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DIE TEUFLISCHE FRAU
ОглавлениеEines der Lieblingsthemen im Heavy Metal wurde bereits 1966 von John’s Childrens »Smashed Block« vorweggenommen: die Frau als verhexend, bezaubernd, als Meisterin der Illusionen. Das liebeskranke Geflüster des Sängers wird von einem schwindelerregenden Strudel aus psychedelischen Sounds verschlungen, sein Verstand von einem Karussell der Verwirrung herumgewirbelt: »Where is the love I thought I’d found?« Liebe bedeutet Desorientierung, Debilität und Paralyse. Led Zeppelins »Dazed and Confused« (von der 1969er-Debüt-LP) bietet die definitive Version dieses Szenarios. Zwischen den unheilvollen Glissandos der Blues-Gitarre und einer lasziven Bassline erhebt sich eine Grabstätte, die Robert Plants schmachtendem Gestöhne und gequältem Geschrei Raum bietet. Plant liegt auf dem »killing floor« – eine gängige Blues-Metapher, die sich ursprünglich auf Schlachthäuser bezog. Sein Verstand ist vom schwindelerregenden Duft der Weiblichkeit umnebelt worden. Er steht an der Schwelle des Todes, schlaff und entkräftet, bis er und seine Musik es noch einmal darauf anlegen, sich aus dem Pfuhl der Verzweiflung freizukämpfen. Doch es nützt alles nichts: Die Riffmanie versinkt wieder im Moder, während Plant stöhnend und wimmernd seine letzten Sterbenslaute von sich gibt.
Das Motiv taucht 1971 auf Led Zeppelins unbetiteltem vierten Album wieder auf. In »Black Dog« ist Plant von Sehnsucht zerfressen; er schlottert und zittert wie auf kaltem Entzug, der bombastische, mörderische Riff charakterisiert Sex als zermürbende Qual. Wieder liegt Plant am Boden, diesmal finanziell und emotional,3 und kann nur beten, dass sie und ihre seelenlose Brut ihn verschonen.
Fleetwood Mac haben mehrere Klassiker über eine trügerische Femme fatale geschrieben, besonders bemerkenswert sind »Black Magic Woman« (mit der berühmten Coverversion von Santana) und »Gold Dust Woman« (von Rumours, 1977). Die Misogynie von letzterem Song wird kaum dadurch gemildert, dass er von einer Frau, Stevie Nicks, gesungen wird. Nicks ist eine passive Erzählerin, die die Qual des Mannes zugleich mit Häme und Sorge beobachtet. Die tödliche »Gold Dust Woman« ist elegant, aber trügerisch, und flutscht dem Mann durch die Finger. Sie ist eine flüchtige Illusion, die das Leben des armen Kerls genauso zertrümmert wie seinen Traum von der Liebe. Die Musik des Songs besteht aus einem schleichenden, unheilkündenden Blues mit einem langsamen Fade-out, wo ausgezehrte Heultöne und Schreie einer hohen männlichen Stimme in einem undurchdringlichen Soundmorast zu verschwinden scheinen. So sehr wurde der Mann von diesem weiblichen Geisterwesen heimgesucht, dass er zu einem Schatten seiner selbst geworden ist.