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STREET FIGHTING MEN

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All das liegt dem Romantizismus von The Clash fern. Und doch macht einen Teil ihres Reizes aus, dass sie eindeutig Kämpfer waren. Der anfänglichen, von der Kunsthochschule beeinflussten Phase (Kleidung, die mit Slogans beschmiert war oder mit Flecken, die an Jackson Pollocks Action Painting erinnerten) folgte ein Image, das militärische Kleidung mit den Tollen und dem Leder des traditionellen amerikanischen Rockrebellen kreuzte. Bilder des vom Bürgerkrieg erschütterten Belfast dienten ihnen als Hintergrundkulisse und Coverfotos; viele Songs spielten zu Kriegszeiten und verwendeten eine martialische Bildsprache. »1977« vom Debütalbum imaginiert, wie der mit der Oberschicht assoziierte Londoner Stadtteil Knightsbridge von Maschinengewehrfeuer attackiert wird. Auf dem Höhepunkt der in den Medien verbreiteten Panik wegen Punk wurden ihre Gigs regelmäßig von örtlichen Behörden abgesagt, woraufhin Bernie Rhodes davon fantasierte, als Reaktion auf eine dieser Absagen mit einem Panzer vor dem Stadtrat aufzufahren.

Als ihr zweites Album Give ’Em Enough Rope 1978 erschien, hatten sich The Clash zu Anführern einer abgerissenen Anhängerschaft aufgeschwungen, die sie zu einer Zeit mobilisierte, als Großbritannien von Arbeits- und politischen Grabenkämpfen sowie einem wirtschaftlichen Zusammenbruch auseinandergerissen zu werden schien. Auf dem Album finden sich Songs wie »English Civil War« und »Tommy Gun« und in der Hülle befand sich ein Poster, auf dem The Clash vor einer Weltkarte posierten, auf der Konfliktzonen und Orte, an denen Gräueltaten begangen wurden, markiert sind. Auf London Calling (1979) sehnt sich »Spanish Bombs« nach den Heldentaten, die der Spanische Bürgerkrieg möglich gemacht hatte, während »Death or Glory« laut jenen Kompromiss beklagt, der irgendwann jeden Rebellen zerbricht: Häuslichkeit. Ob Kleinkriminelle oder Rock ’n’ Roller: Sie alle werden dadurch ruiniert, dass sie »payments on a sofa or a girl« zu leisten haben. Der Titeltrack inszeniert sich als Radioübertragung im stream of consciousness vor einer apokalyptischen Kulisse des sozialen Verfalls. Der Titel des Songs bezieht sich auf die Propagandasendungen der BBC im Zweiten Weltkrieg, während der Refrain ein Weckruf sein will, gerichtet an die »Zombies« Großbritanniens im kulturellen Tiefschlaf. Diese Metapher würde die Band Jahre später mit der Single »This Is Radio Clash« wieder aufgreifen, einer weiteren Piratenradiosendung im Krieg, in der die Band »aural ammunition«5 verschoss. Die quasi gerappten Lyrics schauten auf die panoramaartig-paranoiden Visionen von Public Enemy voraus, die Rap als das »schwarze Äquivalent zu CNN« betrachteten, dem amerikanischen Nachrichtenkanal, der rund um die Uhr News sendet.

Der Titel des nächsten Albums Sandinista! (1980) zollte den Guerillakämpfern in Nicaragua Tribut, die ein korruptes, von den USA abhängiges Marionettenregime gestürzt hatten. Combat Rock (1982) stellte ihren bislang offensichtlichsten und plumpesten Versuch dar, The Clash als Musik »for fighters, not lovers« zu definieren. Die Hitsingle, die Combat Rock abwarf, »Rock the Casbah«, erzählt von einem islamischen Herrscher, der einen Bombenangriff auf ein Gebäude anordnet, in dem Rockmusik gespielt wird; ein nicht ernst gemeintes Szenario, dem dennoch ein Hauch Neid angehaftet haben könnte: die Vorstellung, wie aufregend es wäre, in einer Gesellschaft zu leben, wo Rockmusik zu spielen oder auch nur zu hören als Staatsverbrechen gilt. Ein konkretes Feindbild – der Traum des Rebellen!

Zwischen all der militaristischen Bildsprache konnte man auch Antikriegssongs wie »The Call Up« (von Sandinista!) finden, eine spukhafte, vom Dub beeinflusste Illusion von einem Song, die von den damals in den USA neu eingeführten Regelungen zur militärischen Einberufung inspiriert worden war, oder das erschütternde »Straight to Hell« (von Combat Rock), eine fünf Strophen lange Höllentour durch diejenigen Gebiete der Erde, in denen Kindersoldaten ausgebeutet wurden. Wie jede große Rock-’n’-Roll-Band waren The Clash zutiefst verunsichert, ein Gewirr aus Widersprüchen. In der einen Minute konnten sie es kaum erwarten, für einen noblen Zweck in die Schlacht zu ziehen; in der nächsten schreckten sie vor dem Gemetzel und den geschundenen Seelen des Krieges zurück.

Eines war klar: The Clash hatten das Temperament von Kriegern. Wie es Lenny Kaye in »Americlash« ausdrückte, seiner Hommage an die Band, die 1991 der CD-Retrospektive Clash on Broadway beigelegt war: »Jeder gute Aufstand braucht einen Anlass, oder zumindest sahen das The Clash so. Die mythische Struktur der Musik war gewaltig genug, um einen Soundtrack für jedes Phantombild zu liefern, ein Ruf zu den Waffen, der sowohl spirituell als auch militant war, je nachdem, in welche Richtung der kulturelle Wind blies. […] Was die Konfrontation auslöst, ist kaum relevant.« Kaye scheint instinktiv verstanden zu haben, dass der Drang zu rebellieren zuerst kommt und die Suche nach einem Anlass dann erst folgt.

Die Grenzen zwischen The Clashs gegen das Establishment gerichteter Militanz und dem Militarismus für Königin und Land verschwammen jedoch manchmal. Als sie Give ’Em Enough Rope aufnahmen, langweilten sie die zahllosen Takes, die Produzent Sandy Pearlman von ihnen verlangte. Also ging Dave Mingay, der Regisseur des The-Clash-Films Rude Boy, zum Imperial War Museum und lieh dort Filmaufnahmen aus dem Zweiten Weltkrieg aus. Eine große Leinwand wurde im Studio errichtet und Filme wie The Defence of Stalingrad, Die letzte Schlacht und El Alamein zwischen den Takes gezeigt. »Bomber flogen über das Studio, während wir herumsaßen oder spielten«, erinnerte sich Paul Simonon später. Vielleicht sehnten sich The Clash wie Jimmy Porter in Blick zurück im Zorn in Wirklichkeit nach einem Britannien, das wahrhaft groß war, ein Land, das ihren Stolz und ihre Leidenschaft verdiente, ein Land, für das es sich zu sterben lohnte.

So wie Porter seinen Zorn gegen die fügsame, stets pflichtbewusst hinter dem Bügelbrett stehende Ehefrau richtete, schienen auch The Clash die Hausfrau als Antithese zum abtrünnigen Wagemut, den sie anstrebten, zu betrachten. Einer ihrer bewegendsten Songs, »Lost in the Supermarket«, zeichnet mit viel Empathie ein Porträt einer gebrochenen Person mit unklarer Geschlechtszugehörigkeit (entweder eine unterdrückte Hausfrau oder ein männlicher Niemand), deren Welt aus Ablehnung und einem kleinen Horizont besteht. »I wasn’t born so much as I fell out«, bezeugt sie/er. Später wird aus ihr/ihm ein ängstliches, sich klein machendes Tierchen, eingepfercht zwischen vorstädtischen Hecken, die zu groß sind, um darüberzuschauen. Einzig in Konsumgütern und Ausschussware findet diese fragile, schwermütige Person Beistand. Wie so oft in rebellischer Rockmusik, dient Shopping, eine Aktivität, die mit Weiblichkeit assoziiert wird, als negatives Symbol, im Fall von The Clash für die Kastration dieser traurigen Figur.

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