Читать книгу Kinderrechte - Rudolf von Bracken - Страница 7

Оглавление

I

Recht, die regulierte Staatsgewalt für alle

1 Rechtsprinzipien

1. Was ist Recht? Recht entsteht zunächst aus dem Rechtsetzungsakt eines befugten Gesetzgebers. Es ist eine Ableitung von Herrschaft. Herrschaft kann gewonnen sein durch Gewalt und ihre Absicherung oder im Rahmen eines verfassten Gesellschaftssystems durch Übereinstimmung hinreichend mächtiger Teile dieser Gesellschaft. In der Demokratie geht »alles Recht vom Volke aus«, Gesetze werden erlassen durch den demokratisch gewählten Gesetzgeber, hier sind es – je nach verfassungsrechtlicher Zuständigkeit – Bundestag, Bundesrat und die formale Ausfertigung durch den Bundespräsidenten.

2. Die staatliche Rechtsquelle wird ergänzt durch das Bürgerliche Gesetzbuch, welches der bürgerlichen Freiheit und den privatautonomen Entscheidungen, Verpflichtungen einzugehen, den alten lateinischen Rechtssatz »pacta sunt servanda« beigibt, also dass eingegangene Verträge einzuhalten sind. Das am 1. Januar 1900 in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch verleiht also privatautonomer Willensentscheidung, sich zu binden, die Kraft der Verbindlichkeit und bietet staatlichen Rechtsschutz für die Durchsetzung und die Entscheidung von Konflikten hierüber.

3. Das Wesen des gesetzten (normativ-staatlichen) Rechts ist also bestimmt durch die Rechtsquellen Gesetz und Vereinbarung und äußert sich in Verbindlichkeit (Gültigkeit der Regeln), Sanktionierbarkeit (Strafen, Ersatzverpflichtung) und Durchsetzbarkeit mit den Machtmitteln des Staates.

2 Rechtssubjekte

1. Das BGB regelt, wer Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Es unterscheidet zwischen den »natürlichen Personen«, also jedem individuellen Menschen, und »juristischen Personen«, also Zusammenschlüssen von Menschen in bestimmter gemeinsamer Zweckrichtung, die sich eine Verfassung darüber geben. Die Rechtsform der juristischen Person wird vom Recht nur anerkannt, wenn diese eine selbst gegebene Verfassung, genannt Satzung, hat, nach der sich der Zweck dieser Vereinigung bestimmt und die Entscheidungswege sowie die Vertretung bei Rechtshandlungen und rechtlichen Vorgängen wie der Haftung geregelt ist. Das Gesetz bietet hierzu Rechtsformen an, wie den eingetragenen Verein (e. V.), als sogenannte ideale Vereinigung, die auf eine nicht gewerbliche Zwecksetzung bezogen und nach Möglichkeit auch gemeinnützig ist, was vom Staat mit Steuervergünstigungen für diese Einrichtung und Steueranreizen für Spenden an diese Einrichtung belohnt wird. Weiter die GmbH, Kommanditgesellschaft, offene Handelsgesellschaft, Aktiengesellschaft als auf Erwerb/Gewinn gerichtete Zusammenschlüsse.

2. Dazu gibt es noch die sogenannte BGB-Gesellschaft (oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts, GbR), die das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt, und zwar in den §§ 705 ff. BGB. In den letzten 20 Jahren hat sich eine Verfestigung des Gesellschaftsrahmens dahingehend ergeben, dass die BGB-Gesellschaft nicht unter Nennung von allen einzelnen persönlichen Mitgliedern nur handlungsfähig ist, sondern auch unter ihrem selbst gegebenen Namen. Mit handlungsfähig ist die Rechtsgeschäftsfähigkeit gemeint in dem Sinn, eigenständig Verträge und Verpflichtungen eingehen zu können und Rechte zu haben und auszuführen, sowie diese auch rechtlich geltend zu machen oder daraus in die Pflicht (Haftung) genommen zu werden.

3 Macht und Gewalt

1. Bei den in den Sinn gekommenen Begriffen zur Definition von Recht waren auch die Begriffe Macht und Gewalt. Macht und Gewalt ist das, was zählt, um Interessen durchsetzen zu können. Gegenläufige Begriffe waren Schutz und Sicherheit.

Der freiheitliche und soziale Rechtsstaat erhebt den Anspruch auf das sogenannte Gewaltmonopol. Er verbietet den Menschen in seinem Geltungsbereich (Territorialprinzip: Bundesrepublik Deutschland) die »eigenmächtige« Ausübung von Gewalt. Ob Gewalt zur Durchsetzung eigener Interessen oder anderen Zwecken dient, ist gleich, denn natürlich ist auch Gewalt als Selbstzweck verboten. Dafür muss der Staat im Rahmen einer Art Gesellschaftsvertrag den Menschen auch gewährleisten, dass sie vom Staat geschützt werden und durch staatliche Einrichtungen zu ihrem Recht kommen und Konflikte gelöst werden.

Der Rechtsstaat beansprucht Geltung seiner Gesetze und Anspruch auf Gerechtigkeit für jeden. In diesem Rahmen hat er staatliche Einrichtungen/Behörden (Institutionen) gegründet, die diese Prinzipien als verfassungsmäßige Verpflichtungen übernommen haben. Das sind die staatlichen Organe, die Verwaltung und die Behörden.

Konflikte über Rechtsansprüche und Interessen sind nach diesem Gesellschaftsvertrag durch die verfassungsmäßig dazu berufenen Institutionen zu regeln. Jeder Mensch wird darauf verwiesen, sich an diese Regeln zu halten, bei dem Verbot der Eigenmächtigkeit und der Gewaltanwendung. Somit bietet der Staat im Rahmen seiner Gewährleistung auch die Möglichkeit der Durchsetzung rechtlicher individueller Interessen durch die staatliche Gewalt an. Das wären direkte Zwangs- und Gewaltmaßnahmen gegen Rechtsverpflichtete. Der geht regelmäßig eine gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Anspruchs oder der Rechtsposition voraus, die dafür also herbeizuführen ist.

2. Es gibt zwei staatliche Institutionen, die in die Grundrechte und andere private Rechte des Menschen maximal eingreifen und dazu befugt sind.

Die Polizei als unmittelbar zuständige Behörde für die Ausübung staatlicher Gewalt (das Militär hat nach deutschem Verfassungsrecht keine Befugnisse in diesem Sinn nach innen) hat zwei Aufgaben, die in den Länder-Polizeigesetzen geregelt sind: Gefahrenabwehr und Sicherheit für Menschen und Verfolgung von Straftaten.

Mit dieser Ermächtigung kann die Polizei Personen festnehmen, in ihrer Freiheit beschränken oder ihr auch jegliche Bewegungsfreiheit nehmen, genannt Verhaftung. Jedoch regelt Art. 104 GG, dass die Befugnis der Polizei zur Freiheitsentziehung nur bis zum Folgetag nach der Verhaftung zulässig ist. Sodann tritt der Richtervorbehalt ein (Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG). Ein Mensch kann nur mit richterlicher Entscheidung weiter in seiner Freiheit beschränkt und festgehalten werden.

3. Die andere verfassungsrechtlich befugte Behörde für Grundrechtseingriffe ist das Jugendamt. Nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG sind Pflege und Erziehung der Kinder »zuvörderst das Recht und die den Eltern obliegende Pflicht«. Satz 2 regelt das staatliche Wächteramt: Die staatliche Gemeinschaft überwacht die Eltern bei ihrer Verantwortungsausübung für ihre Kinder. Für diesen Aufgabenbereich sind die staatlichen Organe Jugendamt und Familiengericht berufen.

Das Jugendamt hat gesetzliche Befugnisse, die bis zur Herausnahme eines Kindes aus seiner Familie und der Trennung (Herbeiführung und Aufrechterhaltung) von seinen Eltern reichen. Diese sind für persönliche Lebensläufe von diesen Kindern regelmäßig weit mehr bedeutsam als die polizeiliche Befugnis zur vorübergehenden Festnahme und zum Festhalten bis zum nächsten Tag. Auch hier greift der Richtervorbehalt ein. Das Jugendamt kann durch das Familiengericht korrigiert werden, denn Grundrechtseingriffe sind dem Gericht vorbehalten zu überprüfen (Art. 6, 19 Abs. 4 GG).

4 Staatsgewalten

Alle staatlichen Stellen sind in der Bundesrepublik aufgeteilt auf die sogenannten drei Gewalten. Damit ist auch das Prinzip der Gewaltenteilung angesprochen, weil diese Bereiche staatlicher Tätigkeit sich auch gegenseitig aufeinander beziehen und kontrollieren.

1. Die gesetzgebende Gewalt (Legislative) ist das oberste Organ, über die Gesetze werden die Regeln der staatlichen Gemeinschaft verbindlich festgelegt. An die Gesetze sind die vollziehende Gewalt (Exekutive) und die Rechtsprechung (Judikative) gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG).

Die vollziehende Gewalt hat die Aufgabe der Ausführung der Gesetze und ist deswegen ihnen verpflichtet. Die Rechtsprechung ist in ihrer Kontroll- und Ausgleichsfunktion an die Gesetze gebunden, die sie nicht ausführt, sondern in Konfliktfällen anwendet.

2. Das Prinzip des gesetzlichen Richters kommt also zum Tragen bei der Kontrolle der ausführenden Gewalt im Konflikt mit besonders hochrangigen Grundrechten, hier sind es das Freiheitsrecht (polizeilicher Eingriff) und das Grundrecht auf Familie (Jugendamt).

Während die Polizei von sich aus eine festgehaltene Person dem Haftrichter vorführen, also die kontrollierende dritte Gewalt einschalten muss, weil sie die Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung (Verhaftung) für nötig hält, hat das Jugendamt – scheinbar – die Möglichkeit, ohne gerichtliche Überprüfung in das Familiengrundrecht einzugreifen, etwa ein Kind aus der Familie herauszunehmen und die Trennung aufrechtzuerhalten. Denn nach § 42 SGB VIII muss das Jugendamt nur dann, wenn die Eltern widersprechen, das Familiengericht anrufen und eine Entscheidung herbeiführen (Abs. 2, Ziff. 2).

Jedoch handelt es sich bei der Entscheidung von Eltern, nicht zu widersprechen, um einen Akt der Ausübung ihres Elternrechts. Eltern können und sollen ja auch selbst einschätzen, ob ihr Verhalten, ihr Leben, ihre Verantwortungsausübung für ihr Kind und seine Entwicklungs- und Schutzbedürfnisse gut oder schädlich sind, und können und sollen dann die gesetzlich vom Jugendamt bereitzustellenden Hilfeangebote auch annehmen.

Die Aufgabenstellung des Jugendamtes ist eine gesetzlich ausschließlich auf Hilfe ausgerichtete. Und alle Jugendhilfemaßnahmen sind, wie das Wort schon sagt, Hilfen, die Erziehungsberechtigte beantragen können.

Nur in dem Konfliktfall des notwendigen Kinderschutzes hat das Jugendamt die Aufgabe zu intervenieren und dann, wenn Eltern widersprechen, zur Klärung das für die elterlichen Zuständigkeiten des Sorgerechts ausschließlich zuständige und dafür entscheidungsmächtige Familiengericht anzurufen.

Also: Die Kontrollausübung des Familiengerichts gegenüber dem Jugendamt für und bei Grundrechtseinschränkungen (Eingriff in das Elternrecht) gilt und ist auch jederzeit und unbefristet aktivierbar, wenn Eltern sich nicht einverstanden erklären, Widerspruch erheben oder eine vollzogene Einverständniserklärung (Antrag auf Hilfe zu Erziehung) zurücknehmen.

5 Grenzen staatlicher Gewalt

1. Nachdem sich die ausführende Gewalt an die Gesetze zu halten hat, deren Ausführung ihr obliegt, und die Gerichte an das Gesetz gebunden sind, muss jede grundrechtseinschränkende gerichtliche Entscheidung gesetzlich begründet sein. Für jeden Grundrechtseingriff gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, wird geprüft, ob der Eingriff geeignet, geboten und im richtigen Verhältnis zum Rechtsgut, um dessen Willen er geschieht, steht. So kann ein Rotlichtverstoß für sich niemals eine Freiheitseinschränkung rechtfertigen, weil dies außer Verhältnis stehen würde.

2. Gerichtliche Entscheidungen über Freiheitseinschränkungen, wie Eingriffe in die Familie, haben das Verhältnismäßigkeitsprinzip ganz strikt zu beachten. Die Frage von Macht und unmittelbarer Gewalt stellt sich dem Gericht, welches ausdrücklich bei der Durchsetzung von gerichtlichen Entscheidungen Vollzugsorgane ermächtigen muss, Gewalt auszuüben, sonst darf dies nicht geschehen (§ 90 FamFG). Das führt bei Herausgaben zu albtraumhaften Situationen gegenüber Kindern, wenn sie etwa aus einer Pflegefamilie herausgenommen und den leiblichen Eltern zurückzugeben sind. Insbesondere Herausgabeentscheidungen können mit gerichtlicher Gewaltermächtigung vollstreckt werden.

3. Zur Durchsetzung von Besuchsregelungen (Umgang des Kindes mit einem Elternteil, von dem es getrennt lebt) sieht das Gesetz jedoch ein absolutes Gewaltverbot vor, zur Durchsetzung von Umgang darf auch kein Gericht Gewalt gegen ein Kind erlauben/anordnen (§ 90 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Ansonsten kann und darf gerichtliche Gewaltermächtigung nur unter strenger Prüfung der Verhältnismäßigkeit und der unbedingten Erforderlichkeit zur Sicherung des Kindeswohls erfolgen (Satz 2).

6 Lernziele

Zwei Rechtsgründe, etwas tun oder lassen zu müssen

Personen im Sinne des Rechts, Rechtssubjekte

Gewaltverbot, Gewaltmonopol

Mächtige Staatsorgane

Gerichtliche Kontrolle, Richtervorbehalt

Gewaltenteilung, kontrollierte Staatsgewalt horizontal

Gewaltenbeschränkung, kontrollierte Staatsgewalt vertikal

Kinderrechte

Подняться наверх