Читать книгу Seewölfe Paket 17 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 17

2.

Оглавление

Die Böen fielen immer noch unregelmäßig und hart ein, und am Ruder schwitzte Smoky Blut und Wasser, um jeden Drücker sogleich abzufangen.

Das gelang ihm nicht immer, es war ohnehin eine höllische Schinderei, und es passierte noch einmal, gerade als sich Blacky in seiner Koje – von Alpträumen geplagt – herumwälzte.

Diesmal holte die „Isabella“ stark über, die See tobte über die Decks, und die Luft war mit Zischen und Brodeln erfüllt.

Blacky rutschte durch seine Koje, stieß irgendwo an und hieb wild um sich. Der Schmerz ließ ihn schlagartig wach werden. Genau an der verbundenen Schramme hatte er sich gestoßen.

Mit einem Fluch auf den Lippen sichtete er sich auf.

„Dieser Anfänger!“ brüllte er. „Dem Smoky hau ich die Klüsen dicht, wenn sein Törn rum ist. Dieser verdammte Nachttopfsegler! Wer soll denn dabei noch schlafen!“

Zornerfüllt sah er sich um. Aus dem Quartier drang das Schnarchen der Arwenacks, die der plötzliche Drücker nicht hatte wach werden lassen, und darum beneidete sie Blacky.

Er wußte nicht, wie lange er geschlafen hatte. Im Quartier war alles zeitlos, da schaukelte nur die Ölfunzel vom Deckenbalken und schwang wild und unbändig hin und her.

Wieder blickte er rein zufällig zu der anderen Koje hinüber, doch die war immer noch leer. Nichts hatte sich da verändert.

„Verdammt“, murmelte Blacky leise und starrte in die Koje.

Angestrengt überlegte er, wieviel Zeit wohl vergangen sein mochte, seit er eingeschlafen war und diesen Quatsch geträumt hatte.

Waren es nur Augenblicke gewesen, Minuten oder Stunden?

Er stieg aus der Koje, um sich ganz genau zu vergewissern, daß Gary wirklich nicht gegenüber lag. Die Decken lagen unberührt in der Koje, und nun beschlich Blacky doch ein dumpfes und verdammt mulmiges Gefühl. Ihm wurde unheimlich.

Ohne Rücksicht zerrte er Matt Davies aus der Koje, der auch erst eine Weile brauchte, bis er klar denken konnte.

„Gary ist weg“, sagte Blacky heiser.

Der Hakenmann war über die erneute Störung nicht gerade erfreut und bedachte Blacky mit üblen Flüchen.

„Das hast du doch gerade eben gesagt!“ schimpfte er. „Oder ist das schon länger her?“

„Bestimmt schon viel länger.“

„Glaubst du etwa, daß er über Bord …“ Matt Davies traute sich kaum weiterzureden. Er sah nur, daß Blacky hart und fassungslos schluckte und mit fast irrem Blick immer wieder in die leere Koje stierte, als könne er Gary dort mit seinen Blicken hineinwünschen.

„Los, wir purren die Kerle hoch!“ schrie Blacky. „Und wir durchsuchen gleich das ganze Schiff.“

Auf der friedlich dahinsegelnden „Isabella“ herrschte gleich darauf der gefürchtete Zustand, eine Wuhling, die sich darin äußerte, daß zunächst alle Männer aus den Kojen flitzten und anfingen, das Schiff von vorn bis achtern abzusuchen.

„Der kann doch nicht über Bord sein“, sagte Blacky immer wieder.

Inzwischen waren Hasard, Ben, Carberry und Ferris Tucker auf dem Achterdeck erschienen. Alle waren jetzt auf den Beinen, und zuerst suchten sie das Galion ab.

Aber Gary Andrews war spurlos verschwunden. Es stand mit absoluter Sicherheit fest, daß er sich nicht mehr an Bord des Schiffes befand.

Diese Erkenntnis war so niederschmetternd und erdrückend, daß sie alle die Köpfe hängenließen.

Aber jetzt griff der Seewolf ein und traf in aller Eile die notwendigen Maßnahmen.

Zunächst wurde das Achterdeck hell erleuchtet, und im Schein der vielen Lampen sahen sie sein hartes, kantiges und verbissen wirkendes Gesicht. Die Augen waren gnadenlos und kalt, und seine Stimme hatte einen eisigen, fast metallischen Klang, der ihnen durch und durch ging.

„Bewahrt zunächst einmal Ruhe“, sagte er gepreßt. „Wir werden nicht wie kopflose Hühner handeln. Es steht fest, daß Gary über Bord gegangen ist und niemand sein Verschwinden bemerkte. Darüber wird noch zu sprechen sein. Werft jetzt Holz und Grätings ins Wasser. Gebt der ‚Wappen von Kolberg‘ das vereinbarte Zeichen, daß wir zurücksegeln. Sie werden zwar nicht wissen, warum wir das tun, aber sie werden sich denken können, daß wir gute Gründe dazu haben. Und jetzt zu Gary: Smoky sagt, er hätte ihn als letzter noch einmal gesehen. Das war nach dem Wachwechsel um Mitternacht. Ins Quartier ist er nicht mehr gegangen, sonst hätte ihn da wenigstens einer sehen müssen. Seine Koje ist unberührt, wie wir festgestellt haben. Gary muß also in dem Augenblick außenbords gegangen sein, als wir diese Bö voll nahmen und hart überkrängten. Inzwischen hat es viermal geglast, es sind also zwei Stunden vergangen.“

Dieser letzte Satz hing unheilschwer über ihren Köpfen.

Hasard sah in bleiche und entsetzte Gesichter, in Augen, die fassungslos auf das Meer blickten, in Augen, die wohl wußten, daß es unwahrscheinlich war, einen Mann nach zwei Stunden noch einmal im Meer zu entdecken. Ganz zu schweigen von den zwei Stunden, die sie bis zum vermeintlichen Punkt brauchten.

Das war härter als eins mit dem Knüppel, und er sah ihnen an, daß es jeden schockte und ihnen allen durch die Knochen fuhr.

Smoky stand wie ein Häufchen Elend am Ruder. Ihm war schlecht, und das sagte er auch.

„Ich bin daran schuld, Sir“, sagte er heiser. „Wenn Gary etwas passiert, ist es meine Schuld. Ich habe die Lady viel zu spät abgefangen, weil ich nicht schnell genug angeluvt habe. Ich habe das einfach nicht richtig erkannt.“

Hasard schwieg zu den Selbstvorwürfen. Sein Gesicht verschloß sich noch mehr.

Auf allen Decks brannten jetzt Lampen. Die „Isabella“ war in helles Licht getaucht, das mit seinem Schein auch die See ringsum erhellte.

Der Profos scheuchte die Männer mit Donnerstimme und harten Worten auf die Stationen, und diesmal fluchte er nicht, wie es sonst seiner Art entsprach. Auch packte er gleich mit an.

Den anderen war der Schock so in die Knochen gefahren, daß sie sich wie gelähmt fühlten. Smoky hatte so ein Gefühl im Magen, daß er sich am liebsten übergeben hätte.

Hasard sah, daß das Licht auf der „Wappen von Kolberg“ sofort bemerkt worden war und sie jetzt ebenfalls Anstalten trafen, den Kurs wieder zurückzusegeln.

Gary Andrews ist über Bord gegangen, dachte er wie betäubt. Und das schon vor zwei Stunden!

Gary! Wie lange kannten sie ihn schon? Seit der ersten Stunde, schon von der „Marygold“ her. Matt, Blakky, Smoky und Gary waren die Männer der Stammcrew, der Kern der Seewölfe, zu denen später auch der Profos Edwin Carberry und einige andere gehörten.

Was mußte in diesem von Gott und der Welt verlassenen Mann jetzt wohl vorgehen, überlegte Hasard, wenn er irgendwo zwischen den Wellen einsam um sein Leben kämpfte. Mit Sicherheit verließ er sich darauf, daß man sein Verschwinden sehr bald bemerken würde. Und an diese Hoffnung klammerte er sich auch. Das gab ihm neuen Lebensmut und Auftrieb, das ließ ihn ausharren.

Aber sie hatten sein Verschwinden nicht bemerkt, nichts war ihnen aufgefallen, statt dessen hatten sie sich im Quartier gegenseitig angeödet, nur weil einer eine Schramme und der andere eine Beule hatte.

In Hasard stieg ein nie gekannter Zorn hoch.

„Warum hast du nicht gleich Krach geschlagen, als du merktest, daß Gary nicht in seiner Koje war?“ fragte er Blacky mit harter Stimme.

„Wir – wir dachten, Sir – Gary sei vielleicht auf den Abtritt des Galions gegangen.“

„Das wundert mich, daß ihr sogar gedacht habt“, sagte der Seewolf eisig. „Und dabei blieb es. Ihr mußtet ja um des Kaisers Bart streiten, das war wichtiger. Inzwischen ging wertvolle Zeit verloren.“

„Ich bitte um Entschuldigung, Sir“, murmelte Matt Davies verstört, „keiner hat auch nur entfernt daran gedacht, daß Gary über Bord gehen könnte.“

„Die Entschuldigung lasse ich nicht gelten, sie ist nichts weiter als Geschwätz.“

„Aber Sir …“

„Halt den Mund, Mister Davies, oder ich vergesse mich. Ihr seid zu gleichgültig geworden, euch ist alles egal. Was kümmert euch schon der Nebenmann! Ihr hängt in letzter Zeit etwas im Schlendrian, ihr laßt nach. Aber ich werde euch wieder auf Trab bringen, und wenn wir Gary nicht mehr finden, dann wird sich hier vieles ändern, verlaßt euch drauf! Ich nehme das nicht so hin!“

„Ich habe wirklich geglaubt, Gary sei auf den Abtritt gegangen“, murmelte Blacky heiser und mit gesenktem Kopf. „Jeder verschwindet mal für kurze Augenblicke, und keiner denkt sich was dabei.“

„Du brauchst dich weder zu entschuldigen noch zu verteidigen“, peitschte Hasards harte Stimme auf. „Ihr seid dickfellig geworden, nachlässig und schludrig. Ihr seht nur noch euch selbst.“

Die Männer zuckten zusammen. Hasard sprach zu ihnen mit selten gehörter Schärfe. Erbarmungslos kanzelte er sie ab, bis sich die Köpfe noch tiefer senkten und Beschämung in den Gesichtern stand.

„Sir …“, murmelte Matt Davies.

„Ich will nichts mehr hören!“ brüllte der Seewolf. „Sucht die Schuld gefälligst nicht bei anderen, sucht sie bei euch, und faselt mir nicht ständig die Ohren voll, daß es euch leid tut. Ihr hättet euch früher darum kümmern müssen.“

Wieder zuckten sie zusammen. Jeder hing seinen Gedanken nach, die Gary Andrews galten. Besonders Matt Davies kroch in sich zusammen, denn er hatte eine derartige Situation bereits einmal in aller Härte durchlebt. Auch er war einmal über Bord gegangen und hatte nie geglaubt, daß er es überleben würde. Davon waren über Nacht auch seine Haare grau geworden.

Jeder versuchte, sich in Garys verteufelte Lage zu versetzen. Die Frage, die nicht ausgesprochen wurde, hing ihnen allen auf den Lippen.

Wie lange konnte er durchhalten? Schaffte er es, oder war er längst ertrunken?

Sie sahen dem Seewolf beschämt nach, der erregt auf dem Achterdeck auf und ab ging, den Blick immer wieder auf die See gerichtet. Manchmal streifte er auch ihre Gesichter, und dann spürten sie, wie es ihnen heiß wurde. Immer wieder äußerte er sich mit einer Schärfe, die sie nicht mehr gewohnt waren.

Irgendwo, weit zurück, trieb jetzt ein einsamer Mann im Wasser. Er war allein auf dem Meer, er sah keine Sterne, er konnte sich nicht orientieren und hielt sich vermutlich in der Hoffnung über Wasser, daß sie ihn bald fanden.

Wenn er überhaupt noch schwamm …

Es ging ihnen allen schwer an die Nieren, und vor ihrem geistigen Auge tauchte immer wieder das Gesicht Gary Andrews’ auf, unbekümmert und offen, freundlich und hilfsbereit. Ein Kampfgefährte, der nicht mehr aus ihren Gedanken zu verbannen war.

Gleichzeitig schockte sie das Wissen um die geringe Chance, ihn wiederzufinden. Zwei Stunden waren vergangen, seit er verschwunden war, zwei weitere Stunden würden vergehen, bis sie die Stelle erreichten, wo er über Bord gefallen war. Das hieß aber noch lange nicht, daß sie ihn dann auch fanden.

Ben Brighton und Dan O’Flynn rechneten noch immer fieberhaft aufgrund des zurückgelegten Kurses, welche Position die „Isabella“ hatte, als Gary über Bord gewaschen wurde. Hasard rechnete auch mit. Sein Gesicht war von Trauer und Sorge überschattet. Nach einer Weile deutete er auf die Karte.

„Wir werden das Gebiet um Rixhöft absuchen“, sagte er leise. „Dort muß es passiert sein. Wir setzen jetzt jeden Fetzen Tuch, damit wir so schnell wie möglich dort eintreffen. Ich warte nur noch, bis die ‚Wappen von Kolberg‘ bis auf Rufweite heran ist.“

Dan O’Flynn nickte bestätigend.

„Die Stelle haben wir in etwa“, meinte er. „Es fragt sich nur, wie weit Gary inzwischen abgetrieben worden ist. Ob er in der Finsternis weiter auf See hinausschwamm oder ob es ihm gelang, das Festland zu erkennen. Anhaltspunkte hat er ja keine“, setzte er erbittert hinzu.

Hasard stieß tief die Luft aus und wandte sich ab. Etwas später war die „Wappen von Kolberg“ auf Rufweite heran und segelte fast in gleicher Höhe den alten Kurs zurück.

„Was ist passiert?“ erklang von drüben die vertraute Stimme von Hasards Vetter Arne von Manteuffel.

„Mann über Bord!“ rief Hasard und legte die Hände vor die Lippen, weil der Wind die Worte gleich wieder fortriß. „Es muß etwa auf der Höhe von Rixhöft passiert sein.“

Ein paar Sekunden herrschte Stille, dann fragte Arne von Manteuffel verblüfft zurück: „Das ist ja schon zwei Stunden her. Habt ihr das jetzt erst bemerkt?“

„Leider jetzt erst!“ rief Hasard. Er wollte noch etwas hinzufügen, schwieg dann aber und verkniff sich die harte Bemerkung gerade noch. Später konnte er mit Arne darüber reden.

„Das tut mir leid!“ brüllte Arne. „Gebe Gott, daß wir ihn noch finden. Wir werden die ganze Küste auf den Kopf stellen.“

„Ja, das werden wir“, sagte auch Hasard. Er schien wie von einer schweren Last gebeugt und hoffte inständig, daß Gary es noch eine Weile aushalten würde.

„Jeden Fetzen Tuch hoch!“ befahl er hart. „Danach die Boote klarmachen, daß wir nach dem Ankern sofort suchen können.“

„Aye, aye, Sir!“ schrie der Profos. Auch er war in dieser Nacht ein anderer als sonst. Kein noch so lahmer Scherz kam über seine Lippen, nicht mal ein Wort der Aufmunterung.

Kurz darauf lief die „Isabella“ unter vollem Preß, gefolgt von der ebenfalls voll aufgetuchten „Wappen von Kolberg“.

Blacky und Matt Davies klarierten gerade die Nagelbank. Sie sahen sich mit bitteren Gesichtern an. Blacky heulte fast, so ging ihm das Verschwinden Garys an die Nieren. Aber dem Hakenmann Matt Davies erging es nicht anders. Sie gaben sich immer wieder gegenseitig die Schuld.

„Ich bete für ihn“, sagte Matt schniefend. „Verdammt, hätte ich nur auf dich gehört, als du nach Gary fragtest, Blacky.“

„Und hätte ich nur gleich nachgesehen“, sagte Blacky niedergeschlagen.

Mit dem „Wenn“ und „Hätte“ hatten sie es die ganze Zeit. Aber das ließ sich nicht mehr korrigieren, und so standen sie traurig und mit suchenden Augen an der Nagelbank und blickten immer wieder über die See.

Jeder kannte des anderen Gedanken, aber keiner wagte, ihn offen auszusprechen.

Der Himmel war schwarz und verhangen. Hin und wieder jagte eine Bö heran. Vom Mond war kein Zipfelchen zu sehen, auch kein einziger Stern lugte durch die finstere Wolkendecke. Dazu kam die kabbelige See mit den weißen Schaumköpfen auf den Wellen.

Die starrten sie an wie hypnotisiert und stellten sich vor, daß Gary irgendwo im Dunkel der Nacht, weit weg von hier, seinen aussichtslosen Kampf gegen die Elemente kämpfte. Allein die bloße Vorstellung war schon furchtbar genug. Wie mußte ihm da erst selbst zumute sein, wenn er um sein Leben schwamm. Ohne Ziel und ohne Hoffnung. Niemand hielt das lange durch, da war nicht nur die körperliche Belastung zu stark, das zerrte auch an den Nerven, weil kaum Hoffnung bestand.

Selbst wenn sie die Stelle erreichten, hatten sie ihn noch lange nicht, denn einen Mann in dieser See und dazu bei Nacht und totaler Finsternis zu suchen und auch zu finden, das grenzte schon an ein Wunder.

Eher fand man die verdammte Stecknadel im Heuhaufen.

Seewölfe Paket 17

Подняться наверх