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4.5Der Transfer auf die Matte bzw. in den Alltag

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Nun stellt sich als Nächstes die Frage nach der Umsetzung in den Alltag.

Wie kann Yoga wirken?

Die meisten Menschen (wie auch ich) beginnen mit Yoga aufgrund körperlicher Einschränkungen bzw. psychischer Problematiken, oder weil sie sich Entspannung von ihrem stressigen Alltag wünschen.

Unser Körper ist uns Menschen heutzutage häufig erschreckend fremd. Er funktioniert eben einfach und wenn er das nicht mehr in vollem Umfang tut (z. B. im Falle einer Erkrankung), nehmen wir ihn wieder bewusst wahr. In der Regel wird dann erst einmal mit Tabletten oder anderen medizinischen Therapien versucht, den Körper wieder zu „reparieren“, ihn wieder funktionsfähig zu machen. Hilft das alles nicht, kommen einige Menschen zu der Einsicht, dass sie etwas anderes brauchen, und selbst etwas tun müssen, um wieder gesund zu werden bzw. zu regenerieren.

Leider wird, meiner Meinung nach, in der westlichen Medizin nach wie vor der Hauptfokus auf den Körper gelegt und dieser allein behandelt. In den meisten Fällen spielt die Psyche jedoch auch eine Rolle und dies wird auch in den Forschungen in neuerer Zeit immer deutlicher. Der Mensch ist ein Ganzes. Was nicht bedeutet, dass die Schulmedizin nicht wichtig ist, im Gegenteil. Aber eine ganzheitliche Sicht auf den Menschen ist durchaus wünschenswert!

Dies wird auch sehr deutlich am Thema Stress. Unsere Zeit ist gekennzeichnet durch enormen Leistungs- und Erwartungsdruck. Wir sind immer in Eile und wissen manchmal gar nicht, „wo uns der Kopf steht“. Dies führt dazu, dass unser Sympathikus quasi daueraktiv ist. Der Sympathikus ist allgemein als „Kampf und Flucht“-System bekannt. Er bewirkt, dass der Blutdruck steigt, die Herzfrequenz zunimmt und Stresshormone ausgeschüttet werden.

Früher diente dieses perfekte System dazu, den Körper auf den Kampf (oder die schnelle Flucht) gegen gefährliche Tiere vorzubereiten. Der Sympathikus funktioniert nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip, d. h., unser gesamter Organismus reagiert, wenn wir Stress haben. Die Stressoren unserer Zeit sind jedoch keine Mammuts oder Säbelzahntiger mehr, sondern Termindruck, ständige Erwartungen anderer, Multitaskingfähigkeit, Leistungskontrollen bis hin zum Mobbing. Trökes und Knothe (2014) haben in ihrem Buch Neuro-Yoga hierzu ein schönes Vergleichsbild:

„Gesteuert vom Sympathikus; leben wir, als würden wir dauernd den Fuß auf dem Gaspedal haben. Die Bremse, der Parasympathikus, bekommt in stressigen Zeiten kaum noch ‚einen Fuß in die Tür‘“ (S. 191):

Der Parasympathikus ist dem Sympathikus entgegengesetzt. Er senkt den Blutdruck und verlangsamt den Atem. Das Blut, das nun nicht mehr (für Flucht oder Kampf) in den Muskeln benötigt wird, kann wieder zurück in andere Systeme (Verdauungsorgane, Drüsensysteme usw.) fließen. Das parasympathische System wird im Yoga durch Pranayama (Atemübungen) trainiert und kann somit zur Heilung, Regeneration und Entspannung führen.

Es ist schon lange bekannt, dass der Atem unseren Geisteszustand beeinflussen kann. Wir selbst merken das zuweilen auch, sind wir aufgeregt, geht der Atem flach und schnell, fühlen wir uns wohl, kann der Atem tief bis in den Bauchraum fließen. Es wird vermutet, dass schon die ersten Yogis vor etwa 3.500 Jahren mit ihrem Atem experimentierten. So konnten sie feststellen, dass sie sich sowohl in extatische Zustände sowie in Zustände tiefer Ruhe hineinatmen konnten. Pranayama ist also ein wesentlicher Faktor auf dem Yogaweg und findet sich deshalb auch als eigenständiges Glied im achtfachen Pfad wieder.

Die Asanapraxis hilft uns zuerst einmal, wieder unseren Körper wahrzunehmen. Unser Körper befindet sich den ganzen Tag in unterschiedlichen Haltungen, wir sitzen am Schreibtisch, wir stehen beim Kochen, wir liegen beim Schlafen, usw. Diese Fülle von Bewegungsmustern haben wir unbewusst durch Nachahmen, Ausprobieren und bewusstes Wiederholen erlernt. Wir haben sie immer weiter verfeinert und an unsere täglichen Anforderungen angepasst, bis sie schließlich in die tiefen Schichten unseres Gedächtnisses absinken konnten. Die meisten unserer Bewegungen finden automatisch statt und wir müssen über sie nicht mehr nachdenken.

Zum Glück, würde doch ein Tag nicht ausreichen, wenn wir alle Bewegungen erst durchdenken müssten. Durch dieses quasi „Abgeschaltet-“Sein unseres Gehirns verlieren wir jedoch nach und nach den Bezug zu unserem Körper, der eben einfach unbewusst funktioniert! Erst dann, wenn er dies nicht mehr tut, wird er uns wieder bewusst. Durch die Asanapraxis entsteht wieder eine Bewusstheit für unseren Körper. Durch neue, ungewohnte Haltungen werden alte Muster durchbrochen und unser Gehirn schaltet sich wieder an, weil da etwas „Neues“ passiert!

Die Asanas, die meist am Anfang einer Yogapraxis stehen (Baum, Berg, Katze, Hund …) haben für unser Gehirn noch einen weiteren Vorteil. Jeder von uns hat ein Bild von Dingen in sich verankert, so zum Beispiel von der Katze: Wir wissen, dass eine Katze einen sehr beweglichen Rücken hat und so fällt es uns nicht allzu schwer, uns in diese Haltung (Katzenbuckel) hineinzubegeben. Kinder haben diese Fähigkeit noch viel mehr, deshalb fallen ihnen die meisten Asanas auch nicht schwer und sie benötigen viel weniger konkrete Anleitung hierbei.

Ein wichtiger Faktor ist auch die Zeit zum Üben und zum Nachspüren. Wir brauchen Zeit zum Lernen, auch um achtsam mit uns selbst zu sein. Zu spüren, was tut mir gut, welche Bewegung fällt mir leicht, ist wichtig (denn auch jede Anatomie ist einzigartig und somit hat jeder Mensch auch anatomisch bedingte Grenzen), denn die Verantwortung liegt schlussendlich beim Übenden selbst.

So tun wir in der Praxis sowohl etwas für unsere Muskulatur, Gelenke, Organe, den Atem und das Nervensystem. Wichtig für die eigene Yogapraxis ist jedoch auch die eigene Motivation und Spaß zu haben im Tun!

Der Aspekt der Freiwilligkeit wurde sogar durch neuere Forschungen belegt, da dieser bewirkt, dass neue Nervenzellen gebildet werden. Deshalb bringt es sicherlich nicht viel, wenn man Yoga machen soll bzw. muss und daran überhaupt keinen Spaß finden kann.

Jedes Asana hat eine andere Wirkung, diese sollte jeder Übende individuell für sich selbst herausfinden. Einige Beispiele zur Verdeutlichung:

Tadasana (der Berg) kann z. B. mit Standhaftigkeit, Stabilität und innerer Ruhe assoziiert werden.

Vrksasana (der Baum) mit Zentrierung, Ausgeglichenheit und innerem Gleichgewicht.

Paschimottanasana (die Vorwärtsbeuge) mit Gefühlen von Demut und Hingabe, aber im Gegensatz auch mit Enge und Bedrängung.

Matsyasana (der Fisch) öffnet den Brustkorb, das Herz, kann aber auch ein Gefühl von Schutzlosigkeit und Verletzlichkeit auslösen.

So können verschiedene Asanas auch für das Üben an bestimmten psychischen Haltungen eingesetzt werden. Habe ich z. B. das Gefühl, meine Durchsetzungsfähigkeit, meine Unabhängigkeit mehr einüben zu wollen, so kann ich mich eventuell intensiver mit Tadasana, Virabhadrasana (der Krieger) oder Garudasana (der Adler) auseinandersetzen.

So können wir, vor allem im Einzelunterricht, sehr gezielt auf die Bedürfnisse des Übenden eingehen und die Haltungen noch durch Affirmationen, Mantras etc. verstärken.

Ein weiterer wichtiger Teil der Yogapraxis ist die Meditation. Kein anderer Bereich der Yogalehre ist so gut erforscht. Meditation wirkt in vielfacher Hinsicht positiv auf unsere psychische sowie physische Gesundheit. Einige möchte ich zum Abschluss noch nennen:

Meditation mindert Stressreaktionen.

Meditation lindert das Schmerzempfinden.

Meditation stärkt die Immunabwehr.

Meditation stärkt die Resilienzfähigkeit (mentale Flexibilität und Widerstandskraft).

Meditation unterstützt die Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen.

Meditation senkt den Bluthochdruck und kann somit koronaren Erkrankungen vorbeugen.

Meditation stärkt die Areale im Gehirn, die für die Stresskontrolle zuständig sind.

Meditation lindert Ängste und depressive Verstimmungen.

Meditation fördert den erholsamen Schlaf.


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