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2. Kapitel Wertermittlung und Gerichtskosten › II. Streitwert/Gegenstandswert oder Zuständigkeits- bzw. Rechtsmittelwert?

II. Streitwert/Gegenstandswert oder Zuständigkeits- bzw. Rechtsmittelwert?

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Es gibt keinen Gegenstandswert, der sich nicht irgendwie ermitteln lässt. Nachfolgende Ausführungen werden die Systematik der Gegenstandswertberechnung darstellen und anhand von Beispielen aufzeigen, welchen wirtschaftlichen Nutzen eine korrekte Wertermittlung mit sich bringt.

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Um das Verständnis für das nachfolgende Kapitel zu erleichtern, sollen zunächst wichtige Begrifflichkeiten erläutert werden.

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Bei der Wertberechnung unterscheidet man Gebühren- und Zulässigkeits- oder Zuständigkeitswert! Diese Unterscheidung ist enorm wichtig, denn Gebühren- und Zulässigkeits- oder Zuständigkeitswert können unterschiedlich sein.

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Der Wert kann z.B. Bedeutung haben für

1. die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts und mögliche Verfahrensarten,
2. die Zulässigkeit des Rechtsmittels (Erreichen der Beschwerdesumme),
3. die Vollstreckbarkeit von Urteilen,
4. die Zulässigkeit der Eintragung einer Zwangshypothek,
5. die Berechnung der Kosten/Gebühren des Gerichts und der Rechtsanwälte.

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Die Punkte 1. bis 4. behandeln den Zulässigkeits- oder Zuständigkeitswert. Punkt 5 betrifft allein den Wert für die Kosten/Gebühren von Gericht und Anwalt.

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Im Zivilprozess richtet sich Zuständigkeits- oder Zulässigkeitswert ausschließlich nach den §§ 3 bis 9 ZPO. Niemals kommen für die Berechnung des Zuständigkeits- oder Zulässigkeitswerts die Kostengesetze zur Anwendung! Umgekehrt ist es aber schon möglich, dass zur Berechnung des Gebührenwerts/Kostenwerts die ZPO zur Anwendung kommt. Nämlich immer dann, wenn in den Kostengesetzen keine Regelung enthalten ist.

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Merksatz

Die §§ 3–9 ZPO dürfen bei der Berechnung des Gebührenwerts erst dann herangezogen werden, wenn weder im RVG selbst, noch im GKG oder einem anderen für die Gerichtsgebühren geltenden Gesetz (GNotKG) eine Vorschrift enthalten ist.

GKG und FamGKG vor ZPO!

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Für die Wertberechnung bei Anwaltsgebühren heißt es richtig: Gegenstandswert, § 2 Abs. 1 RVG.

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Für die Wertberechnung der Gerichtskosten in Familiensachen wird der Begriff Verfahrenswert angenommen, § 33 Abs. 2 FamGKG.

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Für die Wertberechnung der Gerichtskosten in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten heißt es Streitwert, § 39 Abs. 2 GKG.

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Für die Wertberechnung der Notarkosten heißt es Geschäftswert, § 3 GNotKG.

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Gebührenstreitwert und Zuständigkeits- oder Zulässigkeitswert dürfen nicht miteinander verwechselt werden.

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Mit dem FamGKG wurde 2009 bedauerlicherweise der frühere Begriff des „Verfahrenswerts“, der für den Zuständigkeits- oder Zulässigkeitswert (auch Rechtsmittelwert) verwendet wurde, neu als ein Gebührenwert definiert. Hier ist besonders darauf zu achten, dass in der Alltagssprache in der Kanzlei oder auch bei den Gerichten oft keine juristisch saubere Trennung der Begrifflichkeiten erfolgt. Dies kann dann aber im Weiteren dazu führen, dass auch eine fehlerhafte Berechnung des Werts vorgenommen wird.

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Tipp

Um falsche Berechnungen und folglich falsche Auskünfte an den Mandanten zu vermeiden, sollte daher zunächst immer die Frage gestellt werden, für was oder für wen nun die Wertermittlung erfolgen soll.

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Beispiel

In einer Unterhaltssache wurden statt geforderter 500 € monatlich lediglich 450 € zugesprochen. Der Mandant möchte wissen, ob er Beschwerde einlegen kann. Da Ehegattenunterhalt als vermögensrechtliche Angelegenheit gilt, kann Beschwerde nur eingelegt werden, wenn der Beschwerdegegenstand 600 € übersteigt, § 61 Abs. 1 FamFG. Der Mandant hat somit eine verfahrensrechtliche Frage, die sich allein aus dem Verfahrensrecht beantwortet und niemals aus dem Gebührenrecht! Berechnet der Anwalt den Wert für die Beschwerde nun falsch nach dem Gebührenwert (§ 51 FamGKG), kommt er zu dem Ergebnis, dass er die Wertgrenze nicht erreicht (12 × 50 € = 600 €), denn der Beschwerdegegenstand muss 600 € übersteigen. Für die Frage, ob eine Beschwerde zulässig ist, gilt jedoch über § 113 Abs. 1 FamFG allein § 9 ZPO, damit der 3,5fache Jahresbetrag, somit 3,5 × 50 € × 12 = 2.100 €. Eine Beschwerde ist also zulässig!

Der Wert für die Gerichtskosten sowie die Anwaltsgebühren beträgt jedoch auch in diesem Fall 600 €!

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Die Unterscheidung zwischen Zuständigkeits- oder Zulässigkeitswert und Gebührenstreitwert ist für die anwaltliche Praxis damit von erheblicher Bedeutung. Ein weiteres Beispiel soll dies aufzeigen.

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Beispiel

Ein Vermieter erhebt Klage auf Räumung eines gewerblichen Objekts bei einer monatlichen Miete von 300 €. Der Streitwert (Gerichtskosten) für ein Räumungsverfahren bemisst sich nach § 41 Abs. 2 GKG auf 12 × 300 € = 3.600 €.

Der Zuständigkeitswert richtet sich dagegen nach §§ 8, 9 ZPO und beläuft sich damit auf 42 × 300 € = 12.600 €. Damit ist sachlich zuständig das Landgericht und nicht das Amtsgericht. Eine beim Amtsgericht eingereichte Klage wäre damit nicht zulässig (sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte ohne Rücksicht auf den Wert nur für Wohnraum, § 23 Nr. 2a GVG), nicht für Gewerberaum).

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Wird daher gegen ein Urteil im Mieterhöhungsprozess Berufung eingelegt, richtet sich die Beschwer nicht nach dem Jahresbetrag, sondern nach dem 3 ½fachen Jahresbetrag (§ 9 ZPO).[1] Der BGH hält die Bewertung des Zulässigkeitswerts (Rechtsmittelwerts) nach § 9 ZPO auch für Wohnraummietverhältnisse für eine angemessene Berechnungsgrundlage.[2]

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Auch 2006 und 2007 forderte der BGH nochmals eine entsprechende Differenzierung bei der Berechnung der jeweiligen Werte:

„Bei einem Streit über das Bestehen oder die Dauer eines Mietverhältnisses richtet sich der Gebührenstreitwert nach § 41 Abs. 1 GKG, nicht nach § 8 ZPO. Die Wertberechnung nach § 8 ZPO ist nur für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelwert (Beschwer) maßgeblich“.[3]

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Soll Berufung gegen ein Urteil eingereicht werden, bei dem es nicht um zukünftige Leistung sondern auf Feststellung einer solchen Verpflichtung geht, ist von dem nach § 9 ZPO ermittelten Wert – wie auch sonst bei positiven Feststellungsklagen – ein Abschlag von 20 % vorzunehmen.[4]

Wird die Berufung gegen ein Räumungsurteil eingelegt, so richtet sich die Beschwer ebenfalls nicht nach dem Jahresbetrag, sondern wiederum nach dem 3 ½fachen Jahresbetrag.[5]

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Aber Achtung

§ 8 ZPO gilt als Zuständigkeits- und Rechtsmittelwert für Prozesse, in denen es um die Fortdauer oder das Bestehen eines Mietverhältnisses geht. Sofern sich ein Nutzungsberechtigter nach einer Kündigung auf Regelungen berufen möchte, die das Kündigungsrecht einschränken, ist als die streitige Zeit im Sinne des § 8 ZPO der Tag ab Erhebung der Räumungsklage bis zum Zeitpunkt maßgebend, den der Nutzungsberechtigten als für ihn günstigsten Beendigungszeitpunkt des Miet- oder Pachtvertrags in Anspruch nimmt.[6]

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§ 8 ZPO – Pacht- oder Mietverhältnis:

„Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend.“

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Sofern der Nutzungsberechtigte keinen festen Zeitpunkt nennt, kommt § 9 ZPO (3,5facher Jahresbetrag bei wiederkehrenden Leistungen) zur Anwendung.[7]

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Wie ist darüber hinaus zu rechnen, wenn das Miet-, Pacht- oder ähnliche Nutzungsverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden ist? Schneider kritisiert zu Recht die Rechtsprechung des BGH, die nicht nur in Fällen einer unbestimmten Dauer sondern auch bei lebenslangen Verträgen von einer Anwendung des § 9 ZPO und vom 3,5fachen Jahresbetrag ausgeht.[8] Schließlich könne ein auf unbestimmte Dauer abgeschlossenes Mietverhältnis jederzeit ordentlich gekündigt werden, ein Vertrag auf Lebensdauer nicht. Derartige Verträge hätten durchaus eine lange Dauer, jedoch eine solche, die zum Zeitpunkt des Streits noch nicht feststeht.

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Zusammenfassung Zuständigkeits- oder Zulässigkeitswert Gewerberaummiete:

Vertrag auf unbestimmte Dauer § 9 ZPO (3,5facher Jahresbetrag)
Vertrag lebenslang § 9 ZPO (3,5facher Jahresbetrag lt. BGH)
Vertrag 30 Jahre § 8 ZPO (25facher Jahresbetrag)
Vertrag 17 Jahre § 8 ZPO (17facher Jahresbetrag)
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