Читать книгу Einführung in die Jugendforschung - Sabine Andresen - Страница 15

1.2.3 Veränderungen im Jugendalter

Оглавление

Das Erwachen der Leidenschaften

Insbesondere die erwachenden Leidenschaften, seit der Psychoanalyse sprechen wir von den Trieben, würden im Jugendalter dramatische Wirkungen erzielen. Rousseau bedient sich zur Beschreibung jugendlicher Leidenschaften der griechischen Mythologie: Die Leidenschaften seien vergleichbar mit jenen Winden, die der irrfahrende Odysseus in Schläuchen verwahrt von Aiolos, dem Herrscher der Winde, erhalten hatte. Werden die Schläuche an falscher Stelle geöffnet, verfehlt das Schiff nicht nur die Heimat, sondern der Mann die treue Ehefrau und seine politische Pflichterfüllung. In dessen Folge erliegt Odysseus dem Zauber Circes, der erotischen Verführung Kalypsos, dem Gesang der Sirenen und dem Schrecken Skyllas, mithin durchlebt er die Laster und verfehlt ein tugendhaftes Dasein.

Die zweite Geburt beschreibt Rousseau in diesem Sinne als gefahrenvolle, für Irrwege empfängliche Phase der Menschwerdung, weil sich der Jüngling dem gänzlich Neuen des Lebens gegenübersieht.

„Das ist die zweite Geburt, von der ich geredet habe. Hier wird der Mensch wahrhaftig zum Leben geboren, und nichts Menschliches ist ihm fremd. Bisher sind unsere Sorgen nur Kinderspiel gewesen, jetzt erst erlangen sie wirkliche Bedeutung.“ (ROUSSEAU 1762 / 1989, S. 257)

Eine zweite Chance für Erziehung

Für pädagogische Überlegungen besonders bedeutend war die von Rousseau allgemein formulierte Konsequenz: „Diese Periode, in der die übliche Erziehung endet, ist eigentlich diejenige, wo die unsere anfangen soll.“ (Ebd., S. 257) Diese Textpassage kann man aus Sicht der Jugendforschung in zweifacher Hinsicht deuten: Nicht nur der junge Mensch wird mit dem Eintritt in die Jugendphase ein zweites Mal geboren, sondern auch die Erziehung der jungen Generation erhält ihre zweite Chance. Sie kann sich nun auf einen im Vergleich zum Kind vernünftigeren Menschen konzentrieren und muss auf diesen anders einwirken als auf das Kind. Das Alter der physischen und psychischen Geschlechtsreife hängt nach Ansicht Rousseaus zudem nicht nur von der Natur ab, sondern ebenso von der zuvor erfahrenen Erziehung.

Ein wesentliches Ziel der Jugenderziehung ist für ihn, die Aneignung negativer Leidenschaften, die nicht die Natur den Menschen mitgibt, zu verhindern. Das Kind kenne sich selbst nur als physisches Wesen, weshalb es in der Kindheit die Aufgabe habe, die Beziehung zu den Dingen kennen zu lernen. Erst in der Jugend, so Rousseau, erfährt sich der Mensch als moralisches Wesen und als solches gelangt er zu der lebenslangen Aufgabe, die Beziehung zu den Menschen zu reflektieren. Das Neue der zweiten Geburt tritt demnach nicht allein durch innere Krisen, sondern vor allem durch Beziehungsdynamiken hervor. Darin liegt für Rousseau das Soziale des Menschseins verborgen, weil mit der zweiten Geburt Moral thematisiert wird. Die Basis dieser moralischen Entwicklung sind Freundschaft und Liebe. Jugend hält Rousseau für die Phase der Güte, des Mitleids und der Großherzigkeit.

Einführung in die Jugendforschung

Подняться наверх