Читать книгу Einführung in die Jugendforschung - Sabine Andresen - Страница 27

2.3.3 Konfliktlinien der Jugendbewegung

Оглавление

Das Ideal des Neuen

Die ideologische Klammer der Jugendbewegung war das sich im Kontext von Lebensreform, Kultur- und Zivilisationskritik, Natürlichkeit und Naturverbundenheit herauskristallisierende Bild des Neuen, das ein Synonym für „Jugend“ darstellte. Für Jugend als das Neue in der Gestaltung des Lebens, der Jugendlichkeit, des Geschlechterverhältnisses, der Kameradschaft war man bereit, große Widerstände zu überwinden. Mehr noch können gerade die antizipierten Widerstände von Seiten der Erwachsenen als ein wesentliches sinnstiftendes Element angesehen werden. In diesem Punkt waren sich Jungen und Mädchen einig. Darüber hinaus verband sie ein elitäres Bewusstsein, weil sie sowohl gegen den Strom der Moderne kämpften als auch gegen die überkommenen Traditionen im Umgang mit Jugendlichen. Hier richtete sich ihre Kritik nicht nur an die Erwachsenen, sondern auch an die Jugendlichen außerhalb der Bewegung.

Konfliktreiche Deutungen des Jugendlebens

Der Wandervogel stritt vor dem Ersten Weltkrieg 1914 um viele Fragen der Organisation und die verschiedenen Gruppierungen hatten Konflikte wegen der angemessenen Form des Jugendlebens. Dies lag auch daran, dass vor allem nach den Bedürfnissen der männlichen Jugendlichen gefragt wurde. Zu den Streitpunkten der gesamten Bewegung gehörten die Fragen, ob Jungen und Mädchen getrennt voneinander oder zusammen wandern sollten, ob zu dem Gesang aus dem „Zupfgeigenhansl“, dem wohl bekanntesten Liederbuch der Jugendbewegung, am nächtlichen Lagerfeuer Alkohol getrunken und Nikotin geraucht werden durfte oder nicht, ob jüdische Jugendliche aufgenommen werden durften und wie man sich zur Politik der Erwachsenen verhalten sollte. Insbesondere die beiden letzten Fragen waren zentral für die weitere Entwicklung der Organisation. Eine zunehmend nationalistische völkische Orientierung der Jugendbewegung setzte dem Antisemitismus der Zeit nichts entgegen und aus der romantischen Naturbegeisterung, den Kriegsspielen im Wald und der Sehnsucht nach der „großen Fahrt“ – bei der es konkret um mehrwöchige Wanderungen, z. B. in Skandinavien ging – wurde die Kriegsbegeisterung der Jugend zu Beginn des Ersten Weltkriegs. Zuvor kam es 1913 auf dem „Hohen Meißner“ zu einer großen gemeinsamen Veranstaltung, auf der sich die Jugendbewegung eine einheitliche Lebensformel gab. Die Meißnerformel enthielt kein konkretes Programm, aber sie zeigte den Anspruch der Jugendbewegung auf Autonomie und beschwor die Idee einer besseren Menschheit:

„Die Freideutsche Jugend will aus eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung, mit innerer Wahrhaftigkeit ihr Leben gestalten. Für diese innere Freiheit tritt sie unter allen Umständen geschlossen ein.“ (zit. bei MOGGE 1998, S. 186)

Einführung in die Jugendforschung

Подняться наверх