Читать книгу Lebendigkeit entfesseln - Silke Luinstra - Страница 20
Folgen für Menschen, Organisationen und Gesellschaft
ОглавлениеIch weiß nicht, wie es Ihnen beim Lesen der letzten beiden Kapitel ging. Beim Schreiben hatte ich phasenweise ganz schön schlechte Laune, und in den Ärger mischte sich gleichzeitig mit jeder Zeile einmal mehr Traurigkeit. Weshalb?
Weil das, was ich auf den letzten Seiten beschrieben habe, sich nicht nur in unseren Organisationen, Behörden und Schulen abspielt. Das für sich genommen wäre schon beklagenswert genug. Es ist aber in der gesamten Gesellschaft präsent und hat Einfluss auf das Leben jedes Einzelnen. Viele von uns verbringen acht oder mehr Stunden am Tag an ihrem Arbeitsplatz, das ist ein großer Teil unserer wachen Lebenszeit. Dort etwas bloß »auszuhalten« ist bitter. Unsere Schülerinnen und Schüler sind zehn, zwölf oder dreizehn Jahre in diesem System unterwegs. Jetzt könnten Sie sagen: »Ja, nicht schön, aber das ist eben so. Es geht nicht anders, da muss man eben mal den Arsch zusammenkneifen.«
So viele haben sich daran gewöhnt, dass ihre Lebendigkeit gefesselt ist und bemerken es kaum noch.
Ich bin bei Ihnen, dass das mit dem Arsch manchmal notwendig ist. Doch als Dauerzustand über Jahre taugt das nicht. Der Preis dafür ist eindeutig viel zu hoch. Und wissen Sie, was das Schlimmste ist? So viele haben sich daran gewöhnt, dass ihre Lebendigkeit gefesselt ist und sie diesen Preis fortwährend zahlen, dass sie es selbst kaum noch bemerken – oder erst sehr spät. Wenn sich der Körper mit unüberhörbaren Zeichen wie Tinnitus, Verspannungen, Burn-out oder gar Herzinfarkt meldet. Und selbst, wenn es dazu schon gekommen ist, gilt die Aufmerksamkeit der Betroffenen nicht selten der Frage, wie sie schnell fit werden können, um wieder mitzulaufen im Hamsterrad. Zu klischeehaft? Ich würde mich freuen, wenn es so wäre, doch mir sind dafür schon zu viele Menschen begegnet, die genau diese Geschichten von gefesselter Lebendigkeit in ihren unterschiedlichen Facetten erzählen.