Читать книгу Seewölfe Paket 17 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 37
1.
ОглавлениеDünn und klagend wehte der Glockenklang. Lebensbäume standen groß und düster, das dichte Zweigwerk von Böen zerzaust. Die vielköpfige Schar der Menschen harrte unter peitschenden Regenschwaden aus.
„Asche zu Asche, Staub zu Staub …“ Die Worte des Geistlichen wurden vom Wind davongetragen.
Das Gesicht Arne von Manteuffels war wie aus Stein. Starr haftete sein Blick auf dem Sarg, der nun ins Grab gesenkt wurde. Eine heulende Bö zerrte an dem Blumenschmuck, als sollte der Toten auch dieses nicht mehr gegönnt werden.
Philip Hasard Killigrew spürte einen Druck in der Kehle, von dem er sich nicht befreien konnte. Mit jeder Faser seiner Gedanken konnte er nachempfinden, wie grausam der Schmerz für Arne sein mußte. Das Liebste auf der Welt war ihm genommen worden. Für Arne gab es keine Hoffnung mehr an diesem grauen Aprilmorgen. Und nur der letzte Rest seiner inneren Kraft hielt ihn aufrecht.
Die Männer, die ihre Schiffe im Hafen von Rügenwalde zurückgelassen hatten, standen stumm und ergriffen. Sie alle, die salzgewässerten Rauhbeine von der „Isabella IX.“ und der „Wappen von Kolberg“ erschauerten noch immer bei der Erinnerung an das furchtbare Geschehen – jenen Moment des Entsetzens, in dem Gisela Freiin von Lankwitz von der Kugel des Meuchelmörders getroffen wurde.
Gewiß, der Mörder hatte dafür mit dem eigenen Leben bezahlt, ebenso wie seine niederträchtigen Kumpane. Doch niemals konnte das den Schmerz Arne von Manteuffels tilgen und niemals; die Trauer der Männer, die mit ihm fühlten.
Nach der Beisetzung führte der Weg der Trauergemeinde vorbei an der Kirche von Rügenwalde. Dort hatten Arne und Gisela noch in diesem Monat vor den Traualtar treten wollen.
Dieser 7. April des Jahres 1593 sollte in bitterer Erinnerung bleiben, durch den Schmerz unauslöschlich eingeprägt in das Gedächtnis der Menschen, denen die Freiin von Lankwitz etwas bedeutet hatte.
Am Abend dieses grauen, wolkenverhangenen Tages kehrte Arne von Manteuffel nach Rügenwaldermünde zurück. Eine einspännige Kutsche des Gutes derer von Lankwitz brachte ihn bis zum Liegeplatz der Schiffe. Es war bereits fast dunkel geworden. Die Hecklaterne der „Isabella“ streute matte Helligkeit aus, auf den Planken und Verschanzungen schimmerte die Nässe des Regens. Anheimelndes Licht fiel aus den kleinen Fenstern der Achterdeckskammern.
Arne von Manteuffel wollte seine Schritte der „Wappen von Kolberg“ zuwenden, als er seinen Vetter erblickte. Hasard, der am Schanzkleid der Kuhl stand, hob die Hand zu einem stummen Gruß. Arne verharrte am Fuß der Stelling. Der Kutscher wendete und trieb das Pferd zurück in den trüben Abend.
„Ich will dich nicht bedrängen“, sagte der Seewolf, „aber ich würde dich jetzt gern bei mir an Bord sehen.“ Er wußte, daß er für diese Worte keinen Übersetzer brauchte und sein Cousin ihn auch so verstand. Ohnehin hatten sie seit ihrer ersten Begegnung in Wisby auf Gotland schon viel von der sprachlichen Barriere abgebaut, die sie trennte. Auch menschlich waren sie einander näher. In der kurzen Zeit ihres Zusammenseins hatten sie immer häufiger feststellen können, daß sie aus dem gleichen harten Holz geschnitzt waren.
„Woher wußtest du …?“ Arne sprach den Satz nicht zu Ende, während er zu seinem Vetter aufblickte. Da war etwas, das seine Stimme erstickte, und sein Gesicht hatte noch immer diesen wie versteinerten Ausdruck.
„Ich habe die Kutsche gehört“, entgegnete Hasard. „Komm an Bord. Ich will nicht, daß du dich verkriechst.“
Arne nickte mit zusammengepreßten Lippen. Dann enterte er über die Stelling auf. Seine Bewegungen waren müde wie die eines alten Mannes, der den größten Teil seines Lebens hinter sich hat.
Hasard gab Gary Andrews einen Wink. Gary war als Bordwache eingeteilt, und er verstand, daß Nils Larsen nun doch als Dolmetscher gebraucht wurde. Hasard legte seinem Vetter den Arm auf die Schulter und führte ihn in die Behaglichkeit der Kapitänskammer. Wenig später war Nils zur Stelle, der seit jenem denkwürdigen Zusammentreffen in Wisby ein besonderes Vertrauensverhältnis in der Beziehung der beiden Vettern erworben hatte.
Der Seewolf nahm eine Flasche Rotwein aus dem Schapp, stellte Gläser auf den Tisch und hängte den regenfeuchten Umhang seines Vetters weg. Dann setzte er sich Arne gegenüber. Nils schenkte ein. Der Wein funkelte rubinrot im geschliffenen Kristall.
„Ich fühle mich elend“, sagte Arne leise, „weil ich Giselas Familie alleingelassen habe. Einerseits glaubte ich mich verpflichtet, in ihrer Nähe zu bleiben. Andererseits hatte ich aber auch das Gefühl, daß sie in ihrer Trauer unter sich bleiben möchten, obwohl sie das natürlich nicht gesagt haben.“ Arne atmete tief durch, wie nach einer schweren Anstrengung.
Nils übersetzte so zügig und lückenlos, wie die Männer es schon seit vielen Gelegenheiten gewohnt waren. Es entstanden keine störenden Gesprächspausen, und für die beiden Vettern war es fast so, als sprächen sie die gleiche Sprache. Hasard hob das Glas und nickte Arne zu.
„Ich, meine, du hast richtig entschieden“, sagte der Seewolf, „die Eltern Giselas betrachten dich sicher nicht als einen Fremden. Trotzdem werden sie ihre Trauer in erster Linie als eine Familienangelegenheit empfinden. Sie haben Erinnerungen an ihre Tochter, die du mit ihnen nicht teilen kannst.“
Arne nickte mit starrer Miene und drehte das Glas zwischen seinen Fingern. Dann hob er den Kopf und sah Hasard fragend an.
„Ich weiß ein wenig über dein Schicksal, aber …“
Hasard lächelte kaum merklich.
„Du hast recht. Was ich gesagt habe, klingt schulmeisterhaft. Das ist es aber nicht.“ Er zögerte einen Moment, preßte die Fingerspitzen gegeneinander, und schließlich gab er sich einen Ruck. Mit wenigen Worten, um nicht seine eigenen Belange in den Vordergrund zu rücken, berichtete er über den tragischen Tod seiner Frau Gwendolyn, der Mutter seiner Söhne Philip und Hasard. Die Naturgewalten hatten ihm Gwen entrissen, damals, im Sturm bei der Flucht nach Calais.
In Arnes Augen entstand deutliche Betroffenheit.
„Das habe ich nicht gewußt. Es tut mir leid, daß ich an deinen Feststellungen gezweifelt habe. Dann ist Dan O’Flynn dein Schwager? Und Old Donegal dein Schwiegervater?“
„So ist es. Aber diese Zeit liegt hinter uns. Der alte Donegal und sein Sohn waren zumindestens genauso betroffen wie ich. Doch wenn die Erinnerung einmal wach werden sollte, verzweifeln wir nicht mehr an uns selbst. Das ist es, was ich zu sagen versuche. Der Schmerz, der einem zugefügt wird, läßt sich niemals ganz auslöschen. Aber die Zeit deckt die Wunden zu. Du wirst es selbst erfahren, Arne. Nur – es dauert lange. Von heute auf morgen kannst du es nicht überwinden.“
„Mein Gott“, flüsterte Arne von Manteuffel kaum hörbar, „ich fange an zu begreifen, welche Kraft du aufgebracht haben mußt. Erst der Tod deiner Mutter, dann das schreckliche Ende deines Vaters, meines Onkels. Und schließlich, als du geglaubt hast, ein kleines persönliches Glück erlangt zu haben …“ Abermals versiegte seine Stimme.
Hasard schüttelte den Kopf.
„Du bist in der Stimmung, die Dinge düster zu sehen. Das ist mehr als verständlich. Auch ich habe damals nicht daran geglaubt, daß das Leben noch einen Sinn haben könnte. Aber du bist nicht so schwach, daß du daran zerbrechen würdest.“
„Wenn ich mir diese Frage stelle, weiß ich im Augenblick keine Antwort darauf.“ Arne atmete schwer. „Es ist nicht allein die Trauer. Was vielleicht noch schwerer wiegt, sind die Selbstvorwürfe. Hätte ich nicht Giselas Tod verhindern können? Trifft mich nicht eine gewisse Schuld?“
Hasard und Nils Larsen wechselten einen Blick.
„Dann sind wir alle mitschuldig“, sagte Nils, der sich sonst nicht in das Gespräch einmischte.
„Allerdings.“ Der Seewolf nickte. „Warum hat keiner von uns daran gedacht, daß Erich von Saxingen und Bruno von Kreye uns auflauern könnten? Der Gedanke lag schließlich nahe, da wir Hugo von Saxingen als Gefangenen bei uns hatten.“
„Um Himmels willen, nein!“ rief Arne erschrocken. „Das habe ich damit nicht sagen wollen. Ich stehe tief in deiner Schuld, Hasard – nach allem, was du für mich getan hast. Das gilt ebenso für deine Männer. Und schließlich wart ihr es, die Erich von Saxingen zur gerechten Strafe für den Mord verholfen habt.“
Der Seewolf beugte sich vor und blickte Arne eindringlich an.
„Was für meine Männer und mich gilt, gilt ebenso für dich. Keiner von uns hat einen Grund, sich mit Vorwürfen zu plagen. Die Schicksalsschläge des Lebens kann man nicht überwinden, indem man sich selbst zerfleischt. Du mußt das begreifen. Und du wirst es begreifen. So gut habe ich dich mittlerweile kennengelernt.“
Arne senkte den Kopf. Minutenlang schwieg er. Dann hob er das Glas, nahm einen Schluck und setzte es mit einem entschlossenen Ruck wieder ab.
„Ich danke dir, Hasard. Ich verstehe alles, was du mir erklärt hast. Ich bin auch sicher, daß ich mich danach richten werde. Nur mußt du Geduld mit mir haben. Denn auch damit hast du recht: Von heute auf morgen läßt sich das alles nicht überwinden.“
„Aber du bist auf dem besten Weg dazu“, entgegnete der Seewolf. „Laß uns jetzt nicht mehr darüber reden. Ich habe etwas anderes zu sagen: Du brauchst Abstand von den Dingen, die dich belasten. Räumlichen und auch zeitlichen Abstand. Wie wäre es, wenn du uns begleitest?“
„Oh, es ist meine Pflicht, dir bei der Erfüllung deines Auftrags im Ostseeraum zu helfen. Bislang hast du immer nur etwas für mich getan. Es wird Zeit, daß ich mich auch ein wenig revanchieren kann.“
Hasard schüttelte den Kopf.
„Davon rede ich nicht. Ich meine die Zeit nach diesem Auftrag. Wir werden nach England zurückkehren und dann in die Neue Welt aufbrechen. Die Karibik wird unser Ziel sein. Und dann die Schlangen-Insel.“ Hasard konnte sich eines leisen Gefühls von Sehnsucht nicht erwehren, als er seinem Vetter von jener Insel berichtete, auf der freie Menschen wirklich noch frei sein konnten.
Tief in den Augen Arne von Manteuffels entstand ein Leuchten, kaum erkennbar noch, doch es war vorhanden. Hasard wußte, daß sein Vetter trotz des Schmerzes härter werden würde. Aber diese Härte würde sich nicht in Bitterkeit äußern.
„Du meinst“, sagte Arne schließlich, „ich sollte dich auf deinen Reisen begleiten?“
„Warum nicht? Du bist ein freier Mann.“
Arne zog die Schultern hoch und sog die Luft tief ein.
„Ich muß gestehen, der Gedanke ist verlockend. Und er trifft mich überraschend. Ich muß darüber nachdenken.“
„Natürlich. Ich will dich nicht überreden und dir nicht irgendwelche Träume vorgaukeln. Aber bedenke, daß du auch Nutzen für dein Kolberger Handelshaus ziehen könntest. Die Neue Welt ist in weiten Gebieten noch unerforscht. Da gibt es unbegrenzte Möglichkeiten. Du könntest Beziehungen anknüpfen und Bezugsquellen erschließen für Güter, die es in Deutschland bislang kaum gibt – Edelmetalle, Perlen und Edelsteine, Gewürze und Tabak, Zucker, Kakao, Indigo und vieles mehr.“
„Ich habe von diesen Gütern gehört“, sagte Arne und nickte, „aber der Handel damit wird doch von den Spaniern beansprucht.“
Hasard und Nils Larsen lächelten.
„Dieser Machtanspruch besteht für uns als Engländer nicht“, entgegnete Hasard, „das Recht, auf das sich die Spanier berufen, ist das Recht der Gewalt. Denke an Polens König Sigismund und sein Bernsteinmonopol. Nichts anderes treiben die Spanier auf ihre Weise. Diesem Machtstreben haben wir seit Jahren den Kampf angesagt. Mit Erfolg.“
„Daran zweifele ich nicht“, sagte Arne. Er leerte sein Glas. „Ich werde über deine Worte nachdenken. Im Augenblick habe ich das Gefühl, ein neues Ziel vor Augen zu sehen. Aber ich weiß auch, daß man nicht aus einer anfänglichen Begeisterung heraus entscheiden sollte.“
Kurze Zeit später verabschiedete Hasard seinen Vetter. Eine bleierne Müdigkeit hatte Arne ergriffen. Die seelischen Qualen, die er an diesem Tag durchgestanden hatte, blieben auch für einen Mann wie ihn nicht ohne Folgen.
Schon bei Sonnenaufgang setzten die „Isabella“ und die „Wappen von Kolberg“ Segel und verließen den Hafen von Rügenwaldermünde. Der 8. April zeigte sich von einer freundlicheren Seite. Die Wolkendecke war aufgerissen und ließ weite Flächen blauen Himmels durchscheinen. Der Wind blies handig aus Nordwest. Die dünnen Schaumkronen der Wellen glitzerten im frühen Sonnenlicht. Beide Galeonen liefen rauschende Fahrt über Backbordbug.
Etwa zwei Stunden nach dem Auslaufen aus Rügenwaldermünde wurden die Männer auf dem Achterdeck der „Isabella“ von der „Wappen von Kolberg“ angepreit. Der Seewolf folgte dem Beispiel seines Vetters und ließ die Segel ins Gei hängen. Arne ließ die Jolle abfieren und enterte Minuten später über die Jakobsleiter der „Isabella“ auf. Hasard begrüßte ihn an der Pforte im Schanzkleid.
„Mir ist verschiedenes durch den Kopf gegangen“, sagte Arne, „ich muß es mir von der Seele reden.“
„Dafür habe ich Verständnis“, erwiderte der Seewolf. Abermals zog er Nils Larsen hinzu, als er sich gemeinsam mit seinem Vetter in die Kapitänskammer begab.
Währenddessen wurde die Jolle zur „Wappen von Kolberg“ zurückgerudert. Dort hatte Renke Eggens, Arnes Erster Offizier, das Kommando übernommen. Auf dem Achterdeck der „Isabella“ war es Ben Brighton, der Erste Offizier, der die erforderlichen Kommandos gab. Befehle hallten über die Decks der beiden Galeonen, und sehr bald füllte der Wind wieder das Tuch.
„Es ist gut, wenn man die Dinge überschläft“, sagte Arne, „ich werde dieses Ziel ins Auge fassen, das du für mich umrissen hast. Vor allem muß ich mit meinem Vater und meinen Brüdern darüber reden. Schließlich gibt es das Handelshaus unserer Familie in Kolberg und außerdem …“ Er unterbrach sich, und es gelang ihm, zu lächeln. „Nun, da ist noch etwas, das mir erst nach unserem Gespräch von gestern abend eingefallen ist. Es handelt sich um unser Gut in Alt-Quetzin. Das ist östlich von Kolberg, ein alter Familienbesitz. Dein Vater, Godefroy von Manteuffel, sollte dieses Gut damals übernehmen.“
Hasard verspürte einen Stich. Er mußte an seine eigenen Worte vom vergangenen Abend denken. Der Schmerz blieb für alle Zeiten. Und selbst wenn man glaubte, ihn vergessen zu haben, drang er doch gelegentlich wieder an die Oberfläche.
„Sprich weiter“, bat er leise.
„Ein Gutshof und ein Handelshaus, das klingt nach einer merkwürdigen Zusammenstellung. Aber die von Manteuffels waren in vielen Generationen Seefahrer und Bauern, und sie haben beides geschickt miteinander verknüpft. Wie dem auch sei, genaugenommen bist du der rechtmäßige Erbe von Alt-Quetzin. Denn nach dem alten Familiengesetz muß immer der Erstgeborene das Gut übernehmen.“
Hasard blinzelte verblüfft. Es verschlug ihm glatt die Sprache.
„Die rechtliche Lage ist folgendermaßen“, fuhr Arne lächelnd fort, „damals war dein Vater, Godefroy, der Erstgeborene. Wenn dieser nun aus irgendwelchen Gründen das Erbe nicht antreten kann, geht das Erbrecht auf den Zweitgeborenen über. Das war in diesem Fall Hasso von Manteuffel, mein Vater.“
„Ein bißchen kompliziert“, sagte Hasard mit einem staunenden Kopfschütteln.
„Das muß es wohl sein. Aber es geht noch weiter. Hat nun der Erstgeborene einen männlichen Erben – das wärst in unserem Falle du –, dann geht der Familienbesitz Alt-Quetzin wiederum auf ihn über. Vorausgesetzt, daß er alt genug ist, das Gut zu übernehmen, so heißt es in den Regularien. Aber diese Frage stellt sich bei dir natürlich nicht.“ Arne lächelte erneut. „Nun muß der Zweitgeborene zurücktreten oder das Gut solange verwalten, bis der rechtmäßige Erbe es übernehmen kann. Kurzum: Das Recht über Alt-Quetzin bleibt also gewissermaßen in einer Familienlinie, bis diese ausstirbt oder zugunsten der Nebenlinie verzichtet. Es ist nicht schön, davon zu reden, jedoch – nach deinem Tod wäre also Hasard junior, der ältere deiner beiden Söhne, der rechtmäßige Erbe von Alt-Quetzin.“ Arne lehnte sich zurück und sah Hasard erwartungsvoll an.
„Du lieber Himmel!“ rief der Seewolf. „Das muß ich erst einmal verdauen.“
Die Eröffnungen Arnes waren mehr als überraschend. Nicht etwa deshalb, weil Hasard vorhatte, auf sein Recht zu pochen und das Gut zu übernehmen. Nein, dies weckte Erinnerungen an seine Kindheit und an jene Jahre, die vor seinem Erinnerungsvermögen lagen.
Da hatte es die Hansekogge „Wappen von Wismar“ gegeben. Auf ihr hatten ihn die Brüder seiner Mutter damals als Säugling nach Deutschland abschieben wollen. Und wäre nicht die raffgierige Lady Killigrew gewesen, die die Kogge im Hafen von Falmouth überfallen und ausplündern ließ, so hätte sein Leben einen völlig anderen Verlauf genommen. Das stand unumstößlich fest. Und noch eins stand fest. Hasard sagte es laut.
„Ich werde dieses Erbe nicht antreten, Arne.“
Arne beugte sich verblüfft vor.
„Warum nicht? Es ist nicht etwa so, daß meine Familie davon abhängig wäre. Außerdem – in diesen paar Minuten kannst du das doch noch gar nicht richtig überlegt haben.“
„Doch, ich denke schon. Die Dinge liegen für mich völlig klar. Ich kann nicht etwas beanspruchen, was mir meinem Gefühl nach nicht zusteht. Sicher bin ich von der Blutsverwandtschaft her ein von Manteuffel.“ Hasard schüttelte den Kopf. „Ein Gedanke, der für mich immer noch merkwürdig ist. Das mußt du verstehen.“
Arne nickte schweigend.
„Ich bin in England bei den Killigrews aufgewachsen“, fuhr Hasard fort, „und diese Kinder- und Jugendjahre sind nicht wegzuwischen. Ich bin dadurch zum Engländer geworden. Mein ganzes Leben wurde dadurch geprägt.“
Arne von Manteuffel schwieg noch eine Weile.
„Ich habe mit dieser Antwort gerechnet“, sagte er dann, „weil ich selbst nicht anders reagiert hätte.“