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6.

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Der vermeintlich Ertrunkene war wieder bei Bewußtsein. Er fühlte sich ausgeruht, frisch und den Umständen nach ziemlich munter. Seine Lebensgeister waren wieder voll da, und auch an die zurückliegende Zeit vermochte er sich zu erinnern, bis er an den Strand gespült wurde.

Mit wachen Augen sah er sich um und erkannte, daß jemand ihn gefesselt hatte und er in einem merkwürdigen Bau lag.

Ein dämmeriges Erdloch war das, eine stinkende Fuchshöhle, deren Wände und Decke mit fauligem Holz abgedichtet und mit Seegras und trockenem Strandhafer gepolstert waren, damit der Sand nicht zwischen den Ritzen hindurchrieselte.

Ein Geräusch drang ihm in die Ohren. Da war das leise Rauschen, Gurgeln und Knistern, als liefen kleine Wellen gegen einen flachen Strand an, ein unverkennbares Geräusch, das ihm sagte, daß er sich in unmittelbarer Nähe des Strandes befand.

In dem erbärmlichen Loch gab es ein kleines Holzbord. Darauf lag ein zerfledderter Schlapphut, da hing eine alte Jacke, und da lagen auch ein Kanten Brot, ein Stück Salzspeck und ein paar runde Gegenstände, die er schließlich als Eier identifizierte. Möweneier dem Aussehen nach.

Das übelste in dieser stinkenden Behausung war ein merkwürdiges Individuum, das ständig aus einer Kruke soff und beim Ausatmen und Rülpsen einen pestilenzartigen Gestank verbreitete.

Erheitert entsann sich Gary an das Lieblingswort des Profos Edwin Carberry. „Rübenschwein“, sagte der von morgens bis abends.

Natürlich ist ein Rübenschwein ein recht vager Begriff, überlegte Gary, er hatte auch nie darüber nachgedacht, wie so ein Rübenschwein wohl aussehen mochte.

Jetzt wurde ihm der Begriff mehr als verdeutlicht, denn dieses schnapssaufende, rülpsende und mattäugige Individuum, das war ein Rübenschwein, das war der Urbegriff dafür. Genauso und nicht anders hatte man es sich vorzustellen.

Ein Rübenschwein also! So taufte Gary den Kerl in Gedanken dann auch gleich.

Aber was, zum Teufel, fiel diesem verdammten Rübenschwein ein, ihn in diese Rattenhöhle zu schleppen und zu fesseln! Er hatte Hunger und Durst, und er hatte sein Schiff verloren, und nun lag er hier und konnte sich kaum bewegen. Und neben ihm hockte das Rübenschwein mit glasigen Augen, kicherte hin und wieder dämlich und soff diesen stinkenden Fusel aus der Kruke, als wäre es Himbeersirup.

In Gary Andrews stieg die Wut hoch.

Er zerrte wild an seinen Fesseln und brüllte los: „He, was soll das, du Rübenschwein? Warum hast du mich gefesselt? Verdammt, binde mich gefälligst los!“

Stanislaus kicherte verhalten. Er war so betrunken, daß er Gary Andrews bereits doppelt sah. Er verstand auch kein Wort von dem Gebrüll.

Er nuckelte noch einmal an der Kruke, nahm dann ein Entermesser, das Gary erbost als sein eigenes kannte, und zog es in einer international unmißverständlichen Geste quer über seinen Hals.

„Du bist ein Pirat, mein Gefangener, peronnje“, sagte er, immer noch blöde kichernd und lallend. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände, der sagte Gary alles. Natürlich verstand auch er kein Wort von dem Gefasel.

„Ah, du bist bescheuert, Rübenschwein“, murmelte Gary, „du hast offenbar nicht alle Mucks im Schapp. Du hast einen doofen Opa, und das hat abgefärbt.“

Der Kerl wedelte wieder mit dem Messer und ließ es dicht an Garys Gesicht vorbeizischen.

Der Bursche ist unberechenbar, besoffen und gefährlich, dachte Gary und verhielt sich vorerst still. Der war nicht ganz dicht im Dachstübchen, und vor solchen Kerlen mußte man sich in acht nehmen.

Stanislaus stierte Gary weiter an, wackelte mit dem Oberkörper und grinste fortwährend, bis es Gary unheimlich wurde. Der Kerl wollte ihn doch nicht etwa abstechen?

Der schuckerne Stanis hatte die Augen schon halb geschlossen. Sein Blick war trübe, verschleiert und glasig. Er quasselte etwas und zeigte dann auf ihn.

Gary wurde hellhörig. Hatte er eben was von „englisch“ oder von „England“ verstanden? Oder hatte er sich verhört?

Er nickte schnell, denn vielleicht ließ sich mit dem Kerl doch noch eine Verständigung arrangieren.

„Ich bin Engländer“, sagte er klar und deutlich und deutete mit dem Kinn auf seine Brust. „Ich heiße Gary Andrews.“

Das schien den Kerl unverständlicherweise kolossal zu belustigen. Er lachte laut und riß das Maul auf, daß Gary hinter seiner Seetangmatte die braunen Zahnstummel sah. Schlimmer als im Leichenschauhaus sah das darin aus, zumal etliche Zähne wirklich nur noch angefaulte Fragmente waren.

Stanislaus lachte noch immer, dann nahm er den nächsten Zug aus der Kruke, die höchstens noch zu einem Drittel gefüllt war.

Durst hatte Gary ja auch, aber nicht auf diesen fürchterlich stinkenden Fusel. Und sein Magen knurrte vor Hunger. Aber der Kerl dachte gar nicht daran, ihm etwas zu geben.

Dafür sprach er wieder ein paar unverständliche Worte.

Gary wurde mißtrauisch. Der Sprache nach war das Rübenschwein ein Pole, und mit denen hatten sie sich gerade in letzter Zeit oft genug herumgeschlagen und Ärger gehabt.

Was konnte der Kerl mit ihm vorhaben? Was wollte er? Etwas Gutes steckte nicht dahinter, sonst hätte ihn der Pole ja nicht gefesselt.

Der Kerl lehnte sich an die Bretterwand zurück, aus der leise feiner Sand in die Höhle rieselte. Er brabbelte jetzt mit sich selbst, hob immer wieder die Kruke hoch und ließ den Inhalt leise gluckern, als wolle er prüfen, ob sich der nächste Schluck überhaupt noch lohnte.

Weil das Rübenschwein jetzt mit sich selbst beschäftigt war, probierte Gary heimlich seine Fesseln. Unmerklich zerrte er daran, doch die Stricke gaben nicht nach. Davon verstand der Kerl etwas.

Die Handfesseln waren hinter seinem Rücken zusammengebunden, da konnte er im Augenblick absolut nichts tun, denn das Rübenschwein fummelte immer noch mit dem Messer herum.

Gary blieb still liegen und starrte in die mit Unrat und Dreck durchsetzte Höhle. Der Fuselgestank begann unerträglich zu werden.

Das Rübenschwein rülpste wieder, lehnte sich halb zur Seite und war jetzt so voll, daß es sich aus eigenen Kräften ganz bestimmt nicht mehr aufrappeln konnte.

Auch sein unverständliches Gebrabbel verstummte. Der Kerl hielt die Kruke in der halb ausgestreckten Hand, das Messer in der anderen und kippte leicht zur Seite. Die Kruke war jetzt leer und Stanislaus bis oben hin voll.

„Kipp doch endlich um“, sagte Gary flüsternd.

Stanislaus tat ihm nach weiteren Minuten den Gefallen. Erst stierte er ausdruckslos zu dem schmutzstarrenden Vorhang am Eingang, dann entrollte ihm die Kruke, und er kippte seitlich weg. Sein Körper drehte sich halb zur Seite. Er versuchte noch einmal, seine vorherige Stellung einzunehmen, doch das klappte ebenfalls nicht mehr, der Fusel hatte ihn umgehauen. Nur das Messer hielt er noch krampfhaft in der Faust.

Gary wartete weiterhin geduldig, bis der versoffene Kerl sich nicht mehr rührte. Dafür begann er zu schnarchen, daß der Sand wieder durch die Bretter rieselte.

Gary wälzte sich vorsichtig herum, um den Schläfer nicht zu wecken. Dann fletschte er die Zähne, drehte sich mit seitlich langgestrecktem Hals zu der Hand hin und packte sein Entermesser mit den Zähnen. Ganz sacht zog er es aus der Faust, während das Rübenschwein weiterschnarchte.

Er richtete sich in Sitzstellung auf, schlenkerte sein Messer mit den Zähnen hinter sich und fummelte dann so lange mit den gefesselten Händen herum, bis er es erreichen konnte. Als er es in der Hand hatte, rutschte er sitzend weiter bis zur Bretterwand, wo der verlauste Kerl schnarchte, daß die Wände wackelten.

Es dauerte endlos lange, bis es Gary gelang, das Entermesser so zwischen die klaffenden Ritzen zu zwängen, daß es einigermaßen festen Halt hatte. Aber er schaffte es nach mehreren Anläufen.

Dann ging er an die Arbeit, hielt die gefesselten Hände über die Klinge und bewegte sie hin und her. Er brauchte sehr viel Geduld und Ausdauer, bis ein Erfolg eintrat, denn immer wieder rutschte die Klinge ab und schnitt ihm in die Handgelenke.

Er fluchte nicht, säbelte weiter und warf immer wieder einen Blick auf das Rübenschwein. Stanislaus lag jetzt der Länge nach ausgestreckt auf dem Boden, den Mund weit geöffnet. Sein verfilzter Bart zitterte und wackelte bei jedem Schnarcher, und die Luft, die er ausstieß, war schlimmer als der Geruch des Fusels, den er in sich hineingekippt hatte.

Plötzlich gaben die Fesseln nach. Seine Hände waren zwar noch nicht frei, doch das schaffte er mit einer letzten Kraftanstrengung. Die Fesseln zersprangen.

Aufatmend lehnte sich Gary zurück, holte ein paarmal tief Luft, packte dann das Messer und zerschnitt die Fußfesseln. Das war nur noch ein Klacks, dann war er frei.

Ruhig und überlegt ließ er erst einmal das Blut durch seine Finger zirkulieren. Den Schläfer behielt er dabei scharf im Auge.

„So, jetzt bist du dran, Freundchen“, knurrte Gary, „jetzt halten wir es einmal umgekehrt.“

Als er sich bückte, öffnete Stanislaus ein Auge. Er schloß es jedoch sofort wieder, denn Garys Jagdhieb an die Schläfe beförderte ihn augenblicklich ins Schnarchland zurück.

Gary drehte ihn auf den Rücken, nahm die Stricke und fesselte dem Kerl die Hände, und das verstand er noch besser als Stanislaus.

Dann waren die Beine an der Reihe, bis Stanislaus wie ein Paket aussah. Er schnarchte jetzt nur noch leise.

Gary sah sich erleichtert um. Der Magen hing ihm bis in die Knie. Er hatte entsetzlichen Hunger und hätte einen halben Ochsen verspeisen können. Der Speck lockte, der Kanten Brot und die Möweneier. Aber zuerst griff er in die Tasche des Kerls, denn er vermißte seine Münzen. Vier fand er noch und steckte sie grinsend wieder ein.

Danach fiel er über die „Vorräte“ des Rübenschweins her, säbelte den Speck ab, schnitt sich Brot mit dem Entermesser und trank die Möweneier aus.

Jetzt kehrten seine Lebensgeister noch nachdrücklicher zurück, und er hätte wieder Bäume ausreißen können. Das war ihm die eine Silbermünze wert, die der Kerl ihm geklaut und vermutlich in Schnaps umgesetzt hatte. Und dafür, daß er ihn gefesselt hatte, mußte er ebenfalls noch ein Opfer bringen.

Gary fand das Knäuel Takelgarn, das der verluderte Gauner ebenfalls an sich genommen hatte, und steckte es wieder ein. Hinter dem Bord fand er eine etwas angerostete Pistole, aber keine Munition dazu. Für einen Bluff war sie aber immer noch gut, und so schob er sie ebenfalls in seinen Gürtel.

Seine Klamotten waren inzwischen so von der eigenen Körperwärme getrocknet, daß sie nur noch etwas klamm wirkten. Daher nahm er auch die alte zerschlissene und wattierte Jacke mit, ebenso den Schlapphut, der auf dem Bord lag.

Als er gehen wollte, entdeckte er noch einen Ledersack, den er ebenfalls mitnahm. Das alles zusammen glich vielleicht die englische Silbermünze wieder aus, dazu gesellte sich noch der Ärger über diesen verlausten Kerl.

So ausgerüstet, pirschte Gary bis an den schmutzigen Vorhang und warf einen Blick ins Freie. Er befand sich in einem Erdloch zwischen den Dünen, einer gut getarnten Behausung.

Sorgfältig sah er sich um, ob niemand in der Nähe war. Alles war still und ruhig, bis auf ein paar kreischende Möwen.

Am Strand blieb er erneut stehen und überlegte. Die „Isabella“ und die „Wappen von Kolberg“ segelten nach Westen, denn sie wollten nach Rügenwalde. Also stand sein Kurs ebenfalls fest. Auch er würde westwärts marschieren, immer am Strand entlang. Das würde zwar eine verdammte Weile dauern, aber einmal würde auch er dort eintreffen.

Auch der längste Weg führte zum Ziel.

Die Sachen hatte er inzwischen angezogen und den Schlapphut aufgesetzt. Als er sich in Marsch setzte, hätte ihn niemand seiner Kameraden erkannt, denn er sah aus wie ein abgefledderter Pennbruder. Zumindest war er eine recht merkwürdige Gestalt.

Seewölfe Paket 17

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