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Unvernünftige Verschwendung

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Als ich am Morgen nach der erneuten Begegnung mit Meike im Schwimmbad meine Bahnen zog und noch einmal an unser Gespräch zurückdachte, war ich traurig und wütend zugleich. Wütend, weil so viele engagierte Menschen unglaublich viel Energie einsetzen, die letztlich verpufft. Traurig, weil ich es schon so oft erlebt hatte, dass gerade diejenigen, denen die Fesseln der Lebendigkeit in Organisationen auffallen und die Impulse für eine andere Art zu arbeiten setzen, offenbar dabei häufig so sehr an ihre Grenzen kommen, dass sie keinen anderen Weg sehen, als zu gehen. Dabei bräuchten wir gerade sie, die einen scharfen Blick für die Verhältnisse haben, die ihre Organisationen gut kennen und die Ideen für hilfreiche Veränderungen haben.

Das Gespräch mit Meike machte mir wieder einmal deutlich: Im Streben nach Effizienz und Kontrolle in unseren Unternehmen entstehen eine Reihe von Mechanismen, die Lebendigkeit fesseln: Abteilungen, Hierarchien und die mit ihnen verbundenen Meeting-Rituale stehen echter Zusammenarbeit im Weg, wuchernde Regeln und Vorschriften, Kontrollen – unter anderem von Arbeitszeit und Anwesenheit – feste Prozesse und Anreizsysteme programmieren unser Verhalten. Das ist menschenunwürdig, und diese Art und Weise, sich zu organisieren passt einfach nicht mehr in die Zeit.

Dadurch fühlen sich irgendwie alle in ihrem Tun behindert: Unternehmer, Mitarbeiter, Vorstände, Werkstudenten, Geschäftsführerinnen, Auszubildende genauso wie Führungskräfte auf allen Ebenen. Viele sind davon erschöpft. Doch nicht nur die Menschen, auch die Organisationen sind systematisch überlastet, weil sie mit den dynamischen Umfeldern nicht mehr klarkommen, zu langsam sind und mit ungeeigneten Mitteln probieren, dem entgegenzuwirken.

Paradoxerweise bleibt durch die Überlastung genau das auf der Strecke, was einen immer größeren Stellenwert hat: die Wirtschaftlichkeit. Sie gerät immer mehr aus dem Blick, obwohl sie doch bei Toyota, einem der großen Vorbilder effizienter Produktion, schon wussten, dass nicht nur Defekte, Überproduktion, Wartezeiten, ungenutzte Fähigkeiten oder Transport zu Verschwendung führen können, sondern eben auch Überlastungen. Dafür haben sie in Japan sogar ein Wort: Muri. Und das bedeutet nicht nur »Verschwendung«, sondern auch »unvernünftig«.

Ich bin da ganz bei den Japanern: Diese Art Überlastungen in Kauf zu nehmen, ist unvernünftig. Doch es lohnt sich ein zweiter Blick. Was genau ist da unvernünftig? Ich sehe es so: Jeder in einem Unternehmen etablierte Prozess, jede Vorgehensweise ist der Versuch, ein Problem zu lösen. Das ist erst einmal weder unvernünftig noch dumm. Doch jeder Versuch, ein Problem zu lösen, hat auch seine Preise. Nehmen wir einmal die Planung der Produktion. Sicher nützlich, um effizient zu arbeiten. Doch an der Geschichte von Doris einige Seiten zuvor haben wir deutlich gesehen: Zu enge und zu starre Pläne im Dienste der Effizienz können dazu führen, Kunden zu verlieren. Das ist ein hoher Preis.

Inzwischen haben wir in unseren Organisationen sehr viele Prozesse mit sehr hohen Preisen. Das führt zu Zynismus, Polemik, Frust. Der – vermeintliche – Schwachsinn in unseren Unternehmen taugt zwar prima für Lästerrunden in der Kaffeeküche, launige Reden und lustige Fernsehserien à la Stromberg, doch dabei sollten wir es nicht belassen. Denn die fehlende Lebendigkeit in den Organisationen schadet den Menschen und den Unternehmen. Es wird, nein, es ist bereits längst Zeit für Alternativen.

Lebendigkeit entfesseln

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