Читать книгу Seewölfe Paket 17 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 41

5.

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Es goß noch immer in Strömen, als Schritte im Korridor des Handelshauses von Manteuffel den erwarteten Besuch ankündigten. Der Bedienstete, der als Bote zur „Santissima Madre“ geschickt worden war, klopfte und öffnete die Tür. Der Geruch regenfeuchter Kleidung wehte herein.

„Herr de Coria und sein Dolmetscher.“

„Ich bitte die Herren herein.“ Hasso von Manteuffel erhob sich, und ihm war anzusehen, wie schwer es ihm fiel, die Formen zu wahren.

Den Seewolf durchzuckte ein Stich, als er den Mann sah, mit dem er auf widersinnige Weise verwandt war. Rodriguez de Coria begrüßte Hasso von Manteuffel mit schleimiger Höflichkeit. Der Spanier sah aus der Nähe noch verlebter und aufgeputzter aus, als es der Blick durch das Spektiv ermöglicht hatte. Er war ein alter Mann, gewiß. Doch die dunklen Ränder unter seinen Augen und die kalkige Farbe seines Furchengesichts rührten nicht allein vom Alter her.

Hasso von Manteuffel stellte Arne als seinen ältesten Sohn und Hasard als einen entfernten Verwandten vor, der mit seinen Zwillingssöhnen und einem Decksmann eingetroffen sei, um Familiäres zu besprechen. Hasard hatte das Gefühl, sich schütteln zu müssen, als er de Coria gezwungenermaßen die Hand reichte. Der Dolmetscher war ein dicklicher Zwerg namens Esteban Romero.

„Nun?“ fragte de Coria, nachdem sie sich gesetzt hatten. Er blickte den Hausherrn an und faltete die mageren Finger. „Ist der Familienrat bereits zu einem Ergebnis gelangt?“ Romero übersetzte es ins Deutsche, mit einem harten, rollenden Akzent.

Hasard dachte nicht daran, sich auch nur eine Sekunde zurückzuhalten.

„Darf ich dieses famose Schriftstück sehen, Señor de Coria?“

Der Spanier riß die Augen auf.

„Oh! Sie sprechen meine Sprache besser als mancher Landsmann. Woher stammen Ihre hervorragenden Kenntnisse, Señor von Manteuffel?“

Der Seewolf lächelte kalt.

„Deutsche Kaufleute haben sich schon immer durch ihr besonderes sprachliches Talent ausgezeichnet.“

„Nun, da haben Sie zweifellos recht.“

„Ich erinnere an das Schriftstück.“

Rodriguez de Coria verzog das Gesicht in einem Anflug von Ärger. Dieser Spanisch sprechende von Manteuffel wollte ihm ganz und gar nicht gefallen, einer von der hartnäckigen Sorte. De Coria witterte Verdruß, und dieser Verdruß würde von diesem Mann ausgehen, der dem ältesten Sohn des Firmeninhabers wie ein Bruder ähnlich war.

„Aber bitte, natürlich.“ De Coria ließ sich von seinem Dolmetscher eine lederne Mappe geben und zog das Papier heraus.

Hasard nahm es mit einer scheinbar dankenden Geste entgegen. Er warf nur einen flüchtigen Blick auf die Schrift.

„Sehen Sie her“, sagte er kühl und hob das Dokument mit spitzen Fingern empor.

Rodriguez de Coria blinzelte irritiert.

Im nächsten Moment zuckte er zusammen.

Das Geräusch reißenden Papiers drang überlaut in die Stille des Raumes. Hasard zerfetzte das sogenannte Schriftstück seelenruhig in kleine Stücke und ließ sie zu Boden regnen.

De Coria sperrte den Mund auf und bewegte die dünnen Lippen. Doch in seiner Fassungslosigkeit brachte er keinen Ton heraus.

Die Stimme des Seewolfs war wie klirrender Frost.

„Dieses Schriftstück ist eine Fälschung. Oder können Sie mir erklären, de Coria, wie ein Toter noch eine Unterschrift leisten kann?“

Der Spanier schnappte heftiger nach Luft. Im nächsten Moment sprang er auf.

„Was nehmen Sie sich heraus!“ brüllte er, wobei sich sein Gesicht krebsrot färbte. „Sie wagen es, einem Gesandten des spanischen Königs in einem solchen unverschämten Ton zu begegnen?“ Sein hagerer Kopf ruckte herum. Anklagend sah er Hasso von Manteuffel an. „Ich muß Sie dringend ersuchen, Ihren Verwandten zu maßregeln. Ich denke nicht daran, das Gespräch auf dieser Basis fortzusetzen.“

Esteban Romero fand keine Zeit mehr, zu übersetzen. Denn der Seewolf stieß den sehr ehrenwerten Señor de Coria kurzerhand in seinen Sessel zurück.

„Sie werden jetzt zuhören“, sagte Hasard kalt, „meine Verwandten sind über alle Zusammenhänge informiert. Eine Übersetzung können wir uns daher schenken. Punkt eins: Godefroy von Manteuffel, der Ihre Urkunde unterschrieben haben soll, ist am vierten Oktober des Jahres 1580 durch Mörderhand aus dem Leben geschieden. Punkt zwei: Der Mörder hat seine Untat allerdings auch nicht überlebt. Genau vier Sekunden nach dem Mord ist er mit einer Axt geköpft worden. Der Name dieses Schurken lautete Salvador de Coria.“

Hasard hielt inne, und der Nachhall seiner Worte klang wie Hammerschläge.

Rodriguez de Coria war schneeweiß geworden. Sein Atem ging jetzt stoßweise, und fast schien es, als würde er ohnmächtig werden und aus dem Sessel kippen. Doch diesmal hatte er sich erstaunlich schnell wieder in der Gewalt.

„Das ist erlogen“, keuchte er wutentbrannt, „woher wollen Sie diese Information haben, Señor von Manteuffel?“

Der Seewolf konterte unbarmherzig und mit beißender Schärfe.

„Dazu brauche ich keine Information, werter Señor de Coria. Ich bin nämlich selbst dabeigewesen. In Spanien kennt man mich unter dem Namen Philip Hasard Killigrew, man nennt mich auch den Seewolf. Zufällig bin ich auch der Sohn Godefroy von Manteuffels. Ich war kaum ein Jahr alt, als ich von den sauberen drei Brüdern de Coria der Mutter geraubt wurde.“

„Das ist nicht wahr!“ De Coria röchelte, griff sich an den Hals.

Hasards Stimme peitschte gnadenlos weiter. Hasso von Manteuffel und die anderen hielten den Atem an.

„Einem Betrüger und Verbrecher tut die Wahrheit immer weh. Das wundert mich überhaupt nicht. Aber die Geschichte geht noch weiter, de Coria. Und wenn es sein muß, werde ich den Rest der Wahrheit in Sie hineinprügeln. Erinnern Sie sich an die deutsche Hansekogge ‚Wappen von Wismar‘! Auf dieses Schiff wurde ich damals in Cadiz im Säuglingsalter gebracht. Das unerwünschte Balg sollte nach Deutschland abgeschoben werden, nicht wahr? Der Mittelsmann dieser niederträchtigen Tat war ein gewisser Handelsherr namens Romeronde Zumarraga in Cadiz. Derselbe Halunke übrigens, der auch das Lösegeld für Godefroy von Manteuffel auf Betreiben der drei sauberen Brüder de Coria in die eigene Tasche gesteckt hat, statt es Uluch Ali zu überbringen.“

Rodriguez de Coria verdrehte die Augen. Er war jetzt offensichtlich einer Ohnmacht nahe. Hasard packte ihn kurzentschlossen am Rüschenkragen, schüttelte ihn in die Wirklichkeit zurück und ließ ihn wieder in den Sessel fallen.

„Das war eine gemeine Unterschlagung“, fuhr Hasard mit unverhohlenem Zorn fort, „wegen der Godefroy von Manteuffel mehr als zwanzig Jahre als Galeerensklave Uluch Alis erleiden mußte. Zwanzig Jahre! Ist Ihnen überhaupt klar, was das bedeutet? Und dann, als ich meinen Vater befreit habe, wird er hinterrücks von Ihrem Bruder niedergestochen.“ Hasard schüttelte voller Abscheu den Kopf und preßte sekundenlang die Lippen aufeinander. Grenzenlose Verachtung lag in seiner Stimme, als er fortfuhr: „Diese Verbrechen, die Sie und Ihre Brüder sich geleistet haben, waren schon abscheulich genug – von der Anmaßung her, sich als Moralapostel über Ihre Schwester aufzuspielen, über Kindesraub und Unterschlagung bis hin zum Mord. Aber das Bubenstück, zu dem Sie sich jetzt erdreisten, ist der Gipfel. Zehntausend Goldtaler wollen Sie erschwindeln, indem Sie eine Urkunde fälschen und einen aufrechten, anständigen, ehrlichen Mann, der seit mehr als zwölf Jahren tot ist, als Spieler und Schuldenmacher diffamieren. Das ist noch infamer und hinterhältiger als Ihre bisherigen Schandtaten. Für mich sind Sie nichts weiter als ein elender, dreckiger Leichenfledderer!“ Hasard hatte sich in Rage geredet. Ihm kribbelte es in den Fingern, den Spanier zu packen und ihm auf der Stelle eine Lektion zu erteilen, die er so schnell nicht vergaß.

Doch dies erledigte sich gewissermaßen von selbst.

Hasards zornige Anklage wirkte im wahrsten Sinne des Wortes niederschmetternd auf Rodriguez de Coria.

Der noble Gesandte des spanischen Königs war aschgrau im Gesicht, das krampfartig zuckte. Mit einem vernehmlichen Röcheln kippte er zur Seite aus dem Sessel.

Der Dolmetscher sprang auf und wollte ihm zu Hilfe eilen.

„Finger weg!“ fuhr ihn der Seewolf an.

Mit zwei Schritten war er bei dem Ohnmächtigen, packte ihn, hob ihn mühelos auf und schleifte ihn auf den Korridor hinaus.

Esteban Romero folgte ihm zeternd.

„Señor, ich ersuche Sie dringendst – nicht diese Behandlung! Sie haben es mit einem Gesandten des spanischen Königshauses zu …“

Er verschluckte sich an seinen eigenen Worten, als der Seewolf, schon an der Haustür, ruckartig herumfuhr. In den eisblauen Augen des hochgewachsenen schwarzhaarigen Engländers glomm ein gefährliches Feuer.

„Schweigen Sie, Mann! Nehmen Sie Ihre Sachen, und verschwinden Sie!“

Romero beeilte sich, der Anordnung Folge zu leisten. Erschauernd sah er, wie der Seewolf die Tür aufstieß und den Ohnmächtigen in die Gosse hinauswarf.

Romero zuckte zusammen, als ihn der nächste Befehl Hasards wie ein Peitschenhieb traf.

„Räumen Sie dieses Stück Dreck weg, bevor ganz Kolberg zu stinken anfängt!“

Esteban Romero zitterte vor Aufregung und Empörung. In fieberhafter Eile versuchte er, der für ihn entwürdigenden Situation Herr zu werden. Daß es ihm nicht gelang, lag in erster Linie an dem noch immer in Strömen herabrauschenden Regen.

Wie zum Hohn fiel die schwere Eichentür des Handelshauses von Manteuffel vor ihm ins Schloß. Romero fühlte sich mutterseelenallein und so verlassen wie nie zuvor in seinem Leben, allein mit dem von ihm verehrten Gesandten, den dieser englische Teufel nach seiner Meinung auf demütigende Art und Weise in die Ohnmacht getrieben hatte.

Romero verhedderte sich in seinem eigenen Umhang und dem goldbestickten Mantel de Corias. Verzweifelt versuchte er, den Ohnmächtigen mit dessen Mantel zu bedecken, um ihn wenigstens einigermaßen vor der Nässe zu schützen. Doch je mehr er sich bemühte, desto mehr verfing er sich in dem schweren Tuch. Schon spürte er, wie ihm der Regen bis auf die Haut drang. Die schweren Tropfen, die auf das Steinpflaster klatschten, riefen kleine Fontänen hervor. Keine Menschenseele war ringsherum zu sehen, und dennoch hatte Romero das bohrende Gefühl, aus allen Fenstern von höhnischen Blicken beobachtet zu werden.

Er wollte de Coria unter den Armen fassen und geriet mit den Füßen auf den eigenen Mantelsaum. Mit einem spitzen Schrei stürzte Romero über den Bewußtlosen und landete mit dem ganzen Gewicht seines kurzen, rundlichen Körpers in einer knöcheltiefen Pfütze.

Heulend vor Wut rappelte er sich wieder auf. Kurzerhand schleuderte er de Corias Mantel beiseite, und jetzt gelang es ihm endlich, den Reglosen unter den Achseln zu packen. Romero war kein sehr kräftiger Mann. So blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen hilflosen Herrn am Kai entlangzuschleifen. Daß die kostbaren Schnallenschuhe des hochwohlgeborenen Gesandten dabei arg in Mitleidenschaft gezogen wurden, war noch das kleinste Übel. Viel schlimmer war, daß der Mantel zurückbleiben mußte. Oh, wenn diese von Manteuffels einen Funken Anstand im Leib hatten, dann würden sie das teure Kleidungsstück schleunigst zurückgeben.

Esteban Romero schwitzte unter dem Regen, und das lag nicht nur an der Anstrengung. Seine Empörung steigerte sich mit jedem Schritt, den er rückwärts keuchend zurücklegte. Er fand sich damit ab, daß er vor Nässe triefte. Er fand sich damit ab, daß er nicht der Mann war, der Señor de Coria hätte schützen können. Aber er würde sich niemals damit abfinden, daß ein spanischer Edelmann so gedemütigt worden war.

Er erreichte die Pier, an der die „Santissima Madre“ vertäut lag. Nur noch hundert Yards waren jetzt zurückzulegen. Hundert Yards durch die rauschenden Schleusen des Himmels. Romero hatte das Gefühl, daß die Schmach noch eine Ewigkeit andauern würde.

Er passierte einen offenen Schuppen an der Landseite der Pier. Schauerleute hatten unter dem Bretterdach Zuflucht gesucht.

„Nun seht euch das an!“ grölte eine rauhe deutsche Stimme. „Früh am Tag – und schon stinkbesoffen!“

„Tja, die feinen Leute können sich das leisten!“ rief ein anderer.

„Keiner von den unseren“, fügte ein dritter dröhnend hinzu, „das ist einer der feinen Pinkel von dem spanischen Schnörkelkahn!“

„Ah, kein Wunder“, ließ sich wieder der erste vernehmen, „die Offiziere auf diesen Feudalschiffen sollen ja nichts Besseres zu tun haben, als von morgens bis abends ihren stinkigen Rotwein in sich hineinzukippen.“

Esteban Romero wünschte sich ein Loch im Erdboden, in das er am liebsten versunken wäre. Daß er den Kerls in ihrer eigenen Sprache mit einer passenden Bemerkung hätte antworten können, fiel ihm nicht einmal ein.

Dann, nach endlosen Minuten, hörte er vertraute spanische Stimmen, aufgeregte Stimmen. Und eilige Schritte näherten sich. Als die Decksleute ihm die schwere Last abnahmen, empfand er keine Erleichterung – eher den Drang, nun seinerseits in Ohnmacht zu fallen.

Wie er an Bord gelangte und mit trockenen Sachen versorgt wurde, wußte er später nicht mehr. Als Kapitän de Frias ihn dann in seinen Salon zitierte, spürte Romero, daß sein Kopf glühte, und er wünschte sich abermals jenes Loch im Erdboden.

Rodriguez de Coria, mit bleichem und eingefallenem Gesicht, lag auf der Koje und hielt sich ein Fläschchen Riechsalz unter die Nase.

„Niemand wirft Ihnen etwas vor, Romero“, sagte de Frias, „ich habe von Señor de Coria bereits erfahren, was sich im Hause von Manteuffel abgespielt hat. Es handelt sich lediglich darum, daß wir Sie als Zeugen brauchen. Denn wir werden diesen unerhörten Vorfall keineswegs auf sich beruhen lassen.“

Unendliche Erleichterung befiel den Dolmetscher. Und wieder war es die Empörung, die ihn zittern ließ, als er in allen Einzelheiten über das unerhörte Geschehen berichtete.

Kapitän de Frias entließ ihn mit einer gnädigen Geste. Er wandte sich an de Coria, der unter einem Deckenstapel ruhte.

„Ein Branntwein könnte Ihnen jetzt nicht schaden, Don Rodriguez.“

„Her damit“, entgegnete de Coria, und er konnte nicht verhindern, daß seine Zähne klapperten.

De Frias schenkte ein und brachte ihm das Glas.

„Eins ist ja wohl klar“, sagte er grinsend. „Ihre Felle schwimmen davon, Don Rodriguez. Wenn Sie jetzt noch etwas beschicken wollen, gibt es nur eins.“

„Und das wäre?“ De Coria stellte das Riechsalzfläschchen beiseite und leerte das Branntweinglas in einem Zug.

„Die Flucht nach vorn. Was denn sonst? Am besten verteidigt man sich, indem man angreift.“

Seewölfe Paket 17

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