Читать книгу Seewölfe Paket 17 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 43

7.

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Die Abenddämmerung senkte sich über den Hafen von Kolberg. Es hatte zu regnen aufgehört, und die Luft war so klar und rein, daß die Männer an Bord der „Isabella“ begriffen, welche Vorzüge auch das Ostseeklima zu bieten hatte.

Die Arwenacks hielten es nicht mehr unter Deck aus, nachdem sie sich stundenlang vor dem Wolkenbruch verkrochen hatten. Von dem Steinpflaster am Kai stieg feiner Dunst auf, auch über der Wasserfläche im Hafenbecken lagen neblige Schwaden. Die Temperatur war erstaunlich mild. Der Frühling, der eigentlich schon begonnen hatte, rief sich selbst in Erinnerung.

Schritte von klirrenden Schnallenschuhen wurden laut.

„Wir kriegen Besuch!“ rief Luke Morgan, der am Schanzkleid lehnte. Und mit einem breiten Grinsen fügte er hinzu: „Vornehmen Besuch, mit Verlaub gesagt.“

Die Männer beendeten ihre Gespräche, schlenderten hinüber und betrachteten, was da heranspazierte.

Sie waren zu dritt. Der erste gehörte zur noblen spanischen Art, prächtig gekleidet mit besticktem Wams und federgeschmücktem Hut. Die beiden anderen waren Decksleute, bewaffnet mit Entermessern und einschüssigen Pistolen. Am Fuß der Stelling blieben sie stehen. Der Elegante zog seinen Hut und blickte zu den rauhen Kerls auf, die ihn grinsend beäugten.

Der Spanier war schlank und mittelgroß, trug die übliche Lockenperücke und hatte eine ausnahmsweise gesunde Gesichtsfarbe.

„Ich bin Doktor Alfonso de Armijo“, rief er, „und wünsche Kapitän Killigrew zu sprechen!“

Die Männer lachten verstohlen glucksend hinter der hohlen Hand. Edwin Carberry trat auf die Pforte im Schanzkleid zu, zog einen nicht vorhandenen Hut von seinem stoppelhaarigen Schädel und verneigte sich mit erstaunlicher Eleganz.

„Ihr Wunsch ist uns Befehl“, antwortete er in schönstem Spanisch, „in meiner Eigenschaft als Profos erlaube ich Ihnen, sich an Bord zu begeben.“

Doktor Alfonso de Armijo zögerte und räusperte sich unschlüssig. Das Empfangskomitee, das ihn so respektlos musterte, verursachte bei ihm Unbehagen. Doch er gab sich einen inneren Stoß und schritt mit gezierten Bewegungen die Stelling hinauf. Auf sein Handzeichen warteten die beiden Decksleute unten.

Die Arwenacks bildeten eine Gasse für den eleganten Besucher, hielten sich aber mit vorlauten Bemerkungen zurück. Ed Carberry hatte bereits die Zwillinge geschickt, damit sie ihren Vater riefen. Gemeinsam mit Ben Brighton verließ der Seewolf die Kapitänskammer. Abermals stellte sich der Spanier vor.

„Sagen Sie, was Sie vorzubringen haben“, entgegnete Hasard kühl.

„Es handelt sich darum“, sagte de Armijo, „daß Señor de Coria wünscht, das Duell gegen ihn solle als letztes stattfinden. Sonst bleibt die auf der Liste angegebene Reihenfolge bestehen. Kapitän de Frias wird also Ihr erster Gegner sein, Kapitän Killigrew.“

Hasard glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen.

„Sie schämen sich nicht, mit einem solchen Ansinnen hier zu erscheinen?“ sagte er fassungslos.

Alfonso de Armijo zog pikiert die linke Augenbraue hoch.

„Ich verbitte mir diesen Ton“, entgegnete er näselnd, „Señor de Coria ist der Ranghöchste an Bord der ‚Santissima Madre‘. Ihm steht es folglich zu, die Reihenfolge der Duelle zu bestimmen.“

„Völlig klar“, sagte Hasard höhnisch, „der ehrenwerte Señor baut darauf, daß seine fünf Vorkämpfer die Sache für ihn erledigen. Aber daraus wird nichts. Wer sich als erster beleidigt gefühlt hat, muß auch als erster kämpfen. Oder er muß sich gefallen lassen, daß man ihn einen Feigling nennt. Richten Sie das Ihrem ranghöchsten Señor aus.“

Doktor Alfonso de Armijo atmete hörbar auf.

„Señor Killigrew, ich weise Sie darauf hin, daß ich zum Sekundanten aller sechs Duell-Forderer ernannt worden bin. Ich bin über die Duell-Regularien sehr gut im Bilde. Sie irren sich, was die Reihenfolge betrifft. Nach dem geltenden Recht steht es dem zuerst Beleidigten zu, über die Modalitäten des Zweikampfes zu bestimmen. Es ist ungehörig, in diesem Zusammenhang von Feigheit zu reden. Für die fünf anderen Kämpfer ist es eine Ehre, für den Gesandten Seiner Allerkatholischsten Majestät eintreten zu dürfen.“

Hasard empfand das gleiche ungläubige Staunen, wie er es aus den Gesichtern seiner Männer ablas. Er dachte nicht mehr daran, sich zurückzuhalten.

„Hören Sie auf mit Ihrem ständigen Gefasel von der Ehre!“ fuhr er den Spanier an. „Nichts als Spiegelfechtereien sind das! Entweder hat de Coria den Mumm, als erster für seine gekränkte Ehre zu kämpfen, oder er läßt es bleiben. Die fünf anderen Narren können mir den Buckel herunterrutschen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“

De Armijo lief rot an.

„Señor Killigrew! Ich habe nicht nötig, mich auf diese vulgäre Art und Weise beschimpfen zu lassen. Ich weise Sie darauf hin …“

„… daß Sie sich ebenfalls in Ihrer Ehre gekränkt fühlen?“ unterbrach ihn der Seewolf wütend. „Verdammt noch mal, diese Borniertheit erreicht einen Punkt, an dem jedem normalen Menschen der Kragen platzen muß. Deshalb meine deutliche Sprache, verehrter Doktor! Was Sie vorhaben, ist schon kein Ehrenhandel mehr, sondern ein mieser Kuhhandel. Ich denke nicht daran, mich hier für dumm verkaufen zu lassen. Ich verlange, daß de Coria als erster gegen mich antritt. Teilen Sie ihm das mit. In spätestens einer halben Stunde erwarte ich die Antwort – ohne Wenn und Aber.“

„Ich habe verstanden“, sagte de Armijo gepreßt. Zu einem weiteren Kommentar ließ er sich nicht hinreißen. Er wandte sich ab, stolzierte eilig über die Planken des Hauptdecks und die Stelling hinunter.

Den Männern an Bord der „Isabella“ blieb nicht viel Zeit, ihrer Empörung Luft zu verschaffen.

Denn schon nach knapp zehn Minuten kehrte Doktor Alfonso de Armijo im Eilschritt zurück.

„Nun?“ fragte der Seewolf. „Hat sich der Gesandte zu einer Entscheidung durchringen können?“

De Armijo überhörte den spöttischen Unterton.

„Folgendermaßen“, erwiderte er schnarrend, „mein Mandant ist bereit, auf das Duell zu verzichten, wenn Sie, Kapitän Killigrew, sich in aller Form bei ihm entschuldigen.“

Hasard verschlug es die Sprache. Sekundenlang brachte er kein Wort hervor. Er brauchte seine ganze Beherrschung, um den Spanier nicht am Kragen zu packen und mit einem Tritt in den Hintern von Bord zu befördern.

„Hören Sie, de Armijo“, sagte er und zwang sich, so ruhig zu bleiben, wie er nur konnte. „Ich für meinen Teil habe nicht nötig, mich bei einem Betrüger zu entschuldigen. Ich bestehe auf dem Duell. Andernfalls werde ich Mittel und Wege finden, mir de Coria vor die Klinge zu holen.“

Alfonso de Armijo sperrte den Mund auf. Seine Augen weiteten sich, und sein Adamsapfel bewegte sich vor Entsetzen ruckartig auf und ab.

„Señor Killigrew!“ schrie er. „Sind Sie von Sinnen? Wie können Sie wagen, so von dem Gesandten Seiner Allerkatholischsten Majestät zu sprechen! Eine Unverschämtheit ist das, geradezu unglaublich! Señor de Coria wird sich das nicht bieten lassen. Er wird …“

„Halten Sie den Mund!“ schnitt ihm Hasard das Wort ab. „Dieser Mistkerl namens de Coria ist leider Gottes mein Onkel. Stolz bin ich darauf ganz und gar nicht. Aber ich nehme mir aus dieser unerwünschten Verwandtschaft das Recht, Dreck auch Dreck nennen zu dürfen. In ganz besonderem Maße gilt das für den Dreckskerl Rodriguez de Coria – einen Betrüger, Urkundenfälscher, Kindesräuber und nun auch stinkenden Feigling.“

Alfonso de Armijo schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Seine Rechte fuhr zum Degen, einer prunkvoll ziselierten Paradewaffe, die zweifellos niemals ihrer eigentlichen Bestimmung gedient hatte.

Der Seewolf hatte seinen Säbel frei, als der Spanier eben erst den Degengriff umklammerte. De Armijos Augen drohten aus den Höhlen zu quellen, als er die funkelnde Klinge vor seiner Nase sah.

„Bleiben Sie bei Ihrem Metier, Doktor“, sagte Hasard gefährlich leise. „In diesem Geschäft werden Sie niemals etwas ausrichten. Verschwinden Sie, und seien Sie froh, daß Ihre Haut heil bleibt. Jemanden, der die Waffe gegen mich zu erheben versucht, lasse ich sonst nicht so ungeschoren. Sie verdanken es der Tatsache, daß Sie kein ebenbürtiger Gegner sind.“

Alfonso de Armijo wurde kreidebleich. Die Schnelligkeit, mit der dieser hünenhafte englische Teufel blankgezogen hatte, war ihm wie ein Schock in die Knochen gefahren. Seinem verschrobenen Ehrenkodex nach wäre er gezwungen gewesen, jetzt ebenfalls Genugtuung zu fordern. Doch er begriff plötzlich, daß es fast an Selbstmord grenzte, gegen diesen Mann anzutreten.

Und da wurde selbst für Alfonso de Armijo klar, was der wirkliche Grund für Rodriguez de Coria war, seinen Namen an das Ende der Liste zu setzen.

Der Seewolf schob seinen Säbel zurück in die Scheide. Das harte metallische Geräusch ließ den Schiffsarzt der „Santissima Madre“ zusammenzucken.

Edwin Carberry trat grinsend aus den Reihen der Männer vor. Er spuckte in die Hände und schlug mit der riesigen rechten Faust in die ebenso riesige offene Handfläche der Linken. Hinter ihm baute sich Batuti auf. Der riesenhafte Gambianeger entblößte die perlweißen Zähne, und wie ein freundliches Lächeln sah dies wahrhaftig nicht aus.

Auch Plymmie erschien mit gefletschtem Fang und heiserem Knurren. Von hoch oben, aus den Großmastwanten, ließ sich Arwenack mit wütendem Keckern vernehmen. Und Sir John, der auf dem Großmars thronte, trug auf seine Weise zum Ende der „Unterredung“ bei.

„Affenarsch!“ tönte die grelle Stimme des Papageis. „Dreckiges Rübenschwein! Klar bei Brassen!“

Alfonso de Armijo verstand Sir Johns Freundlichkeiten in englischer Sprache nicht. Doch die übrigen Drohungen, denen er sich gegenübersah, reichten aus, um ihn in panischer Flucht von Bord zu scheuchen.

Das brüllende Gelächter der Arwenacks verfolgte ihn noch, als er schon außer Sichtweite in der Dunkelheit verschwunden war.

„Doppelte Wachen“, wandte sich Hasard an Ben Brighton, nachdem sich die Männer beruhigt hatten. „Und kein Landgang.“

„Mit Vergnügen haben die Männer zur Zeit sowieso nichts im Sinn“, entgegnete der Erste Offizier, „jedem hier an Bord steckt noch der Mord an der Freiin von Lankwitz in den Knochen.“

Der Seewolf nickte düster. Dies war ein weiterer Grund, dem Hundesohn de Coria die Pest an den Hals zu wünschen. Eigentlich war es dem Zeitpunkt angemessen, um Arnes Verlobte zu trauern und einige Tage in Ruhe und Abgeschiedenheit zu verbringen. An de Coria lag es, daß man nicht einmal zur Besinnung gelangte.

Auf den Verdruß, den es hier in Kolberg gab, hätten Hasard und seine Männer wahrhaft verzichten können.

Gemeinsam mit Nils Larsen holte Hasard seinen Vetter von der „Wappen von Kolberg“ ab, und sie begaben sich hinüber zum Kontorhaus, um Hasso von Manteuffel über den neuesten Stand der Dinge zu unterrichten.

Im Wohnzimmer des Kontorhauses brannte warmes, anheimelndes Licht. Für den Seewolf gab es eine Überraschung, die ihn zunächst vom eigentlichen Grund seines abendlichen Besuchs ablenkte.

Zwei junge Männer erhoben sich, beide schlank und groß und blondhaarig wie Arne. Hasso von Manteuffel stellte sie vor, wobei der Stolz in seinem Gesicht nicht zu übersehen war.

„Jesko und Gode, meine beiden jüngeren Söhne. Sie wissen inzwischen, in welchem verwandtschaftlichen Verhältnis wir zueinander stehen. Beide sind vor einer Stunde aus Alt-Quetzin eingetroffen. Ich hatte sie rufen lassen.“

Die beiden jungen Männer begrüßten erst Hasard und dann Arne mit jener ungezwungenen Freundlichkeit und Herzlichkeit, die den von Manteuffels eigen war. Der Seewolf spürte keinen Anlaß, sich wie ein Fremder zu fühlen. Jesko und Gode waren prächtige Kerle wie Arne. Hasard war dem Schöpfer dankbar, durch seinen Vater eigentlich zu dieser Familie zu gehören, auch wenn er ein Killigrew bleiben würde.

Hasso von Manteuffel ließ einen würzig duftenden Glühwein servieren.

„Das Richtige für dieses ungemütliche Aprilwetter“, sagte er und forderte die Männer auf, ihre Gläser zu erheben. „Wir wollen dabei aber nicht vergessen, mit welcher traurigen Nachricht Arne zurückgekehrt ist. Ebensowenig wollen wir vergessen, welche widersinnigen Umstände unser aller Zusammensein trüben.“

Für Minuten herrschte Schweigen. Auf ein Nicken seines weißhaarigen Onkels berichtete Hasard schließlich über die unglaublichen Mitteilungen des spanischen Schiffsarztes. Hasso von Manteuffel und auch seine beiden jüngeren Söhne schüttelten fassungslos den Kopf, als sie es hörten.

„Wie ich die de Corias kenne“, fuhr Hasard fort, „wird dieser Affenzirkus noch ewig andauern. Rodriguez de Coria wird immer neue Gründe finden, um sich zu drücken. Und er wird zuguterletzt doch noch versuchen, sich mit irgendwelchen Tricks und Winkelzügen zehntausend Goldtaler zu erschwindeln. Deshalb meine folgende Frage: Besteht die Möglichkeit, daß die Stadt Kolberg de Coria offiziell zur ‚persona non grata‘ erklärt?“

„Eine hervorragende Idee!“ rief Arne begeistert. „Ich glaube auch, daß die Probleme damit am besten gelöst werden. Hasard hat recht. Dieses Hick-Hack mit de Coria würde sonst noch endlos weitergehen. Als unerwünschte Person könnte man ihn zwingen, mit seinem Schiff den Hafen zu verlassen.“

Hasso von Manteuffel dachte nur einen Moment nach.

„Ich denke, das ist eine praktikable Lösung“, sagte er dann, „ich bin Mitglied des Stadtrates und werde um eine Zusammenkunft noch an diesem Abend bitten.“

Ein Bote wurde sofort losgeschickt, um die übrigen Ratsherren zu benachrichtigen.

Gemeinsam begaben sich die Männer eine halbe Stunde später ins Rathaus von Kolberg, wo sich die Stadtväter im Sitzungssaal trafen. Hasard, Nils, Arne und seine beiden Brüder nahmen auf den Zuhörerbänken Platz. Nils übersetzte im Flüsterton, was gesprochen wurde.

Hasso von Manteuffel schilderte ausführlich, was sich im Zusammenhang mit Rodriguez de Coria zugetragen hatte. Dann formulierte er seinen Antrag, den Spanier zur „persona non grata“ zu erklären.

Als Begründung führte er an, de Coria sei erwiesenermaßen als Betrüger aufgetreten und habe damit sein Gastrecht in den Mauern Kolbergs verwirkt. Dem Antrag des Familienoberhaupts der von Manteuffels folgte eine nur kurze Debatte. Gegenstimmen gab es nicht, lediglich über die Frage, wie man vorgehen wolle, wurde diskutiert. Schließlich einigte man sich darauf, daß Hasso von Manteuffel selbst den Spaniern die Aufforderung überbringen solle, die Stadt zu verlassen.

Der Bürgermeister erbat das Votum, und es erfolgte ein einstimmiger Beschluß.

Seewölfe Paket 17

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