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BROTHERS IN ARMS: COMBAT ROCK UND ANDERE GESCHICHTEN FÜR JUNGS

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Die Grenze, die Straße, die Wildnis: Das Reich des Rebellen ist eine Welt ohne Frauen. Eine weitere solche frauenfreie Zone ist das Schlachtfeld. In Männerphantasien psychoanalysiert Klaus Theweleit die Kriegermentalität und entlarvt den »Soldatenmann« als jemanden, der die Brüderlichkeit der Schlacht nutzt, um Robert Blys »Kraftfeld« der Frauen zu entkommen. Theweleits Fokus liegt auf den Freikorps, rechten Milizen, die aus Veteranen des Ersten Weltkriegs bestanden und Aufstände der deutschen Arbeiterklasse im Nachkriegschaos niederschlugen. Diese Soldaten glaubten an eine tiefe Verbindung zwischen der Schmach des Deutschen Reiches durch die Siegermächte des Ersten Weltkriegs und ihre eigenen Gefühle der Entmannung durch die Abrüstung nach Kriegsende. Diese bedeutete für sie eine entwürdigende Rückkehr ins bürgerliche Leben, in die Häuslichkeit – die Welt der Frauen. Sie sehnten sich nach einer neuen kraftvollen Vaterfigur und fanden diese später in Hitler. In der Zwischenzeit erlaubten es ihnen die bürgerkriegsartigen Zustände – im Kampf gegen den »inneren Feind«, das deutsche Proletariat –, ihren Traum von einem heldenhaften Leben aufrechtzuerhalten.

Von protofaschistischen Freikorps zu den linken, aufrührerischen Punkhymnen von The Clash scheint es ein großer Sprung. Und doch strotzen Clash-Songs nur so vor Sehnsucht nach Ruhm und verwenden als Munition ihre militaristische Bildsprache. All ihre Vorbilder sind jung, maskulin und in irgendeinem Sinne im Krieg – manchmal wortwörtlich, wie die Guerillaorganisation der Sandinisten oder die Baader-Meinhof-Gruppe, und manchmal symbolisch, als Abtrünnige, die eine gescheiterte, verhängnisvoll gefährdete Gesellschaft ablehnen. Ihr Œuvre gleicht einem Fest der Rebellen-Ikonografie, von den klassischen amerikanischen Außenseitern (James Dean, Montgomery Clift, Marlon Brando, Robert De Niro als Travis Bickle, die Selbstjustiz übende Hauptfigur aus Taxi Driver, die Revolverhelden aus Die glorreichen Sieben) bis zu den jamaikanischen Rude Boys aus The Harder They Come und den Rastafari-»Exiles on Main Street« des Roots Reggae.1

Neben ihrer Heldenbesessenheit war auch The Clashs Weltanschauung homosozial bis ins Extrem. Nun ist es zwar nicht so, dass ihre Songs frauenfeindlich wären. Vielmehr haben sie nichts zu, über oder für Frauen zu sagen. Die Anzahl der Songs in ihrem riesigen Katalog, die sich an eine Frau richten oder eine solche auch nur erwähnen, lässt sich an einer Hand abzählen. Dafür gibt es eine schier endlose Menge an Hymnen, die die »Jungs« zum Handeln aufrufen. Die wahre Leidenschaft von Clash gilt eben nur der Glückseligkeit männlicher Kameradschaft, der Stärke einer Gruppe, die sich irgendwo zwischen Jugendgang und militärischer Formation einordnen lässt. Ein sogenannter »Traumbrief« des Beatpoeten John Clellon Holmes an Allen Ginsberg von 1954 illustrierte The Clashs Spirit bereits Dekaden, bevor sie überhaupt existierten: »Die reinste soziale Institution, die sich dem Künstler als Heimat bietet, ist die Jungs-Gang.« Ginsberg fügte hinzu: »nicht die parfümierte gesellschaftliche Heirat.« Vielleicht brachte die Erkenntnis dieser gemeinsamen homosozialen Empfindsamkeit Ginsberg dazu, für den Track »Ghetto Defendant« auf The Clashs Combat Rock (1982) einige Zeilen zu schreiben und darauf vorzutragen.

Schon früh wurden The Clash mit den Sex Pistols in Bezug gesetzt, jede der beiden Bands repräsentierte eine Seite der Seele von Punk. The Clash waren sein Über-Ich: sozial engagiert (wenn auch selten mit expliziter politischer Zugehörigkeit), idealistisch und generell lebensbejahender. Die Sex Pistols hingegen waren das Es von Punk: ungebändigte Negativität, die zwischen Zorn und Selbstverletzung schwankte und letzten Endes zu Solipsismus und Selbstzerstörung tendierte. Bei The Clash ging es um das Zusammenkommen, darum, einen Sinn für Gemeinschaft zu entwickeln, die von politischer Unzufriedenheit zusammengehalten wird. Die Sex Pistols wollten die Gemeinschaft sprengen, ihre Kunst glich einem perversen Theaterstück. Darum konnten die Pistols die Existenz von Sexualität zumindest anerkennen, wenn auch nur in den Begrifflichkeiten von Horror und Ekel (wie in »Bodies« und »Submission«). Die Musik von The Clash gehört dagegen mit zum Keuschesten, was je im Rock ’n’ Roll erschaffen wurde: mit heiserer Stimme gebrüllte Hymnen des Aufstands, getragen von martialischen, unsynkopierten Rhythmen.

»Wir haben darüber viel in der Gruppe diskutiert«, erinnerte sich Joe Strummer. »Bernie2 pflegte zu sagen: ›Ein Thema, ein Thema. Schreibt nicht über Liebe, schreibt darüber, was euch bewegt, was wichtig ist.‹« Einer der wenigen Songs über eine Beziehung zu einer Frau stammte aus der Feder von Mick Jones und hieß »I’m So Bored with You«. Joe Strummer hatte sich jedoch verhört und stattdessen »I’m So Bored with the U.S.A.« verstanden, also schrieb er einen antiamerikanischen Text für den Song. Man kann kein dramatischeres Beispiel dafür verlangen, wie Punk die Kunst der Ablehnung von den Herabsetzungssongs der Mods abgeschaut und Frauenfeindlichkeit in Militanz verwandelt hat. Der einzige Track auf ihrem Debütalbum The Clash (1977), der Sexualität auch nur zur Kenntnis nimmt, ist »Protex Blue«, in dem es um die Seelenlosigkeit flüchtiger sexueller Kontakte geht.

Ihre wahres Thema fanden The Clash in Frustration, Langeweile und der Gier nach Taten. In »London’s Burning« lodert die Metropole vor lauter Langeweile. »Career Opportunities« richtet sich gegen seelenlose Jobs und »48 Hours« gegen den Wochenend-Lifestyle mit seiner faden Jagd nach Kicks, während sich der Montag stets drohend im Hintergrund abzeichnet wie ein »jail on wheels« – ein Gefängnis auf Rädern. Dieser graue Sozialrealismus – Bilder von Hochhäusern und Warteschlangen – war innovativ und stellte einen radikalen Bruch mit der Rock-’n’-Roll-Tradition dar. Doch das emotionale Gerüst, auf dem The Clash aufbauten – gelangweilte Jungs, die sich losreißen und loslegen – hätte traditioneller kaum sein können.

Man vergleiche The Clash mit einem Album, das weniger als ein Jahr zuvor erschienen war, Thin Lizzys Jailbreak. Die irischen Hardrocker präsentierten eine mehr oder weniger identische Mischung aus Abtrünnigen-Mythos und der Mittsiebziger-Furcht vor Totalitarismus, nur dass sie diese in Science-Fiction-Bildern ausdrückten und das Ganze in einen Sound kleideten (von Hendrix inspirierten Raunch’n’Roll), der nur minimal traditioneller war als die »Garageland«-Stampfer von The Clash. Jailbreak ist eine Art Konzeptalbum, das in einer von Computern kontrollierten, dystopischen Zukunft spielt und von einer Revolte gegen den bösartigen »Overmaster« erzählt. Die Sleevenotes beschreiben eine Bande Gefangener (nämlich Thin Lizzy), die einen Gefängnisaufstand starten und ausbrechen. Dann nehmen sie »ausgewähltes Material« auf und senden es, was »eine Anhängerschaft« inspiriert, »die dann auf die Straßen geht und etwas lostritt, was schließlich zum finalen Krieg werden wird«. In Songs wie »Warriors«, »Fight or Fall« und »Cowboy Song« deklinierte Frontmann Phil Lynott dieselben Archetypen männlicher Rebellion durch, die The Clash auf späteren Alben nachahmen würden, während die Hitsingle des Albums, die Hymne »The Boys Are Back in Town«, ohne Zweifel Allen Ginsbergs herzliche Zustimmung gefunden hätte.

Im Jahr des Durchbruchs von Punk waren Thin Lizzy kurzzeitig Kritikerlieblinge. »The Boys Are Back in Town« schaffte es 1976 auf Platz eins der Kritikerumfrage des NME. Doch nachdem Punk 1977 zum Neuen Testament geworden war, wurden Thin Lizzy aus dem Paradies verbannt – wegen ihres sentimentalen Romantizismus und ihres prahlerischen Chauvinismus. Die Gemeinsamkeiten zwischen den Jungs-Genres Hardrock und Punk wurden allerdings noch einmal betont, als Steve Jones und Paul Cook nach dem Ende der Pistols anfingen, mit Phil Lynott abzuhängen, und das kurzlebige Projekt The Greedies ins Leben riefen. Was The Clash anging, war es – trotz ihrer Erklärung, 1976 sei das Jahr Null der Rockmusik – immer klar, dass sie der Rock-’n’-Roll-Tradition tief verbunden waren, auch wenn damals niemand die Gemeinsamkeiten mit Thin Lizzy erkannte. Unweigerlich wurden ihre Musik und ihr Image, trotz »I’m So Bored with the U.S.A.«, immer amerikanischer, je stärker sie den Sog des dortigen Marktes spürten. Vier Jahre später spielten sie als Vorband für die betagten Rock-Rebellen The Who in riesigen US-Stadien. Ihr Platz im Rock-Pantheon war gesichert, als der Rolling Stone ihre Doppel-LP London Calling zum besten Album der 1980er wählte.3

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