Читать книгу Sex Revolts - Simon Reynolds - Страница 21

WILD IN THE WILDERNESS

Оглавление

Lynyrd Skynyrds fiebriger funky Boogie fing die Niedergeschlagenheit, die dem Ende der Gegenkultur folgte, das Gefühl beschränkter Möglichkeiten, perfekt ein. Es gibt auch Gemeinsamkeiten mit der Outlaw-Country-Bewegung, deren Vorreiter Künstler wie Waylon Jennings und Willie Nelson waren und die die Entwicklung von Country hin zum Formatradio ablehnten. Wie Rock Anfang der 1980er, bemängelte die Outlaw-Bewegung die Schließung der American frontier: Rock bezog sich, wenn er den Verlust dieser Sphäre der Freiheit thematisierte, auf die 1960er. Im Falle von Country übernahm der Wilde Westen selbst diese Funktion. Und wo Rock den Biker romantisierte, war es im Country der Trucker, der als Cowboy des 20. Jahrhunderts galt. Beide Genres blickten zurück auf vergangene, glorreichere Zeiten.

Nach dem Krieg wurden ehemalige Soldaten, die nicht in der Lage waren, sich dem mittelmäßigen Leben in Frieden zuzuwenden, oft Trucker oder Biker. Beide waren eine Quasi-Lumpen-Version des Beatniks: »unterwegs sein, aber nie ankommen«, Aufputschmittel schlucken, um immer weiterzumachen, die Frauen zurücklassen. Der Optimismus und die Wanderlust der Beatniks hatten ihre Wurzeln auch in der Ausgelassenheit der Nachkriegszeit, ein Momentum, das seinen Höhepunkt in den 1960ern fand und dann in den 1970ern wieder nachließ. Anhand der Karriere des Schauspielers Dennis Hopper kann man den Verlauf dieses Phänomens gut nachzeichnen – von Billy, dem Hippie auf Achse in Easy Rider (1969), über den drogenabhängigen Psychopathen Frank Booth aus Blue Velvet zum gelähmten Biker Feck in Das Messer am Ufer (beide 1986). In den beiden letztgenannten Filmen spielten die Regisseure (David Lynch und Tim Hunter) mit Hoppers Aura als rebellischer Außenseiter, ein ikonisches Image, das er Easy Rider zu verdanken hat. Easy Rider (1969) war im Prinzip einfach nur die Aufbereitung eines Westerns für die psychedelische Ära. An einem Punkt des Filmes macht Billy sogar Witze darüber, dass er und sein Gefährte Captain America (Peter Fonda) in der Wildnis seien und gegen Cowboys und Indianer kämpfen würden. In Easy Rider ist der Wilde Westen gleichzeitig Geisteszustand und geografisches Gebiet. Die Aussage des Films: Die Gegenkultur hat mehr mit dem »wahrhaftigen« Spirit Amerikas zu tun (wilder Individualismus, Pioniermentalität, Abenteuerlust) als all die Flaggen schwenkenden Konformisten und Unternehmer, die sich selbst als patriotische Bürger sehen und Hippies als unamerikanisch verunglimpfen.

Wie in der echten Pionierära auch sind Frauen in Easy Rider extreme Randfiguren. Ziemlich am Anfang ihrer Reise von Los Angeles durch den trostlosen Südwesten machen die Helden mit ihren Motorrädern Stopp bei einem Bauern und zeigen sich von seiner Selbstständigkeit beeindruckt – stille, als Babymaschine fungierende Ehefrau inklusive. Es wird deutlich, dass sie ihn respektieren, weil er »sein eigener Mann« ist. Später besucht das Duo eine Hippie-Kommune, wo Aussteiger aus der Mittelschicht versuchen, ihre eigene Nahrung anzubauen und die Ideale der Pioniere neu zu erfinden. Wie auf dem guten alten Bauernhof sind auch die Frauen in der Kommune größtenteils damit beschäftigt, zu kochen und sich um die Kinder zu kümmern.

Als sie in New Orleans ankommen, besuchen Billy und Captain America ein Bordell, zeigen aber kein Interesse an einer derart banalen Aktivität wie Sex. Stattdessen nehmen sie zwei Prostituierte mit auf einen Acid-Trip. Auf dessen Höhepunkt umarmt Captain America eine Statue und schluchzt »Du bist so ein Trottel, Mutter, und ich hasse dich so sehr!«, ein Hinweis auf eine Art Anti-Momism, von dem seine Wanderlust angetrieben wird. Als sich die beiden schließlich wieder auf den Weg machen, wissen sie nicht, dass der Tod auf sie wartet. Der Film mag mit dem Tatendrang von Steppenwolfs »Born to Be Wild« begonnen haben. Am Ende ist aus diesem Mir-dochegal-Optimismus allerdings der Straße überdrüssiger Pessimismus geworden – veranschaulicht durch Roger McGuinns Version von Bob Dylans »It’s Alright, Ma (I’m Only Bleeding)«.

Mit all seinen Einflüssen – Unterwegs, Dylan, Ken Keseys Romantisierung der Hells Angels – verwundert es kaum, dass Easy Rider einen misogynen Subtext hat. Ellen Willis sah den Film als weiteres Symptom des Sexismus innerhalb der Gegenkultur: »Manche Helden der Gegenkultur6 setzen Rebellion mit der Behauptung ihrer Männlichkeit gleich, werden unausstehlich aggressiv, arrogant und gewalttätig und vertreten eine Utopie, in der Frauen zu den gesichtslosen Objekten ihrer sexuellen Fantasien degradiert werden.« Doch das Projekt der Hippies, den Pioniergeist wieder aufleben zu lassen, ging von Beginn an mit Problemen für Frauen einher. Wie Peter N. Carroll und David W. Noble in The Free and the Unfree: A New History of the United States schreiben, waren »Grenzen das Terrain von Soldaten, den stärksten jungen Männern«, und das Überleben in diesem Terrain verlangte eine Soldatenmentalität. Ein Teil des Reizes liegt darin, dass es hier keine Frauen gibt, beziehungsweise nur solche, die einem festen Zweck dienen: Wunden versorgen, heißes Wasser aufsetzen und darauf warten, dass die Männer von ihren Abenteuern zurückkehren.

In etwa zu der Zeit von Easy Rider machte Sam Peckinpah Filme wie Pat Garrett jagt Billy the Kid und The Wild Bunch – Elegien auf den Wilden Westen, in denen der von der Gegenkultur thematisierte Verrat am ursprünglichen Entdeckergeist Amerikas Widerhall findet. Für Peckinpah wurde der Wilde Westen von einer »natürlichen Gerechtigkeit« regiert: Macht bedeutet Recht, wer den Revolver am schnellsten zieht, gewinnt. Peckinpah wuchs als Cowboy und Jäger auf, ging auf eine Militärschule und kämpfte anschließend bei den Marines. Seine Persönlichkeit passte mit Sicherheit gut zu der Soldatenmentalität, die im Grenzland zwischen Zivilisation und Wildnis gedieh: Er war paranoid und schlief mit einem Gewehr in Reichweite. Außerdem war er ein Workaholic, der fürchtete, dass Inaktivität ihn seiner maskulinen Lebensessenz berauben würde (nach James Coburns Einschätzung hatte Peckinpah »Angst davor, sich aufzulösen«, wenn er zu arbeiten aufgehört hätte).

Ein Peckinpah-Film war eine exklusiv männliche Wüstenei voller im Gefecht gestählter Kameradschaft, wo aufgestauten Emotionen in orgiastischen Massakern Luft gemacht wird. Peckinpahs Ethos des einsamen Cowboys zieht sich durch die Rockkultur, von den Eagles mit dem Album Desperado über Los Lobos’ How Will the Wolf Survive? zum unverblümten Kitsch von Bon Jovis Blaze of Glory. Im Heavy Metal fand die von Peckinpah propagierte Überlebenskunst oftmals eine neue Heimat. Auf ihrem selbstbetitelten Album von 1991 schrieben die kriegsbesessenen Metallica mit »Of Wolf and Man« eine Hymne auf die Wildnis, während ihr Sänger James Hetfield in »Wherever I May Roam« die offene Straße als seine Braut bezeichnet und knurrt: »Off the beaten track I reign«. Dann gibt es noch Ted Nugent, den Altmeister des Metal der libertären Rechten, mit Songs und Alben wie »Fist Fightin’ Son of a Gun« und Weekend Warriors (1978). Nugent kombiniert den sexuellen Raubzug des Heavy Metal mit einer ziemlich buchstäblichen Besessenheit von der Jagd. Er bringt sogar sein eigenes Jagdmagazin (spezialisiert auf die Jagd mit Pfeil und Bogen) heraus und propagiert darin die mystische Beziehung aus »gemeinsamem Respekt« zwischen Jäger und Beute.

Sex Revolts

Подняться наверх