier ganz in der Nähe passiert sein, als Gary über Bord ging. Auch die Abdriften und den Wind hatten sie mit in ihre Rechnung bezogen. Nach menschlichem Ermessen gab es keine andere Stelle.

In der großen Jolle saßen Hasard und Dan O’Flynn neben den anderen schweigenden Seewölfen. Pausenlos suchten ihre Blicke die See und den Strand ab.

„Wir segeln von hier aus in langen Suchstreifen nach Osten“, sagte Hasard. „Wir gehen unter Land, um jede Möglichkeit auszuschöpfen.“

„Hoffentlich ist er irgendwo an Land gegangen und hat es geschafft“, meinte Dan inbrünstig.

Auch die Jolle Arne von Manteuffels setzte jetzt Segel, um den Küstenstreifen ostwärts abzusuchen. Die zweite Jolle bewegte sich unter Ferris Tucker weiter draußen auf See. Es blieb nur so viel Platz zwischen ihnen, daß ihren Augen nichts entging, was eventuell in der See trieb.

Hasard sah das ebenfalls besorgte Gesicht seines Vetters, der persönlich an der Suche teilnahm. Die beiden Männer nickten sich schweigend zu.

Die Jollen segelten los. Unzählige Augenpaare blickten angestrengt über das Wasser. Alle Kieker, die es an Bord gab, waren mitgenommen worden.

„Noch weiter unter Land“, sagte Hasard nach einer Weile. „Dort vorn gehen wir an den Strand. Wenn er es geschafft hat, dann müssen im Sand auch Spuren sein.“

„Wir werden ihn finden“, sagte der Profos zuversichtlich. „Gary ist ein guter Schwimmer, der hat es geschafft.“

Er sagte nicht, wie es ihm gerade auf der Zunge lag: Gary war ein guter Schwimmer, aber man hörte doch heraus, daß der Profos trotz aller Zuversicht selbst kaum noch daran glaubte, daß Gary es geschafft hatte. Insgeheim befürchtete er, daß sie bald seine Leiche auf dem Wasser finden würden – wenn überhaupt.

Die große Jolle lief auf den Strand zu. Hasard und Dan sprangen heraus und wateten durch das flache Wasser dem Strand entgegen.

„Segelt langsam weiter!“ rief er den anderen zu. „Wir steigen später wieder ein, wenn wir den Strand abgesucht haben.“

Dan O’Flynn blickte zuerst zurück nach Westen. Aber da war der Strand glatt und ohne Spuren. Hin und wieder fand sich etwas angeschwemmter Seetang, ein paar Muscheln, halbvertrocknete Quallen und ein paar kleine Krebse. Auch kleinere Holzstücke und Angeschwemmtes fanden sich, Dreck, eine verweste Möwe.

Menschliche Spuren jedoch, wie sie ein aus dem Wasser gestiegener Mann hinterließ, fanden sich nicht. Der Strand war glatt, nur mit ein paar kleinen Steinen besät.

„Ich kann es nicht glauben“, sagte Hasard. „Es erscheint mir einfach unwahrscheinlich, daß Gary ertrunken sein soll.“

„Noch haben wir nicht alles abgesucht, Sir“, sagte Dan voller Zuversicht, doch auch die war gespielt.

„Du glaubst doch auch nicht mehr daran“, sagte Hasard.

Dan O’Flynn gab keine Antwort. Starr blickte er in den Sand. Seinen scharfen Augen entging nichts, selbst wenn sich die Spuren weit voraus befunden hätten.

Niemand ahnte, daß sie gerade jetzt die Stelle passierten, wo Gary Andrews an Land gewatet war. Stanislaus hatte die Spuren so sorgfältig verwischt, daß man nichts mehr sah.

Und er hockte in seinem Versteck zwischen den Dünen in nur ein paar Yards Abstand von ihnen, und auch Gary befand sich in unmittelbarer Nähe.

Der Pole lag im Sand, verborgen zwischen Strandhafer und yardhohem Gras, und belauerte sie. Fasziniert starrte er auf die Boote, die dicht unter der Küste ostwärts segelten, aber noch mehr faszinierten ihn diese beiden Männer.

Da kann ich mich nur beglückwünschen, die Spuren rechtzeitig verwischt zu haben, dachte er, denn sonst hätten sie mein Versteck gefunden und natürlich meinen Gefangenen.

Piraten waren das also, englische Piraten. Er hörte, daß sie miteinander in einer Sprache redeten, von der er noch nie ein einziges Wort gehört hatte.

Er starrte ihnen mit großen Augen nach, als sie weitergingen und immer wieder den Strand absuchten. Dann kicherte er leise vor sich hin, weil sie die kritische Stelle längst überschritten und nichts entdeckt hatten.

Ein paar Augenblicke spielte er mit dem verrückten Gedanken, diese beiden Männer ebenfalls gefangenzunehmen. Die Belohnung der polnischen Behörden würde so großzügig ausfallen, daß er bis an sein Lebensende von morgens bis abends Schnaps trinken konnte.

Diese Vorstellung erregte ihn immer mehr, aber er sah auch ein, daß sie bloßes Wunschdenken war. Die beiden Kerle waren groß und sehr kräftig, und selbst wenn er mit ihnen fertig werden sollte, dann waren da immer noch die anderen in den Booten, denen das nicht entgehen würde.

Aber herrlich auszuspinnen war dieser Gedanke, und er stellte sich vor, wie er mit drei gefangenen englischen Piraten nach Gdingen segelte und sie dort bei der polnischen Kommandantur der Miliz auslieferte.

Wie einen Helden würden sie ihn feiern, und sein Name würde in aller Munde sein. Und der Schnaps würde überreichlich fließen. Natürlich nicht der einfache Rübenschnaps, das müßte dann schon ein erlesenes Wässerchen sein, etwa aus Roggen gebrannt, eins, das er sich sonst nicht leisten konnte und das immer nur die hohen Herren soffen.

Berauschend war diese Vorstellung, aber leider undurchführbar, denn so verrückt, die Männer anzugreifen, war er dann doch nicht.

Er verwarf diesen prächtigen Gedanken widerwillig, eben weil er nicht in die Tat umzusetzen war. Er hatte nicht einmal eine Waffe, jedenfalls keine richtige, mit der man etwas anfangen konnte.

Ein paar Wortfetzen, die der Wind herüberwehte, vernahm er noch, ohne etwas davon zu verstehen.

Peronnje, ein Jammer war das. Aber eins stand für ihn fest:

Dieser Pirat, der jetzt gefesselt in seinem Erdloch lag, gehörte zu den suchenden Kerlen. Er war einer von ihnen, und er würde ihn hüten wie seinen Augapfel.

Er blieb reglos liegen und kroch erst auf allen vieren wieder zu seiner Behausung zurück, als er die Männer nur noch ganz klein und sehr weit entfernt am Strand sah.

Hasard ließ immer noch weitersegeln. Während er mit Dan am Strand verzweifelt weitersuchte, segelten die Boote die gesamte Nordküste der Halbinsel Hela und das dazugehörende Seegebiet ab.

Die Suche wurde immer verzweifelter, immer angestrengter, doch von Gary Andrews fand sich keine Spur.

Mittlerweile war es Mittag geworden, die letzte Hoffnung war zunichte.

Hasard setzte sich in den Sand, stützte das Kinn in beide Hände und starrte über das Meer. So blieb er schweigend eine ganze Weile sitzen. In seinem Gesicht erschienen Falten, die sonst nicht dagewesen waren. Seine Lippen waren hart verkniffen.

Nach einer Ewigkeit stand er auf und wischte sich mit einer resignierenden Bewegung über die Augen. Seine Stimme klang rauh und heiser.

„Wir kehren um, Dan. Sage das den anderen. Wir segeln zurück und grasen noch einmal in langen und weiten Kreuzschlägen das Gebiet ab. Weiter östlich werden wir nichts finden, wir sind längst über den Punkt hinaus.“

Dan O’Flynn schluckte hart, seine Antwort bestand ebenfalls nur aus einem unverständlichen Gemurmel.

Er hob müde den Arm und gab den Booten Handzeichen. In allen saßen Männer, deren harte Gesichter Trauer ausdrückten, die aufs Wasser starrten und wie benommen wirkten.

Etwas später segelten sie in langen Schlägen den Törn an der Küste zurück, diesmal weiter auseinandergezogen, bis sie schließlich wieder bei der „Isabella“ waren.

Arne von Manteuffel sah seinen Vetter Hasard besorgt an. Schließlich legte er ihm die Hand auf die Schulter.

„Ein schlimmer Tag“, sagte er leise. „Es läßt sich mit Worten allein nicht ausdrücken.“

„Nein“, erwiderte Hasard, „es läßt sich nicht mit Worten sagen. Ich danke dir für deine Mithilfe, Arne.“

„Die war selbstverständlich. Ich wünschte euch, es wäre anders ausgegangen.“

Auf der „Wappen von Kolberg“ wurde die Jolle etwas später an Bord genommen. Auf der „Isabella“ hievten sie ebenfalls schweigend und in sich gekehrt die Boote an Deck.

Matt, Blacky und Smoky standen mit käsigen Gesichtern an Deck und wußten nicht, wo sie ihre Hände lassen sollten. Sie wagten nicht aufzublicken.

„Was jetzt, Sir?“ fragte Ben Brighton niedergeschlagen.

Er mußte die Frage zweimal wiederholen, ehe der Seewolf antwortete. Sein Blick war leicht verschleiert, getrübt. Er schloß sekundenlang die Augen und stieß die Luft aus.

„Es hofft der Mensch, solang er lebt“, sagte er leise. „Wir haben alles getan, alles versucht. Ich habe keine Hoffnung mehr.“

Sie umstanden ihn schweigend, husteten oder krächzten unterdrückt und wußten nicht, was sie sagen sollten. Das Wissen um den Verlust ihres Kameraden bedrückte sie, Trauer stand in den Gesichtern, in den Augen schimmerte es feucht.

Einmal, im Nildelta, im Kanal der Pharaonen, hatten sie den Verlust ihrer alten „Isabella“ beklagt und fast resigniert. Aber die war nur ein großes Stück Holz gewesen, auf jeder Werft ersetzbar, von jedem Schiffbaumeister wieder neu anzufertigen.

Gary Andrews hingegen war ein Mensch und ein sehr harter Verlust, ein Kamerad, auf den absolut Verlaß war und der jetzt eine riesige Lücke hinterließ. Diese Lücke war nicht ersetzbar, niemand vermochte sie auszufüllen.

Auch auf der „Wappen von Kolberg“ senkten sie die Köpfe, scharrten mit den Füßen und standen schweigend da, denn mittlerweile kannten sie jeden der Seewölfe und konnten mit ihnen fühlen.

Es war einer der schwärzesten Tage in der Geschichte der Seewölfe.

„Wir segeln weiter nach Rügenwalde“, sagte Hasard tonlos und mit steinernem Gesicht.

Dann nahm er seinen Platz auf dem Achterdeck ein, aber er sah und hörte nichts von den Manövern wie Ankerlichten und Segelsetzen. Er war nicht daran beteiligt und fühlte sich wie ein Fremder auf seinem eigenen Schiff. Auf seinen Brustkorb drückten unsichtbare Gewalten, die ihm die Luft nahmen.

Er drehte sich um und starrte nach achtern, nach Osten, dorthin, wo die See Gary Andrews zu sich genommen hatte. Er sprach kein Wort mehr, und die Männer, die scheu zu ihm hinblickten, bemerkten, daß sein Rücken gebeugt war.

Auf allen Decks herrschte Totenstille. Marionetten standen dort herum, leblose Puppen, denen man die Fäden durchgeschnitten hatte.

Ein Tag zum Verzweifeln.

Seewölfe Paket 17

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