Читать книгу Seewölfe Paket 6 - Roy Palmer - Страница 21
6.
ОглавлениеZehn Minuten später waren Dan und Batuti an Händen und Füßen gefesselt und lehnten im Lager der Piraten an einem der Felsen.
Der grauhaarige Bretone stand vor ihnen. Er hieß Jean Morro, wie sie inzwischen wußten. Den Namen Morro hatte auch der irre Kapitän genannt, als er auf der „Isabella“ versucht hatte, über Bord zu springen. Jetzt war der Verrückte in einen Zustand völliger Apathie gesunken: als habe sich der Haß, der ihn bewegte, bei dem vergeblichen Versuch aufgezehrt, den Anführer der Meuterer umzubringen.
Jean Morros Augen waren hart wie graue Kiesel. Sein Blick wanderte von Dan zu Batuti und bohrte sich in die blauen Augen Dan O’Flynns.
„Wer seid ihr?“ fragte er. „Wie kommt ihr hierher? Da nirgends ein Schiff zu sehen ist, müßt ihr mit einem Boot gelandet sein – oder?“
Dan O’Flynn schwieg.
Er wußte, daß sein Gegner bereits einen Suchtrupp losgeschickt hatte. Die Meuterer brauchten dringend ein Boot, sie wären schon mit einer Nußschale zufrieden gewesen. Dan hätte ihnen sagen können, daß sie sich umsonst bemühten, aber er dachte nicht daran, den Kerlen entgegenzukommen.
Jean Morro kniff die Augen zusammen.
„Ihr müßt zu einem Schiff gehören“, sagte er mehr zu sich selbst. „Ausgesetzt hat man euch bestimmt nicht. Ihr seid von Bord abgehauen, nicht wahr? Man wird nach euch suchen!“
Dan antwortete immer noch nicht. In den Augen des Grauhaarigen blitzte es flüchtig auf, dann zog er die Lippen von den Zähnen und lächelte.
„Hör zu, Junge“, sagte er gedehnt. „Ihr könnt bei uns mitmachen. Wir wollen nach Chiapas, zu den Mayas. Da gibt es einen riesigen Goldschatz, den wir uns unter den Nagel reißen werden – genug für uns alle. Wir haben eine Karte, und Jacahiro kennt das Land.“ Er deutete mit dem Kopf zu dem braunhäutigen Mann mit der seltsamen Haartracht, dann starrte er wieder Dan O’Flynn an. „Alles, was wir brauchen, ist ein Kahn, um hier abzuhauen. Verratet uns, wo ihr euer Boot versteckt habt und aus welcher Richtung euer Schiff aufkreuzen wird. Man wird euch garantiert suchen. Ihr könnt mit dem Boot in der Nähe der Insel herumschippern und eure Leute hierherlocken, wenn sie auftauchen. Dafür nehmen wir euch mit nach Chiapas, und ihr erhaltet einen Anteil von dem Schatz. Na?“
Dan spuckte aus.
„Deinen Schatz kannst du dir irgendwo hinstecken“, sagte er wütend.
Morro grinste ausdruckslos. „Hast du Hemmungen, deine Leute in die Falle zu locken? Warum denn? Wenn sie eure Busenfreunde wären, hättet ihr keinen Grund gehabt, von Bord zu verschwinden.“
„Und woher willst du wissen, daß wir abgehauen sind, du hirnrissiger …“
„Vorsicht, mein Junge“, sagte Morro scharf.
„Ich bin nicht dein Junge! Du mußt Läuse im Hirn haben, sonst würdest du nicht solchen Stuß zusammenfaseln. Mit dem Boot herumschippern, um ein Schiff hierherzulocken! Daß ich nicht lache!“
Jean Morro preßte die Lippen zusammen. Wut zuckte über sein Gesicht. Vermutlich wußte er selbst, daß er nach einem Strohhalm griff. Aber die beiden Unbekannten waren nun einmal da, und die Meuterer klammerten sich blindlings an die Hoffnung, daß das eine Chance für sie bedeuten konnte.
Morros Blick wanderte zu Batuti. „Und du? Bist du genauso stur wie der da? Überlege es dir! Ein Haufen Gold für ein paar Auskünfte!“
Batutis Augen rollten.
„Nix Auskünfte“, knurrte er tief in der Kehle. „Du dummy im Schädel! Steck dir Gold an Hut!“
Jean Morro sog scharf die Luft durch die Zähne. Einen Moment sah es so aus, als wolle er sich auf seine wehrlosen Opfer stürzen, dann zuckte er mit den Schultern und lächelte matt.
„Ihr werdet anders reden, wenn ich euch erst einmal eine Weile an den Füßen aufgehängt habe“, versprach er. „Das ist eine äußerst wirksame Methode, um …“
„Verdammtes Affenarsch!“ schrie Batuti aufgebracht. „Ich dich fressen zum Frühstück, wenn du …“
„Pepe, Burgunder“, sagte Morro knapp. „Ihr könnt anfangen.“
Die beiden Angesprochenen grinsten erwartungsvoll. Batuti fletschte die Zähne und schnitt furchterregende Grimassen. Wenn jemand „kleines O’Flynn“ ein Haar krümmte, pflegte der riesige Gambia-Neger zum reißenden Tiger zu werden. Wahrscheinlich wäre er trotz der Fesseln dem Meuterer-Kapitän an die Kehle gesprungen, wenn einer der Kerle Dan angefaßt hätte, aber so weit kam es nicht mehr.
„Jean!“ brüllte plötzlich eine Stimme. „Jean!“
Zweige knackten, irgendwo oberhalb der Mulde brachen Schritte durch die Büsche. Ein Mann kletterte die Felsen hinunter, so hastig, daß er ein paarmal abzurutschen drohte. Stolpernd rannte er durch die flache Mulde und blieb zwischen den anderen stehen.
„Ein Schiff!“ keuchte er. „Mastspitzen! Sie halten auf die Insel zu!“
„Ein Schiff“, wiederholte Jean Morro flüsternd.
Seine Augen begannen zu funkeln. Er starrte dorthin, wo sich jenseits der Felsenbarriere der Pazifik dehnte.
„Sollen sie kommen“, sagte er leise. „Wir werden sie gebührend in Empfang nehmen.“
Wie eine Vision tauchte die Insel aus den Hitzeschleiern.
Hasard stand vorn auf der Back und spähte durch das Spektiv. Sie lagen über Backbordbug am Wind, und zufrieden stellte der Seewolf fest, daß sie das Eiland mit dem nächsten Kreuzschlag erreichen würden.
„Klar zum Wenden!“ befahl er. „Etwas voller halten! Ruder hart über! Anluven!“
Pete Ballie legte Ruder. Die „Isabella“ ging über Stag, die Segel füllten sich wieder. Die Insel lag jetzt genau voraus, und wenig später war sie auch ohne Spektiv zu sehen.
Nichts hatte sich verändert.
Immer noch lag das Wrack auf dem Riff. Ob ein paar von den verstreuten Trümmern nicht von dem zerschmetterten Schiff, sondern vom Beiboot der „Isabella“ stammten, ließ sich beim besten Willen nicht erkennen. Hasard biß die Zähne zusammen. Sein Blick folgte dem Bogen des weißen Schaumstreifens und tastete die Felsenzacken ab, die in unregelmäßigen Abständen die Wasserfläche durchstießen. Die Brandung zeigte, daß das Riff nirgends tief genug abfiel, um eine gefahrlose Einfahrt in die Lagune zu gestatten. Unter Vollzeug rauschte die Galeone auf die Insel zu, und wenig später waren die palmengesäumten Strände und die beiden Felsenkegel zum Greifen nahe.
„Abfallen!“ befahl Hasard. „Wir umsegeln die Insel! Haltet die Augen offen!“
Die Seewölfe hätten diese Aufforderung nicht gebraucht.
Wer Freiwache hatte, stand am Schanzkleid und starrte zum Strand hinüber. Auch die Männer an den Brassen warfen immer wieder Seitenblick zu dem Riff und dem Palmengürtel, und nicht einmal der eiserne Profos dachte diesmal daran, sie deswegen mit sämtlichen Höllenstrafen zu bedrohen.
Daß er nicht fluchte und brüllte, war ein Gradmesser für die gedrückte Stimmung an Bord.
Und es war wirksamer als jedes Geschrei. Ein Profos, der alle zwei bis drei Minuten versprach, jemandem die Haut in Streifen von seinem verdammten Affenarsch zu ziehen – das hieß, daß die Welt in Ordnung war. Bei einem Edwin Carberry, der nur finstere Blicke um sich schleuderte, zog jeder den Kopf ein und bemühte sich, noch schneller zu arbeiten als gewöhnlich. Unter anderen Umständen hätte Hasard vielleicht gelächelt, aber im Augenblick hatte er nicht den geringsten Sinn für komische Aspekte.
Die „Isabella“ schwenkte elegant nach Steuerbord herum und lief an dem Riff entlang zum östlichen Ende der Insel. Rote Klippen sprangen dort ins Meer vor, auf der Nordseite fiel die Küste steil ab. Nichts war zu sehen. Keine Spur von Dan, Batuti oder dem Irren, keine Spur von dem Beiboot. Die Männer der Freiwache starrten sich vergeblich die Augen aus, und am westlichen Zipfel der Insel ließ Hasard schließlich beidrehen.
Er war überzeugt davon, daß er Dan und Batuti finden würde. Sie konnten sich nur auf diese Insel gerettet haben. An die andere Möglichkeit, daß die beiden längst nicht mehr lebten, wollte der Seewolf nicht denken.
Mit einer unbewußt wilden Bewegung warf er das Haar zurück.
„Beiboot abfieren“, befahl er scharf. „Ferris, Matt, Gary, Smoky und Pete – wir werden hinüberpullen und auf dieser verdammten Insel das Unterste zuoberst kehren.“