Читать книгу Verlorenend - Fantasy-Epos (Gesamtausgabe) - S. G. Felix - Страница 53
Der Bruchteil
ОглавлениеDie Stille und die Dunkelheit dauerten an.
Wrax war kurz davor, in Panik zu verfallen.
Jetzt wird er sich an dir rächen! Jetzt bist du dran! Lebewohl, Wrax. War eine schöne Zeit mit dir.
Heute Nacht hätte Vollmond herrschen müssen. Der Transzendente ließ ihn nicht scheinen, obwohl die Wolken und der Nebel verschwunden waren
Gilbert hörte im Dunkeln, dass sich Antilius von ihm entfernte.
»Wo willst du hin?«
»Vertraue mir.«
Antilius wusste ganz genau, dass Koros hinter dieser Täuschung steckte. Er musste versuchen, ihn zu provozieren, um ihn aus seinem Versteck in der Finsternis zu locken.
»Wie beschämend! Du verhältst dich wie ein kleines Kind«, sprach Antilius in die Dunkelheit. »Hast du solche Angst vor mir, dass du dich verkriechen musst, wie eine Ratte in ihrem Loch?«
»Du irrst dich«, sagte Koros. Seine Stimme war überall. Ob transzendent oder nicht. Koros war noch immer leicht zu provozieren.
»Ich muss mich nicht in der Dunkelheit verstecken. Ich bin die Dunkelheit!«
»Tut mir leid, aber ich bin nicht beeindruckt«, erwiderte Antilius.
»Ich vergebe dir deine Respektlosigkeit. Dein beschränkter Verstand kann die Macht, die ich nun besitze, nicht ansatzweise erfassen. Aber ich will gerecht zu dir sein.« Daraufhin erhellte sich der Himmel in einem triefenden Rot.
Blitze zuckten aus fetten, blutigen Wolken.
Das ist wie in einem Albtraum! Der Himmel brennt und blutet, dachte Gilbert.
»So ist es schon viel besser. Gefällt es dir?«, spottete die Stimme des Transzendenten.
»Ich kann dich immer noch nicht sehen, Feigling!«, sagte Antilius laut, aber ohne brüllen zu müssen.
»Willst du mich verärgern? Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, was geschehen wird, wenn ich ärgerlich werde?«
»Nein. Schon vergessen? Mein Verstand ist zu begrenzt«, spottete Antilius kämpferisch zurück.
»Ich kann dich verstehen, Antilius. Die Gewissheit, verloren zu haben, kann einen Menschen sehr belasten. Wahrscheinlich bist du deshalb so aggressiv.«
»Zeige dich endlich, anstatt mich zu langweilen!«
Ein staubiger Luftwirbel bildete sich hoch über seinem Kopf. Der Wirbel sank zu Boden und aus dem Staub formte sich eine menschliche Gestalt. Diese Gestalt glich nur entfernt dem Herrscher. Sie war von einer grünlichen Aura umgeben. Das Gesicht war fürchterlich verschwommen.
»Ich habe versucht, mein altes Aussehen nachzubilden, damit es für dich leichter ist«, sagte Koros.
»Ich dachte, du bist jetzt allmächtig. Aber du sprichst von versucht. Du bist doch jetzt der Transzendente. Nichts ist für dich mehr unmöglich«, sagte Antilius ganz sachlich. Und genau diese Sachlichkeit hasste Koros.
»Wie schlau du doch bist! Die Verschmelzung ist noch im Gange. Ich kann die ganze Macht der Transzendenz nicht auf einmal in mich aufnehmen. Habe Geduld, mein Freund. Es wird nicht mehr lange dauern, bis der Prozess abgeschlossen ist«, sagte die verzerrte Gestalt von Koros.
Antilius sah aus dem Augenwinkel, wie sich ein Largone von hinten anschlich. Er wollte der bizarren Gestalt mit seiner primitiven Keule eins überbraten.
Antilius wollte den Riesen noch warnen, doch da war es schon zu spät. Koros hatte den Anschleichenden längst bemerkt.
Der schimmernde Kopf des Herrschers guckte in den blutroten Himmel und kurz darauf preschte ein gewaltiger roter Blitz auf den Largonen herab. Die Energieladung durchfuhr dessen Körper und entlud sich in den Boden. In seiner Angriffshaltung erstarrt, fiel der schwelende Riese nach hinten um. Es war Rechtshorn.
Er würde nie wieder aufstehen. Sein Tod löste bei den anderen Largonen heftiges Rumoren aus, doch keiner traute sich, etwas zu unternehmen. Antilius war froh darüber, sonst hätten noch mehr sterben müssen.
»Bereitet dir das Freude?«, fragte er verbittert.
Die Gestalt überlegte. »Es ist noch alles so neu. Verzeih mir, aber es fällt mir noch schwer, meine Gefühle in Worte zu fassen und deutlich zu artikulieren.«
Antilius wurde klar, dass es jetzt der richtige Zeitpunkt war, seinen Plan auszuführen. Es war höchste Zeit. »Tja, dann solltest du dich beeilen, deine Gefühle zu artikulieren, damit du deine grenzenlose Freude kundtun kannst, wenn die Späher dich aussaugen werden«, sagte er kühl.
Die Aura der Gestalt fluktuierte plötzlich. »Wovon sprichst du?«
»Lies meine Gedanken! Da steht die Wahrheit geschrieben.«
»Du willst eine List anwenden. O, ich kenne dich zu gut, Antilius. Ich kenne dich besser als du ahnst.«
»Du kennst mich nicht. Lies meine Gedanken! Nur dann wirst du die Wahrheit über die Macht der Transzendenz erfahren.«
Der grünliche Schein des Transzendenten veränderte sich. Er wurde blasser. »Du willst mich nur verwirren. Die Späher haben keine Macht über mich. Wenn ich über die ganze Macht verfüge, dann werde ich sie als Erstes vernichten. Wenn sie etwas im Schilde führen würden, hätte mich das Flüsternde Buch gewarnt.«
Antilius rollte übertrieben grüblerisch die Augen: »So? Bist du sicher? Ist es nicht ein wenig merkwürdig, dass deine Allmacht noch nicht komplettiert ist? Glaubst du, das wäre ein Zufall?«
»Es wird nicht mehr lange dauern und dann ...«
»Ja, ich weiß. Aber könnte es nicht sein, dass jemand nicht wollte, dass du vollständige Kontrolle über die Macht der Transzendenz bekommst? Kann es nicht sein, dass du getäuscht worden bist? Kann es nicht sein, dass das Flüsternde Buch dir nur das gesagt hat, was du hören wolltest?«
»Nein, das ist absolut unmöglich. Niemand kann mich aufhalten!«, rief Koros angsterfüllt.
»O, doch! Die Späher. Sie können es. Und sie werden es tun. Sie haben schon auf dich gewartet. In deiner grenzenlosen Gier nach der Macht hast du das Offensichtliche völlig ignoriert.«
»Das Offensichtliche?« Der Transzendente war verstört.
»Die Späher benötigten jemand, der eine endgültige Verbindung von einem fernen Ort im Universum in diese Welt herstellt. Und du bist jetzt genau der Richtige dafür. Du bist diese Verbindung.«
»Verbindung? Wofür?«
»Um jemanden aus dem fernen Ort die Rückkehr nach Thalantia zu ermöglichen. Und dein geliebtes Flüsternde Buch hat alles gewusst. Es hat dich die ganze Zeit belogen.«
»Du lügst! Du bist ein feiger Lügner!«, schrie Koros jetzt der Panik nahe. Seine halb durchsichtige Gestalt flackerte wie eine Fackel.
»Die Wahrheit ist das Einzige, was uns verbindet. Das waren deine Worte. Und ich sage jetzt die Wahrheit.«
»Nein! Du lügst! Du bist ein erbärmlicher Lügner!«
»Dann finde es doch heraus! Lies meine Gedanken! Das kannst du doch jetzt, da du allmächtig bist. Oder soll ich dir die Wahrheit zeigen? Soll ich in deine Gedanken eindringen?«, fragte Antilius, ohne darüber nachzudenken, was er gerade sagte. Doch in diesem Moment wusste er, dass er es können würde. Dass er in Koros' Gedanken eindringen konnte, wenn er es nur wollte. Es war dieses Mal aber mehr als nur eine Intuition. Es war absolute Gewissheit. Es war der Bruchteil, den Antilius über sich selbst erfahren hatte, der Koros aus der Fassung bringen konnte.
»LÜGNER!«, kreischte Koros.
»Sieh dir die Wahrheit an!«
»NEIN!«
»DIE WAHRHEIT!«
»NEIN! Ich will nicht!«
»SIEH, WAS ICH GESEHEN HABE!« Mit diesem Satz sprang Antilius auf Koros zu. Er durchbrach seine Aura, die ihn wie ein Schild umgeben hatte, und fasste ihn an seine verschwommene Stirn.
»SIEH, WAS ICH GESEHEN HABE!«
Und Koros musste sehen. Mit einer Brutalität, die Koros noch nie im Leben erfahren hatte, drang Antilius in Koros' Gedanken ein. Es war dem Transzendenten unmöglich, sich zu wehren. Er sah das Portal. Er sah den Sandling, der unter dem Sternenhimmel starb. Und Brelius, wie er seinen Verstand verlor. Er sah das Orakel mit den drei Gesichtern, und was diese Gesichter zu Antilius gesagt hatten. Er erfuhr von der Existenz des Dunkelträumers und von den Lügen des Flüsternden Buches.
Er sah die Wahrheit, und er zweifelte nicht an ihr.
Es gelang ihm irgendwie doch, sich aus Antilius' telepathischem Griff zu lösen (aber nur, weil Antilius es zuließ) und ihn von sich zu stoßen. Seine Aura wurde schwächer. Seine Konturen wurden wieder deutlicher. Er begann wieder mehr und mehr wie ein natürlicher Mensch als ein übernatürliches Wesen auszusehen. Er schien sich wieder in einen normalen Menschen zurückzuverwandeln. Die Attacke hatte ihn erheblich geschwächt.
Er strauchelte. Seine Knie wurden weich.
»Du musst dich irren! Ich habe nichts übersehen. Ich habe keine Fehler gemacht. Und selbst wenn. Jetzt bin ich unfehlbar geworden! Ich bin der Transzendente! Daran wirst du mit deinen Lügenmärchen nichts ändern können! Akzeptiere, dass du verloren hast! Akzeptiere es endlich!«, schrie er, obwohl er doch eingesehen hatte, dass er betrogen wurde. Er zitterte am ganzen Körper. Er musste sich auf seine Knie stützen, sonst wäre er zusammengebrochen.
»Ich irre mich nicht. Zu mir hat das Flüsternde Buch nicht gesprochen. Meinen Verstand hat es nicht vernebelt«, sagte Antilius.
»Unsinn! Was weißt du schon über das Buch? Du hast keine Ahnung, worüber du redest. Du weißt nicht, wie es ist, diese schwere Bürde zu tragen. Du weißt ja nicht einmal, wer du eigentlich bist, du Bastard!«
Während Koros noch mit seinem Gleichgewichtssinn kämpfte und Antilius anbrüllte, flammte ein zartes Licht im rotierenden Kristall des Portals auf. Es war wieder schwarz, nur dieses Mal nicht so intensiv. Eher unscheinbar.
»Ich mag zwar keine Vorstellung von den kranken Fantasien haben, die dir das Buch eingeflößt hat, aber ich kann immerhin noch klar denken. Und klar sehen.
Schau auf den Kristall und beurteile dann, ob ich Lügenmärchen erzählt habe«, sagte Antilius und zeigte zum Portal.
Koros fuhr erschrocken herum. Sein Blick war getrübt. Er sah nur einen undeutlichen düsteren Schein an der Stelle, an der er den Kristall vermutete. Etwas Weißes löste sich aus dem dunklen Leuchten. Ein greller weißer Punkt. Koros rieb sich hilflos die Augen, aber das Bild wurde nicht schärfer. Im Gegenteil, es wurde sogar noch verschwommener. Koros fühlte sich plötzlich einer Ohnmacht nahe.
Die grell leuchtenden Punkte vermehrten sich, und sie wurden größer. Sie kamen auf ihn zu. Ihre Helligkeit bereitete ihm ein mörderisches Stechen hinter den Augen.
Koros schrie vor Schmerzen auf. »Was geschieht hier? Antilius! Was ist das?«
»Es ist das, was du heraufbeschworen hast. Sie kommen, um dich zu holen. Sie haben auf dein Kommen gewartet. Und sie werden nicht ohne dich zurückkehren. Sie haben schon einmal einen Transzendenten aufgeben müssen. Sie werden diesen Fehler nicht noch einmal begehen. Sie wollen die Macht zurück. Du bist nicht der Richtige für die Aufgabe des Transzendenten.« Antilius' Stimme klang in den Ohren des Herrschers wie das Aufeinanderprallen von Stahlklingen.
»Das kann nicht sein!«
Die leuchtenden Sphären schlugen ins Violette um, so wie Antilius es im Stein der Zeit erlebt hatte. Mit einer zerstörerischen Ruhe glitten sie über die kalte Erde, wie Gespenster, die des Nachts durch finstere Korridore schwebten.
Koros taumelte zurück. Seine Aura war nun vollends zerfallen. Er fühlte, dass er die Macht der Transzendenz noch besaß, er konnte sie aber nicht mehr beherrschen. Die Macht war es, die Kontrolle über ihn bekam.
Die violett leuchtenden Sphären der Späher kamen immer näher und begannen Koros langsam einzukreisen.
»Geht weg! Fort mich euch!« Koros schlug wie wild um sich, so als wolle er Stechfliegen verscheuchen. Sinnlos.
Die violetten Lichter umzingelten ihn. Dann sprachen Stimmen zu ihm. Die Lichtpunkte sagten etwas zu ihm. Er konnte sie aber nicht verstehen. Es war eine fremde Sprache. Eine ganze Wolke von Lichtern umgab ihn inzwischen. Alle sprachen sie zu ihm. Sie stellten Fragen. Was war das für eine Sprache?
»Ich verstehe euch nicht! Hört auf! Oh, bitte! Hört auf! Es tut mir in den Ohren weh. Oh bitte! Aufhören!« Koros hatte das Gefühl, sein Schädel würde anschwellen und jeden Moment platzen.
»Aufhören!«
Als ob der Lärm, den die schwebenden Lichter in seinem Kopf machten, nicht schon genug sei, fingen sie auch noch an, ihn mit kleinen Energieblitzen zu quälen. Jeder so schmerzhaft wie eine glühende Nadel, die in seine Haut eindrang.
»Nein! Aufhören!«
Doch Aufhören war wohl das Letzte, was die Späher im Sinn hatten. Vielleicht nicht mal das Letzte. Den ersten Transzendenten als Übergangsmedium für den Dunkelträumer zu missbrauchen, war misslungen. Dieses Mal wollten sie erfolgreich sein.
»Es tut so weh! Antilius! Mach, dass sie aufhören!« Noch mehr Energieblitze ließen ihn zusammenfahren.
»Bitte, Antilius! Hilf mir! Ich halte das nicht mehr aus!«
Antilius war kein Sadist. Er war gezwungen, so lange zu warten und untätig zuzusehen. Er durfte jetzt keine Fehler machen. Doch nun war es genug mit der Quälerei. Zunächst wunderte sich Antilius, dass die Späher den Transzendenten so lange quälten, doch dann verstand er.
Der geschwächte Koros war damit beschäftigt, sich erfolglos gegen die Späher zu wehren. Und die Späher waren voll auf den Transzendenten konzentriert und nahmen Antilius nicht einmal wahr. Dieses kurze Zeitfenster musste er für sich ausnutzen.
Er gab Gilbert ein Zeichen und rief: »Jetzt!«
Gilbert holte einen Gegenstand aus einem zerfledderten Beutel.
Es war der Spiegel. Sein ehemaliges Gefängnis. Er riskierte noch einen kurzen Blick in das unbewohnte Innere und warf den Spiegel Richtung Portal. Ein paar Meter vor dem Kristall landete er mit der Spiegelseite nach oben. Anscheinend landete das Ding immer mit der Spiegelseite nach oben, dachte Antilius.
Gilbert glaubte nicht, dass es funktionieren würde. Und für wenige Sekunden wurde seine Skepsis erhärtet, weil nichts geschah. Doch dann fuhr ein Strahl aus dem dunkel glühenden Kristall auf den Spiegel herab. Flammen loderten aus dem Glas auf. Und der dunkle Lichtstrahl bohrte mit einem schrillen Geräusch eine Öffnung in den Spiegel. Flächenartige Blitze stießen aus dem Gefängnis hervor. Dann bildete sich ein trichterförmiger Wirbel, der aus dem Spiegel blies.
Gilbert atmete auf. Es schien entgegen seiner Erwartung zu funktionieren. Antilius' Vermutung war richtig gewesen: Das Portal wirkte wie ein Vergrößerungsglas und hatte die Wirkung des Avioniums aus den Bergen gebündelt und auf den Spiegel übertragen, sodass dieser sich öffnen konnte.
Die Lichtpunkte der Späher ließen plötzlich von dem Transzendenten ab und flüchteten zurück ins Portal. Sie schienen große Angst vor dem Spiegelgefängnis zu haben. Sie fürchteten, selbst in die Verbannung zu geraten. Die Späher entzogen Koros die Macht der Transzendenz und nahmen sie wieder mit sich. Wie Antilius es vorhergesagt hatte, war Koros für die Macht ungeeignet. Der Plan der Späher und des Flüsternden Buches war gescheitert, so schien es. Die Macht selbst aber war befreit.
Koros hockte auf allen vieren und rang nach Luft. Er hob seinen Kopf. Er wollte Antilius ins Gesicht sehen. Und Antilius erwiderte seinen Blick und hielt ihm stand. Koros spürte etwas Beunruhigendes in Antilius' Miene.
»Ich habe dich unterschätzt«, krächzte er.
Antilius veränderte seinen Gesichtsausdruck nicht. »Falsch. Du unterschätzt mich immer noch«, sagte er und konzentrierte seinen Blick auf den noch offenen Spiegel.
Koros blinzelte gehetzt auf das flammende Gefängnis.
Antilius fixierte es weiter.
Der Spiegel begann zu zittern. Erst ein bisschen und dann heftiger.
»Verdammt seist du!«, rief der Herrscher, als er begriff, was Antilius vorhatte. »Verdammt seist du!«
Kurz danach bewegte Antilius den Spiegel allein mit seinen Gedanken. Der Spiegel kroch langsam auf den Herrscher zu, so als würde eine unsichtbare Hand ihn über den Boden schieben.
Koros war zu geschwächt, um sich zu bewegen, geschweige denn per Telepathie Antilius bekämpfen zu können.
Schwankend stemmte er sich hoch. Er machte einen lächerlich kurzen Schritt. Und dann umklammerte ihn eine kalte, unsichtbare Hand aus dem Spiegel, die ihn von den Füßen riss und über den Boden in den Spiegel zerrte.
Antilius verweilte in abwartender Haltung. Er musste damit rechnen, dass Koros sich noch befreien würde und hielt Abstand.
Zuerst verschwanden die Beine des Nicht-Mehr-Transzendenten hinter der durchlässigen Glasschicht des kleinen Spiegels. Koros krallte seine Finger in die Erde und hinterließ tiefe blutige Furchen.
Der Kraft, die ihn in das Gefängnis zerrte, war aber gegen jedweden Widerstand immun. Koros schrie vor Schmerzen und Wut. Der Energiewirbel sog ihn unerbittlich in den schmalen Eingang des Spiegels. Weil ein Mensch von Koros’ Statur nie durch den wenige Zentimeter großen Spiegel passen würde, sorgte der Energiewirbel dafür, dass sich beim Übergang von der realen Welt in die des Spiegelgefängnisses die Dimensionen anpassten.
Jedermann, der sich im Halbkreis um das Portal und den Transzendenten befand, starrte wie gelähmt auf das Geschehen.
Bis zur Hüfte war Koros bereits in den Spiegel eingetaucht, als er anfing zu weinen.
Antilius stand starr da und sah zu. Er sah, wie bei Koros die grausame Erkenntnis der Niederlage die Oberhand gewann. Antilius empfand Mitleid. Aber er blieb stumm stehen und sah zu, wie Koros immer weiter im Spiegel verschwand. Denn es musste sein.
»Du elender Bastard!«, schrie Koros, bevor er gänzlich im Spiegel verschwand.