Читать книгу Ein letzter Augenblick - Sabrina Heilmann - Страница 13

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Kapitel 4

Als ich das kleine Pub am Ende der Straße entdeckte, das vor etwa einer halben Stunde geöffnet hatte, verschwand ich sofort darin. Die dunkle, gemütliche Atmosphäre verschluckte mich, und ich nahm an dem dunklen Holztresen Platz - meine blaue Orchidee stellte ich darauf. Sicher gab ich ein mitleidiges Bild ab.

»Was darf es sein?«, fragte der ältere Mann hinter dem Tresen und ich sah ihm in die Augen.

»Irgendetwas, das mich die letzten Minuten ziemlich schnell vergessen lässt.«

Zwei Sekunden später stand ein Glas mit bernsteinfarbener Flüssigkeit vor mir. »Der beste Single Malt, den Sie in der Gegend bekommen können, Miss«, erklärte der Mann lächelnd. »Ein paar Doppelte, und Ihre Probleme werden unwichtig.« Er zwinkerte mir zu und ich nickte dankbar. Ich nahm das Glas und trank es in einem Zug leer. Der Whisky brannte sich meine Kehle hinab und ich atmete tief durch. »Mehr?«, fragte der Mann und ich nickte.

»Du weißt, dass Alkohol keine Lösung ist, um über einen Streit hinwegzukommen?« Erschrocken sah ich zur Seite und ein Paar moosgrüner Augen ruhte auf mir. Blake McLaughlin nahm neben mir Platz. »Ich nehme das Gleiche wie sie«, bestellte er.

»Eine Lösung vielleicht nicht, aber der nette Herr hat mir versichert, dass ich danach alles vergesse, was in den letzten Minuten geschehen ist. Auf ein paar Erinnerungen mehr oder weniger kommt es nicht an, hm?« Ich leerte mein Glas erneut und ließ es schnell wieder füllen. Blakes Blick war nachdenklich und fragend.

»Was meinst du damit, auf ein paar Erinnerungen mehr oder weniger kommt es nicht an?« Er sprach mich nicht in der Höflichkeitsform an, was in Betracht der Nähe, der wir gestern ausgesetzt waren, seltsam gewesen wäre. Und doch hinterließ diese Vertrautheit ein merkwürdiges Gefühl.

»Spielt das eine Rolle?« Blake drehte sich leicht zu mir und sein Blick wurde durchdringender. Ich erwiderte ihn, kam aber kaum gegen seine Intensität an. Mein Herz schlug sofort einen Takt zu schnell, und ich blickte auf mein Glas. »Was machst du eigentlich hier?«

»Ich wollte sehen, wie es dir geht.« Nun hob ich meinen Blick doch wieder und sah ihn skeptisch an.

»Wenn das deine Masche ist - armen, hilflosen Frauen vor dem Krankenhaus aufzulauern, sie anschließend nach Hause zu fahren, um herauszufinden, wo sie wohnen, und den besorgten Retter zu spielen - dann hast du mit mir absolut keinen Hauptgewinn gezogen.«

Er lachte leise und trank seinen Whisky aus. »Dass ich nicht früher auf die Idee gekommen bin«, bemerkte er ironisch. »Ich habe gestern einen Freund im Krankenhaus besucht, und ob du es glaubst oder nicht, aber ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Offensichtlich zu Recht, schließlich sitzt du nach einem Streit mit deiner Mutter im Pub und betrinkst dich. Was die Orchidee zu bedeuten hat, will ich lieber nicht wissen.«

»Es geht mir ganz fantastisch.« Ich zog die Augenbrauen in die Luft und seufzte leise.

»Weißt du, dass nur Menschen, die keinen Ansprechpartner haben, sich nach einem Streit in einem Pub betrinken, weil sie hoffen, der Barkeeper hört ihnen zu?«

Es war leicht zu durchschauen, dass Blake versuchte, mich aus der Reserve zu locken. Ich war mir nur nicht sicher, ob seine Provokation dazu dienen sollte, dass ich ihm eine Ansage machte oder lauthals begann zu lachen. Auf jeden Fall würde ich ihm beides nicht liefern, so viel stand fest.

»Natürlich habe ich nach über fünf Jahren Koma und weiteren zwei Jahren Gedächtnisverlust keinen Ansprechpartner. Meine beste Freundin hat mich, seitdem ich wach bin, nicht einmal besucht. Ich habe keinen Schimmer, ob ich andere Freunde oder einen Partner habe, und meine Mutter gibt mir keine Antworten. Okay, ich habe in den letzten Wochen auch keine Fragen gestellt ... Also Mister ›Ich rette arme, hilflose Frauen vor dem Krankenhaus‹, mit wem soll ich sprechen?« Jetzt schenkte ich ihm doch ein Lächeln, weil ich nicht wollte, dass meine Worte verbittert rüberkamen. Ja, vielleicht war ich ein bisschen verbittert, aber ich war vermutlich auch selbst schuld. Keine Fragen bedeuteten immerhin keine Antworten.

»Entschuldige, das habe ich nicht gewusst.«

»Woher auch«, seufzte ich und hob die Schultern leicht an.

»Das erklärt, warum du nicht besonders viel Wert auf deine Erinnerungen legst.« Blakes Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln und ich kam nicht umhin zu bemerken, wie attraktiv ihn das machte.

»Am besten gebe ich mich meinem neuen Leben hin und ignoriere, dass ich irgendwo in Edinburgh eine Wohnung habe ...« Ein weiteres Glas Whisky brannte sich meine Kehle hinab.

»Ist das der Grund, warum du mit deiner Mutter gestritten hast?«

»Ja. Sie sagt, es sei nicht der richtige Zeitpunkt.«

»Und denkst du das ebenfalls?«

Ich suchte seinen Blick, der mich so ernst ansah, dass ich nichts anderes konnte, als loszulachen.

»Du bist beruflich nicht zufällig Therapeut?«, scherzte ich und er schüttelte den Kopf.

»Nein, freiberuflicher Fotograf, aber auch das ist manchmal wie eine Therapie. Was hältst du davon, wenn wir Freitag einen kleinen Ausflug machen? Ich könnte dir die Gegend zeigen, damit du weißt, mit welchem Leben du dich hier arrangierst, während ich an einer neuen Fotostrecke arbeite.«

»Du kennst nicht mal meinen Namen.« Ich kniff die Augen skeptisch zusammen.

»Verrate ihn mir«, flüsterte Blake und beugte sich ein Stück weiter zu mir.

»Emilia.«

»Gut, jetzt kenne ich deinen Namen. Also, wie sieht es aus? Freitag, vierzehn Uhr am Blumenladen deiner Mutter?«

»Aber nur, weil du meine Drinks bezahlst«, erwiderte ich frech und rutschte vom Barhocker. Ich küsste ihn auf die Wange und verschwand in Richtung Tür.

»Hey Lia!«, rief Blake mir nach und ich drehte mich noch einmal zu ihm um. »Vergiss deine Orchidee nicht.«

Ein letzter Augenblick

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