Читать книгу Sex Revolts - Simon Reynolds - Страница 32
PRETTY GIRLS MAKE GRAVES
Оглавление»Im Höhepunkt der erotischen Hingabe, wenn die aktive, pulsierende Erektion des Mannes in Umarmung mit den passiveren Zuckungen innerhalb des Beckens der Frau abschwillt, sehnt sich der Mann danach, sich seinem passiven Kinderwunsch hinzugeben. Ein Mann jedoch, der diese Gefühle und Wünsche fürchtet, wird [seinen Penis] schnell wieder herausziehen. […] Für so einen Mann bedeutet die Erektion das Leben, Ejakulation und Abschwellung den Tod.«
Louise Kaplan, Female Perversions
Etwas Ähnliches wie das, was Louise Kaplan hier beschreibt, findet in »Ann« statt, einem der besten und verstörendsten Songs der Stooges und der Prototyp von »Submission«. Iggy fühlt sich, als würde er im »swimming pool« der geweiteten Pupillen seines Mädchens treiben. Es ist ein angenehmer Tagtraum und doch fühlt er sich schwach und bedrückt: Das Mädchen hat seinen Willen gebrochen. Es gibt eine ähnliche Szene in Sartres Geschlossene Gesellschaft, als Garcia Estelles Verführungsversuche von sich weist: »Ich werde mich nicht in deinen Augen verlieren. Du bist weich und glibberig. Igitt! Wie ein Tintenfisch […], wie ein Sumpf.« »Ann« ist eine Ballade, die Iggy wie ein bekiffter Sinatra in betörendem Gitarrendunst singt. Plötzlich steht er vor dem gleichen Dilemma wie ein Freikorps-Soldat vor einer drohenden Menschenmenge, von Theweleit umschrieben als »verschwinden oder töten«. Iggys Geschmachte wird plötzlich zu wildem Knurren und sein schummriges »I love you« verwandelt sich von amouröser Passivität in ein aktives Verb, wenn er den Kampfschrei »RIGHT NOW« hinzufügt. Plötzlich fängt der Song Feuer und die weiche, klare Gitarre erstarrt in einem Riff, das vor Bedrohung Funken versprüht. Die Idylle der Liebe wird zertrümmert, als phallisches Verlangen sein hässliches Haupt erhebt.
Songs, die vor dem »Abgrund« der weiblichen Sexualität zurückschrecken, gibt es im Rock zuhauf. Von John’s Childrens »Smashed Blocked« bis zu »You’re Too Much« von The Eyes: Der Freakbeat der 1960er war ein aufgedrehter Mix aus dringlicher Lust und der Furcht, sexuell verschlungen zu werden. In »You’re Too Much« kommt der männliche Protagonist mit einem Mädchen nicht klar, das ihm zu schnell und inbrünstig ist. Sie gehört einer jüngeren, wilderen Generation an als er und so ist er »starved of my relaxation« – eine seltsame Wendung, wenn man bedenkt, dass ein anderer Eyes-Song, »My Degeneration«, das für die 1960er typischere Szenario bemüht, in dem ein Junge auf ein Mädchen herabblickt, weil sie zu prüde, frigide und uncool ist, um befriedigt zu werden. Als die Gitarren gegen Ende von »You’re Too Much« in Flammen aufgehen, wird die Stimme des Sängers von einer Flut an Sounds überschwemmt: eine wunderschöne wie schreckliche sexuelle Apokalypse, die die Ohren überwältigt.
Anderthalb Dekaden später legten The Smiths mit »Pretty Girls Make Graves« (von The Smiths, 1984) ein ähnlich aufrichtiges Bekenntnis männlicher Schwäche angesichts weiblicher Unersättlichkeit ab. Morrissey mag den Ausdruck »Pretty girls make graves« von Jack Kerouac geborgt haben (es war eine seiner liebsten Redensarten), aber in dem Song geht es weniger um die Furcht davor, sich niederzulassen, als vielmehr um die schreckliche Angst, von den »girls« sexuell verschlungen zu werden. Morrissey will eine platonische, intellektuell wie spirituell anspruchsvolle Beziehung, das Mädchen seinen Körper. In dieser geistreichen Umkehrung des Mackertums der Rockrebellen ist es Morrissey, der das welkende Mauerblümchen spielt, während die Frau den ungeduldigen, sexuell frühreifen Grobian gibt. Sie verlässt einen verbitterten Morrissey für den ersten dämlichen, aber potenten Typen, der ihr über den Weg läuft. Vielleicht ist das »Grab« der hübschen Mädchen nicht einfach nur eine Grabstätte für die zerschmetterten romantischen Illusionen des Mannes, sondern vielmehr der Tod von »Ejakulation und Abschwellung«, der laut Louise Kaplan zur sexuellen Furcht des Mannes führt?