Читать книгу Sanfter Missbrauch. Das schleichende Seelengift - Sabine B. Procher - Страница 15
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ОглавлениеMeine Mutter war froh, dass Gisela sich so rührend mit mir beschäftigte. Dadurch war ihr eine große Sorge abgenommen. Mein Vater verlor nach einem Unfall seine Arbeitsstelle und hatte seitdem nur noch Gelegenheitsjobs auf Baustellen oder trug Kohlen aus. Mutti hatte nach meiner Geburt ihren Posten als Stenotypistin aufgegeben. Um die Haushaltskasse aufzubessern, half sie einem Klempner, der seine Werkstatt bei uns im Haus betrieb, ab und zu bei den Büroarbeiten. Da Gisela erst nach der Schule als Kindermädchen tätig werden konnte, war Mutti froh, dass sich Tante Marga und Onkel Otto aus dem Nebenhaus angeboten hatten, vormittags auf mich zu achten.
Ich kannte Tante Marga und Onkel Otto seitdem ich denken konnte und war gern bei ihnen. Besonders Onkel Otto kümmerte sich lieb um mich. In seinem Arm verspürte ich ein Gefühl der Geborgenheit. Ich fühlte, dass ich für ihn etwas Besonderes war. Im Alter von vier Jahren begriff ich noch nicht, was er mir antat, und wie sehr er mein späteres Leben damit beeinflusste.
Wieder einmal klingelte Mutti mit mir an der Hand bei den Nachbarn.
„Guten Tag Marga, hier bringe ich dir meine Kleine. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass ich Sandra in letzter Zeit so oft bei dir abgebe?“
„Guten Tag Eva, guten Tag Sandra. Überhaupt nicht, ich muss zwar gleich zum Arzt, aber Otto ist ja hier.“
„Vielen Dank Marga. Ich weiß gar nicht, wie ich das wieder gutmachen kann. Sandra ist bald mehr bei euch als zuhause.“
„Keine Ursache, seit Otto arbeitslos ist, hat er sowieso nichts zu tun. Ich habe das Gefühl, es tut ihm gut, wenn er das Mädchen um sich hat. Um unsere Kinder hat er sich nie so bemüht.“
„Na dann, bis heute Nachmittag, tschüss Sandra.“ Mutti drückte noch kurz meine Hand und lief die Treppe hinunter.
„Bis heute Nachmittag, tschüss Mutti.“
Tante Marga riss die Tür zum Wohnzimmer auf, wo Onkel Otto in seinem grau-blau gestreiften Bademantel auf der Couch lag, genüsslich an einer Zigarette sog und die Augen nicht von seinem Schmöker löste.
„Schau, wer hier ist. Dein Liebling ist zu Besuch.“
Onkel Otto senkte das Heft und drehte sich langsam um. Plötzlich lief ein Strahlen über sein Gesicht. Er sprang auf, breitete die Arme aus und rief: „Sandra, mein Schatz, komm an meine Brust.“
Ich lief juchzend auf ihn zu: „Onkel Otto, Onkel Otto gehst du mit mir auf den Spielplatz?“
„Na klar, meine Süße, du wirst auf deine Kosten kommen.“
„Ich muss gleich los, bin aber um 12 Uhr wieder hier. Ich will um 13 Uhr das Essen fertig haben. Sei bitte mit der Kleinen rechtzeitig zurück.“
„Ja, ja, geh nur. Sandra und ich werden uns schon amüsieren.“ Onkel Otto drückte mich an sich.
„Nicht wahr Sandra, wir verstehen uns.“
Zehn Minuten später verließ Tante Marga die Wohnung.
Onkel Otto nahm mich auf den Arm und ging mit mir zum Fenster, um seiner Frau hinterher zu schauen. Ich winkte Tante Marga zu. Plötzlich spürte ich Onkel Ottos Finger an meinem Unterhöschen. Er begann, mich zwischen meinen Beinen zu streicheln. Es fühlte sich gut an. Ein wohliges Gefühl rann durch meinen Körper, und ich schmiegte mich an ihn. Er ging mit mir zur Couch, legte sich hin und setzte mich auf seinen Schoß. Dann öffnete er seinen Bademantel, entblößte sich und legte meine Hand auf seine Geschlechtsteile.
„Streichle mich, dann wächst der kleine Mann.“
Ich kam der Aufforderung nach und beobachtete interessiert, wie sich das Stück Fleisch unter meinen Fingern vergrößerte. Onkel Otto stöhnte und begann, seinen Unterleib rhythmisch auf und ab zu bewegen. Ich war irritiert, als sich plötzlich eine weiße Flüssigkeit über meine Finger ergoss. Onkel Otto stieß dabei einen gurgelnden Ton aus und presste mich an sich.
„Was ist das? Habe ich dich zu doll gestreichelt?“
„Nein, nein, alles in Ordnung. Das ist bei Männern manchmal.“
„Bei Papa habe ich so etwas noch nie gesehen.“
„Ist besser, wenn du das für dich behältst. Mir ist das peinlich. Mein Puller ist nicht ganz in Ordnung, und das sollte keiner wissen. Sie lachen womöglich über mich.“
Onkel Otto zündete sich eine Zigarette an und hockte zusammengesunken auf dem Rand des Sofas.
„Versprich mir, dass du nichts verrätst.“ Onkel Otto schaute mich eindringlich an.
„Ich verspreche es.“
„Schwöre es.“
„Ich schwöre.“
„Wenn du den Schwur brichst, bestraft dich der liebe Gott. Du darfst wirklich niemandem davon erzählen.“
Ich nickte. Onkel Otto war immer so lieb zu mir und jetzt hatten wir sogar ein Geheimnis miteinander.
„Gehen wir auf den Spielplatz, Onkel Otto?“
„Das habe ich dir doch versprochen und einen Keks bekommst du auch noch.“
Onkel Otto streichelte mir über den Kopf und nahm mich in den Arm. In diesem Moment spürte ich wieder das angenehme Gefühl und drückte mich an ihn. Ich gab ihm einen dicken feuchten Schmatz auf den Mund und lachte ihn an.
„Wir haben ein Geheimnis. Wir haben ein Geheimnis. Wir haben ein Geheimnis.“
„Pst! Sonst hört dich noch einer. Dann ist es kein Geheimnis mehr.“
Ich war sofort still und nickte zustimmend. Onkel Otto zog sich an und verließ mit mir die Wohnung, um zu dem provisorisch angelegten Sandkasten im hinteren Bereich des Grundstücks zu gehen. Tante Marga ahnte sicher nicht, was in ihrer Abwesenheit vorgefallen war, als Onkel Otto und ich Hand in Hand, fröhlich lachend zum Essen erschienen. In den nächsten vier Jahren hatte Onkel Otto noch mehrmals Gelegenheit, mich für seine sexuellen Bedürfnisse zu missbrauchen, ohne dass mir bewusst war, was eigentlich geschah. Im Gegenteil, ich genoss es richtig, wenn er mich im Arm hielt. Ich verspürte in diesen Momenten dieses angenehm wohlige Gefühl, das ich von zuhause nicht kannte. Außerdem bekam ich von Onkel Otto heimlich Süßigkeiten zugesteckt, was er jedes Mal mit den Worten unterstrich:
„Denk an unser Geheimnis. Du willst doch nicht, dass der liebe Gott dich bestraft.“
Als ich acht Jahre alt war, zogen Onkel Otto und Tante Marga nach Hamburg. Ich vergaß ihn nach kurzer Zeit. Auch das Geheimnis, welches ich mit ihm hatte, wurde tief in meiner Seele vergraben.