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Das Unvorhersehbare

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Nach dem Sieg über die Verteidiger der Ahnenländer ging alles sehr schnell. Jeder musste anpacken, um die verlorenen Borus zu ersetzen.

Die Ersatzbrücke wurde ächzend herabgelassen. Diesmal mit Erfolg. Als sie auf der anderen Seite aufschlug, hielt sie der Belastung stand.

Wrax’ Wunsch, dass auch diese Brücke abstürzen würde, erfüllte sich nicht.

In kleinen Grüppchen marschierten die Kämpfer des verrückten Herrschers über das zerbrechliche Konstrukt.

Sie hält. Verdammt, sie hält!, dachte Wrax niedergeschlagen.

Fast die gesamte Ausrüstung wurde über die Schlucht getragen, darunter auch die beiden verhüllten Fragmente, die schon sehr bald das Portal bilden sollten. Sogar die Katapulte ließ Koros hinüberschaffen. Da diese jedoch zu schwer für die Brücke waren, mussten die übrig gebliebenen Gorgens die Katapulte einzeln über die Schlucht im Fliegen transportieren.

Auch Wrax musste die Schlucht überqueren. Er erwog, sich zu weigern, doch dies hätte seinen sofortigen Tod bedeutet.

Nachdem er die andere Seite erreicht hatte, bedauerte er auch schon seinen Entschluss. Sein Erster trällerte ihm Lobtiraden ins Ohr. Es sei alles wunderbar verlaufen. Besser, als er es sich vorgestellt hätte. Wrax drehte sich derweil der Magen um.

»Wrax, ich weiß, Ihr verabscheut mich. Ich kann es fühlen. Doch wartet ab. Ihr werdet sehen, dass es sich gelohnt hat. Ihr werdet erkennen, dass ich recht habe.«

Der Berater schwieg.

Koros schaute zu den Bergen der Ahnenländer, die das ersehnte Gestein, das Avionium, in sich bargen. »Ah! Ich kann seine Energie förmlich in der Luft fühlen. Ich fühle sie am ganzen Körper. Es ist äußerst stimulierend. Fühlt Ihr es nicht auch, Wrax?«

»Ich vermag diese Stimulans nicht zu verspüren«, entgegnete Wrax emotionslos.

Koros war von der Kälte, die sein Berater plötzlich ausstrahlte, überrascht. Längst waren die Erinnerungen aus seinem Kurzzeitgedächtnis gestrichen, in denen er ihm den Tod angedroht hatte.

»Wrax?«

»Ja, Erster?«

»Helft mir, das Portal aufzubauen. Helft mir, mein Werk zu vollenden! Ich verspreche Euch, dass es das Letzte sein wird, das ich von Euch verlange.«

»Das glaube ich Euch gern. Ihr werdet mich anschließend töten. Ist es nicht so?«

Koros machte einen beschämten Gesichtsausdruck. Fast hätte er Wrax damit überzeugt.

»Nein. Ich habe Euch so viel zu verdanken. Ich habe wohl vorhin die Kontrolle über mich selbst verloren.

Wenn Ihr mir helft, Wrax, und wenn ich zu dem geworden bin, wozu ich bestimmt bin, dann werde ich Euch ziehen lassen. Als freier Mann. Ihr könnt dann tun und lassen, was immer Ihr wollt.«

Wrax musterte seinen Ersten ganz genau. Er glaubte ihm nicht. So wundervoll das Angebot auch klingen mochte. Er glaubte ihm nicht. Doch er war sich nicht mehr sicher, was er noch glauben sollte. »Und was ist, wenn ich mich weigere, das Portal aufzustellen?«

Koros lächelte schwach. »Das werdet Ihr nicht.«

Und er sollte recht behalten. Wrax übernahm die Leitung des Aufbaus. Nicht aus Überzeugung, sondern aus einer aberwitzigen Ahnung, dass noch etwas geschehen würde. Etwas, das selbst sein Erster nicht vorhersehen konnte.

Etwas Unvorhersehbares, das alles noch zum Guten wenden könnte.

Während die Arbeiten zum Aufbau des Portals begannen, bemerkte Wrax, dass Koros sich mehrmals umsah. Er schien nach etwas Ausschau zu halten.

Womöglich nach dem Unvorhersehbaren?

Wrax war aber auch wachsam. Nur galt seine Aufmerksamkeit nicht dem Unvorhersehbaren, sondern dem Vorhersehbaren: Nicht alle Teile der gegnerischen Armee war von den Druckluftbomben erfasst worden. Ein kleiner Rest hatte sich hinter der Hügelkette, die dem Adler-Gebirge vorgelagert war, verschanzt und blieb in Lauerstellung. Sie würden zwar nicht angreifen, weil sie das mit Sicherheit nicht überleben würden, aber man konnte nie wissen.

Unterdessen war Haif buchstäblich über seinen eigenen Schatten gesprungen.

Auf seiner Seite der Schlucht waren fast alle Angehörigen von Koros' Armee verschwunden und zur Ahnen-Seite gegangen. Die Luft war also rein für Haif: Er wartete ab, bis die letzte Transportkarre sich anschickte, über die Brücke zu rollen, und dann sprang er beherzt hinten auf.

Zwischen den mit weiteren Druckluftbomben beladenen Fässern versteckt, überquerte er unbemerkt die tödliche Schlucht.

Verlorenend - Fantasy-Epos (Gesamtausgabe)

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