Читать книгу Seewölfe Paket 17 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 22

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Unverdrossen marschierte der einsame Mann weiter, doch schon nach zehn Minuten Marsch tauchte der kleine Ort Rixhöft auf, und da wurde Gary stutzig. Er hatte gerade noch so viel Zeit, sich seitwärts in Büsche und Dünen zu schleichen, um nicht gesehen zu werden.

Mißtrauisch beobachtete er die Männer. Es waren Uniformierte, die vor einer Schenke mit einem dicken Zivilisten sprachen.

Kein Zweifel, das waren polnische Soldaten, und denen wollte er nun nicht gerade begegnen. So blieb er in seinem Versteck und beobachtete die Männer, ganz besonders den Dicken, der sehr aufgeregt wirkte und gestenreich immer wieder nach Osten auf die See deutete.

Ihre Stimmen waren für Gary nur ein unverständliches fernes Gemurmel, von dem er absolut nichts verstand.

Geduldig wartete er. Dabei war es sehr interessant, was die Soldaten mit dem Dicken besprachen.

Der Dicke war niemand anders als Pjontek. Er hatte die Soldaten gerufen, nachdem der verrückte Stanislaus den Schnaps mit einer englischen Münze bezahlt hatte.

„Zeige uns mal die Münze“, sagte einer der Soldaten. Er nahm sie Pjontek aus der Hand und betrachtete sie.

„Ja, das ist eine englische Münze“, sagte der Soldat nickend. „Ich habe schon einmal eine solche gesehen.“

„Hier geht etwas Geheimnisvolles vor“, behauptete der Wirt kühn. „Den ganzen Vormittag bis zum frühen Nachmittag lagen zwei Galeonen vor der Küste vor Anker. Ich habe alles deutlich beobachtet. Sie haben drei Boote zu Wasser gelassen und sind pausenlos dicht unter der Küste gesegelt.“

„Und was suchten sie?“

„Das weiß ich nicht, keine Ahnung. Zwei Männer sind an den Strand gesegelt und dort entlanggegangen. Eine lange Strecke sogar, während ihnen das eine Boot ganz dicht folgte.“

Der Dicke schwitzte vor Aufregung, außerdem stand auch er jetzt einmal im Mittelpunkt und wußte allerlei zu berichten, denn die fünf Soldaten hörten interessiert und gespannt zu. Sie gaben ihm sogar die Münze wieder zurück.

„Haben sie Bernstein gesucht?“ fragte der Soldat.

„Das glaube ich nicht. Es muß wohl etwas anderes gewesen sein. Jedenfalls war das eine Schiff ziemlich groß, das andere etwas kleiner. Ich habe so ein Schiff auch noch nie gesehen, aber ich bin sicher, daß das größere das englische Piratenschiff war, das ihr so dringend sucht.“

„Wie sahen die Kerle denn aus?“

„Oh – wilde Gestalten, schwarzhaarig und groß. Einer trug einen Degen, die anderen lange Piratenmesser und Pistolen. Sie sahen so aus, als wollten sie die Dörfer plündern“, erzählte der dicke Pjontek übereifrig. „Und viele Kanonen waren auf den beiden Seglern zu erkennen.“

„Und wo sind sie jetzt?“

„Leider sind sie kurz nach Mittag weitergesegelt, in westlicher Richtung, und die Boote haben sie auch wieder mitgenommen. Aber ist es nicht merkwürdig, daß der verrückte Stanislaus ausgerechnet heute mit einer englischen Münze bezahlt hat? Das muß doch genau untersucht werden!“ ereiferte sich der Wirt.

„Das werden wir auch genau untersuchen, Pjontek. Hast du den schuckernen Stanis gefragt, woher er die Münze hat?“

„Klar, das habe ich sofort gefragt. Ich fragte: ‚Wo hast du die Münze denn her?‘“

„Und was sagte er dann?“

„‚Gefunden, unten am Strand‘, so sagte er wörtlich. Ich fragte ihn noch, ob die Münze vielleicht ein paar Brüderchen hätte, aber ihr kennt ihn ja: Wenn der nichts sagen will, dann lacht er nur immer dämlich und gibt keine Antwort.“

„Vielleicht hat sie einer der Piraten wirklich am Strand verloren“, meinte der eine Soldat nachdenklich.

Pjontek schüttelte schnell den Kopf.

„Verloren kann sie von den Piraten keiner haben“, sagte er schlau, „denn da waren die beiden Piratensegler mit ihren Booten ja noch gar nicht in unserer Nähe. Also muß er sie woanders herhaben.“

Das leuchtete den Soldaten ein. Alle nickten unisono.

„Wo ist der schuckerne Stanis jetzt?“

„In seiner Höhle. Ich habe ihm eine Kruke Schnaps verkauft, und da ist er gleich abgehauen. Wenn er Schnaps hat, dann hockt er sich in die Ecke und säuft so lange, bis die Kruke leer ist. Danach ist er dann total besoffen und pennt seinen Rausch aus.“

Die Soldaten sprachen miteinander, blickten auf das Meer hinaus und fanden alles sehr merkwürdig.

„Kannst du uns seine Behausung zeigen? Wir werden ihm mal einen kleinen Besuch abstatten.“

„Es wird mir eine Ehre sein, euch dort hinzuführen.“ Pjontek dienerte. „Schließlich muß das ja geklärt werden. Vielleicht steckt er mit den Brüdern unter einer Decke.“

„Alles ist möglich“, sagte der Anführer der Fünfmanngruppe. „Dann also los.“

„Ich gehe vor“, sagte Pjontek eifrig. „Hier müssen wir quer durch die Dünen, dann sind wir gleich da.“

Von alledem verstand Gary absolut nichts. Er sah nur, daß die Kerle alle sehr aufgeregt wirkten, daß der dicke Zivilist immer noch mit den Händen fuchtelte und auf die Kerle einredete.

Aber Gary Andrews schwante nichts Gutes. Weil er den Sinn der Gespräche nicht begriff, nahm er an, der verrückte Säufer hätte die Soldaten alarmiert.

Er kauerte sich in seinem Versteck zusammen und kroch fast in den Boden hinein, denn die fünf Soldaten und der Zivilist schlugen seine Richtung ein und hielten fast genau auf ihn zu.

Verdammt, dachte er, ich muß hier weg, ich muß so schnell wie möglich verschwinden, sonst geht es mir an den Kragen.

Sehr dicht gingen sie jetzt an seinem Versteck vorbei. Gary schwitzte Blut und Wasser, doch dann atmete er erleichtert auf, denn der Dicke wechselte den Kurs etwas nach rechts, und so marschierten sie in knapp fünf Yards an ihm vorbei, ohne ihn zu entdecken.

Auffallend eilig hatten sie es, um von dem verrückten Stanislaus zu erfahren, woher die Münze stammte. Aber der Kerl war für die nächste Zeit ganz sicher nicht ansprechbar. Bis der seinen Rausch ausgeschlafen hatte, würde sicher eine Ewigkeit vergehen.

Während er den Kerlen nachblickte, blieb er immer noch reglos in seiner Deckung liegen. Dann wandte er den Blick nach vorn und sah sich die Kneipe an.

Ein paar Leute verschwanden ins Innere der Schenke. An einem langen Holm sah Gary fünf angebundene Pferde, die den Soldaten gehörten. Neben den Gäulen stand ein Posten, den sie als Bewachung zurückgelassen hatten.

Gary Andrews grinste ein bißchen. Es sah verwegen aus, denn in seinem Schädel reifte ein Plan. Wenn er sich auf einen der Gäule schwingen könnte, dann waren seine Probleme der langen Wanderung gelöst, und er war vielleicht noch eher in Rügenwalde als die „Isabella“ und die „Wappen von Kolberg“.

Vorsichtig richtete er sich auf und marschierte zwischen die Dünen. Der Wirt und die Soldaten marschierten immer noch in Strandrichtung. Hin und wieder sah er durch die Dünen nur ihre Köpfe. Dann tauchten sie wieder weg.

Ein Posten, dachte er, ein Mann. Das war für einen Kerl wie ihn zu schaffen, vorausgesetzt, er konnte sich nahe genug an den Mann heranpirschen, damit der nicht ganz Rixhöft alarmierte.

Er sah sich den Kerl genauer an und stellte fest, daß er fast im Stehen schlief und vor sich hin döste. Er hatte sich an den Holm zurückgelehnt und starrte zu Boden, die Augen dabei halb geschlossen.

Die Soldaten konnten ihn jetzt nicht mehr sehen, selbst wenn er sich zu voller Größe erhob.

Neben der Schenke befand sich ein Stall mit offener Tür. Von der Seite her mußte er den Posten umgehen, dann hatte er die besten Aussichten nicht vorzeitig entdeckt zu werden.

Wie eine Schlange bewegte er sich durch den Sand, bis er ein paar Schlehenbüsche erreichte, die ihm weiter Deckung boten.

In diesem Augenblick blickte der Posten hoch und starrte genau in seine Richtung.

Gary blieb stocksteif stehen, als sei er erstarrt. Wahrscheinlich hatte er ein wenig die Äste bewegt. Aber dieser Kerl war mißtrauisch, dem entging so schnell nichts. Erst nach einer Ewigkeit wandte er endlich den Blick ab.

Gary schlich weiter und umging die Schenke in einem riesigen Bogen, bis er sie von der anderen Seite im Blickfeld hatte. Auch dort gab es direkt neben der Schenke eine angelehnte Stalltür.

Wenn er durch den Stall ging und ihn durchquerte, mußte er direkt vor dem Posten stehen und konnte ihn überraschen.

Im Halbdämmer des Stalles befanden sich nur ein halbes Dutzend Schweine, die seinen Eintritt mit Grunzen begrüßten. Schnell glitt er weiter, bis er die offene Tür der anderen Seite erreichte.

Der Posten lehnte immer noch träge an dem Holm neben den Pferden. Aus der Schenke vernahm Gary Stimmen in polnischer Sprache. Auch zwei Frauenstimmen unterschied er.

Er drückte seinen Schlapphut fester ins Gesicht, trat dann lautlos aus dem Halbdämmer und wollte den Posten anspringen, als eins der Pferde hochstieg und laut wieherte, als sei es durch Gary erschreckt worden.

Ihm blieb nichts anderes mehr übrig, als blitzschnell zu handeln, sonst ging alles schief.

Mit einem mächtigen Satz sprang er den Posten an. Der war jetzt aufmerksam geworden, sah den Schatten und duckte sich instinktiv.

Da war Gary heran und schlug zu. Sein Hieb erwischte den Posten jedoch nur an der Schulter, und so entstand ein kurzes, heftiges Gerangel, bis Gary seine Hände wieder frei hatte.

Der nächste Hieb erwischte den Uniformierten an der Schläfe. Der Pole knickte in den Knien ein und brach zusammen. Er fiel auf die Seite und blieb reglos liegen.

Hoffentlich haben sie in der Kneipe nichts bemerkt, dachte Gary und warf einen schnellen Blick zum Strand.

Die Soldaten waren nicht zu sehen, sie beschäftigten sich wohl gerade mit dem verrückten Säufer.

Schnell nahm sich Gary die Waffen aus dem Bandelier des Postens und steckte ihm seine erbeutete rostige Pistole dafür hinein. Er vergaß auch nicht die Pulverflasche und das Säckchen mit den Bleikugeln, das er ebenfalls hastig einsteckte.

Fünf Pferde, dachte er. Nahm er eins, dann würden sie ihn verfolgen, nahm er aber gleich alle fünf, dann konnten sie bestenfalls hinter ihm herlaufen. Bis sie sich neue Pferde besorgt hatten, würde eine ganze Weile vergehen.

Der Posten murmelte etwas und bewegte sich. In der Kneipe rief eine tiefe Männerstimme unverständliche Worte. Für Gary Andrews wurde es allerhöchste Zeit.

Er entschloß sich, alle fünf Pferde zu nehmen, um kein unnötiges Risiko einzugehen. Sie waren mit Satteltaschen behängt und anscheinend gut ausgerüstet.

In rasender Eile band er die Zügel zusammen, schwang sich auf den erstbesten Gaul und knotete die Zügel an das Pferd, auf dem er saß.

Es war wirklich allerhöchste Zeit, denn jetzt öffnete sich die Tür der Schenke, und zwei Männer rannten ins Freie. Eine dicke Frau, wahrscheinlich die Frau des Wirtes, rannte hinterher und schrie laut und gellend. Noch weitere Männer stürmten aus der Schenke und rannten brüllend und schreiend hinter dem flüchtigen Reiter her.

Über die Schulter blickend sah Gary, daß sie die Fäuste schüttelten. Einer hob einen Knüppel auf und warf ihn voller Wut hinter Gary her. Und die Frau zeterte und schrie wie eine Furie, rannte mal hierhin, mal dorthin und benahm sich wie eine Verrückte.

Aber zu diesem Zeitpunkt hatte Gary Andrews bereits die ersten dreißig Yards hinter sich und war nicht mehr einzuholen.

Er sah auch, daß sich der Posten wieder aufrappelte und nach seinem Bandelier tastete. Doch dort steckte nur die verrostete Pistole, die er jetzt herauszog und abdrückte.

Da kannst du lange drücken, Junge, dachte Gary belustigt. Aus der wird sich nie wieder ein Schuß lösen.

Die Hufe donnerten über den Boden. Die Rosse schnaubten und rannten, als sei der Teufel hinter ihnen her.

Gary Andrews drehte sich grinsend im Sattel um. Die Freiheit winkte, er fühlte sich wie neugeboren.

„Arwenack!“ brüllte er aus voller Lunge. „Arwenack!“

Wie ein Gewittersturm fegte er durch die Dünen, daß der Sand nach allen Seiten hoch aufspritzte, zum Strand hinunter und galoppierte weiter am Wasser entlang westwärts.

Es sollte doch mit dem Teufel zugehen, wenn er seine Kameraden nicht wiederfand.

Von alledem hatten die Soldaten und der dicke Wirt nichts bemerkt. Das Geschrei und Gezeter drang nicht mehr an ihre Ohren. Sie waren schon zu weit vom Ort des Geschehens entfernt.

Pjontek blieb stehen und deutete auf einen Hügel zwischen den Dünen, der sich von den anderen nur dadurch unterschied, daß er dreckiger war und in der Nähe Unrat herumlag.

„Hier ist es“, sagte er und deutete unter einen Überhang aus Strandhafer und scharfem Gras.

Die Soldaten umstellten das schmutzstarrende Loch. Einer ging vor und fetzte angewidert den schmutzigen Vorhang zur Seite. Dahinter war es dunkel wie im Kohlensack.

Aus dem Erdloch drang ein Schnarchen, so entsetzlich laut, daß der Soldat verdattert stehenblieb, sich bückte und in der Finsternis etwas zu erkennen versuchte.

„Rauskommen!“ brüllte er mit Donnerstimme. „Sofort raus aus dem Loch, oder wir schießen!“

Durch das Gebrüll wurde das Schnarchen abrupt unterbrochen. Doch einen Lidschlag später setzte es wieder mit unverminderter Heftigkeit ein und wurde sogar noch schlimmer.

„Eine Frechheit ist das!“ schrie der eine der vier Soldaten.

Noch einmal brüllten sie in das Erdloch hinunter, und nach jedem Schrei wurde das Geschnarche unterbrochen, setzte aber gleich darauf mit urweltlichem Getöse wieder ein.

Einer der Soldaten hielt die Muskete in das Erdloch und fetzte die Reste des Vorhangs endgültig herab. Dann gewöhnte er seine Augen an das Halbdämmer und sprang einen Schritt vor.

Auf dem Boden lag zusammengekrümmt eine schmutzige Gestalt.

Angewidert deutete der Soldat auf den Säufer und fragte: „Ist er das, Pjontek?“

Pjontek schob sich in den stinkenden Bau und nickte.

„Aber der Kerl ist ja gefesselt“, sagte er verwundert. „Wie hat er das denn fertiggekriegt?“

„Das war bestimmt nicht er selbst, du Blödmann. Aber das werden wir gleich erfahren.“

An den Fesseln schleifte er das schnarchende Bündel hart nach oben. Dann warf er den verrückten Stanislaus in den Sand und knotete die Fesseln auf. Während der ganzen Prozedur schlief Stanislaus immer noch, murmelte nur etwas und schnarchte weiter.

„Den kriegen wir nicht wach“, sagte ein anderer Soldat. „Da werden wir wohl Geduld aufbringen müssen.“

„Wir können ihn ja so lange wässern, bis er wieder wach wird“, schlug der dritte Soldat vor. „Entweder er ersäuft dabei, oder er wird reden.“

„Gute Idee.“

Sie lachten roh, krempelten Stanislaus dann die Taschen um und suchten nach weiteren Münzen. Der vierte Soldat durchsuchte inzwischen den stinkenden Strandbau. Auch er fand nichts.

„Keine Münzen mehr“, meldete er, „oder aber er hat sie irgendwo vergraben.“

„Das werden wir gleich wissen.“

Zu zweit schleppten sie den schukkernen Stanis an den Beinen zum Wasser hinunter, stießen und knufften ihn und versuchten, ihn wach zu kriegen. Doch Stanislaus hatte einen Schlaf wie tausend Tote. Er zuckte nicht einmal mit der Wimper.

Da warfen sie ihn lachend in hohem Bogen in die Ostsee. Zwei Soldaten sprangen hinterher und tunkten ihn, bis er zum erstenmal zu prusten begann.

„Langsam wird er wach“, sagte der eine.

Stanis kriegte ein paar saftige Ohrfeigen, wurde wieder gewässert und kriegte keine Luft mehr. Da begann er zu zappeln und wachte endlich auf. Seine Augen waren blutrot, sein Schädel dröhnte wie eine Glokke, und er konnte nicht stehen. Immer wieder kippte er ihnen weg.

„He, du Säufer!“ schrien sie. „Bist du jetzt endlich wach, oder sollen wir dich absaufen lassen?“

Die Reaktion war ein lautes Rülpsen.

Die zweite und dritte Ohrfeige warfen Stanislaus von den Beinen, und er landete erneut aufklatschend @ Wasser. Sie gingen nicht gerade rücksichtsvoll mit ihm um, und sie wasserten ihn so lange, bis er taumelnd auf den Beinen stand und kaum noch atmen konnte.

Ein Fußtritt warf ihn wieder in den Sand. Der erste Soldat riß ihn gleich darauf hart auf die Beine und schnauzte ihn an.

„Du wirst jetzt reden, Stanis, und du wirst alles sagen, was wir wissen wollen. Und spiel nicht den Verrückten. Wenn du unsere Fragen nicht beantwortest oder nur dämlich grinst, dann wird die Ostsee hier dein Friedhof. Wir werden dich wie eine Katze ersäufen, wenn du uns anlügst.“

Stanislaus stand schwankend da. Die Gesichter um ihn herum waren doppelte Scheiben, die er nicht unterscheiden konnte. Auch die Uniformen sah er in allen Farben schillern. Er wußte aber, was die Glocke geschlagen hatte, denn die Soldaten fackelten nicht lange, und sie würden ihre Drohung ohne weiteres augenblicklich in die Tat umsetzen.

Damit er noch nüchterner wurde, erhielt er gleich wieder ein paar Tritte und Ohrfeigen, bis er endgültig wußte, wo es langging.

„Wo hast du die englische Münze her?“

„Ich – ich fand sie.“

Weil sie mit der Antwort durchaus nicht zufrieden waren, stellten sie Stanislaus auf den Kopf und tunkten ihn wieder. Danach setzte es auch noch ein paar Maulschellen.

Diesmal war er so geschafft, daß er kaum noch antworten konnte. Der Fusel war jedoch aus seinem Gehirn gewaschen, denn jetzt hatte er sich kräftig mit Salzwasser vermischt.

„Denk daran, daß du gleich ein toter Mann bist, wenn du nur noch ein einziges Mal lügst“, drohten sie.

„Ich will alles sagen.“

„Beginnen wir mit der Münze.“

„Ich fand einen Kerl am Strand, einen Piraten“, erzählte Stanislaus stammelnd. „Und der hatte die Münze in der Tasche. Ich hab sie ihm weggenommen. Und dann nahm ich ihn gefangen.“

„Ein englischer Pirat läßt sich von dir gefangennehmen?“ höhnten sie und klebten ihm wieder eine, daß er in den Sand flog.

„Er war bewußtlos“, jammerte Stanislaus. „Dann habe ich ihn gefesselt und in die Höhle gebracht.“

„Und warum hast du das nicht den Behörden gemeldet?“

„Das wollte ich ja. Ich wollte ihn abliefern.“

„Und warum hast du ihn nicht abgeliefert?“

Hart und kalt prasselten die Fragen auf ihn ein.

„Ich – ich wollte doch …“

„Du wolltest für den Gefangenen kassieren, nicht wahr? Du dachtest, der bringt dir ein hübsches Sümmchen und das kannst du dann später in Schnaps umsetzen. War es so?“

Stanislaus schluckte hart. Seine Augen waren immer noch knallrot. Eine zweite Ohrfeige warf ihn wieder um.

Im Sand liegend, nickte er kläglich.

„Aber ich wollte doch nur …“

„Also kassieren. Das haben wir gar nicht gern, du Säufer, und das wirst du auch gleich noch bereuen. Du unterschlägst den Behörden einen so wichtigen Mann, nur um Geld zu kassieren. Dafür wird niemand Verständnis aufbringen. Vielleicht werden wir dich dafür erschießen.“

„Nein, nein!“ kreischte der Säufer. „Ich habe es doch nicht gewußt, ich wollte ihn wirklich abliefern, ihr Herren. Ganz ehrlich wollte ich das.“

„Weiter!“ rief der Anführer ungeduldig. „Was ist weiter passiert?“

Stanislaus zitterte am ganzen Körper und schüttelte sich.

„Ich ging mit der Münze zu Pjontek, um Schnaps zu kaufen. Und dann habe ich getrunken und bin eingeschlafen. Da muß sich der Spitzbube von seinen Fesseln befreit haben. Und dann hat er mich gefesselt und ist verschwunden.“

„Und du verdammter Säufer hast nichts gemerkt. Dir war der Schnaps wichtiger als alles andere. Daß sich hier englische Piraten vor der Küste tummeln, das interessiert dich nicht.“

Pjontek und die Soldaten warfen sich Blicke zu, die Stanislaus bis ins Mark gingen. Er sah die Kerle hinterhältig grinsen und war ihnen hilflos ausgeliefert. Eine Abreibung ist das mindeste, was ich zu erwarten habe, dachte er, aber vielleicht erschießen sie mich jetzt tatsächlich!

Er fiel auf die Knie und winselte um Gnade. Angeekelt und verärgert darüber, daß ihnen der „Pirat“ durch die Lappen gegangen war, betrachteten sie Stanislaus wie einen großen Mistkäfer.

„Kennst du die Mazurka, Stanislaus?“ fragte einer hinterhältig.

Stanislaus schüttelte nur den Kopf.

„Das ist ein alter Tanz für vier oder neun Personen“, erklärten sie ihm grinsend. „Pjontek wird das Ballett durch Klatschen begleiten, wir stellen uns im Kreis auf, und du wirst von einem zum anderen tanzen. An jedem mußt du vorbei, immer innen durch den Kreis. Hast du das verstanden? Du hebst ein Bein hoch und hüpfst einfach durch den Sand. Wir fangen jetzt gleich damit an.“

Der dicke Wirt war solchen Späßen auch nicht abgeneigt, und so begann er zu klatschen, während die vier Soldaten Aufstellung nahmen, zwar nicht im Kreis, sondern im Viereck, und an jedem mußte Stanislaus vorbeihüpfen.

Er tat es heulend und kreischend. Und dann bleuten sie ihm die polnische Mazurka ein. Sobald er sich einem näherte, holte der aus und klebte dem hüpfenden und greinenden Stanislaus eine an die Ohren, daß er zum nächsten Soldaten flog, der das Spiel wiederholte und ihn zum übernächsten schickte. Dabei hagelte es pausenlos Tritte und Püffe, und mehr als einmal fraß Stanislaus trockenen Sand.

Dann war das polnische Tänzchen beendet, denn Stanislaus konnte nicht mehr stehen und hatte überall blaue Flecke und Blutergüsse.

„Das nächstemal tanzen wir mit dir die Musketen-Mazurka“, versprachen sie ihm, hoben ihn noch einmal hoch und walkten ihn nach Kräften durch.

Anschließend fühlte sich Stanislaus von harten Fäusten hochgehoben und mit Schwung in seine Höhle gefeuert. Ein Teil der Bretterwand brach hinter ihm zusammen, und eine Wolke aus hellem Sand stob durch das dreckige Erdloch.

Benommen, geschunden und elend verprügelt blieb er eine Weile so liegen und atmete schwer. Dann stand er humpelnd auf und begann jämmerlich zu fluchen.

Die Prügel vergaß er ziemlich schnell. Daß sein Körper mal weh tat, war für ihn schon fast Gewohnheit. Blaue Flecke hatte er von seinen Sauftouren oft genug mitgebracht.

Er war nur verärgert und gekränkt, aber richtig empört war er erst, als er seine Unterkunft einer Inspektion unterzog. Da fehlten die Möweneier, der Speck und der Kanten Brot. Das Messer war weg, seine Jacke, sein Schlapphut, die Rolle Kabelgarn und der Ledersack. Und natürlich fehlten auch die Münzen, „seine“ Münzen, versteht sich, wie er das auslegte.

Er hockte sich wütend und verärgert auf den Boden und schlug mit der Faust auf das kleine Holzregal.

„Dieser Spitzbube!“ keifte er. „Dieser verdammte Pirat! Der hat mir sogar meine Münzen geklaut, alles hat er mir geklaut, dieser englische Halunke. Der Teufel soll ihn holen, verfaulen soll der Hund, peronnje!“

Er erhob sich und brüllte noch lauter.

„Gauner sind das alles, Halsabschneider, Piraten, Lumpenpack und Spitzbuben! Nicht nur, daß er mich beklaut hat wie ein Rabe, er hat mir auch noch alles weggefressen. Und was habe ich nun davon? Nichts als Ärger mit diesem Gesindel!“

So zeterte und geiferte er in seiner Höhle herum, verfluchte Gott und die Welt und war erbost darüber, daß sein Rausch vorzeitig verflogen war und er nicht einmal davon etwas hatte. Und wie es aussah, bestand wenig Aussicht, wieder an Geld zu gelangen.

Inzwischen waren die Soldaten zur Kneipe gestürmt und blieben entsetzt stehen, als sie den Auflauf sahen. Die Wirtin und die Gäste schrien und brüllten aufgeregt durcheinander, der Posten war immer noch bewußtlos und konnte keine Auskunft geben. Ein heilloses Durcheinander war das.

Fünf Pferde waren weg, samt Satteltaschen, Proviant, Munition und Hafer für die Gäule.

Zwei Soldaten rannten in wilder Wut zum Strand hinunter und suchten nach Spuren, die sie auch auf Anhieb fanden.

„Das darf nicht wahr sein!“ brüllte der eine enttäuscht. „Der Kerl hat alle Pferde mitgenommen, alles! Aber den kriegen wir noch, und wenn wir ihn durch die ganze Welt jagen!“

Überstürzt kehrten sie wieder zurück und erstatteten Meldung. Der Anführer war so sauer, wie sie ihn nie erlebt hatten.

„Alles wegen dieses Stanislaus, dieses Irren!“ schrie er. „Den bringe ich doch noch um. Aber zuerst geht es um diesen Piraten. Der darf uns nicht mehr entwischen.“

„Und wo kriegen wir Pferde her?“

„Ich hab meine auf der Koppel“, sagte der Wirt, „aber nur einen Sattel. Ihr müßt sie erst holen.“

„Die sind hiermit beschlagnahmt!“ brüllte der Anführer. „Los, zeig uns den Weg, Pjontek, wir dürfen keine Zeit mehr verlieren, sonst entwischt uns dieser Hund doch noch.“

Bevor sie auf der Koppel waren und die Pferde eingefangen hatten, verging wiederum eine ganze Weile. Inzwischen hatte die Wirtin den Soldaten etwas Proviant eingepackt.

Den immer noch bewußtlosen Soldaten ließen sie zurück und jagten dann wutentbrannt dem Flüchtigen nach. Sie mußten ihn fassen, um jeden Preis.

Seewölfe Paket 17

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