Читать книгу Seewölfe Paket 17 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 31

5.

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Halblaut teilte Piet Straaten Dan O'Flynn mit, was er vernommen hatte. Beiden war klar, daß die Kerle mit ihnen als Geiseln ein beachtliches Druckmittel hatten, um von Saxingens Plan in die Tat umzusetzen.

Hasard würde nämlich ohne jeden Zweifel der Erpressung nachgeben, um ihr Leben nicht zu gefährden. Sie wußten es schon jetzt, sie kannten seine Prinzipien. Er ließ sich auf nichts ein, was auf Kosten seiner Männer gehen konnte, und vermied jedes Risiko. Er war fair und ehrenhaft bis zur letzten Konsequenz.

»Das ist eine verdammte Situation«, flüsterte Dan. »Und sie geht zu unseren Lasten, weil wir wie die Verrückten hinter den Hunden hergejagt sind.«

»Stimmt«, murmelte Piet. »Wir haben uns wie die Anfänger im wahrsten Sinne des Wortes aufs Kreuz legen lassen. Tut dir der Schädel noch weh?«

»Das wollte ich dich gerade fragen.«

»Na, es geht so«, raunte Piet. »Das Vogelgezwitscher, das ich vorhin vernommen habe, ist jetzt vorbei.« Er verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen, das Dan in der Dunkelheit aber nicht sehen konnte.

Aber Dan war ohnehin nicht zum Lachen zumute.

»Die Waffen haben sie uns natürlich abgenommen«, murmelte er. »Wie sieht es bei dir aus? Haben sie auch dein Messer entdeckt?«

»Ja, leider. Sonst wären wir längst frei.«

»Ein Glück, daß sie uns wenigstens die Knebel aus dem Mund genommen haben.« Dan zerrte wütend an seinen Fesseln, doch es wollte ihm nicht gelingen, sie auch nur um einen Deut zu lockern. Tief schnitten die Stricke in seine Handgelenke und Fußknöchel, seine Arme und Beine drohten steif zu werden, denn der Blutkreislauf wurde unterbrochen.

Piet erging es nicht anders. Er tat alles, um sich wenigstens etwas mehr Bewegungsfreiheit zu verschaffen, hatte aber keinen Erfolg. Entmutigt blieb er schließlich liegen. Und auch Dan rührte sich nicht mehr, denn jetzt ertönten über ihnen Schritte, die sich der Stiege näherten.

Die beiden Junker hatten ihren Wortwechsel beendet und begaben sich über die knarrende Stiege in den Keller hinunter. Wieder war es von Saxingen, der den Kienspan in der Hand hielt. Das flackernde Licht zeichnete huschende, gespenstische Muster auf die Wände und ließ die Gesichter der beiden Kerle wie Fratzen erscheinen.

»So«, sagte Erich von Saxingen. »Jetzt wollen wir uns mal eingehender mit euch unterhalten. Zuerst wollen wir eure Namen wissen. Du da!« Er war neben Piet stehengeblieben und stieß ihm die Spitze seines Stiefels gegen die Schulter. »Du kannst ja ein bißchen Deutsch und verstehst mich. Wie heißt du?«

»Hein Mück«, antwortete Piet.

Erich von Saxingens Fuß schwang zurück und zuckte wieder vor. Er traf Piet hart in die Seite. Piet war ein rauher Mann, der viel einstecken konnte, doch bei diesem gemeinen Tritt stöhnte er fast auf.

»Das ist nur ein Vorgeschmack auf die Behandlung, die euch noch erwartet«, sagte Erich von Saxingen. »Raus mit der Sprache – wie heißt du?«

Piet schwieg. Dan blieb ebenfalls stumm.

Erich von Saxingen teilte wieder Tritte aus, die mal Piet und mal Dan trafen, doch wieder kriegte er kein Wort aus ihnen heraus. Die beiden warfen sich nur rasch einen Blick zu, mit dem sie sich verständigten. Nein, sie würden nichts verraten. Was der Kerl mit ihnen anstellte, erschütterte sie nicht weiter. Sie hatten schon in schlimmeren Situationen gesteckt und fürchteten auch die Folter nicht.

Nur ein Gedanke beschäftigte sie unaufhörlich: Irgendwie mußten sie es schaffen, sich zu befreien und den Spieß umzudrehen. Sie mußten nur abwarten und die Zähne zusammenbeißen, die Chance würde sich schon ergeben.

»Eure Namen!« brüllte Erich von Saxingen. »Heraus damit, oder ich bringe euch einen nach dem anderen um!«

»Hör auf«, sagte Bruno von Kreye. »So kommst du nicht weiter.«

Erich von Saxingen fuhr zu ihm herum. »Fängst du jetzt wieder an?«

»Nein. Ich halte es nur für ratsam, sie nach Hugo zu fragen. Ihre Namen können uns doch egal sein.«

Von Saxingen nickte und beugte sich zu Dan hinunter. »Nun paß mal gut auf, du Lumpenhund! Ich nehme dir nicht ab, daß du kein Deutsch kannst. Ich bin sicher, daß du mich verstehst. Also: Auf welchem der beiden Schiffe befindet sich mein Bruder? Wie geht es ihm? In welchen Raum habt ihr ihn gesteckt? Rede!«

»Ich verstehe kein Wort«, erklärte Dan und zuckte mit den Schultern. »Ich bin Engländer. Für mich ist das, was ihr sagt, ein einziges Kauderwelsch.«

Von Saxingen trat Piet noch einmal in die Seite. »Übersetze ihm, was ich gesagt habe! Du kapierst mich doch, oder? Wo ist Hugo? Wo ist mein Bruder? Was habt ihr mit ihm angestellt?«

»Hugo?« wiederholte Piet mit vorgetäuschter Verblüffung. »Einen Hugo haben wir nicht an Bord unseres Schiffes.« Auf englisch wandte er sich an Dan. »Hast du eine Ahnung, wer dieser Bursche ist, der Hugo heißt?«

»Ja!« schrie Dan. »Meiner Meinung nach wäre es besser für ihn, wenn er noch an dem Elchgeweih zappeln würde, an das wir ihn auf Gut Saxingen gehängt haben! Übersetz das diesem triefäugigen Hurensohn!«

Piet tat es unverzüglich, und die Antwort der beiden Junker bestand aus kräftigen Fußtritten, mit denen sie ihre Gefangenen immer wieder traktierten.

Jetzt aber wurde es Piet Straaten zu bunt. Plötzlich schnellte er sich im Liegen herum. Es gelang ihm, mit den gefesselten Füßen auszuholen und nach Bruno von Kreye zu treten. Er traf ihn an den Waden – Bruno stürzte zu Boden, als sei er von einer Sense umgelegt worden. Er brüllte vor Wut auf.

Dan hingegen zog seine Beine dicht an den Leib. Das schmerzte, aber er biß wieder die Zähne zusammen. Dann trat er von Saxingen gegen die Schienbeine, und auch der kippte um. Er flog ein Stück zurück und verlor dabei den Kienspan aus der Hand, den er dieses Mal dummerweise nicht an der Wand befestigt hatte.

Die Flammen leckten über Bruno von Kreyes Gesicht. Von Kreye wurde versengt, brüllte noch lauter und vollführte mit beiden Händen abwehrende, wischende Bewegungen vor seinem Gesicht, die irgendwie grotesk wirkten. Der Span lag jetzt am Boden, das Licht flackerte heftiger, die Flamme drohte zu erlöschen.

Von Saxingen rappelte sich hoch, bückte sich nach der Fackel und hob sie wieder auf. Noch einmal trat er mit dem Fuß nach seinen Gefangenen, doch dann zog er sich zurück. Er sah ein, daß ihn diese Art von Verhör nicht weiterbrachte. Außerdem war er jetzt sicher, daß sein Bruder am Leben war und sich an Bord einer der beiden Galeonen im Hafen von Rügenwalde befand. Gerade die Weigerung von Dan O'Flynn und Piet Straaten, etwas zu verraten, schien dies zu bestätigen.

Es galt, den Plan zur Durchführung zu bringen, den er sich gemeinsam mit dem Kumpan zurechtgelegt hatte. Er half ihm vom Boden hoch, und sie zogen sich fluchend und schimpfend wieder nach oben zurück. Immerhin hatten sie gemerkt, daß ihre Gefangenen auch gefesselt noch die Zähne zeigen konnten. Sie zogen es vor, sie in dem düsteren Keller schmoren zu lassen.

»Ich hätte große Lust, sie mit dem Messer zu bearbeiten«, zischte von Saxingen, als sie oben angelangt waren. »Aber wir verlieren nur Zeit mit diesen Hunden. Die lassen sich glatt abstechen, ohne auch nur noch ein Sterbenswörtchen zu sagen.«

»Ganz meine Meinung«, sagte Bruno von Kreye. »Hol lieber die zweite Flasche Beerwurz. Eine Stärkung können wir jetzt brauchen.« Ihm war elend zumute. Zum erstenmal begriff er richtig, was sie wirklich waren, nämlich niederträchtige, jämmerliche, erbarmungswürdige Feiglinge, deren einzige große Tat darin bestanden hatte, eine wehrlose Frau meuchlings aus dem Hinterhalt niederzuschießen und zu töten.

Mitternacht war längst vorbei, die Deckswachen der »Isabella« und der »Wappen von Kolberg« hatten inzwischen zweimal gewechselt. Die Menge der Schaulustigen hatte sich verlaufen, fast alle waren in ihre Häuser zurückgekehrt, weil es nichts mehr zu sehen und nichts mehr zu tun gab. Nur wenige Männer hatten sich vor der Hafenmeisterei auf Bänken und auf Pollern niedergelassen, blickten hin und wieder mal zu den Schiffen und fragten sich insgeheim, was wohl noch geschehen würde.

Der Seewolf hatte furchtbare Stunden hinter sich. Er hatte sich mit den schwersten Vorwürfen geplagt. Wenn alles nur etwas anders verlaufen wäre, hätte er die Tragödie vielleicht verhindern können. Er gönnte sich keine Ruhe und verfiel immer wieder ins Grübeln.

Schlimmer noch hatte sich Gary Andrews verhalten, als er wieder bei Besinnung war und erfahren hatte, was sich zugetragen hatte.

»Es ist meine Schuld«, hatte er immer wieder verzweifelt gesagt. »Wäre ich nicht aufgetaucht, wäret ihr nicht abgelenkt gewesen. Hätte ich mich doch bloß zurückgehalten, bis wenigstens ein paar von euch als Wachen an Land gingen. Es ist alles meine Schuld, daß dies passiert ist.«

Es kostete Hasards ganze Überzeugungskraft, Gary umzustimmen und ihm auseinanderzusetzen, daß er nichts mit alledem zu tun hatte. Die beiden Heckenschützen hatten ja nicht seinetwegen an der Pier gelauert. Sie hatten auf die Schiffe gewartet. Sie hätten auch dann auf Gisela von Lankwitz geschossen, wenn er, Gary, nicht erschienen wäre.

Quälend langsam verstrich die Zeit, und die Seewölfe und die Männer der »Wappen von Kolberg« begannen sich allmählich zu fragen, wo Dan O'Flynn und Piet Straaten blieben. Hatten sie mit ihrer Verfolgung etwas erreicht? Oder hatten sie die Spur der Mörder verloren und streiften ziel- und ratlos durch die Nacht?

»Warten wir bis zum Morgengrauen«, sagte Hasard. »Wenn sie dann nicht wieder da sind, unternehmen wir etwas.«

Arne von Manteuffel war ebenfalls wieder bei Bewußtsein und hatte seine Kammer im Achterdeck der »Wappen von Kolberg« verlassen. Aber seine Männer brauchten nicht mehr zu befürchten, daß er etwas Unüberlegtes unternahm. Er hielt bei der Freiin von Lankwitz, seiner Braut, Totenwache und rührte sich nicht mehr von der Kuhlgräting fort, auf der er sich niedergelassen hatte. Wie versteinert saß er da und nahm seinen Blick nicht von ihrer leblosen Gestalt.

Eine Kutsche rollte heran, gezogen von vier Pferden. Auf der Pier hielt sie vor der Stelling der »Wappen von Kolberg« an, und der Schlag wurde von innen geöffnet, während der Kutscher mit entsetzter Miene von seinem Platz zu der erleuchteten Kuhl der Galeone blickte und Gisela von Lankwitz daliegen sah.

Erschüttert nahm er seinen Zylinder vom Kopf und murmelte: »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.« Dann schlug er das Zeichen des Kreuzes.

Renke Eggens und ein zweiter Mann entstiegen der Kutsche. Hasard hatte keinen Zweifel daran, daß es sich bei diesem um den Vater der Toten handelte.

Stumm ging Gunther Freiherr von Lankwitz über die Stelling an Bord der »Wappen von Kolberg«. Er war ein schlanker und hochgewachsener Mann, weißhaarig und von beeindruckender Erscheinung. Seine edlen Gesichtszüge waren von tiefem Schmerz gezeichnet. Er blieb nur zwei Schritte von seiner Tochter entfernt auf der Kuhl des Schiffes stehen und bekreuzigte sich ebenfalls.

»Gisela«, sagte er leise, mehr nicht. Es gab nichts zu sagen.

Arne von Manteuffel erwachte aus seiner starren Haltung, erhob sich und trat auf seinen Schwiegervater zu. Sie blickten sich an, dann umarmten sie sich stumm. Der Freiherr stellte keine Fragen, Renke Eggens hatte ihm alles erzählt. Jedes Wort war überflüssig.

Hasard verließ sein Schiff und begab sich an Bord der »Wappen von Kolberg«. Der Freiherr begrüßte ihn mit einem Händedruck. Er wußte bereits durch Eggens, wen er vor sich hatte.

Eine Weile standen sie schweigend und in ohnmächtiger Machtlosigkeit bei Gisela von Lankwitz. Dann bückte sich Arne von Manteuffel, hob die Tote von den Planken auf und trug sie von Bord des Schiffes zur Kutsche.

»Arne wird mit mir zu meinem Gut fahren«, sagte Gunther von Lankwitz, »und dort bleiben, bis Gisela beerdigt ist. Verstehen Sie, was ich sage, Kapitän Killigrew?«

Hasard schüttelte den Kopf. Doch inzwischen war auch wieder Nils Larsen aufgetaucht, der ihm die Worte des Freiherrn übersetzte.

»Ich würde Arne und Sie gern begleiten«, sagte Hasard. »Aber ich muß hierbleiben und warten. Meine Anwesenheit hier ist jetzt wichtiger, denn wenn meine beiden Männer zurückkehren, muß ich wahrscheinlich Entscheidungen treffen, die je nachdem, was sie erreicht haben und mir berichten, sehr unterschiedlich ausfallen können.«

»Ich verstehe Sie sehr gut, Kapitän Killigrew.«

»Doch bei der Beisetzung werde ich dabei sein«, versicherte ihm der Seewolf. »Ihre Tochter war mir zur Freundin geworden. Mein Schmerz über ihren Tod kennt keine Grenzen. Ich bin zutiefst betroffen von dem, was geschehen ist, und ich werde nicht ruhen, bis die Mörder ihre gerechte Strafe gefunden haben.«

»Ich danke Ihnen«, sagte Gunther von Lankwitz.

Hasard begleitete ihn bis zur Kutsche, dann verabschiedete er sich von Arne und von ihm. Arne war seinem Vetter jetzt sehr dankbar. Zu der Fahndung nach dem Mörder gehörte ein kühler Kopf – Arne hatte ihn nicht. Hasard aber vermochte seine Gefühle zu beherrschen und Distanz zu dem Geschehen zu gewinnen. Er brauchte diesen Abstand, um sein Vorhaben vorantreiben zu können, die Mörder zu fassen und zu bestrafen.

So wendete die Kutsche und rollte davon. Hasard und die anderen Männer blickten ihr nach, bis sie in der Dunkelheit verschwunden war. Dann kehrte jeder auf seinen Posten zurück und hing seinen Gedanken nach. Renke Eggens hatte das Kommando an Bord der »Wappen von Kolberg« übernommen und teilte die nächsten Wachschichten ein. Danach gab es aber auch für ihn nichts mehr zu tun. Sie alle waren dazu verdammt, zu warten.

Hasard wurde von Stunde zu Stunde unruhiger. Seinen Männern erging es nicht anders, und auch die Männer der »Wappen von Kolberg« begannen sich über den Verbleib von Dan und Piet zu sorgen. Sie alle standen unter Druck, ihre Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt.

Der neue Tag – der fünfte April 1593 – brach an.

Jetzt schien es mit einiger Wahrscheinlichkeit festzustehen: Dan und Piet mußte etwas passiert sein. Anders war nicht zu erklären, warum sie noch nicht zurückgekehrt waren.

»Sir«, sagte Ben Brighton, der sich zu seinem Kapitän auf das Achterdeck der »Isabella« gesellt hatte. »Wollen wir nicht endlich etwas unternehmen?«

»Doch«, erwiderte Hasard. »Wir besorgen uns Pferde. Wir brechen mit zehn, zwölf Männern auf, um nach Dan und Piet zu suchen.«

Doch es kam anders.

Ein Reiter tauchte aus den Schleiern des Morgennebels auf, die über dem Hafen lagen. Mit klappernden Hufen schritt das Pferd auf die Pier und hielt auf der Höhe der »Isabella« von seinem Herrn gezügelt an.

»Erich von Saxingen«, sagte der Seewolf gepreßt. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. »Jetzt wird mir alles klar. Die Personenbeschreibungen der beiden Fremden – ja, mein Gott noch mal, war ich denn taub und blind? Der andere Kerl muß Bruno von Kreye sein, daran gibt es keinen Zweifel.«

Ben ließ Nils Larsen holen, damit ein Dolmetscher bereitstand. Nils erschien auf dem Quarterdeck, verharrte und blickte genauso haßerfüllt zu von Saxingen hinüber wie auch die anderen Männer an Bord beider Schiffe.

»Da bin ich!« rief Erich von Saxingen. »Das ist eine Überraschung, was? Habt ihr mich wiedererkannt? Um so besser. Ich will mit Killigrew sprechen! Wo ist er?«

»Hier bin ich«, sagte Hasard und trat noch einen Schritt vor, so daß er dicht am Schanzkleid stand. »Was willst du von uns?«

»Das kannst du dir doch denken!« schrie Erich. »So dumm, wie du tust, bist du nämlich nicht, Killigrew!«

Es bedurfte Hasards ganzer Beherrschung, jetzt nicht von Bord zu stürzen und sich auf den Kerl zu werfen. Shane, Ferris, Old O'Flynn, Carberry, Blacky, Smoky und die meisten anderen Männer allerdings schickten sich bereits an, auf die Pier zu stürmen und den Mann von seinem Pferd zu zerren.

»Zurück!« rief der Seewolf ihnen zu. »Hören wir uns erst an, was der Kerl uns zu sagen hat!«

»Wir wollen sein widerliches Gekläff nicht hören!« brüllte Batuti, der schwarze Herkules aus Gambia, außer sich vor Wut. Er hatte seinen Bogen bereits angehoben, um von Saxingen mit einem gezielten Pfeilschuß aus dem Sattel zu holen.

Erich von Saxingen wurde von Angst befallen, seine Augen weiteten sich. Auch das Pferd begann auf der Stelle zu tänzeln. Er fluchte und zerrte wild an den Zügeln, damit es wieder stillstand.

»Herhören!« rief er mit greller, verzerrter Stimme. »Bevor ihr etwas Unüberlegtes tut, will ich euch etwas erklären, ihr Bastarde! Eure beiden Leute sind meine Gefangenen! Sie befinden sich in meiner Obhut!«

Nils übersetzte sehr schnell, was von Saxingen gesagt hatte. Die Wirkung seiner Worte war durchschlagend. Die Männer blieben stehen und wagten nicht mehr, den Kerl anzugreifen.

»So ist es besser«, sagte von Saxingen höhnisch. Er hatte seine Fassung wiedererlangt.

»Er lügt!« schrie Smoky. »Er macht uns nur was vor! Dan und Piet hätten sich niemals von diesem Mistkerl schnappen lassen!«

»Ruhe«, sagte der Seewolf, dann wandte er sein Gesicht wieder Erich von Saxingen zu. »Nenn mir die Namen der beiden Männer. Du hast keinen Beweis dafür, daß deine Worte der Wahrheit entsprechen.«

»Doch«, sagte Erich von Saxingen triumphierend. »Wie sie heißen, haben sie mir nicht verraten wollen, aber ich habe ihre Pistolen mitgebracht. Hier sind sie.« Er griff in die Satteltasche, zog etwas daraus hervor und schleuderte zuerst Dans und dann Piets Steinschloßpistole auf die Kuhl der »Isabella«, wo beide Waffen polternd landeten.

Carberry untersuchte die Pistolen sofort. Sie waren nicht geladen, aber es schien auch nicht aus ihnen geschossen worden zu sein, sonst wären nämlich die Schmauchspuren an ihren Mündungen zu sehen gewesen. Durch ein Kopfnicken bestätigte der Profos, daß es sich um Dans und Piets Waffen handelte.

»Also?« fragte von Saxingen herausfordernd. »Glaubt ihr mir nun? Killigrew, hat es dir die Sprache verschlagen?«

»Durchaus nicht«, entgegnete Hasard kalt. »Und ich weiß auch, daß ich einem Mörder gegenüberstehe. Du hast den Schuß auf die Freiin von Lankwitz abgegeben, Saxingen, und dafür wirst du büßen.«

»Ich habe sie doch gut getroffen, oder? Sie ist tot, nicht wahr?« schrie von Saxingen. »Wagt keine falsche Bewegung, ihr Drecksäcke! Mein Freund Bruno von Kreye paßt auf eure Kerle auf, und sie sterben auf grausame Weise, wenn ich nicht rechtzeitig genug zu ihnen zurückkehre!«

»Gisela von Lankwitz ist tot«, bestätigte Hasard.

»Das kann mich nicht erschüttern«, sagte der Junker höhnisch. »Sie hat es verdient. Sie hat sich von Manteuffel an den Hals geworfen, und der ist ein Pirat, ein Blutsäufer, ein Galgenstrick, ein Schlagetot, – wer sich mit ihm einläßt, hat mit Konsequenzen zu rechnen, klar?«

»Ich jage dir eine Kugel durch den Kopf!« brüllte Hein Ropers von Bord der »Wappen von Kolberg«. »Noch ein Wort dieser Art, du dreckiges Schwein, und ich blase dir das Hirn aus dem Schädel! Es ist mir scheißegal, was danach passiert!«

»Killigrew!« schrie Erich von Saxingen mit sich überschlagender Stimme. »Pfeif diesen dummen Hund zurück! Er weiß nicht, was er anrichtet!«

»Keiner unternimmt etwas ohne meinen ausdrücklichen Befehl!« rief der Seewolf. »Renke Eggens, ist das klar?«

»Klar!« erwiderte der Erste Offizier der »Wappen von Kolberg«. Er wußte, daß er sich dem Kommando des Seewolfes zu fügen hatte, Arne hatte es ihm immer wieder eingeschärft, daß Hasard auch über sein Schiff die absolute Befehlsgewalt hatte, was besonders für den Fall von Arnes Abwesenheit galt.

Keiner konnte etwas tun. Der Mörder saß keine zehn Schritte von ihnen entfernt im Sattel seines Pferdes und grinste sie höhnisch an, doch sie konnten ihn nicht greifen. Das war absurd und aberwitzig – aber sie durften das Leben von Dan und Piet nicht gefährden.

Seewölfe Paket 17

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