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d) Beispiele
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Hinweis
Zur besseren Lesbarkeit/Verständlichkeit wird der Zeitpunkt bis zum 31.7.2013 von mir mit „altes Recht“ und der Zeitpunkt ab 1.8.2013 mit „neues Recht“, teilweise auch mit „alte Tabelle“ und „neue Tabelle“ bezeichnet.
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Beispiel Außergerichtlicher Auftrag
Im Juni 2013 erfolgt der Auftrag, Schuldner S zur Zahlung eines Betrags anzumahnen. Das Mahnschreiben erfolgt im Juni 2013. Schuldner S setzt sich daraufhin mit Rechtsanwalt R telefonisch in Verbindung und bespricht die Angelegenheit. Sodann zahlt Schuldner S und die Angelegenheit ist erledigt. Die Abrechnung erfolgt im August 2013.
Da der unbedingte Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung noch vor Inkrafttreten des 2. KostRMoG erfolgt ist, erfolgt die Abrechnung nach altem Recht.
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Beispiel Unbedingter Prozessauftrag
Ende Juli 2013 erhält Rechtsanwalt R den unbedingten Auftrag zur Klageeinreichung. Er nimmt den Auftrag noch im Juli an. Die Klage wird im August 2013 eingereicht. Es findet Termin zur mündlichen Verhandlung im Oktober 2013 statt. Danach ergeht ein der Klage stattgebendes Urteil.
Da der unbedingte Auftrag zur gerichtlichen Vertretung noch vor Inkrafttreten des 2. KostRMoG erfolgt ist, erfolgt die Abrechnung nach altem Recht. Hinweis: Die Gerichtskosten berechnen sich nach neuem Recht!
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Beispiel Außergerichtlicher Auftrag – sodann Prozessauftrag
Im Juni 2013 erfolgt der Auftrag, Schuldner S zur Zahlung eines Betrags anzumahnen. Das Mahnschreiben erfolgt Anfang Juli 2013. Schuldner S reagiert nicht auf die Fristsetzung. Nach Inkrafttreten des 2. KostRMoG erteilt der Mandant Klageauftrag. Die Klage wird eingereicht. Das Verfahren wird im Februar 2014 durch Vergleich beendet.
Da der unbedingte Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung noch vor Inkrafttreten des 2. KostRMoG erfolgt ist, erfolgt die Abrechnung der außergerichtlichen Vertretung nach altem Recht. Der Prozessauftrag erfolgte allerdings erst nach dem Inkrafttreten des 2. KostRMoG, weshalb die Gebühren für das gerichtliche Verfahren nach neuem Recht berechnet werden.
Die Anrechnung der Geschäftsgebühr erfolgt nach der alten Tabelle, denn nur „soweit“ eine Geschäftsgebühr entstanden ist, muss sie auch angerechnet werden. Auch wenn § 15a Abs. 1 RVG erlaubt, die „Stelle der Anrechnung“ auszusuchen, so kann ändert dies nichts daran, dass sich der anzurechnende Teil nach der alten Tabelle berechnet.
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Beispiel Zurückverweisung
Rechtsanwalt R reicht im Juni 2013 auftragsgemäß Klage ein. Die Sache wird vor dem Landgericht München I verhandelt. Nach Urteil im Oktober 2013 und Berufungseinlegung zum OLG München wird die Sache im Januar 2014 antragsgemäß zur erneuten Verhandlung an das Landgericht München I zurückverwiesen.
Da der unbedingte Auftrag zur gerichtlichen Vertretung in 1. Instanz noch vor Inkrafttreten des 2. KostRMoG erfolgt ist, erfolgt die Abrechnung nach altem Recht.
Die Berufung wurde im Oktober 2013 eingelegt, das 2. instanzliche Verfahren berechnet sich nach neuem Recht.
Auch das Verfahren nach Zurückverweisung stellt eine eigene gebührenrechtliche Angelegenheit dar, § 21 Abs. 1 RVG, es ist nach neuem Recht abzurechnen. Die Verfahrensgebühr des erstinstanzlichen Verfahrens ist jedoch nach der alten Tabelle anzurechnen, denn nur insoweit ist sie auch entstanden.
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Tipp
Liegen mehr als zwei Kalenderjahre zwischen dem Verfahren vor und dem Verfahren nach Zurückverweisung, entfällt die Verpflichtung zur Anrechnung der Verfahrensgebühr, § 15 Abs. 5 RVG.
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Beispiel Rechtsmittel durch erstinstanzlichen Anwalt
Rechtsanwalt R, der seinen Auftraggeber bereits in der ersten Instanz vertreten hat, erhält Mitte Juli 2013 den Auftrag, ein Rechtsmittel einzulegen. Das Rechtsmittel wird jedoch erst kurz vor dessen Ablauf im August 2013 eingelegt.
Rechtsanwalt R erhält seine Vergütung für das Rechtsmittelverfahren nach dem neuen Recht, denn für den bereits erstinstanzlich tätigen Anwalt kommt es auf die Einlegung des Rechtsmittels an, nicht auf die unbedingte Auftragserteilung.
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Beispiel Rechtsmittel durch neu beauftragten Anwalt
Rechtsanwalt K, der den Auftraggeber in der ersten Instanz nicht vertreten hat, erhält Mitte Juli 2013 den Auftrag, ein Rechtsmittel einzulegen. Das Rechtsmittel wird jedoch erst kurz vor dessen Ablauf im August 2013 eingelegt.
Rechtsanwalt K erhält seine Vergütung für das Rechtsmittelverfahren nach dem alten Recht, denn für den erstmals im Rechtsmittelverfahren tätigen Anwalt kommt es auf die unbedingte Auftragserteilung an, nicht auf den Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung.
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Beispiel Übergang vom Mahnverfahren ins streitige Verfahren
Rechtsanwalt K hat für den Auftraggeber im Juli 2013 Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides gestellt.
Der Schuldner erhebt Widerspruch. Rechtsanwalt K erhält im August den Auftrag, die Klage zu begründen.
Abrechnung Mahnverfahren: altes Recht
Abrechnung streitiges Verfahren: neues Recht
Anrechnung der Mahnverfahrensgebühr: nach altem Recht
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Beispiel Selbständiges Beweisverfahren – Hauptsacheverfahren
Rechtsanwalt K hat für den Auftraggeber im Januar 2013 Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gestellt. Nachdem das Gutachten im Juni 2013 vorliegt, versucht Rechtsanwalt K auftragsgemäß mit dem Antragsgegner eine Einigung herbeizuführen; er ist außergerichtlich beauftragt.
Die außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen scheitern. Rechtsanwalt K reicht sodann nach Auftragserteilung im August 2013 am 19.8.2013 Hauptsacheklage ein.
Abrechnung selbständiges Beweisverfahren: altes Recht
Abrechnung außergerichtliche Tätigkeit: altes Recht
Abrechnung des Hauptsacheverfahrens: neues Recht
Anrechnung der Geschäftsgebühr: nach altem Recht
Anrechnung der Verfahrensgebühr des selbständigen Beweisverfahrens: nach altem Recht
Wo der Rechtsanwalt die Anrechnung vornimmt, kann er selbst entscheiden, § 15a Abs. 1 RVG.
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Hinweis
Eine im selbständigen Beweisverfahren möglicherweise verdiente Terminsgebühr (z.B. für die Wahrnehmung eines Ortstermins oder eine Erledigungsbesprechung im Sinne der Vorbem. 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG) muss nicht angerechnet werden!
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Beispiel Unterschiedliches Recht für die beteiligten Anwälte
Rechtsanwalt K erhält vom für den Mandanten im Juli 2013 den Auftrag zur Klageeinreichung. Die Klage wird im Juli eingereicht und am 24.7.2013 zugestellt. Rechtsanwalt R erhält von seinem Auftraggeber (Beklagter) am 1.8.2013 den Auftrag, ihn in diesem Klageverfahren zu vertreten (Verteidigungsabsicht anzuzeigen; Klageerwiderung etc.).
Abrechnung RA K (Klägervertreter): altes Recht
Abrechnung RA R (Beklagtenvertreter): neues Recht
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Tipp
Achten Sie insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren darauf, dass auch die Gegenseite möglicherweise noch die „alte Tabelle“ anwenden muss.
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Beispiel Bestellung zum Pflichtverteidiger
Gegen Mandant B. läuft seit Juni 2013 ein Strafverfahren. Da er keinen Anwalt mit seiner Verteidigung beauftragt hat, ordnet ihm das Gericht Rechtsanwältin S. am 2.8.2013 als Pflichtverteidigerin bei.
Abrechnung RAin S gegenüber Staatskasse: neues Recht
Erfolgt der Auftrag zur Wahlverteidigung vor dem 31.7.2013 und die Bestellung zum Pflichtverteidiger danach, sind die neuen höheren Festgebühren anwendbar.[11]
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Beispiel Beratungshilfemandat
Ob die neuen oder alten Gebührentatbestände greifen, hängt auch hier allein von der Auftragserteilung ab, nicht aber, wann der Berechtigungsschein ausgestellt worden ist.[12]
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Beispiel Prozesskostenhilfe
Hier wird es in der Regel auf den erteilten Auftrag ankommen, da dieser meist vor dem Beiordnungsbeschluss liegt.[13]
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Beispiel Klageerweiterung
Wird eine bei Gericht anhängige Klage erweitert, so gilt für den Gesamtstreitwert (vgl. § 15 Abs. 5 RVG), dass die Gebühren einheitlich nach der alten Tabelle abgerechnet werden, wenn der unbedingte Auftrag zur Klageeinreichung vor dem 1.8.2013 erteilt wurde. Das gilt selbst dann, wenn die Klageerweiterung wesentlich höher ist, als der ursprünglich eingeklagte Betrag.
Auftrag zur Klageeinreichung beim LG wg. Forderung in Höhe von 7.000 € Mitte Juli 2013; sodann Einreichung der Klage im August 2013. Im Oktober 2013 erfolgt eine Klageerweiterung wg. einer weiter fällig gewordenen Forderung in Höhe von 450.000 €. Die 1,3 Verfahrensgebühr aus dem Gesamtwert von 457.000 € berechnet sich nach der alten Tabelle. Die Gerichtskosten sind nach der neuen Tabelle einzuzahlen.
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Beispiel Urkundenprozess und ordentliches Verfahren
Wird eine Klage zunächst im Urkundenprozess anhängig gemacht und geht sie dann in das ordentliche Verfahren über, liegen zwei Angelegenheiten vor, § 17 Nr. 5 RVG. Die Verfahrensgebühr für das Urkundenverfahren ist auf die Verfahrensgebühr für das ordentliche Verfahren (auch Nachverfahren genannt) anzurechnen, vgl. Anm. Abs. 2 zu Nr. 3100 VV RVG.
Da hier zwei Angelegenheiten vorliegen, ist für jede Angelegenheit gesondert zu prüfen, ob altes oder neues Recht zur Anwendung kommt.
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Beispiel Einstweilige Verfügung und Hauptsacheverfahren
Wird neben einem einstweiligen Verfügungsverfahren ein Hauptsacheverfahren anhängig (oder umgekehrt), liegen zwei Angelegenheiten vor, § 17 Nr. 4b RVG. Eine Anrechnungsvorschrift für die Verfahrensgebühr gibt es nicht; es muss daher auch keine Anrechnung erfolgen.
Da hier zwei Angelegenheiten vorliegen, ist für jede Angelegenheit gesondert zu prüfen, ob altes oder neues Recht zur Anwendung kommt.
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Beispiel Unterbevollmächtigter/Hauptbevollmächtigter
Wird ein Unterbevollmächtigter beauftragt, so ist für jeden Anwalt von einem gesonderten Auftrag auszugehen, so dass es für die Berechnung der Gebühren auf das Datum des unbedingten Auftrags an den jeweiligen Anwalt auszugehen ist.[14]
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Beispiel Außergerichtliche Vertretung in verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten
Der Gesetzgeber hat das System der Abrechnung in verwaltungs- und sozialrechtlichen Angelegenheiten zum 1.8.2013 grundlegend verändert. Wurde der Anwalt nach alter Rechtslage sowohl im Antrags- als auch im Rechtsbehelfsverfahren tätig, erhielt er für die zweite außergerichtliche Angelegenheit eine Geschäftsgebühr, die im Gebührensatz (Verwaltungsrecht) bzw. Gebührenbetrag (Sozialrecht) niedriger war. Nach der neuen Rechtslage erhält der Anwalt nunmehr für beide Angelegenheiten die jeweils selbe Geschäftsgebühr, muss jedoch die zuerst erstandene Geschäftsgebühr auf die weitergehende Geschäftsgebühr anrechnen (Vorbem. 2.3. Abs. 4 VV RVG). Auch hier ist wieder für jede gebührenrechtliche Angelegenheit gesondert auf die unbedingte Auftragserteilung abzustellen.
Beispiel a):
Der Anwalt wird in folgenden Verfahren tätig:
1. | Verwaltungsverfahren (unbedingter Auftrag Mai 2013) |
2. | Verwaltungsverfahren, das der Nachprüfung des Verwaltungsakts dient (unbedingter Auftrag Juni 2013) |
3. | Verwaltungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht (unbedingter Auftrag August 2013) |
Er kann abrechnen (nur Betriebsgebühren dargestellt):
1. | Verwaltungsverfahren – 1,3 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (plus Auslagen u. USt.) (alte Tabelle) |
2. | Verwaltungsverfahren, das der Nachprüfung des Verwaltungsakts dient – 0,7 Geschäftsgebühr, Nr. 2301 VV RVG (plus Auslagen u. USt.) (altes Recht u. alte Tabelle) |
3. | Verwaltungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht – 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (plus Auslagen u. USt.) (neue Tabelle) ./. 0,35 Geschäftsgebühr, Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG (altes wie auch neues Recht u. alte Tabelle) |
Beispiel b):
Der Anwalt wird in folgenden Verfahren tätig:
1. | Verwaltungsverfahren (unbedingter Auftrag Juli 2013) |
2. | Verwaltungsverfahren, das der Nachprüfung des Verwaltungsakts dient (unbedingter Auftrag August 2013) |
3. | Verwaltungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht (unbedingter Auftrag Dezember 2013) |
Er kann abrechnen (nur Betriebsgebühren dargestellt):
1. | Verwaltungsverfahren – 1,3 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (plus Auslagen u. USt.) (alte Tabelle) |
2. | Verwaltungsverfahren, das der Nachprüfung des Verwaltungsakts dient – 1,3 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (plus Auslagen u. USt.) (neues Recht u. neue Tabelle) ./. 0,65 Geschäftsgebühr, Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV RVG (neues Recht bei Anrechnung; Anrechnung nach alter Tabelle) |
3. | Verwaltungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht – 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (plus Auslagen u. USt.) (neue Tabelle) ./. 0,65 Geschäftsgebühr, Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG (neues Recht u. neue Tabelle) |
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Beispiel Gerichtlicher Auftrag mit mehreren Gebühren – Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen
Rechtsanwalt R erhält im Mai 2013 den Auftrag, einen Prozess für den Mandanten zu führen. Die Klage wird im Mai 2013 eingereicht. Im Juli erfolgt eine mündliche Verhandlung. Im Mai 2015 findet ein Termin zur Beweisaufnahme statt. Der Rechtsanwalt hat seine gesamten Gebühren nach der alten Tabelle zu berechnen, da der unbedingte Auftrag für die Durchführung des gesamten Verfahrens vor dem 31.7.2013 erteilt worden ist. Dieser Rechtsanwalt kann somit aber auch nicht, wenn die Voraussetzungen ansonsten erfüllt wären, eine Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen in Rechnung stellen, da diese Gebühr erst zum 1.8.2013 eingefügt worden ist und vorliegend daher nicht zur Anwendung kommt. Da der Mandant grundsätzlich bei Klageauftrag die Durchführung des gesamten Verfahrens bis zur Beendigung wünscht, sind auch die Gebühren einheitlich nach dem gleichen Gebührenrecht zu berechnen. Es ist nicht auf den Zeitpunkt der Erfüllung des jeweiligen Gebührentatbestands abzustellen.
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Nur noch wenige Fälle fallen in den Anwendungsbereich der BRAGO. Falls dies jedoch der Fall ist, wirft gerade die Frage der Anrechnung immer wieder Fragen auf. Für diese Übergangsfälle gilt § 61 RVG, nicht § 60 RVG.
Beispiel Übergangsrecht BRAGO-Geschäftsgebühr
Im Juni 2004 erhält Rechtsanwalt R den Auftrag, ein außergerichtliches Aufforderungsschreiben an den Gegner zu übersenden. Der Rechtsanwalt hat zu diesem Zeitpunkt noch keinen Klageauftrag. Nach fruchtlosem Ablauf der im Aufforderungsschreiben gesetzten Frist erteilt der Mandant im Juli Klageauftrag. Unstreitig ist, dass die außergerichtliche Tätigkeit nach BRAGO und die gerichtliche Tätigkeit nach dem RVG abzurechnen sind. Fraglich ist, ob die Anrechnung der Geschäftsgebühr nach BRAGO oder aber RVG zu erfolgen hat. Beide Gesetze haben eine eigene Anrechnungsvorschrift. Nach § 118 Abs. 2 S. 1 BRAGO ist die Geschäftsgebühr vollständig anzurechnen, soweit Gegenstandsidentität besteht. Bei Anwendung des RVG wäre lediglich die Hälfte der Geschäftsgebühr, maximal bis zu 0,75 anzurechnen, vgl. dazu Abs. 4 der Vorbem. 3 VV RVG. Für eine Anwendung der Anrechnungsvorschrift nach RVG (nur hälftige Anrechnung, max. 0,75) spricht die Tatsache, dass sich die Frage einer Anrechnung erst zum Zeitpunkt des gerichtlichen Verfahrens stellt. Zudem ist die Anrechnungsvorschrift in Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses (Abs. 4 der Vorbem. 3) geregelt. Die Geschäftsgebühr, die in unserem Beispiel nach BRAGO entstanden ist, wäre danach nur hälftig auf die im gerichtlichen Verfahren entstandene Verfahrensgebühr anzurechnen. Zudem sollte die nur teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr nicht nur den Wegfall der Besprechungsgebühr sondern auch den Wegfall der Beweisgebühr kompensieren. Bei einer Abrechnung des gerichtlichen Verfahrens nach RVG wäre der Rechtsanwalt benachteiligt, der eben die Geschäftsgebühr bei vorhergehendem außergerichtlichen Auftrag voll anzurechnen hätte. Hinzu kommt, dass die Rechtsanwälte durch das RVG mehr verdienen sollten. Gegen eine Anrechnung nach RVG und für eine Anrechnung nach BRAGO spricht, dass in Abs. 4 der Vorbem. 3 sich die Anrechnung auf eine nach Nr. 2300–2303 verdiente Geschäftsgebühr bezieht. Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300–2303 ist aber nun einmal zweifelsfrei nicht eine solche nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO. Auch hätte der Rechtsanwalt die Möglichkeit, neben der Geschäftsgebühr in unserem obigen Fall nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO noch eine Besprechungsgebühr zu verdienen, die auch nicht anzurechnen wäre.[15]