Читать книгу Seewölfe Paket 17 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 32

6.

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»Ich verlange, daß mein Bruder Hugo freigelassen wird!« schrie Erich von Saxingen jetzt. »Ich weiß, daß er sich bei euch an Bord befindet! Ich will, daß ihr ihn mir im Austausch gegen meine beiden Gefangenen übergebt! Killigrew – ich erwarte eine Antwort!«

»Ich kann darauf nicht eingehen«, entgegnete der Seewolf. »Hugo von Saxingen befindet sich nicht an Bord meines Schiffes. Er ist Arne von Manteuffels Gefangener.«

»So ist das«, sagte von Saxingen wütend. »Nun, dann erleben die beiden Schnapphähne von eurer Bande den nächsten Tag nicht mehr.« Sicherheitshalber fügte er gleich mit hinzu: »Selbst wenn ihr mich festhaltet, springen die Kerle zu einer von mir bestimmten Uhrzeit über die Klinge. Diese Anweisung habe ich Bruno gegeben, und er wird sich strikt daran halten.«

Immer noch versuchte der Seewolf, die Ruhe zu bewahren, doch es fiel ihm nicht leicht. Immer wieder hielt er sich vor Augen, daß er mit einer Festnahme Erich von Saxingens wirklich nichts erreichte, aber der Drang, den Kerl zu überwältigen und auf der Stelle abzuurteilen, war fast übermächtig.

»Sollte das wirklich passieren, kannst du deinen Bruder Hugo ebenfalls in Empfang nehmen!« rief Hasard. »Dann aber als Toten, den du von der Rah abfieren mußt, an der er baumeln wird!«

»Ich will Hugo jetzt. Sofort. Auf der Stelle«, sagte von Saxingen forsch und drängend. »Es ist mir gleich, auf welchem Schiff er ist. Holt ihn. Ich will ihn sehen.«

Hasard schüttelte nur den Kopf. »Selbst wenn ich es könnte und wollte – ich denke gar nicht daran, Hugo von Saxingen im voraus freizugeben, ohne gleichzeitig meine beiden Männer im Austausch zurückzuerhalten.«

Erich von Saxingen befeuchtete seine spröde gewordenen Lippen mit der Zungenspitze.

»Ich gebe dir mein Wort, daß ich sie freilasse, Killigrew!« rief er.

»Wann soll das geschehen?« fragte Hasard.

»Sobald ich mit meinem Bruder zu dem Versteck zurückgekehrt bin, in dem wir deine Leute gefangenhalten.«

»Ich halte nichts von dem Wort eines Meuchelmörders«, sagte der Seewolf kalt. »Ein Tausch läßt sich nur Zug um Zug abwickeln, auf der einen Seite will ich dann meine Männer Dan O'Flynn und Piet Straaten sehen, auf der anderen halte ich Hugo bereit.«

»Unmöglich!« schrie Erich von Saxingen.

»Dann sind wir geschiedene Leute«, sagte Hasard.

»Dieser O'Flynn und dieser Straaten sind schon jetzt so gut wie tot!« brüllte von Saxingen außer sich.

Hasard hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. »Daran kann ich dann leider auch nichts ändern. Wir alle müssen das Risiko eingehen, eines Tages zu sterben.« In Wirklichkeit dachte er natürlich anders. Er bangte um Dan und Piet und würde alles tun, um sie zu befreien. Doch von Saxingen gegenüber war es nur klug, ein wenig zu schauspielern. »Allerdings sehe ich auch Hugo von Saxingen schon an der Großrah der ›Wappen von Kolberg‹ baumeln«, fügte er hinzu und deutete zu Arne von Manteuffels Galeone hinüber.

Erich von Saxingen spürte, daß er hier auf Granit biß. Er änderte seine Taktik.

»Also gut, dann drehen wir das eben anders«, sagte er. »Laß mich wenigstens mit meinem Bruder sprechen. Ich muß mich mit ihm beraten.«

»Abgelehnt«, erwiderte Hasard. »Mit dem gleichen Recht will ich dann mit Dan O'Flynn und Piet Straaten reden, vor allen Dingen deshalb, weil ich mich davon überzeugen möchte, ob sie auch wirklich noch am Leben sind. Wer sagt mir, daß sie nicht bereits tot sind?«

»Sie leben«, beeilte sich von Saxingen zu versichern.

»Wie gesagt, den Versicherungen und dem Wort eines Meuchelmörders traue ich nicht«, erklärte der Seewolf. »An meinen beiden Männern führt kein Weg vorbei, ich verlange eine Gegenüberstellung.«

»Ich lasse mich darauf nicht ein!« schrie der Junker mit schriller Stimme.

»Dann sehe ich unser Gespräch als beendet an«, sagte Hasard. Er wurde jetzt wieder ganz ruhig. Er spürte, daß er Erfolg haben würde, wenn er weiterhin kühl und gelassen vorging. Dann hatte Erich von Saxingen nicht ihn in der Hand, sondern es war genau umgekehrt.

»Hau ab, Saxingen«, sagte er. »Oder willst du, daß ich deinem Gaul Beine mache? Meine Männer warten nur darauf, ein Zielschießen auf dich zu veranstalten.«

»Ihr Hunde!« schrie von Saxingen. »Ihr Ratten! Ich ziehe mich auch so zurück, freiwillig! Aber ich warne euch: Wenn ich verfolgt werde, müssen die beiden Banditen dran glauben!«

»Ja«, sagte Hasard. »Das gleiche gilt dann aber auch für deinen Bruder, vergiß das nicht. Vielleicht lasse ich ihn auspeitschen und Spießruten laufen, bevor ich ihn hänge.«

Das Pferd begann wieder zu tänzeln, von Saxingen hatte seine Mühe, es zur Ruhe zu bringen. Er richtete sich hoch in den Steigbügeln auf, streckte die Hand aus und ballte sie zur Faust, dann schüttelte er sie. »Untersteht euch, Hugo etwas anzutun! Meine Rache würde furchtbar sein! Ich schlage dir aber etwas vor, Killigrew!«

»Gut, ich höre!«

»Ich gebe dir einen ganzen Tag Zeit, damit du dir alles gründlich überlegen kannst! Wir treffen uns morgen früh um diese Stunde an einem Platz, dessen Lage ich dir noch mitteilen lasse! Dort erfolgt der Austausch der Gefangenen!«

»Einverstanden!« rief Hasard, doch die Mienen seiner Männer verrieten ihm, daß sie ganz anderer Meinung waren. »Ich erwarte deine Nachricht, Saxingen!« fügte er laut hinzu.

Von Saxingen warf sein Pferd unter der Hand herum und trieb es an. Im Galopp verließ er die Pier und war bald darauf hinter den Häusern von Rügenwaldermünde verschwunden.

Wenig später erschienen der Stadthauptmann Heinrich Paleske und der Hafenmeister mit einem Trupp von bewaffneten Männern. Sie hatten alles mitgehört und boten Hasard ihre Hilfe an.

»Ich danke Ihnen von ganzem Herzen«, sagte Hasard zu Paleske. »Aber ich muß auf Ihre Unterstützung verzichten. Wir müssen Erich von Saxingen verfolgen, doch wir dürfen es nicht mit einem großen Aufgebot tun. Nur ein kleiner Trupp hat die Chance, ungesehen seine Fährte aufzunehmen und bis zu dem Versteck der Kerle zu gelangen, ohne Dan O'Flynn und Piet Straaten zu gefährden.«

»Das verstehe ich«, sagte Paleske. »Aber was haben Sie vor? Haben Sie schon einen Plan?«

»Ja, ich habe ihn mir eben zurechtgelegt«, erwiderte Hasard. Er winkte seine Männer zu sich heran und versammelte sie um sich. »Hört alle gut zu. Wir gehen überlegt vor. Wir müssen Dan und Piet heraushauen, koste es, was es wolle. Ich bin nicht bereit, Hugo von Saxingen herauszugeben.«

Ben Brighton atmete unwillkürlich auf. »Hölle, und wir dachten schon, du wolltest tatsächlich auf die Bedingungen dieses Schweinehundes eingehen.«

Hasard musterte ihn streng. »Eigentlich solltet ihr mich besser kennen.«

»Doch, da hast du recht.« Ben wurde fast verlegen. »Es muß wohl so sein, daß der Tod der Freiin von Lankwitz uns alle ziemlich durcheinandergebracht hat.«

Hasard setzte den Männern seinen Plan auseinander und sprach jede Einzelheit mit ihnen durch. Er war bei aller Sorge um Dan und Piet froh darüber, daß er eine Aufgabe hatte, durch die er sich hindurchbeißen konnte. Alles war ihm recht, damit er sich nur von dem Meuchelmord an Gisela von Lankwitz ablenken konnte – und von dem Anblick, den sie geboten hatte, als sie tot auf der Kuhl der »Wappen von Kolberg« gelegen hatte.

Es waren mit die schrecklichsten Stunden gewesen, die er je durchgestanden hatte. Er fühlte sich schmerzlich an den Tag erinnert, an dem er seine Frau, Gwendolyn Bernice O'Flynn, für immer verloren hatte.

Dan und Piet war hundeelend zumute, sie hatten eine schlimme Nacht hinter sich. Die Fesseln bereiteten ihnen Schmerzen und schienen immer tiefer in ihr Fleisch zu schneiden. Sie hatten nicht geschlafen. Zu essen und zu trinken hatten sie auch nichts erhalten. Erich von Saxingen und Bruno von Kreye hatten sich nicht dazu bequemt, ihnen auch nur einen Schluck frisches Wasser zu bringen.

Sie hatten mitgehört, wie einer der beiden Kerle in aller Frühe davongeritten war. Doch sie wußten nicht, wer es von den beiden gewesen war. Fest stand, daß zur Zeit nur noch ein Wächter über ihnen in dem einzigen Raum der Hütte saß, der obendrein ziemlich müde sein mußte. Auch Erich und Bruno hatten nicht sehr viel Schlaf gefunden, und der viele Beerwurz, den sie getrunken hatten, hatte zwar ihren Mut ins Unendliche gehoben, aber ihr Reaktionsvermögen mußte unter der Wirkung des Alkohols stark nachgelassen haben.

Dies konnte die Chance sein, auf die Dan und Piet gewartet hatten. Dan wälzte sich zu Piet herum, und Piet rollte sich ebenfalls so, daß sie schließlich Rücken an Rücken lagen. Dan bewegte seine steif gewordenen Finger, so gut es ging, und zupfte an den Knoten von Piets Handfesseln herum. Es war eine langwierige, anstrengende, schweißtreibende Tätigkeit. Er biß die Zähne zusammen, sein Gesicht war leicht verzerrt. Noch wußte er nicht, ob er überhaupt Erfolg haben würde.

Sie sprachen kein Wort. Es war immer noch stockdunkel in ihrem Kellerverlies, sie konnten nichts um sich herum sehen. Dan war bei seiner Arbeit auf den reinen Tastsinn angewiesen. Er setzte kurz aus, krümmte die Finger und streckte sie wieder. Das tat er mehrmals, um die Blutzirkulation zu steigern. Tatsächlich ließen sie sich nun etwas besser bewegen, doch die Schmerzen in seinen Handgelenken ließen wegen der strammen Fesseln nicht nach.

Über ihren Köpfen rumorte der Mann herum, der allein in dem Raum der Hütte zurückgeblieben war. Noch war ihm nicht eingefallen, nach seinen Gefangenen zu schauen. Dan und Piet hofften inständig, daß er auch während der nächsten Minuten nicht zu ihnen heruntersteigen würde.

Die Schrittgeräusche verstummten. Dem Ächzen nach zu urteilen, das der Kerl von sich gab, hatte er sich am Tisch niedergelassen. Kurz darauf waren Schnarchlaute zu vernehmen. Er war tatsächlich eingeschlafen.

»Los jetzt«, zischte Piet. »Schaffst du es, Dan? Soll ich, es mal bei dir versuchen?«

»Laß nur«, flüsterte Dan. »Ich habe angefangen, und ich führe die Sache auch zu Ende. Hölle, warum sitzen diese Scheiß-Stricke nur so stramm? Mist, verdammter! Wenn ich längere Fingernägel hätte, hätte ich den Knoten bestimmt schon aufgekriegt.«

»Still«, raunte Piet ihm zu.

Oben hatte das Schnarchen aufgehört. War der Mann aufgewacht? Würde er sich jetzt in Bewegung setzen und zu ihnen herunterkommen? Sein Auftauchen hätte ihr Werk zerstört und ihre Hoffnung, sich durch zähe, langwierige Arbeit zu befreien, wieder in weite Ferne gerückt.

Doch Bruno von Kreye, der oben am Tisch saß und den Kopf auf seinen rechten Ellenbogen gebettet hatte, dachte nicht daran, sich zu erheben. Er blinzelte nur leicht in das graue Morgenlicht, das durch die Fensterlöcher hereinfiel, dann ließ er den Kopf wieder sinken, schloß die Augen und setzte seinen soeben unterbrochenen Schlummer wieder fort.

Erich würde nicht erfahren, daß er geschlafen hatte. Es ging ihn im Grunde ja auch nichts an. Er, Bruno, ruhte sich nur von den Strapazen der vergangenen Stunden aus, das war sein gutes Recht. Die Gefangenen waren verschnürt wie Pakete, es konnte ihnen nicht gelingen, sich zu befreien. Davon, daß nach wie vor alles seine Ordnung hatte, brauchte er sich also nicht persönlich zu überzeugen.

Hätte er jedoch sehen können, was Dan und Piet in diesem Augenblick taten, dann hätten sich ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Haare gesträubt. Dan hatte seine Tätigkeit wieder aufgenommen. Er löste den ersten Knoten, zerrte an dem zweiten und knüpfte auch diesen in nunmehr relativ kurzer Zeit auf, da er durch seine Bemühungen zuvor auch schon um einiges gelockert war.

Piets Handfesseln fielen. Das Ganze hatte fast eine Stunde Zeit gekostet. Der Rest jedoch war innerhalb weniger Minuten erledigt. Piet befreite Dan von den Stricken, dann setzte er sich auf, beugte sich vor und löste auch die Fesseln von seinen Fußknöcheln. Sie hockten beide da und massierten ihre Gliedmaßen, bis der Blutkreislauf wieder richtig in Gang gebracht war.

Dann legten sie sich wieder so auf den feuchten Kellerboden, daß es so aussah, als wären sie noch gefesselt. Die Hände hielten sie auf dem Rücken fest. Die Füße hatten sie zum Schein wieder zusammengebunden, doch sie konnten sie sofort wieder abstreifen, wenn es erforderlich wurde.

Dan hatte sich leise mit Piet abgesprochen. Sie hielten es beide für falsch, jetzt nach oben zu schleichen. Die Stufen der Stiege knarrten und ächzten, sie würden sich zwangsläufig dadurch verraten und den Kerl am Tisch aufwecken. Er mußte es hören, denn so tief war sein Schlaf nicht. Er würde aufspringen, nach der Muskete oder der Pistole greifen und auf sie feuern. Dann hatten sie ihre große Chance verspielt, denn es gab keine Deckungsmöglichkeiten.

Nein, sie mußten es auf andere Weise versuchen, ihn zu überraschen und zu überwältigen. Er durfte nicht frühzeitig gewarnt werden. Wenn sie noch eine Weile aushielten, wurde ihre Geduld vielleicht belohnt.

Bruno von Kreye schreckte plötzlich aus seinem Schlummer hoch. Etwas verwirrt blickte er sich im Raum um und schien zunächst nicht zu wissen, wo er war. Dann gab er ein undeutliches Brummeln von sich, stand auf und ging zur Tür. Er öffnete sie und atmete die frische Morgenluft ein.

Die schlimmsten Nachwirkungen des Beerwurz-Rausches der Nacht waren verflogen. Er konnte wieder völlig klar denken. Und er verspürte Hunger. Er entsann sich der Tatsache, daß er noch eine halbe Speckseite in seinem Sattelgepäck hatte – der einzige Proviant.

Er ging zu dem Verschlag, in dem die Pferde untergebracht waren, durchsuchte das Gepäck und fand, was er suchte. Eine kleine Eisenpfanne, die zu seiner Ausrüstung gehörte, nahm er ebenfalls mit, und so kehrte er wieder in die Hütte zurück, rammte die Tür hinter sich zu und kniete sich vor den alten Kamin hin. Mit den trockenen Holzresten, die herumlagen, gelang es ihm, innerhalb kurzer Zeit ein Feuer zu entfachen. Feuerstahl und einen Flint hatte er bei sich. Bald darauf briet er den Speck in der Pfanne und freute sich schon auf das einfache, aber magenfüllende und stärkende Frühstück, das er sich zubereitete.

Daß es die letzte Mahlzeit sein sollte, die er zu sich nahm, konnte er nicht ahnen.

Seewölfe Paket 17

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